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»LgaDesano. Ski« -l-en-Aa-sa-e VirnStav, 1. Aprll I9S0 Lrxhtanlchrlst: Nachricht«» Drrldr» Fernlprecher-Sammelnummer: Nur lür «achtgesprLch-: «r. »sott LchrtsUritu»« ». Haupt««IchSIItstrUei Dresden-«. l, Martenftrabe »I/«» Gegrünöet 1ö§S v«,»S»«»»»r »«« »N 8»A«a«>« NN -«« l.d» «t. V°stbe,u»«p-eU fttt «»»»I Nprtl I.ao Mt. «drtcht. »« VI» V«»«-»»di <-»»« «-ft,i»e«»»»«»g»ühq. «tuarlnumm« »« »I» N»»ktok»vr«tt«: Dt- «n»«t«e» «er»«» »ach »oldmart derecknret: dt« -tu- Ipalttg« »o m» »rettr Aetl« »» »I«., st» -ulwSrt« so VI» Sam«Ue»»njet«k» »ud «leNen»rIuch« o»ne Na»«tl ld Ws». »u»sr1>ald »5 Pf,., dte »o »m dre>te»ell«mc,eae »oo VI». «»rch-I» »»» Vlg. ONer»eng«dLhr »o VI» «u«w»rtt<,e «»Itri«- «e«eu »ar«u«be,atz>un. Dr»ck » UeNog: Slepfch « Netchardt, Drrlpcu. Vosycheck-Nto. U>«s Dresde» Nachdruck »ur mit deuil. Quellenangabe lDretdn. Nachr.l julSllig. Unverlangte Echrtliftücke «erde« »tcht «ulbewabrt Sle Rkglrrungskttlörung fertig Mohrenwäsche »er Sozialdemokraten Vrnbtnielcknng uo,«rvr 8«rUo«r 8vbrtltl«Naiig Berlin, 1. April. Die Reichsregiernng hielt Dienstag» »ormittag eine Kabinettssttzung ab» in der die am Nachmittag abzugebende Regierungserklärung ihre endgültige For« «nliernng sand. Inzwischen hat der neue ReichsernährungS» minister Schiele auch sein Amt als Borstandsmitglied der Deutschnationalen BolkSpartei niedergelegt. I« politischen Kreisen steht mau mit grober Spannung den Ereignisse« der nächste» Lage entgegen. Die Hoffnungen, die Sozialdemo kratie werde bereit sein, dem neuen Kabinett doch noch aus irgendwelche Art das Leben zu ermöglichen, wird wohl kaum in Srsiilluug gehen. Beweis dafür ist die Art und Weise, in der sich das Zemracorgan der SPD., der „Vorwärts", heute mit der Vor geschichte der Regierungskrise besaht. Das Blatt verüsfent- licht ein Schreiben, das Anfang März namens der Vereini gung der Arbeitgeberverbande, deren Vorsitzender Herr von Borstg an den Rctchssiiianzminister Mvldenhauer gerichtet hat. In diesem Schreiben verweisen die Arbeitgeber im Vorstand der Reichsanstalt der Arbeitslosenversicherung nachdrücklich daraus, dah die Verhandlungen über die Arbeits- losenresvrm eine Wendung genommen hätten, durch die der Arbeitgeberseite des Vorstandes ernstlich die Frage vor gelegt werde, ob von ihr im Falle der Durchführung eines derartigen Kurses die Uebernahme einer weiteren Mitver antwortung in der Verwaltung der Reichsanstalt im Rahmen der setzt von ihr wahrzunehmenden wirtschaftlichen Inter essen getragen werden könne. Sehr erregt fragen die Sozial demokraten. warum dieses Schreiben an Dr. Moldenhauer und nicht an die „zuständige Stelle", nämlich den RetchS- arbcttSmtnister, gesandt worden sei und warum Dr. Molden hauer nicht die „Loyalität" besessen habe, dieses Schreiben an den Reichsarbeitsminister wetterzugeben. Zum Schluß stellt das Blatt fest, Borsig habe die Negierung Müller—Wissel! gestürzt. Die Grobe Koalition sei an dem Gegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zersprungen. Die Arbeit nehmer gingen nun mit der Sozialdemokratie ln die Oppo sition. Nach diesen Feststellungen besteht keine Aussicht mehr, daß das neue Kabinett irgendwelche Hilssstellung von der Sozialdemokratie zu erwarten haben wird. Au dem Brief Borsigs an Moldenhauer wird von zu ständiger Stelle erklärt, Rcichsminister Moldenhauer hat den Brief der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände erst erhalten, nachdem in der Kabincttssihung bereits die Entscheidung über die Vorlage gefallen war. Er hat an der Regierungsvorlage