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Dienstag, den 28. Januar 1831 Sächsische olkssettuns Für christliche Politik und Kultur t«eIN>ns»»sl»N«. »rnUo.merlaa- «ermnma. ri.^». Mr Beklag «nd Dr>i<k»re>,,Filiale Dresden. Dr,»t>«u.tt.l. Pallerlliake I?. i>«nirn>ül0IL Polllchelkloiiio Dresden rill Banfkonlo Ltadtbank Dresden -I« ' iri^ »inselienprell«: Die Igeldallene peNIjtlle «U ^.gamiMck a«,elgen u.SIellengeluche «» z. Die pettkeNamtjelle. 84 mi» breil. I glli ilnzelgen autzerhalb de» BerbreUungSgedlele» «0 4. diepellirellamezett« I.»O^r. Brtelgeb.»!»^. Im Fall« höherer Sewa» erltschl lede «»ipsilchlung aus vleserrni« soivl, arsüllung d. «njelgen - «ultrOgen u. Lelstun, d. Echadenerlatz» «e,chaitUiher r«>l: Fr»»» ««mar». Dresden. StedaMnn der SächNIMen «UoltSzertung DreSden-Ällttadl t. Polierlkahe ID s-rvrm MV und 21012. Nummer 16 — 38. Jahrgang kUchelnI Smal wSchtl. mit tlluftr. GratiSielkagen.Heimat und keil' und der »inderbellnge .grohmxl'. sofl>>» den Textbeilagen .Et.Renno-Bialt', .Unterhaltung und Willen', .D>» Welt der grau', .iterjtllrher Ratgeber'. .Da» gute Buch', .gtlmrund- lchau'. Monatlicher BezugSpretS s elnlcht. Bellkltgeld. Ginzelnummer 1v Z, Eonnabend. u. Eonnlagnummer HÜ z, Hauptlchrllttelteri Dr. B. DeScztzk, Dresden. Die Feiern am 18. Januar Dankbares Gedenken an die Reichsgründung - Mahnung zur Einheit in der Gegenwart Berlin, 19. Januar. Die Reichshanptstadt hat gestern in seitlicher Weise die l>9. Wiederkehr des R e i chs g r ü n d u n g s ta g e s begangen. Die Gebäude der Reichs , Staats- und städtischen Behörden und die Kirchen halten Flaggenschmuck angelegt, ebenso auch viele Privathäuser. Die Denkmäler Kaiser Wil helms I. und seiner Paladine Bismarck, Moltke und Noon touren mit Lo.ckeet Kränzen geschmückt. Den Höhepunkt des Festtages bildete die Feier, die die Reichsregierung im Reichstag veranstaltete. Der «rohe Sitzungssaal des Reichstages ivar seitlich geschmückt, lieber dein Präsideutensitz ivar wieder der große Reichsadler an gebracht. darunter die Worte: „Einigkeit uns Recht und Frei heit". Zn beiden Seilen des Präsidcnlenplahes zwei große Fahnen, links die schwarzrot goldene Flagge des Reiches, rechts die schivarz-iveih-role Reichskriegsslagge mit der schwarz- rot-goldenen Gösch und dein Eisernen Kreuz. Bor dem Präsi- denlensih auf einem Hintergrund von weißem Flieder die Kolossalbüsle des Fürsten Bismarck in Bronze; rechts und links sowie hinter den Regiernngsbänken und den Saalwänden ent lang die ruhmreichen Fahnen des alten Heeres. Unter den Eingeladcnen befanden sich sieben Krirgsveterancn aus dem Feldzug von 1870 71, darunter vier, die an der Kaiserprokta- mation im Spicgclsaal des Schlosses zu Versailles teilgenoinmeo hatten. — Die Festrede hielt Geheimrat Dr. Kahl, der Senior der Reichstagsalrgeordneten. der 1871 selbst als bayerischer Jäger an der Kaiserproklamation in Versailles teil genommen hat. Kahl schilderte aus seiner Erinnerung lebendig den Tag der Kaise> Proklamation und siigte hinzu: „Nicht Ge dächtnis, nicht Erinnerung allein der Tag hat tieferen Sinn: WiNenserneuernng. vaterländische Entschlüsse im Geist unserer Geschichte. Vieles ist uns genommen, das Reich ist geblieben. Feier der Neichsgründung kann keinen anderen Sinn haben als die Losung: „Haltet das Reich!" Reichserhaltung ist die Lebensfrage des Deutschtums überhaupt. Einheit und Freiheit ivaren in der Schicksalssührung des deutschen Bolkes stets un löslich miteinander verknüpft. Verloren wir 1800 die Einheit, Genf, 19. Januar. Die Europäische Konferenz hat ihre nichtöffent lichen Verhandlungen über die Hinzuziehung Rußlands und der Türkei am Sonnabend vorläufig abgeschlossen. In der Diskus sion