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chönbuM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Ukr des vorhergehenden Tages. u«d Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf- Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonnabend, den 1. März 1884. Die noch rückständigen Commun-Anlagen sind nunmehr ungesäumt anher zu bezahlen. Stadtsteuer-Einnahme Waldenburg am 28. Februar 1884. "Waldenburg, 29. Februar 1884. Wochenschau» Selten ist der Carneval so trocken und einseitig verlaufen wie diesmal. Freilich ein komisches Er- eigniß giebt es zu verzeichnen, aber bei seiner Er wähnung vergeht Einem das Lachen: Das tugend hafte, Missionare entsendende und Bibeln vertheilende England, das für jeden seiner habsüchtigen Pläne die Culturaufgaben als Vorwand hinstellt, hat im Sudan den Sclavenyandel wieder gestaltet. Das ist eine gräßliche Parodie! Was hat diese abscheu liche Maßregel den Herren an der Themse nun geholfen? Nichts! General Gordon sitzt in Khartum, redet viel und richtet nichts aus, und in der Gegend von Suakin breiten sich die Araber nach der Er oberung von Tokkar immer mehr aus. Die eng lische Expedition rückt ihnen entgegen, eine Schlacht sollte staltfinden, und vielleicht macht ein Sieg der Briten dem Trubel ein Ende. Pajsirt aber wieder ein unverhoffter Zwischenfall, so können sich die Engländer nur in Acht nehmen. Der offene Ueber- trilt aller egyptischen Truppen zu den Aufständischen würde die Folge sein. Für uns Hal Carnevalsausgang und Aschermitt woch ein freudiges Ereigniß gebracht: Das Ein treffen der russischen Deputation in Berlin, welche Kaiser Wilhelm aus Anlaß der 70. Wiederkehr des Tages der Schlacht von Bar-sur-Aube begrüßt, nach welcher der damalige Prinz Wilhelm von Preußen in Folge seiner Unerschrockenheit in der Schlacht den russische!! St. Georgsorden erhielt. Der Kaiser hat den Herren von der Deputation seine Freude über ihr Erscheinen ausgesprochen und bei dem Galadiner einen herzlichen Toast auf den Czaren ausgebracht. Die Entsendung der Deputa tion hat aber noch eine größere Bedeutung, als die des Beweises der persönlichen Freundschaft des Czaren und Kaiser Wilhelm's, sie verbürgt auch, daß Rußland emsig bemüht ist, jede politische Freund schaft zu dem Nachbarreiche herbeizusühren, welche für mehrere Jahre durch die antideutsche Politik Gortschakow's empfindlich gestört wurde. Giebt es auch wohl kein Dreikaiserbündniß wieder, es genügt, in Rußland einen weiteren Träger wahrer Friedens politik zu sehen. Recht still sah es auf dem Gebiete der inneren deutschen Politik aus. Die in der nächsten Woche bevorstehende Reichslagseröffnung wird erst regeres Leben schaffen. Zu arbeiten findet übrigens das deutsche Parlament entgegen früheren Ansichten reichlich vor. Der Bundesralh hat tapfer gearbeitet, und so werden bis dahin außer der Unfallversiche rungsvorlage, dem Acliengesetz noch weitere kleinere Vorlagen fertig sein. Von den Sitzungen der Ein zellandtage ist nicht viel zu sagen. Beschlüsse von größerer Bedeutung wurden nirgends gefaßt. Die Lasker-Affaire machte noch immer von sich reden, und namentlich wurden gegen den Gesandten der Vereinigten Staaten in Berlin, Mr. Sargent, noch zahlreiche Angriffe gerichtet. Geholfen zu haben scheinen sie aber nicht viel, denn, wenn nicht alles trügt, wird Mr. Sargent nach wie vor in Berlin bleiben, obgleich seine Stellung nicht gerade eine angenehme dort ist. Indessen