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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pcänumcranon«- PreiS 22; Sgr. (j Thlr.) vierteljährlich, z Thlr. für das grnze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man »räuumerirt auf diese« Beiblatt der Allg. Pr. SlaaiS- Zcitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. Z4); in der Provinz so wie im Ausland- bei den Wohllöbl. Post-A-mtern. Literatur des Ausiandes. . W' 56 Berlin, Montag den 9. Mai 1836 England. Eine neue Stimme über die Echtheit der Lssianischen Gesänge. Länger als der Krieg des l7tcn Jahrhunderts über das christliche Glaubensbekenntnis dauerte im achtzehnten Jahrhundert der Krieg über den Glauben an die Echtheit der von Macpherson in den Jahren 1760 bis 1764 hcrausgegebenen Gesänge des Kaledonischen Barden Ossian. Vielleicht Hal jener Krieg nicht mehr Ströme Blutes gekostet, als dieser Ströme Dwle; er war über ganz Europa verbreite!; von einem Ende der Gelehrten-Republik bis zum anderen sah man, wenn auch nicht Federbüle, doch Federspitzen sich mit Macht im Kampfe bewegen, und es würde vielleicht der Kampf noch forldauern, wenn nicht der etwas ernstere Kampf der Französischen Staats-Umwälzung eine Diversion ge macht hätte. Zn England wurde der Streit meist aus persönlichen Rücksichten und nationeller Befangenheit geführt. So stand der un versöhnliche Feind der Schotten und alles SchotlenlhumS, der gewaltige Johnson, an der Spitze der Partei der Ungläubigen und benutzte den Umstand nicht bloß, den Schotten, aus Mißgunst gegen ihre National- Ehre, den Ruhm alter Geschichte, alter Gesänge und eines Ossian ab- zusprechen, sondern vielmehr über die lebenden Schollen, Macpherson und seine Bertheidiger, die ganze Fülle seiner Gallenschale auszngicßcn und sie des Betruges zu zeihen. Die Bcrlhcidiger der Echtheit waren fast lauter Scholten, an deren Spitze der edle Lord Kaimcs, berühmter unter seinem schriftstellerischen Namen Home, stand. Erst 1808 erschien im Auftrage der Schottischen AliertbumS - Gesellschaft ein Bericht von Mackenzie, welcher die Echtheit wieder in Schutz nimmt, und seitdem ist eine Art von Waffenruhe cingetreien, oder vielmehr der Gegenstand des Streites hat au Auseben und Wichtigkeit verloren. Jetzt, wo in der alten Well die Kämpfer dafür und dawider fast fämmtlich schon die Gränzen des irdischen Dasepns überschritte» Haden und sich bci Ossian selbst oder beim Lichte der ewigen Wahrheit über ihr Recht oder Unrecht Auskunft verschaffen können; jetzt, wo dieser Streit sich in Europa vernachlässigt steht, setz« er über den Ocean, um die neue Welt mit sich zu beschäftigen. Hören wir, was die Ißortü- ^rnerierin-kevievv darüber sagt. „Vielleicht der merkwürdigste literarische Betrug überhaupt, gewiß der merkwürdigste rüclsichtlich des durch ihn geweckten Interesses, geschah durch die Bekanntmachung gewisser Gedichte, angeblicher Ucbcrsctzungcn eine« im dritten Jahrhunderte n. Ehr. lebenden Gälischen Barden, Na mens Ossian. James Macpherson, ein geborener Hochländer, war der Herausgeber und so bescheiden, den unschuldigen Namen eines lieber- setzers änzunehmcn. Bei einer Zusammenkunft mit Home legte er die sem verschiedene Proben Gälischer Poesteen vor und versicherte zugleich, daß man aus dem Munde alter Leute in den Bergen Schottlands noch viel mehr solcher Schätze sammeln könnte. Home und Blair sanden