Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Msbmff Imtsblatt Wilsdruff, am 19. Oktober 1891. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. viel wirksamer beikommen, als mit einer Abänderung der ein' schlagenden Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbucks. <L. Z.) für die Agl. Amtshauxtmannschast Meißen, für das Rgl. Arntsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post ' bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne i Nummern 10 Pf. Tagesgeschichte. Zur Zeit weilt Charles I. Murphy, Spezialagent des Ackerbauministeriums der Vereinigten Staaten, im Auftrage des Ministers Rusk in Berlin, um die Aufmerksamkeit der deutschen Regierung auf ein neues Brot zu lenken, das mit außerordentlicher Nahrhaftigkeit, schönen, Geschmack und Halt barkeit den Vorzug der Billigkeit verbinden und einen Ersah für das so theuer gewordene Rogge nbrod bieten soll. Herr Murphy benutzt zur Herstellung des von ihm ein pfohlenen Brotes Maismehl und Roggenmchlzu gleichen Theilen. Aus je einem Pfund Maismehl und Roggenmehl hat Herr Murpby bei einem Bäcker in Berlin Brote anfertigen lassen, die in fertigem Zustande nicht weniger als 4 Pfund wiegen. Die Herstellungskosten dieses Brotes sind so gering, daß es unglaublich erscheint. Es wird behauptet, daß man das Maismehl in diesem neuen Brote nicht durchschmecke. Ferner empfiehlt Herr Murphv als einen Ersatz für Weizenbrot ein Brot, das zu gleichen Theilen aus Weizen-und Maismebl her- gestellt wird und zu einem viel niedrigeren Preise auf den Markt gebracht werden kann, als das gewöhnliche Weizenbrot. Durch Vermittelung des amerikanischen Gesandten, Herrn Phelps, hatte Herr Murphv eine Unterredung mit den, Chef der Ver- pflegungsabtheilung des Kriegsministeriums, Wirklichen Geheimen Kriegsrath Engelhard, dem er auch Proben der besprochenen Brotsorten verlegte und dessen Interesse dadurch in so hohem Grade angeregt wurde, daß er den Wunsch aussprach, in den Militärbäckereien Versuche mit der Murphvschen Mehlmischung anstellen zu lassen. Infolgedessen hat Herr Murphy, der sich sehr eingehend mit dem Bau und der Verwendung von Mais beschäftigt hat, sofort durch das Kabel um Zusendung einer O.uantität Maismehl ersucht, die zu Versuchszwecken der Ver pflcgungsabtheilung des Kriegsministeriums zur Verfügung ge stellt werden soll. Herr Murphy wurde auch von den, land- wirthschaftlichen Minister v. Heyden empfangen, dem das vvrgezeigte Brot sehr zu gefallen schien. In diesen Tagen wird der Agent des amerikanischen Ackerbauministeriums auck eine Unterredung mit dem Minister des Innern haben. Wenn sich dieses Brot bewähren sollte, was vorläufig noch abzuwartenist, so könnten sowohl die Bevölkerung Deutschlands, wie die Mais bauer in den Vereinigten Staaten große Vortheile daraus ziehen; uns würde zu einem sehr geringen Preise gutes Brot geliefert und die Amerikaner würden einen großartigen Absatz für ihre Maisvorräthe finden, die infolge einer beispiellos reichen Ernte ganz gewaltig sind. Die diesjährige Maisernte in den Vereinigten Staaten wird auf nicht weniger als 2 Bill'vnen 500 Millionen Bushels veranschlagt. Für diese ungeheuere Masse baben die Leute in Amerika keine Verwendung, so daß in Holz armen Distrikten Mais als Feuerung benutzt wird, und zwar nicht nur von Familien, sondern auch auf Eisenbabnen zur Heizung von Lokomotiven. In Erfurt ist am Mittwoch der Parteitag der deutschen Sozialdemokraten zusammengetreten. Der auf demselben er stattete Bericht des Parteivorstandes