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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nr. 83 — 90. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: »Amtsblatt' Freitag, den 10. April 1931 Postscheck: Dresden 2640 Zlgrarblock gegen Lollunion Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Doumergues politisches Testament. Paris, 9. April. Staatspräsident Doumergue traf auf feiner Reise nach Tunis am Donnerstagvormittag in Nizza ein. Gelegentlich eines ihm zu Ehren gegebenen Festessens hielt er dort eine große Rede, deren politische Bedeutung nicht unter schätzt werden darf. Der französische Staatspräsident steht be kanntlich am Ende feiner siebenjährigen Amtszeit und hinterläßt mit dieser Rede sozusagen sein politisches Testament. Die Worte aus dem Munde des höchsten Beamten Frankreichs sind jedoch ein «euer Beweis dafür, wieweit noch immer die französische Nation insgesamt von dem Geiste des gerechten Friedens ent fernt ist. Doumergue erinnert an die Ereignisse von 1914, wo Frankreich trotz der großen Gefahr feine Truppen 10 Kilometer hinter dis Grenze zurückgezogen habe. Ebenso habe in der Nach kriegszeit die französische Regierung darauf verzichtet, gewisse Rechte in Anwendung zu bringen, die ihr die Verträge zugespro chen hätten. Auch habe Frankreich starke Rüstungseinschränkun gen seit einigen Jahren durchgeführt und die umso mehr aner kannt werden müßten, als Frankreich sehr stark unter dem Kriege gelitten habe (?!). Dieser Krieg, der den Wert des Friedens erst in ein rechtes Licht stelle, habe Frankreich aber auch die Erfah rungen eingebracht, daß es keinen dauerhaften Frieden gebe ohne die Sicherheit der Grenzen. Die französische Regierung sei daher im Recht, solange diese Sicherheit selbst zu verwalten, wie der Völkerbund nicht über eine Militärmacht verfüge, die es ihm erlaube, seine Entschlüsse denjenigen aufzuzwingen, die sich ihnen nicht freiwillig beugten (und wo ist das gleiche Recht Deutsch lands? TU.-Red.). Doumergue fuhr wörtlich fort: „Wir haben umso mehr das Recht, fo zu denken, als wir uns plötzlich vor einem Ereignis sehen, dessen gegenwärtige Bedeutung und dessen Folgen wir umso weniger unterschätzen dürfen als die Geschichte Neue Wege -er Wirtschaft. Holland vor einem neuen Kurs. In Utrecht wurde eine außerordentliche Vertreter versammlung der antirevolutionären Partei durch deren Vorsitzenden,' den früheren holländischen Ministerpräsiden ten Collijn, eröffnet. Collijn, der Vorsitzende der Genfer Zollwassenstillstandskommission war, erklärte in seiner Er öffnungsrede zu der europäischen Wirtschaftskrise u. a., man verhehle sich holländischerseits nicht, daß andere Maß regeln notwendig würden, wenn nicht bald eine durchgrei fende Änderung einlrets. Man wisse noch nicht, welches die Rückwirkungen der weiteren Entwicklung der deutsch österreichischen Pläne und des russischen Fünfjahresplanes in Europa seien und welche Richtlinien England am Ende des Monats eiuschlagen werde. Man müßte sich auch in Holland überlegen, ob man nicht einen anderen Kurs ein schlagen solle. Unter völlig veränderten weltwirtschaft lichen Verhältnissen und bei dem zunehmenden Streben der meisten Staaten nach wirtschaftlicher Autokratie könne im Interesse der holländischen Volkswohlfahrt ein anderer Kurs notwendig werden. Das ,Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen LAM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2.30RM., bei Postbestellung 2 AM. zuzüglich Abtrog- gebühr. Einzelnummern 15Rpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umaeaend Postboten und unjereAus- trägerund Geschäftsstellen — —-—: nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Aücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. von schlechten Manieren. Es gehe wirklich zu weit, wenn die französische Presse die Einladung .Hender sons