ivaren drei Tendenzen zu beobachten: Hinzuziehung der europäischen Nichtmitgliedstaaten, ein Vorschlag, für den sich die Außenminister Deutschlands und Italiens iviederholt ein- setzten; Hinausschiebung der Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt; inzwischen soll der Völkerbundsrat durch eine An frage feststellen, ob die betreffenden Länder den Wunsch haben, Icilzunehmen. Diese Anregung geht von Briand aus und wurde in der Diskussion von verschiedenen Staaten, insbesondere von Rumänien, unterstützt. Ein dritter Vorschlag, für den sich namentlich Henderson einsetzte, will, datz eine Wirtschaftskom mission der Europäischen Konferenz eingesetzt wird, die insbe sondere das europäische Wirtschaftsproblem zu behandeln hat und zu der sofort Rußland und die Türkei ebenso wie alle interessierten Nichtmilgliedstaaten des Völkerbundes eingeladen werden sollen. Briand sprach sich gegen eine sofortige Hinzuziehung der Nichtmitgliedstaalen aus. Das Sludienkomitee sei vom Völkerbund eingesetzt worden und habe seine Aufträge von der Vollversammlung erhalten. Daher ginge es nicht an, daß es seine jetzige Organisation selbständig ändere. Man könnte viel leicht Unterkoinmissionen schassen, zu deren Arbeiten die ande ren Staaten von Fall zu Fall eingeladen werden könnten. Die Freundschaft mit Rußland sei bis jetzt sehr einseitig. Grandi sprach sich noch einmal siir seinen Antrag aus, mit der Begründung, daß ohne Hinzuziehung Rußlands und der Türkei der Rahmen der europäischen Union zu enge gezogen würde. Grand! glaubt im übrigen einen Widerspruch in der Haltung des französischen Außenministers feststellen zu können, der in seinem Maimemorandum ausdrücklich die Erweiterung des Kreises der Teilnehmer vorgesehen habe, sich aber gegen diese Erweiterung offenbar sträube. so ging die Freiheit unter. Geivannen mir 1813 die Freiheit zurück, so ivaren die Tore zur Einheit wieder ossen. Halten wir heute die Einheit, wird auch die Freiheit wieder leuchten. Staat und Bolk ist das Grundproblem. Tilsit und das zweite Versailles haben für ihre Zeit ungefähr gleiche Gcgenwartslagen gesclwfsen, gleiche Notstände enthüllt: Kluft zwischen Staat und Volk. Nur, daß einst und in der Gcgenivart die Klust sich an anderen Stellen auslat. Was da mals fehlte, die Beteiligung des Volkes an der Herstellung des Staatswillens, haben konstitutionelle und demokratische Ent wicklung längst nachgehelt. Die Kluft liegt heute in der Zer rissenheit des Volkes selbst gegenüber dem Staat. In zweierlei Erscl)einungssorm: Zerklüftung des Parteiwcsens und Kampf richtung gegen den Staat. Zum Schluß forderte der Redner mehr Vertrauen, mehr Geduld und etwas mehr Dank barkeit. In dankbarer Ehrerbietung grüße heute das deutsche Volk den Vater des Vaterlandes und danke seinen Staatsmännern, seien sie lebend oder tot. Reichskanzler Dr. Brüning sckloß die Feier mit einer kürzeren Ansprache, in der er aus- sührle: „00 Jahre sind heute vergangen, seitdem das Reich ge gründet und ein Ring um die Städte Deutschlands geschlungen wurde. Stunden schweren Unglücks waren dem Reich bcsch:e- den und Schatten Leidens haben sich aus unser Volk gesenkt. Aber das vor gg Jahren geschmiedete Band eint uns noch heute. Das Gut der Neichseiuheit i st gerettet. Die Erinnerung an jenen Höhepunkt deutscher Geschichte wird uns die innere Kraft geben, unerschrocken und unerschiittert aus dem Wege des deutschen Wiederausstieges fortzuschreiten, auf dem uns das Oberhaupt des deutschen Volkes vorangeht. Ihm. unserem hochverehrten Reichspräsidenten, als Zeugen der Neichsgründung heute unter uns zu sehen, gibt dieser Feier stunde eine besonder« Weihe. Wir werden in dem Glauben an eine bessere deutsche