giebt zun, ersten Male Aufschluß über die Agitation aus dem flachen Lande. Danach ist man über die Vorbereitung auch jetzt noch nicht binausge kommen. Die Warnungen vor der sozialistischen Propaganda haben, wie versichert wird, dem Parteivorstande eine Menge von Heute Dienstag, den 20. Oktober, Nachmittags 5 Nhr öffentliche Stadtgememderathssitznng. Der S t a d t g e m e i n d e r a t h. Brgmstr. Inserate werden Montags und Donnerstags ' bis Mittags 12 Uhr angenommen. nach solcher. Wirklicher Waare bedarf es zu diesem Zwecke nicht, denn von allen Termingeschäften der Waarenbörse werden nachgewiesenermaßen höchstens 3 bis 5 Prozent durch wirkliche Lieferung und Bezahlung erledigt. Die übrigen 95 Prozente schließt nian in der ausgesprochenen Absicht ab, lediglich die „Differenz" zu bezahlen oder einzustreichen. Um diese Differenz so hoch als möglich zu gestalten, sind aber nur zwei Dinge nöthig: 1) Capital, viel Capital, und 2) Schwankungen. Möglichst großen Capitales bedarf es, weil schon der einzelne ,;Schluß" so große Waarenmengen umfaßt, wie sie der Pro duzent nur selten zur Verfügung hat und der Consument nie mals braucht. Bei Kaffee z. B. beträgt das Minimum des Schlusses 500 Sack, bei Getreide 50 Wispel. Das haben die Herren von der Terminbörse schon weislich so eingerichtet. Nur bei großem Angebot find große Differenzen möglich. Großes Angebot aber setzt mcht großen Waarenvorrath, setzt überhaupt keinen Waarenvorrath, sondern nur große Capital- vorräthe voraus, die man nöthigenfalls aufs Spiel setzen kann. Das ist die eine Voraussetzung. Der andern aber, der großen S t wankungen bedarf man, weil es eben ohne sie keine „Dif ferenz", also Nichts zu verdienen giebt. Als das Termingeschäft in Waaren aufkani, wußten ja die Schriftgelehrten der Börse von der „Ruhe und Stetigkeit", die der Terminhandel dem Geschäfte verleihen werde, von seiner „preisansgleichenden Wirkung gar nicht genug zu rühmen. Wir erinnern uns noch eines schwunghaften Hymnns, den die „Nat.-Ztg." anstimmte, als cs sich darum handelte, eine Ter minbörse "für Kaminzug in Berlin zu etabliren. Wo der Handel in durchaus soliden Händen ist, wie an der Baumwollbörse in Bremen oder der Kammzugbörse in Leipzig, mögen ja einige der nützlichen Wirkungen, "die man dem Termingeschäft damals nachrühmte, in bescheidenem Umfange auch eingetreten, mag es namentlich gelungen sein, den Sitz des Handels aus dem Aus lande ins Inland zu verlegen, obgleich wir auch hier das Ein dringen von Professionsspielern und infolgedessen einen ordent lichen Krach durchaus nicht für ausgeschlossen erachten. Daß aber Bremen und Leipzig, wenn das Experiment wider Er warten gut ablaufen sollte, dennoch nur Ausnahmen bilden, beweisen die Orgien, die bald nach seiner Einführung der Kaffec-Terminbandel in Hamburg, der Zucker-Termindandel in Magdeburg feierte, und die wir jetzt unter dem Zeichen der Herren Ritter Blumenfeld an der Getreide-Terminbörse er leben. An der Hamburger Kaffe-Terminbörse z. B. stand Santos im Juni 1887: 61 Pf., am 7. September 240 Pf. und Ende September wieder 64 Pf., ohne daß in den Produk tions-und Verbrauchsverhältnissen auch nur die geringste Aender ung eingetreten wäre. Welche Berechtigung die hohen Rog genpreise vom letzten Monate haben, kann man hiernach er- messen, wenn man es nicht aus hundert andern Gründen schon wüßte. Das Verhältniß zwischen Vorrath und Bedarf ist für dieses Hazardspiel schlechterdings belanglos; nur Terminangebot und Terminnachfragc, lediglich