er ist ein Yankee! Einigen Anlaß zur Aufmerksamkeit gaben auch die Fastenhirtenbriefe der katholischen Bischöfe, in denen mit mehr oder weniger Bestimmtheit der Wunsch nach gänzlicher Beilegung des Kirchenstreites und Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes ausgesprochen ist. Die Erfüllung, namentlich des letzteren wird aber wohl nicht so schnell erfolgen. Viel mehr, wie aus Deutschland, ist auch aus dem Auslande, abgesehen von Egypten, nicht zu melden. In Frankreich wartet die Regierung sehn süchtig auf Siegesnachrichten aus Tonking, und besonders auf die Erstürmung Bacninh's, um endlich gegen die inneren Unruhen einen großen Trumpf ausspielen zu können. Ob freilich die Arbeiter, deren Brodlosigkeit noch immer in hervorragendem Maße zur Besprechung Anlaß giebt, davon satt werden, ist die Frage. Das Deficit im Etat ist noch immer nicht beseitigt. Trotz Allem und Allem fehlen noch 15 Millionen. In Christiania ist nunmehr das Uriheil gegen den ersten der wegen Verfassungsbruches angeklagten Minister, den Staatsminister Selmer, ausgesprochen. Wie zu erwarten war, lautet es auf Schuldig. Der Minister ist seiner Aemter für verlustig erklärt und in die sehr großen Kosten verurtheilt. So weil wäre nun Alles in Ordnung; es fragt sich nur, wer soll das Urtheil zur Ausführung bringen? Der König wird gewiß nicht seine Zustimmung dazu geben. "Waldenburg, 29. Februar 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Am Donnerstag empfing der Kaiser verschie dene hohe Offiziere, darunter den Kriegsminister Bronsart v. Schellendorf und den commandirenden General des 7. Armeecorps, Generallieutenant von Witzendorf. Mittags nahm der Kaiser mit dem Großfürsten Michael und den kronprinzlichen Herr schaften gemeinsam das Dejeuner ein, und empfing am Nachmittage die russischen Generale in Abschieds audienz. Abends fand im kaiserlichen Palais eine musikalische Soiree statt, der der Großfürst Michael beiwohnte. Um 10 Uhr 20 Minuten reiste derselbe mit dem Eisenacher Courierzug nach Stuttgart ab. Dem Großfürsten ist noch die Kelte des Schwarzen Adlerordens verliehen worden, dessen Decoration er bereits am 14. Juni 1868 empfangen. Durch Verleihung der Kelte erhält der Großfürst Sitz und - Stimme im Kapitel des Ordens. Ueber das Galadiner, welches am Mittwoch Abend 6 Uhr zu Ehren der russischen Deputation im kaiserlichen Schloß in Berlin statlfand, bringen wir Folgendes: Den Ehrenplatz an der in Hufeisenform aufgebauten Tafel nahm der Groß fürst Michael zwischen dem Kaiser und der Kaiserin ein, die es sich trotz ihres leidenden Zustandes nicht halte nehmen lassen, die Honneurs zu machen. Zur Rechten des Kaisers saßen die Kronprinzessin, Prinz Wilhelm, die Erbprinzessin von Meiningen, Prinz Albrecht u. s. w. Neben der Kaiserin tafelten der Kronprinz, die Prinzessin Christian, Prinz Friedrich Karl, Prinzessin Victoria u. s. w. Gegenüber dem Kaiser saß Graf Moltke zwischen den Generalen Gurko und Schuwalow. Gegen Schluß des Diners brachte der Kaiser folgenden Trinkspruch (in fran zösischer Sprache) aus: „Ich fühle mich gedrungen, Ew. Kaiserl. Hoheit auszudrücken, wie sehr ich von der Aufmerksamkeit Sr. Majestät des Kaisers ge rührt bin, daß er meiner gedacht Hal an oiesem Jahrestage, an welchem ich den St. Georgsorden empfangen, nachdem ich mit der russischen Armee, und besonders mit dem Regiment Kaluga, dessen Chef ich bin, unter den Augen meines Vaters ge