an die deutschen Staatsmänner als unpassend be zeichne und wenn sie von einem Recht Frankreichs spräche, sich durch den Besuch der deutschen Herren beleidigt zu suhlen. Wenn Paris dauernd darauf bestehe, daß die englischen Beziehungen zu Frankreich viel intimer sein sollten als zu irgendeinem anderen Land, so würden hier durch die Ziele der englischen Politik zunichte gemacht. Nach dem Besuch Hendersons in Paris und Rom, so heißt es in einem anderen Blatt, sei es vollkommen natürlich, daß Brüning und Curtius nach London kämen. Niemand sei in einer besseren Lage zu einer etwaigen Vermittlung zwischen Deutschland und Frankreich als Henderson, und man könne als ganz sicher annehmcn, daß Henderson seinen Einfluß nur dazu benutzen werde, um alte Wunden zu heilen. Wir werden ja sehen, was aus diesem Wochenend gespräch heranskommen wird. Wahrscheinlich nicht so viel, wie man am Anfang gemunkelt hat, hoffentlich aber genug, um Deutschlands Stellung in der Weltpolitik zu stärken gegenüber den anmaßenden Gelüsten Frank reichs. Vorläufig bereitet Frankreich jedenfalls einen Gegen stoß gegen die deutsch-österreichische Zollunion vor. Der Ministerpräsident Laval hatte mit dem Außenminister Briand eine sehr lange Unterredung. In gut unter richteten Kreisen glaubt man zu wissen, daß man be schlossen habe, in Zukunft mehrere interministerielle Be sprechungen abzuhaltcn, um zu versuche«, in Mitteleuropa einen starken landwirtschaftlichen Block zu bilden, der un abhängig von Deutschland bestehen könne. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen ^Reichs- Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Bor geschriebene Erscheinungs- tage und Plaßvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen. annahmebisaorm.lvUhr. r Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir deine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingezogen werdenmußoderderAuftraggeberinKonkurs gerät. Anzeigen nehmen alleVermittluugsstellenentgegen. Frankreichs Gegenstoß. Zurückweisung französischer Anmaßung. Der vielumstrittene Termin für den Besuch der deut schen Minister in London steht also jetzt fest. Vom 5. bis zum 9. Juni soll er erfolgen, also nach der Genfer Ratstagung. Ein großer Teil der Vermutungen über beabsichtigte englische Stimmungsmache für Genf bei den deutschen Gästen ist dadurch hinfällig geworden. Die offiziöse Mitteilung über den Zweck der Zusammen kunft besagt, daß geplant ist „eine intime freundschaftliche Aussprache über alle wichtigen Fragen, welche die beiden Länder berühren". Weniger wäre mehr! Das Programm ist z u umfassend, als daß bei seiner Durch führung innerhalb von vier bis fünf Tagen etwas Greif bares herauskommen könnte. Das scheint auch gar nicht beabsichtigt zu sein, sondern es soll anscheinend nur die berühmte „Atmosphäre" geschaffen werden für die Behandlung der einzelnen politischen Probleme. Einer der Gründe, und wahrscheinlich nicht der geringste, der Henderson zu der Einladung veranlaßt hat, scheint ßer Wunsch gewesen zu sein, der englischen Arbeiterregierung, die auf innen politischem Gebiete in der letzten Zeit einige Nackenschläge erlitten hat, in der Außen Politik einen Erfolg zu verschaffen, durch den die Fehlschläge vertuscht werden. Es ist allerdings stets ein Fehler, und noch nie etwas Gutes dabei heräusgekommen, wenn der Außenpolitik die Gesetze ihres Handelns von der Innen politik vorgeschrieben werden. Der Primat der Außenpolitik gift heute noch ebenso wie früher, und Verstöße dagegen haben sich noch immer gerächt. Von solch innenpolitischen Erwägungen scheint übri gens auch Briand nicht frei gewesen zu sein bei seinen unerhörten Quertreibereien, durch die er die deutsch-eng lische Zusammenkunft zu verhindern versuchte. Er kandi diert ernsthaft, wie versichert wird, für den Posten des französischen Staatspräsidenten, dessen Neuwahl