die „Stimmung" der Herren Jobber und die Größe ihrer Capitalkraft entscheiden. Wie lange sie es „aushalten", wie lange das Capital reicht—ledig lich darauf kommt es noch an. Thatsache ist denn auch, daß bei keiner der Waaren, die nach und nach in den Terminhandel hereingezogen worden sind, der Antrag dazu von den Produzenten der Waare selbst auS- ging. Im Gegentheil überall haben sich die Produzenten gegen die Einführung des Terminhandels nach Kräften gewehrt. Kein Wunder, wenn die Stimmung dieser Kreise, wenn über- Vorrath und Bedarf, Nachfrage und Angebot. „Wie die Preise gemacht werden," dürfte aus den Vor gängen an der Berliner Getreidebörse, die wir an dieser Stelle Tag für Tag gewissenhaft registrirt haben, nachgerade auch dem Börsenunkundigsten klar geworden sein. Nur ein unklarer Sprachgebrauch hat es vermocht, das große Publikum, das dem Börsentreiben fernsteht, so lange darüber in Ungewißheit zu er halten. Angebot und Nachfrage, so versichern die Jobber und ihre Prcßtrabanten, bestimmen den Waarenpreis an der Börse. Und sie haben Recht; freilich wider Willen. Nicht Vorrath uud Be darf mehr, sondern Angebot und Nachfrage bestimmen die Bör - senpreife. Nicht darauf kommt es mehr an, wieviel Waaren tbatsächlich vorhanden sind und wie viel thatsächlich gebraucht werden, sondern lediglich darauf, wie groß die Summen sind, die im Differenzspiel angeboten und nachgefragt werden. An der Hamburger Kaffeebörse wurden im Jahre 1888: 16 Mil lionen und im Jahre 1889: 9 0., Millionen Säcke Santos auf Termin gehandelt, während die wirkliche Ernte in Santos selbst in den besten Jabren nicht über 3 Millionen Säcke beträgt. So geht es in allen Artikeln, die nach und nach dem Termin bandel verfielen, so geht es jetzt mit unserem Brotgetreide, das in Berlin nun schon seit Wochen in einer Weise „angeboten" und „nachgefragt" wird, als ob es eine Ernte überhaupt nicht gebe. Nicht der wirklich vorhandene Getreidevorrath und der Bedarf der Bevölkerung entscheidet, sondern lediglich das An gebot fingirter Waare sowie die Stimmung, deren die Börse be darf, um solche Angebote dem Publicum plausibel jzu " achen und einigen glücklichem Spielern im Zeitraum weniger Monate einen mühelosen Gewinn von Millionen Mark in den Schoß zu werfen. Vorrath nnd Bedarf sind, wie alle Welt weiß, schon seit Wochen unverändert dieselben. Die „Stimmung" aber wechselt, wie jeder Börsenbericht darthut, nicht von Tag zu Tag, sondern an einem Börscntage von Viertel- zu Viertel stunde. Ob die Neu-Guinea-Compagnie in Liquidation treten oder Hr. v. Hansemann seinen Abschied nehmen wird, ob der Botschafter O am Schnupfen leidet oder der Häuptling der Botoknden im Sterben liegt, — kein Gerücht und keine Lüge ist albern genug, nm nicht an der Terminbörse binnen wenigen Minuten einen „Stimmungswechsel" hervorzurufen der binnen gleicher Frist für einige glückliche Spieler einen Gewinn von einigen Millionen bedeutet. Nnd auf wessen Kosten? Auf Kosten Derjenigen, die die Börse beherrschen, sicherlich nicht. Man lese doch nur die Börsenberichte, die unser großes Pub- ' likum so gedankenlos hinnimmt, als müßten sie so sein, endlich einmal mehr mit Verständniß. Nickt einer ist uns in deni letzten Monaten vorgckommcn, in dem nicht der betreffende i Börsenrefcrent seinem lebhaften Bedauern Ausdruck gegeben i bätte darüber, daß „das Eingreifen des Publikums" „leider" § immer noch zu wünschen lasse. Diejenigen, die niemals alle werden, sind es, die die Zeche bezahlen. Kein Wunder daber, wenn