Zukunft nicht verzagen und alles daran eßen, dem feierlichen Wunsche der Proklamation von 187t ent- prechend auch unsererseits auf dem Gebiete nationaler Wohl- ahrt. Freiheit und Gesittung Mehrer des Deutschen Reiches an den Gütern von Gerben des Friedens zu sein." (Fortsetzung aus Sette 2) Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Versammlung in ihrer Mehrheit sich nicht hat entschließen können, einen Be schluß Uber die sofortige Hinzuziehung Rußlands und der Tür- kei zu fassen. In der Sonnabendvormittags-llntcrredung zwischen Dr. Lurtius und dem englischen Außenminister Hender son hat der deutsche Außenminister, wie von deutscher Seite mitgeteilt wird, dem englischen Außenminister seinen Dank für die Uebernahme des Ratssihes aus der am Montag beginnenden Tagung des Völkerbundsratcs ausgesprochen. Hierbei ist, wie auf deutscher Seite erklärt wird, von englischer Seite ausdrück lich hervorgehoben worden, daß dieser Tausch aus verhand lungstechnischen Rücksichten verständlich und auch notwendig er schienen sei. Ferner ist vereinbart worden, daß die deutschen Beschwer den wegen der Borsälle in Oberschlrsien am kommenden Mitt woch im Bölkerbundsrat zur Verhandlung gelangen werden. Ain Mittwoch soll eine Vormittags- und eine Abendsitzung aus schließlich der Behandlung dieser Frage gewidmet sein. Die Tagung des Mlkerbundsrates wird am Montag vor mittag in einer geheimen und dann anschließend in einer öffent lichen Sitzung eröffnet werden, in der jedoch nur einige Fra gen geringerer Bedeutung behandelt werden sollen. Am Diens tag wird im Völkerbundsrat die A b r üst u n g s s r a g e er örtert werden. Der Europäische Ausschuß setzt am Montag nach mittag die am Sonnabend begonnene Aussprache über die wirt schaftspolitischen Fragen fort. Am frühen Montagnachmittag tagt sodann der Sonnabendnachmittag eingesetzte Sechseraus schuß in geheimer Sitzung zur Behandlung der verschiedenen Anträge aus Zuziehung Sowjetrußlands und der Türkei zu den Arbeiten des Ausschusses. Aus deutscher Seite wird Behand lung dieser Anträge auf die Stellungnahme des deutschen Ver treters im Europäischen Ausschuß hingewiesen, wonach der Aus schuß sich nicht nur mit wirtschaftspolitischen Fragen, sondern auch mit der Lösung der ihm gestellten allgemeinen Ausgaben, der Organisation und des Programms einer europäischen llnion befassen müsse. Völkerbund «»er Vaneuropa? (Von unserer Berliner Schrtftleitung.) Die Konferenz, die am Freitag in Anwesenheit von dreiundzwanzig Außenministern und drei Minister präsidenten europäischer Staaten in Gens begon nen hat, kann nur unter bedeutenden Ein- scbränkungen als Paneuropa - Tagung bezeichnet werden. Dis paneuropäijche Linie, weiche von dem bekannten Genfer Paneuropa-Frühslück über daZ Briandsche Paneuropa-Memorandum zur Paneuropa- Konferenz des letzten Septembers führt, hat unter den Einflüssen der jüngsten Zeit eine ganz erhebliche Zensur erfahren. Die jetzige Zusammenkunft des paneuropäischen Studienkomitees gehört, was ihren praktischen Ausgaben kreis angeht, in die lange Reihe der eurot'äischen und interkontinentalen Wirtschaftskonsercnzen. auf denen man in den letztvergangenen Jahren an den Krebsschäden Europas, der Wirtschaftskrise, dem Neumerkantilismus und der Umbildung der Produktions- und Absatzbedingun gen herumlaborierte. Was das Pölkerbundssekretariat und die europäischen Teilnehmerstaaten zur Kouserenz bei getragen oder beizutragen haben, sind wirtschaftliche Vorschläge, unter denen Frankreichs Wunsch nach Unter bringung seiner Goldmilliarden in südosteuropäischen Agrarkrediten an der Spitze steht. Die politischen Vorschläge, welche von der dänischen und der deutschen Re gierung in die