kämpft. Tief bewegt durch diese schmeichelhafte Er innerung, wünsche ich, daß Eure Kaiserliche Hoheit ebenso wie die Offiziere, welche zu dieser Deputa tion ausgewählt sind, die Dolmetscher meiner dank baren Gefühle beim Kaiser sein mögen. Ich trinke auf das Wohl Sr. Majestät des Kaisers aller Russen!" Nachdem die Klänge der von der Musik hierauf intonirten russischen Volkshymne verhallt waren, erwiderte der Großfürst Michael den Trink spruch und trank im Namen des Czaren auf das Wohlsein des Kaisers. Bald darauf wurde die Tafel aufgehoben. Alle Ehrenbezeugungen und Freundschaftserweisungen, die, wie die in Rede stehende, unserem Kaiser werden, können auch die deutsche Nation nur im höchsten Grace sympathisch berühren. Was die politische Bedeutung dieser Deputation anbetrifft, so ist an der Aufrichtigkeit der freundschaftlichen und friedlichen Gesinnungen, die in der Staatsleitung Rußlands Deutschland gegenüber jetzt vorherrschen, jeder Zweifel ausge schloffen. Die Politik ist unmittelbar von der höch sten Stelle aus inspirirt und es unterbleibt nichts, um diesen gerade m Rußland höchst wichtigen Charak ter des Verhältnisses zu docum.entiren. Der Kaiser hat dem Großfürsten Michael eine verkleinerte bronzene Kopie des Nieberwalddenk- mals als Geschenk überwiesen. Das Geschenk er scheint gegenüber der früher in Rußland vorherr schenden Neigung für die Franzosen bedeutungsvoll. Fürst Bismarck trifft bestimmt Anfang März, wahrscheinlich bereits am 4. von Friedrichsruhe in Berlin ein. Prinz August von Württemberg, der frühere Commandeur der preußischen Garden, ist zum rus sischen Feldmarschall ernannt worden. Wie der „Nat.-Ztg." berichtet wird, sollen die Gerüchte über Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Cultusminister von Goßler mit den Verhandlungen innerhalb der Regierung über das Schuldotationsgesetz in Verbin dung gestanden haben. Die „Liberale Correspondenz", das offizielle Or gan der secesstonistischen Partei (liberale Vereini gung) bringt folgende Nachricht: „In parlamentari schen Kreisen herrscht die Ansicht vor, daß es die Pflicht der liberalen Partei des Reichstages sei, ein Dankesvotum für die Beileidsresolution des amerikanischen Repräsentantenhauses beim Tode Eduard Lasker's in Antrag zu bringen!" Wenn auch vielleicht nicht dieser Antrag erfolgt, so dürfte doch in jedem Falle die Lasker'sche Angelegen heit in der einen oder andern Weise zur Sprache im Reichstage gebracht werden. Zur Frage des Verbotes amerikanischen Schweinefleisches schreibt die „New-Yorker Han- delsztg.": Die Drohungen der „N. A. Z." mit der Feindschaft Deutschlands, falls die Vereinigten Staa ten sich wegen ihrer von Bismarck verbannten Schweine zu Repressalien verleiten lassen sollten, glauben wir als unnöthig beschwichtigen zu können. Hierzulande überwiegt schließlich stets der praktische Verstand, und wenn man sich auch im ersten Augen blick im Gefühl seines Rechts Hinreißen ließ, eine Vergeltung in Betracht zu ziehen, so ist man doch zur Einsicht gekommen, daß der Klügere zuerst nach- giebt. Eine Wiederholung der Jnspection der zum Export bestimmten Fleischwaaren kann keinesfalls schaden, und wird man dieselbe wohl hier in New- York, wo sie bis 1881 schon bestand, auch bald wieder einführen. Damit wäre sodann den deut schen und französischen Regierungen jeder Vorwand zur Sperre aus angeblich sanitärischen Rücksichten benommen. Das preußische Abgeordnetenhaus ge-