über die Arbeitslosenversicherung bis zum letzten Tag scstgehaltcn. An den Verhandlungen, die ein Kompromiß suchen sollten, hat er gar nicht tcilgenommcn. Erst in der Sitzung der Partcisührer hat er von dem Kompromiß Brüning—Meyer Kenntnis erhalten und sich schließlich mit dem Kompromiß einverstanden erklärt, um eine Einigung »nter den Parteien herbeizuführ««. Ln» diesen tatsächlichen Feststellungen geht zur Genüge hervor, baß der Brief der Ber- eintgung der Deutschen Arbeitgeberverbände ohne jeden Einfluß aus die Haltung des Reichsministers oer Finanzen gewesen ist. Schon gegen Mittag hatte das Kabinett die Regierung-- erklärung, die heut« nachmittag im Reichstage vorgetragen werden wird, fertiggestellt. Ueber ihren Inhalt verlautet nur sehr Allgemeines. Nur so viel scheint festzustehen, daß sie sehr kurz gehalten ist. Nicht so sehr ihrem Inhalt, als viel mehr ihren Folgen im Reichstag, also den Abstimmungen über das sozialdemokratische Mißtrauensvotum, sieht man im Parlament mit Spannung entgegen. Die Sozialdemokraten werden kein begründetes Mißtrauensvotum einbringen. Die deutschuntionale Fraktion hat heute mittag bereit» getagt, ohne daß bindende Entschlüsse gesaßt worden sind. Luch in volkSpartetltchen Kreisen fand man sich zu einer Be ratung zusammen. Aus demokratischen Kreisen verlautet, daß sich bet der Abstimmung zum mindesten drei Abgeordnete der Stimme enthalten werden. AiiWimg des StiiM»«> Landings abgMnt Die Kommunisten haben also nun ihre» Willen gehabt. Der Landtag hat — am 1. April — über die Auflösung ab- gesttmmt. Er hat sie abgelehnt, wie zu erwarten war. Zu viel Entscheidungen find in ber Schwebe, von deren Aus fall die Stimmung des Hauses abhängt. Auf der Linken knüpft man noch Hoffnungen an den Vorstoß der Demokraten in Richtung auf die Große Koalition und wartet. Ans der Rechten rechnet man damit, baß der unvermeidliche Fehlschlag dieses Versuches eine neue Wendung Herbeiführen könnte, der doch noch die Bildung einer bürgerlichen Regierung er möglicht. Darum faßt man sich auch hier in Geduld. Und über all diesen Erwägungen der sächsischen Politik schweben neuerdings solche, die vom Reich und von der dortigen Entwicklung ausgehen. Wenn sich das Kabinett fallen. Neuwahlen stünden im Reiche und im Lande unter ber gleichen Parole: gegen die Herrschaft der Sozialdemokratie. Daten ging« alle» in einem Auf waschen. Ander», wenn dt« Retchsregterung mit Hllfe der Rechten parlamentarisch zu regieren vermag. Dann dürsten auch die Bestrebungen, kn Sachsen eine gleichgerichtete Re gierung zu bilden, neuen Austrieb erhalten. Nochmals werben Reden über diesen Gegenstand ge halten. Die Sonne blinkt durch das Glasdach des Sitzungs saales und erzählt von einem herrlichen Frühling draußen. Hier im Hause regiert aber trübselige Partetpolttik die Stunde. Ein kommunistischer Berichterstatter spricht über Agrarpolitik, obwohl davon heute keine Rede ist. Die Natio nalsozialisten drängen zur Eile, und sie unterstreichen ihre Ungeduld mit einer deutlichen Geste, indem sie den Auf- lüsungsantrag der Kommunisten jetzt schon unterstützen, Sehr scharf ist die Abrechnung, die der Abgeordnete v. KtlItng « r bet dieser Gelegenheit mit den Demokraten hält, weil sie die Bildung einer Regierung ohne die Marxisten hartnäckig verhindert haben. Die Parole für den Wahlkamps klingt deutlich heraus, und man erkennt, daß die Demokraten da bet in einer wenig beneidenswerten Lage sein werden. Der demokratische Abgeordnete Dr. Kästner vermag in seiner Erwiderung einige dialektische Uebertreibungen des nationalsozialistischen Führers