demnächst erfolgt. Er mutzte hierzu wohl etwas für seinen „guten Ruf" tun, ein „schneidige s" Vorgehen erschien hierzu angebracht und wie gerufen stellte sich als Objekt Deutschland dar mit seinem Zollabkommen und seinem englischen Besuch. Bei dieser ganzen Cheguers-Affäre mutz ja ganz besonders darauf hingewiescn werden, daß es nachgerade an der Zeit ist, daß es sich Deutschland ganz energisch verbitten muß, daß Frankreich sich immer noch als der Zensor aufspieft für alle politischen Maß nahmen, die Deutschland trifft. Wenn Frankreich glaubt, daß seine Minister allein das Recht haben, die englischen Kollegen zu besuchen, so dürfte es jetzt durch die Stim men der englischen öffentlichen Meinung darin eine derbe Zurechtweisung erfahren haben. Ganz außerordentlich scharf wendet sich z. B. der der englischen Regierung nahe stehende „Dailv Herald" gegen die Kommentare zu dem bevorstehenden Besuch. Sie seien taktlos und zeugten SrmkrW WWMWs MWstSWWM Absage an den gerechten Frieden des Landes, in dem es sich zulrägt, bereits einen bezeichnenden Präzedenzfall aufwcrst, den zu vergessen für uns gefährlich sein könnte." Mit diesem gewundenen Satz spielte Doumergue auf die deutsch-österreichische Zollunion und auf die Geschichte des deut schen Zollvereins an. Der gesunde Menschenverstand — so schloß er — müsse Frankreich zu der Ueberzeugung bringen, daß ein Land, das so viele traurige Ueberrafchungen über sich Haos gehen lassen müssen, nicht das Recht habe, seine materielle Macht unter die Bedürfnisse seiner Sicherheit herLbzusetzen, srlange eine star ke internationale Macht nicht ins Leben gerufen fei. Paris, 9. April. Die ganz unerwartete politische Rede des sonst zurückhaltenden Präsidenten der Republik findet hier um fo stärkere Beachtung, als man darin tatsächlich eine Art „Vermächtnis an die Nation" erblickt. In politischen Kreisen wird hinzugefügt, daß diese Kundgebung von höchster Stelle zweifellos nicht spontan erfolgte, sondern das Ergebnis eingehen der Besprechungen im Schoße der Regierung gewesen sei. Man habe diese Gelegenheit wahrgenommen, um die Haltung der französischen Außenpolitik in Gegenwart und Zukunft noch ein mal autoritativ festzulegen. In diesem Lichte gewinnen d>c Aeußerungen Doumergues zur Abrüstungssrage höchste Bedeu tung. In die nüchterne Sprache des Alltags.übersetzt bedeuten feine Ausführungen über die Rolle der Mstttarmachl Frank reichs ein unumwundenes Bekenntnis zur bisherigen französischen Sicherheitspolitik und gegen die Abrüstung. Nie AuflotkenW des Arbeiismarkles Starke saisonmäßtge Entlastung. Die erfreuliche Meldung, daß die A r b e i t s l o s i g k c i I in der zweiten Hälfte des Monats März eine starke Abnahme erfakreu lrabe. wird jetzt durch den Bericht der Reirbsontwii Komödie der Wirrungen. Natürlich ist's für jeden, der sich als eingeladen fühlt und fühlen darf, immer eine recht peinliche Situation; wenn er nun plötzlich wieder „ausgeladen" wird, bei der abgesagten Mai-Entrevue zwischen den Leitern der englischen und deutschen Politik ist das Peinliche dieser Geschehnisse ja noch um vieles größer, weil es sich dabei um die Vertreter großer Völker handelt, außerdem aber wir Deutsche die Empfindung haben, daß die „Aus ladung" durch Druck und Drohung eines Dritten erfolgt ist. Frankreichs nämlich, genauer gesagt: unseres be sonderen Freundes Briand, der ja in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Träger der „Versöhnungs- und Verständigungspolitik" ist, war und sein wird, — und daher mag er es gar nicht leiden, wenn Deutschland außerhalb der „Briand-Kreise" sich mit einem anderen Lande zu verständigen sucht! Deswegen ist er wegen der Zollunion mit Deutschland und Österreich unzufrieden, noch mehr aber jetzt mit England, weil der sonst so folg same Macdonald einmal ein Extratänzchen wagte und sich dazu Frau Germania als