europäische Debatte geworfen worden sind, sollen nach Möglichkeit ausgeschaltet werden, um die Stu- inentagung nicht mit angeblich abwegigen und zweit rangigen Fragen zu belasten. Vor Tisch las man anders! Es erscheint uns an gebracht, erneut daran zu erinnern, daß im Mittelpunkte der ursprünglichen Briandschen Vorschläge die Versuche einer politischen Organisierung Eurofias standen, die von ihrem Autor als ein neues Mittel zur Konsolidierung der bestehenden Verhältnisse in Europa gedacht waren, die aber die deutsche Regierung zum Angelpunkt eines europäischen Reorganisationsvorschlages machte. Wenn überhaupt gegen die kluge deutsche Antwort etwas einzu wenden war, so war es, datz sie die deutschen Karten vor der Zeit aufdeckte und den Franzosen vor der Tafel den Appetit an dem paneuropäischen Frühstück verdarb. Es kam hinzu, datz Briand auch um Englands willen die politischen Fragen wieder in der Versenkung verschwin den ließ, denn inzwischen hat die Drohung mit einer pan europäischen Organisation unter praktischem Ausschluß Englands ihre Wirkung getan, und es bestand kein Anlatz dazu, die in die Bahnen des frankophilen Chamberlain ein schwenkende Aussenpolitik der Labourregierung in zwölfter Stunde kopfscheu zu machen. Da Paneuropa für Briand kein Glaubensbekenntnis, sondern ein politisches Machtmittel war, konnte er die Steine auf seinem Schachbrett zurücknehmen, als sich das Kampffeld wesentlich verändert hatte. Uebrigens hat man nicht nur in London, sondern auch im Genfer Sekretariat das Hinllberspielen der paneu.ropäischen Initiative auf das rein wirtschaftliche Gebiet mit einem Aufatmen der Erleichterung begrützt, wurde doch damit der gefährliche Gedanke eines Konkur renzunternehmens zum Völkerbund glücklich abgebogen. Briand hat sich auch Gens gegenüber einen „Anspruch auf Dankbarkeit" erworben. Wenn auch wir dem Gedanken eines politischen Pan europas von Anfang an abwartend und etwas ungläubig gegenüberstanden, so vor allem deshalb, weil wir nicht hoffen durften, im Rahmen einer politischen Paneuropa- Diskussion bereits jetzt konkrete Abänderungswünsche für die europäische Landkarte vertreten zu können, und wenn wir die jetzige zweite Tagung des europäischen Studienkomitees mit Aufmerksamkeit und Anteilnahme verfolgen, so deshalb, weil schon der Versuch lobenswert ist, die unhaltbare wirtschaftliche Lage Europas einer ge meinschaftlichen Korrektur aus Gegenseitigkeit zu unter ziehen, so gering auch die Aussichten auf greifbare Ergeb nisse sciu mögen. Curtius hat ja in seiner gestrigen Genfer Rede das Interesse eines Landes betont, tvelches mit sei nem riesigen Arveitslosenheer und seiner allgemeinen Wirtschaftsdepression den europäischen Absatzmarkt für seine Produktionsmittel dringend benötigt. Datz dies noch kein Vertrauensvotum für den Treuhänder dieser europäi schen Wirtschaftsberatungen, für den Völkerbund selbst, be deutet, versteht sich von selbst, denn solange dieser auf seinem eigentlichen politischen Arbeitsgebiete zu keinen greifbaren Erfolgen gelangt, mutz uns die Möglichkeit einer Option für diese oder eine andere Ol ga n i s a t i o n s f o r m offen bleiben. Nicht aus Liebe zum Völkerbund, so wie er heute ist, begrüßen wir die Fortdauer seiner Monopolstellung, sondern weil wir der Ueberzeugung sind, daß die Zeit für einen Ausbau des Völkerbundsgeistes in seinem wahren Sinne und damit zu gleich im deutschen Interesse gekommen ist. und datz nicht der Austritt, wie er neuerdings bei uns proklamiert wird, sondern eine verstärkte Initiative für uns der bessere Teil der Rteisbeit ist. Unsere Hände lind heute in Kens weniaer Keine Einladung an Rußland Die Europa-Konferenz kann sich noch nicht entschließen