abzuwehrcn, aber er kann den Eindruck von der Schwäche seiner politischen Position nicht verwischen. Das Abstimmungsergebnis löst lebhafte Bewegung und ein hitziges Wortgefecht zwischen Kommunisten und Sozial demokraten aus. Der Sitzungsbericht «. Sitzung Dresden, den 1. April 1939. Als erster und wichtigster Punkt steht auf ber heutige« Tagesordnung die zweite Beratung des kommunistischen Antrages aus L a n d t a g s a u f l ö s u n g. Die öffentlichen Tribünen sind gut besetzt. An den Regierungstischen Minister präsident Dr. Bünger mit sämtlichen Ministern. Zunächst werden die Abstimmungen vorgenonnnen, die in der letzten Sitzung unterblieben waren. Ab gelehnt werden gegen die Stimmen der Kommunisten und im wesentlichen gegen die Stimmen ber Sozialdemo krat«» die kommunistischen Anträge auf Amnestie wegen ber Paragraphen 218 und 219, auf sofortige Entlassung und Ent schädigung der bet Demonstrationen Inhaftierten, auf Ein- fetzung eines Untersuchungsausschusses wegen des Vorgehen» der Polizei und Bestrafung der schuldigen Beamten. Angenommen wird gegen die Stimme« der Linke« ei« deutschnatioualer Antrag, die Regierung z« ersuchen, mit allen Mitteln, die die Staatsgewalt, die Gesetz gebung »nd das Strafgesetzbuch in ihre Hand lege«, Lee kommunistischen gesetzwidrigen Tätigkeit porznbengen und sie nach Möglichkeit rücksichtslos z« unterbinden; ferner bei der Reichsrcgierung energisch darauf z» dringen, daß diese in ihrem Machtbereich in gleicher Weise vorgeht. Abg. Schneider (Komm.) ist vom Präsidenten als Be richterstatter für die -wette Nemtum de- AuflWngsmitnigeS bestimmt worden. Schneider pricht zunächst von der Agrar- krtsts. (Zurufe: Was quatscht der denn? Das ist doch kein Bericht! Präsident Weckel ersucht den Redner, endlich zur Sache zu kommen. Schneider fordert zum Schlüsse die An- Cosima Wagner P Au» Bayreuth wird uns telegraphiert: Frau Losima Wagner ist heute Dienstag vor mittag 9.45 Uhr im Alter von 92 Jahren nach kurzem Leiden gestorben. Am Sterbelager weilten ihre Tächter Daniela Ihode und Eva Lhamberlain. Siegfried Wagner» der soeben sein Dirigentengafi- svlet in Mailand abgeschlossen hatte und einige Tage zur Erholung an der Riviera weilte, war noch wahrend der Rächt telegraphisch von der drohenden Katastrophe verständigt worden, konnte aber nicht mehr rechtzeitig eintreffen. Auch seine Schwester Gräfin Blondine Gravina war unterwegs, und zwar bei ihrem Sohne in Meran. Beide werden nun heute abend in Bayreuth eintreffen. * So ist eS nun doch endgültig etngetreten, was so oft fälsch lich als unmittelbar bevorstehend angekündigt wurde: Cosima Wagner ist gestorben. Mit dem Gedanken, daß dies heute und morgen geschehen könne, hat man sich seit Jahren vertrant ge macht. Und nun kommt es einem trotzdem »»erwartet. Wohl war bekannt, daß die Gattin Richard Wagners, die zu Weih nachten 1929 den 92. Geburtstag feierte, hart mit den Be schwerden des Alters zu ringen habe. Immer wieder aber wußte ihre eiserne Energie den müden Körper noch einmal und noch einmal auszurasscn. Noch vor kurzem konnte das Gerücht, sie sei erblindet und geistig völlig apathisch, wahr heitsgemäß widerrufen werden. In Wirklichkeit nahm sie in Gedanken lebhaften Anteil an der Vorbereitung der Festlviele 1990, die ihr besonderes Licblingswerk, den „Tannhäuser, er- neut bringen sollten. Aber daß sie binnen kurzem doch dem Allbezwinger werde unterliege» müssen, erschien unabwend bar. Nun es eintrat, ist mit ihr die letzte Kronzeugin vom Werden und Stegeszug des Banreuther Kunstwerkes heim gegangen. Und merkwürdig: die