Partnerin wählte. Da winkte Briand wie König Franz in Schillers „Hand schuh" mit dem Finger, und schon gab es kurz vor der Unterzeichnung des Londoner Marineabkommens durch Frankreich plötzlich die allergrößten Schwierigkeiten, was nun wieder Herrn Henderson, dem englischen Außen minister, außerordentlich unangenehm war. Das Marine abkommen mit seinen Hemmnissen für einen allzu schnellen Bau kostspieliger Linienschiffsriesen ist nämlich für Eng lands Regierung eine überaus ernsthafte finanzielle Frage neben der politischen Seite. Und in der Bank von Frankreich liegen sehr viel mehr „goldene Kugeln" als in den Kellern der Bank von England, die einst das „goldene Herz der Welt" gewesen ist. Briand und seine Pariser Presse verfuhr überhaupt etwas „h e Ul d ü r m i i g", und zwar nicht bloß uns gegenüber, die er überhaupt nicht in Chequers sehen will. Auch den englischen Staatsmännern ließ er etliche Grob heiten sagen, dem Außenminister Englands im be sonderen, — und Herr Henderson steckte das alles gehor sam ein. Man kann freilich auch deutscherseits den Lon doner Diplomaten nicht verhehlen, daß sie sich nicht gerade lehr „diplomatisch" bei dieser ganzen Geschichte benom men haben. Denn sehr undiplomatisch war es wohl denn über das Ei zu kakeln, ehe es gelegt war, — wenn man allerdings auch heute noch nicht weiß, wie gerade zu Astern, Ey einer Zeit politischer Arbeitsruhe, es über- haupt niönlich wurde, daß die „Times" über die Geschäfte der geplanten Einladung loskakeln konnte! Ein kräftiger ^on in dem Geschrei, das nun in Frankreich °sging dürfte für uns die Feststellung sein, daß England »trotz" der Zollunion an der Einladung zunächst grund- Mch nichts änderte; aber auch dieser Ton ist jetzt ver mummt, da eben eine deutsche Verständigung mit England zwischen Fisch und Braten" in Chequers gerade auch über diese Frage erreicht werden konnte, ehe sie offiziell in Genf auf der Tagung des Völkerbundrates verhandelt Wird. Hernach hat es ja wenig Zweck, wenn man sich in der — vorläufig für den Juni festgesetzten — Be sprechung mit den englischen Ministern nicht lediglich über die wirtschaftliche Seite der Zollunion unterhalten will, soweit Englands Erportintcresten davon berührt werden. ?»v?r^^u dm"" man sich ganz offen des Erfolges, ver- '"Luna daß ohne französische Aufsicht eine Be- Nein^ durch Deutsche und Engländer Wir Deutich?k?°r man in Genf bcsammen ist. aen at^7oönis aus dieser Komödie der Wirrun- miVE?^ entnehmen: der V o r v e r t r a g so», T' uerreI ch ist, . wenn jetzt in Paris nicht mehr aut davon gesprochen wird nach wie vor der Drehpunkt schen^d" das Ziel seiner politi- n?»" ^Ä/»m ein^lomatischen Gegcnanstrengun- N^de vo^"* von der Linie abgewichen, die er m seiner Rede v^ ^m französischen Senat über die deutsch-osterrelchllchen Vereinbarungen mit groben gezogen dieses Vorver ¬ trages unter allen Umstanden aus „politischen" Gründen zu verhindern. Und v°n Genf und in Genf fuhren lasten. Diese Gründe sind aber nicht etwa bloß der „drovende Anschluß« Österreichs an Deutschland, der durch die Zollunion vorbereitet würde, Indern . . ., doch lassen wir hierüber eine englische Zei- LMgsstimme sprechen, dre in wrem fast naiven Auaenauf- Mag den eigentlichen Grund °er Gegenaktion Briands beruh«; „Nach Ansicht der englischen Minister sollte Deutschland mit der gleichen Höflichkeit Und Achtung behandelt werden wie die anderen Großmächte; französische Staatsmänner haben so oft Ge legenheit zu privatem Meinungsaustausch mit britischen Staatsmännern, daß sie den führenden Persönlichkeiten an de re r Länder das gleiche R e ch 1 s ch m e r l i ch ° H e n können." Auf den ^diplomatischen motls des Londoner „Daily Telegraph«, wo und diese Forderung einer deutschen ?s w wird, darf man wohl, da sarkastisch^ schreiben, wenigstens die du 'ne Ahnung'« Redensart anwenden: „Mensch, hast