die Börsenberichte die fortdauernde „Enthaltsamkeit" des „Publikums" schmerzlich empfinden. Mit dem Augenblicke, wo das „Publikum" den verständigen Entschluß faßte, die Börse den Jobbern allein zu überlassen, wäre vermuthlich das Ende der Börse — der Fon dsbörse wenigstens — gekommen. Mit der Waarenbörse steht es ja ein wenig anders. Hier ist es in der That nur ein Häuflein Eingeweihter, das sich am Spiele betheiligt. Das große Publikum, das den Termin bandel in Fonds ermöglicht und stützt, macht „Schlüsse in Santos, Zucker, Getreide, Baumwolle und Kämmlingen nicht. Das große Publikum zur Betheiligung am Spiel zu verleiten, ist also in diesem Falle der Zweck der Stimmnngsberichte und Börsenlügen nicht. Was sie hervorrnft, ist in diesem Falle das Bedürfnis; nach „Schwankungen"," die ja die Seele der Spekulation sind. Ernte und Verbrauch sind zu bestinimte Größen, als daß sich auf sie große Schwankungen aufbauen ließen. Wie die Ernte ausgefallen ist, läßt sich bereits wenige Wochen nach deren Beendigung, läßt sich beispielsweise schon jetzt übersehen. Auch den durchschnittlichen Bedarf jedes Volkes kennt heutzutage Jeder, der sich mit solchen Dingen beschäftigt. Auf so leicht übersehbare Factvren also lassen sich so große Schwankungen, wie die Börse bedarf, nicht gründen. Vorrath und Bedarf sind somit für die Zwecke des Differenzspiels in Waaren nicht zu brauchen. An ihre Stelle tritt Angebot und Nackfrage d. h. das Angebot fietiver Waare und die Nachfrage Tharandt, DM, Mknlthn nnd die Wgkgkndkn —< x. Zuschriften zugetragen, in denen Rathschläge, Klagen und Vor haupt die Stimmung der Bevölkerung dem Börsentreiben nicht schlüge gemacht werden. Die Sichtung, Ordnung und Bear- hold ist. Im Interesse der Börse selbst daher liegt es, die unJ beitnng dieses Materials hat einigen mit der Materie vertrau sauberen Elemente, die sie zur concessionirten Spielhölle machen, ten Genossen übertragen werden müssen, die ihre Arbeit indeß auszuscheidcn. Vorgänge, wie sie sich in den Gründerjahren ! noch nicht erledigt haben. Aufs neue wird betont, daß die ver und jetzt wieder seit 1889 an der Fondsbörse, wie sie sick in Zchiedenartige Lage der ländlichen Bevölkerung eine verschiedene Kaffee, Zucker und jetzt wieder in Getreide an der Waaren Behandlung der Agitation erfordere. Nicht ohne Interesse ist börse abspiclten, und wie sie f r üher oder später der Kassenbericht, die Haushaltsrechnung der Sozialdemokratie, auch in Kammwolle einmal eintreten werden, Er zeigt, wie große, auch materielle Interessen bereits mit der könnten sonst für die Börse selbst verhängnißvoll werden. Sozialdemokratie verknüpft sind. Ausgaben nnd Einnahmen 'Roch wirksamer freilich wäre eine Strafbestimmung gegen balancirten im Jahre vom 1. Oktober 1890 bis 30. Septem- dcn Waarenwucher, wie er im Anschluß an das französischerer 1891 mit 231050,80 M. In dieser Summe drückt sich Recht von uns schon wiederholt vorgeschlagen worden ist. Mit indessen noch keineswegs alles das aus, was der sozialdemo- Civilrechtsbestimmungen ist es Nichts; die lassen die Jobber kratische Theil der Arbeiterschaft materiell für seine politischen vollständig kalt, denn sie brauchen die Gerichte nicht. Auch Bestrebungen aufwendet. dem Unwesen der Abzahlungsbazare ließe sich möglicherweise An den Erfurter Parteitag der deutschen Umstürzler haben mit einem Strafrechtsparagraphen gegen den Waarenwucher die spanischen Sozialrevolutionäre ein Begrüßungsschreiben ge- No. 84. Dienstag, den 29. Oktober 1891.