großen Gefallen an diesen Proben, und cs gelang ihnen, Macpherson zur Bekanntmachung derselben zu vermögen," „Im Jahre 1760 erschien ein tlcmcr Band dieser Gedichte und wurde mit allgemeinem Beifall in Schottland, mit Ersiaune» und Ber-' anugen in England ausgenommen. Männer wie Robertson, Ferguson, Lord Elibank lind Grap gehörten zu der Fahl gläubiger Bewunderer; doch sanden sich gleich beim Erscheinen des Merkchens viele Männer, die nicht nur keine enthusiastische Bewunderer, sondern vielmehr ganz nn Unglauben gegen die Echtheit waren und das Werk als kühnes und unwürdiges Machwerk anklaglen. Inzwischen war Macpherson von seinen Gönnern i» die Hochlande geschickt worden, um neue Vorrätbe der kostbaren Fragmente zu sammeln, und er kam bald schwer mit epischen Reichlhümern beladen zurück, die er bald nachher dem danach dürstenden Publikum millheiUe." „Die alte Miuc der Poesie, welche aus diese Weise so plötzlich sprang, brachte in der gelehrten Well eine Bewegung hervor, die stär ker war, als die Bewegung nach der Elplosion ejnrr Bombe Macpher son, der, kurz nachdem er den Zunder in die literarische Well geworfen Halle, nach Florida als Secretair des Gouverneurs ging, wcigerle sich hartnäckig, den Zweiflern Rede zu stehen; er gab vor, er halte es un ter seiner Würde, denen, zu antworten, die Mißtrauen in sein Wort setzten. Der große David Hume wendete sich auf die höflichste Weise an ihn und bat, er möchte der Well eine nähere Beglaubigung geben; aber der glückliche Entdecker war so hochmütbig in seiner Antwort gegen de» edlen Philosophen, daß dieser in eitler wohl zu rechtfertigenden An wandlung von Hitze die Hoffnung ausdrückle, Macpherson werde in Florida die Nähe der Indianer benutzen, um durch die Nachahmung ihrer Sitten die seinigcn zu verbessern." „Das Heer der Ungläubigen wurde von keinem geringeren Mann als Johnson angeführt. Dieser eminente Mann gerielh schon bei dem blo ßen Gedanken in Feuer, daß im Schottischen Hochlande ein neuer Par- naß czüstiren sollte. Auf einen bitteren Bries Macpherson s drohte er, ihn das Gewicht eines Gegenstandes fühlen zu lassen, das substanzieller wäre, als das Gewicht logischer Gründe. Er und seine Verbündete» lheilten Schläge aus, jenen gleich, welche die Eeltischen Heroen, die zum Streite Veranlassung gaben, austheilten. Den Vertheidigern Macphcr- son's fehlte es auch nicht an Zahl und Talenten; Blair war unter ihnen. Ossian würde gewiß das Zusammenstößen der Streitenden mit „den dunkeln Strömen des Herbstes, welche von zwei entgegengesetzten weithallenden Hügeln herabstürzcn" verglichen haben. Der Streit datierte viermal so lange, als die Belagerung von Troja, und erst in diesem Jahrhunderte trat eine Art von Ruhe ein." „Die Frage über die Authentizität dieser Gedichte scheint für jetzt ganz beigelegl zu seyn. Die Schottische Hochland-Gesellschaft ernannte eine Kommission, die damit beauftragt wurde, wo möglich den Original- tept des Ossian zu entdecken. Doch ihr Bericht, den der ausgezeichnete Verfasser des Ü1»i> ob I'eolinz (Mackenzie) gemacht bat, unterstützt kcincswcges das Borgeben Macpherson'«. Die Wahrheit scheint zu sepn, daß gewisse Fragmente alter Lieder, in denen die Namen der Helden Fingal und Ossian eine bedeutende Rolle spielen, durch Ueberlieferung von Hand zu Hand bei den Hochländern gingen, und daß diese die Basis waren, worauf Macpherson seine