Tragik, die stets über ihrem Leben waltete, hat noch einmal auch ihr letztes Dasein beschattet. Die materielle Not der Jnslations- »eit hatte rauh auch an die Tore Wahnsrieds gepocht. Es waren besondere Maßnahmen nötig, den Lebensabend der Witwe Richard Wagners heiter zu erhalten Dann freilich er- lebte sie noch die große Freude, im Sommer 192« die Er- großen Vergangenheit, die zugleich große Zukunft ist. Tine Neuerung der Banreuther Festspiele nach dem Kriege »« Ironie de» Geschicks macht sie» dk skr da» LS. Jahrhundert sehen. Wie man sich erinnert» ist sie selbst wiederholt 1924 und 1925 im Festspielhaus erschienen und hat mit bewunderns werter geistiger Frische sich an Teilen von „Meistersinger" und „Parftsal" erfreut. Als freilich im Sommer 1927 erneut die Fansaxen aus den Feftspielhügel riesen, vermochte sie nur eine Rolle gespielt hat, wie früher nur je eine der mächtigen Frauengestalten der Renaissance, und in der sich alle Energien der siegreichen Generation von 1870 zur künstlerischen Aus wirkung zusammcnballten, noch zur Zeitgenossin der Jazz- „Kultur", zur Zeitgenossin eines Geschlechtes, das angeblich die Kunst Richard Wagners „überwunden" hat. Nun — die Mißtöne der Zeit hallten ja nicht hinein in das stille Alters heim. das sie in Wahnfried gesunden hat. Aber wenn sie auch darum gewußt hätte: — sie wäre die erste gewesen, die lächelnd darüber zur Tagesordnung der Ewigkeit über gegangen wäre, die letzte, die ihre Lebensarbeit deshalb sür vergeblich angesehen hätte, weil einem allzu kleinen Geschlecht für den Augenblick der Atem ausgegangen ist, dem Genie ans leincm Höhenwege zu folgen. Der Dienst dieses Genies war der letzte und einzige Sin« ihres Lebens. Sie erfüllte ihn als Gattin und Arbeits gefährtin des lebenden Richard Wagner, dem sie das letzte Jahrzehnt seiner letüvollen Erdensahrt noch mit dem Spät- sonnenschetn häuslichen Glücks vergoldete. Sie erfüllte ihn aber beinahe noch mehr als Erbin des Verewigten, ber eS ob lag, das grobe Kulturwcrk der Banreuther Festspiele» da» der Meister selbst mit den Aufführungen von 1876 und 1882 nur gerade erst als „Schattenriß der Idee" hatte hinsteüen können, dauernd der Nachwelt zu retten. Darin ist, kurz ge sagt, die entscheidende Bedeutung von Frau CosimaS Lebens» werk zu sehen. Das Bayreuth, das der Welt endgültig gezeigt hat, was deutsche Kunst ist, das Bayreuth, wie wir Jüngeren es kennen und als Hort echter deutscher Kultur inmitten ent arteter internationaler Zivilisation erst wieder recht be werten lernten, danken wir Cosima Wagner. Allerdings hatte die Aufführung des „Parfisal" von 1882, die WagncrS eigene» LebenSwerk krönte, Bayreuth nicht nur künstlerisch, sondern auch materiell gefestigt. Allein mit Wagners Tod war dem großen Werk zunächst die Seele genommen. Da vollbrachte Cosima das anscheinend Unmögliche. Sie ersetzte den Un ersetzlichen. Als des Meister- wissendste Schülerin ent- wickelte sie seine künstlerische Stilpslege weiter. Und mit einer schier übermenschlichen Energie wußte sie den riesenhaften technischen Apparat des Festspielunter« nehmen« ihrem beherrschenden Willen untertan zu machen. Neue Aufführungen des „Parstsal" zeigten zunächst, daß wohl Richard Wagner, nicht aber sein Fcstspielgedanke tot sei. Der weitere Ausbau setzte bann 1886, drei Jahre nach des Meisters Tode, mit der wundervollen ersten Banreuther Ausführung beS „Tristan" ein. Damit war der Anfang ge- macht zur Verwirklichung von Wagners Idee eines alle Werke vom „Holländer" bis zum „Parsisal" umfassenden JestsptelKlaneS. Ruhmreiche Fortsetzung fand diese Tat hurch