glänzende Fabrik gründete; Form, Färbung und ein großer Theil der Subsianz sind das Werk sei ner eigenen Hand." „Es ist nicht zu leugnen, daß unter diesen Gedichten einige von großer Schönheit sind; viele aber sind von der Art, daß der Freund Os sians, wenn er sie liest, das Buch ärgerlich wegwirst. Unter den zahl reichen Proben unpoetischen Betragens der Ossianischen Helden kommt z. B. vor, wie Gaul, der Sohn Morni's, der zweite Held nach Fingal, seinen berühmtesten Barden prügelt, weil er ihm ein Bees-steak mit Zwiebeln entwendet hat. Ein andere« Beispiel liefert un« Walter Scott im „Alterthümler", wo Hektor M'Intpre Herrn Oldbook überzeugen will, daß die Lieder Osstan'S wohl bekannt im Hochlande sind, und ihm zu diesem Ende ein Fragment verliest, welches eine Unterhaltung zwischen dem Eeltischen Barden und dem Schutzheiligen Irlands beschreibt. Ossian, gekränkt über die Gleichgültigkeit St. Patrick'S gegen seine Ge dichte, versichert ihm, daß er ihn für ein gewisses Thier aiisehe, welche» wegen seiner Klugheit nicht gerade in großen Ehren steht; dafür giebt ihm aber der Heilige mit größter Gelassenheit zu verstehen, daß er auf- hören möge, mit seinen (Ossian'S) Alteweiber-Mährchen seine AndachtS- übungen zu stören. Mag nun da« Fragment so dasevn oder nicht, so zeigt es jedensalls die Ansicht Waller Scott's, der keine geringe Auto rität über Macpherson s Ossian ist." „ES ist nicht so ganz ausfallend, daß diese Gedichte bei ihrem Er scheinen so großes Aussehen machten. Nicht bloß der Reiz der Neuheit empfahl sie; man glaubte in ihnen eine feierliche Stimme ans den Gräbern des grauen Alterthums zu vernehmen, die bald süße Liebestöne girrte, bald das Machtwort des Helden donnerte. Aber der Eindruck verschwand, sobald man sich sage» mußte oder vielleicht sagen konnte, daß dieses Alles kein Originalbild aus der grauen Vorzeit sep. So lange man den Schall sür den eines seinen Donners hielt, erfüllte er mit Ehrfurcht und hatte er etwas Erhabenes; aber man fing an zu spötteln, sobald man ahnte, der Schall sep nichts als ein Wagengeraffel auf der Straße. In England verloren die Ossianischen Gesänge sehr bald ihren Einfluß, weil man früh anfing, ihre Echtheit zu bezweifeln; anders war es ans dem Kontinente, wo der Glauben langer dauerte (vielleicht auch weil man hier weniger gegen Schottland befangen ist). Dem Kaiser Napoleon war keine Huldigung angenehmer, als die, ihn mit den Eeltischen Helden des Ossian zu vergleichen; in Frankreich droh te» die Namen Ossianischcr Krieger und Frauen die guten allen christ lichen Namen zu verdrängen; Göthe huldigt dem Ossian, indem er sei nen Werther am Vorabende des Selbstmordes mit der stolzen Melan cholie der Ossianischen Lieder erfüllt und sie gleichsam zu seinem Schwa- »engesange macht. Cesarotti, der sic ins Jtaliänischc übersetzt bat, strllt Ossian an die Spitze aller Epiker, und Frau von Stael theilt dir Lite ratur in zwei Klassen, in eine östliche und eine nördliche; Homer ist nach ihr ter Baler der ersten und Ossian der Baler der zweilen. Welchen großen Gedanken hat Frau von Slael hier nichl ans Tages- lichl gefördert! Was einem Männergenic niemals gelungen wäre, da« geling! einem Genie, das mit den Grazien verbunden ist! Es ist keine Kleinigkeit, einen solchen großen Gedanken zu schaffe»; die berühmte Frau selbst muß gewiß auch längere Zeit auf seine Bildung verwendet und die