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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020610019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902061001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902061001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-06
- Tag 1902-06-10
-
Monat
1902-06
-
Jahr
1902
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Kriegshammer, von einem Abgeordneten darüber interpcllirt, warum Oesterreich noch immer Bronzegeschüye herstelle, während alle übrigen Großmächte bereits seit längerer Zeit zu Ltahlgeschützcn übcrgegangen seien. Der Kriegsministcr erklärte die Verwendung der Bronzegeschüye in der österreichischen Armee damit, daß die österreichische Stahlindustrie nicht im Stande wäre, ein dem Krupp schen Stahle ebenbürtiges Metall herzu stellen. Diese Erklärung hat in den Kreisen der österrei chischen Eisenindustriellen augenscheinlich große Erbitterung hervorgerufen und zu einem schriftlichen Protest der Stahl industriellen Oesterreichs an den Kriegsminister geführt, auf den die Antwort des Ministers, so viel bekannt, noch aussteht. Unter diesen Umständen ist es aber jedenfalls von all gemeinem Interesse, über die neuesten Schießvcrsuchc mit deutschen, österreichischen, englischen und französischen Ge- schüyen Näheres zu erfahren. Es handelt sich hierbei durch weg um Schiffsgeschütze; vertreten waren Deutsch land durch Friedrich Krupp, England durch Arm strong und Vickers. Frankreich durch Schneider lEreusot) und Oesterreich durch die Skodawerke in Pilsen. Es kamen GeschUYe von sieben verschiedenen Ca libern zur Verwendung. Die Leistungsfähigkeit der ein zelnen Geschütze ist nach ihrer Mündungsenergie bemessen und in Metertonnen ansgcdrückt, d. h., sie giebt an, wieviel Tonnen das aus der Mündung kommende Pro- jecttl innerhalb einer Secundc einen Meter weit fortzu bewegen, fortzuschlcndcrn im Stande wäre. Der größte Tnp besaß ein Caliber von 30,3 Centi- Metern bei einer Rohrlängc von 40 Caliber. Bekanntlich wird die Rohrlänge eines Geschützes in Vielfachen des Ca- libers ansgcdrückt. Das Krupp'sche Geschütz nnes eine Mündungsenergie von 14,100 Metcrtonnen auf, die zweit größte das Vickers-Geschütz mit 13,644 Metertonncn. Es folgen in sehr bedeutendem Abstande Armstrong mit 10,513 und Schneider mit 10,300 Metertonnen. Bei dem nächstfolgenden Caliber — 28 Centimeter — mit ebenfalls 40 Calibcrn Rohrlänge waren nur Krupp mit 10,900 und Schneider mit 7,410 Metertonncn vertreten. Vickers und Armstrong fehlten: auch die Skvdawcrkc waren in den beiden ersten, schweren Calibcrn nicht vertreten. — Auffallend bei diesen beiden Calibern ist die enorme Ueber- legcnheit der Krupp schen Geschütze gegenüber denen von Armstrong und Schneider. Nur das 30,5 - Centimeter- Geschiitz von Vickers erreichte annähernd die Leistungs fähigkeit des Krupp'schen, während alle übrigen weit zu- rückblicben. — Bei dem nächsten Caliber — 24 Centimeter — sind die Unterschiede nicht so groß: trotzdem steht Krupp mit 6,855 Metertonncn wieder an erster Stelle, an zweiter wieder Vickers mit 6,642. Armstrong mit 5,503 und Schneider mit gar nur 5,150 Metcrtonnen stehen wieder weit hinter Krupp, aber auch ein gut Thetl hinter dem Geschütze des Skodawcrkcs, das eine Mündungsenergie von 5,840 Metcrtonnen aufwies. Noch günstiger als bei den beiden vorhergehenden Ca libcrn stellt sich das Verhältniß für Krupp bei den 21 - Centimeter - Geschützen, wobei Krupp wieder mit 4,550 Metcrtonnen an erster Stelle steht, während Vickers nur 4,078 und Armstrong 3,508 Metertonnen Mündungscnergie aufwiescn. Das Schneider-Geschütz — um 1 Centimeter kleiner, also 20 Centimeter Caliber — hatte gar nur 2,490 Metcrtonnen. In diesem Caliber waren die Skodawerke wieder nicht vertreten. Bei dem 19-Centimeter-Caliber rückte Krupp zum ersten und einzigen Male bei diesen Versuchen mit 3,400 Metertonnen an die dritte Stelle, indem Vickers 3,620 Metertonncn erzielte und Armstrong 3,612, der Letztere mit einem wesentlich längeren Rohre von 45 CaliberLänge. Die Versuche mit dem 17 - Centimeter - Caliber bieten wenig Interessantes, weil nur Krupp mit einer Mündungscnergie von 2,550 Metertonnen an demselben betheiligt war, wäh rend alle Uebrigcn fehlten. Das letzte Caliber — 15 Centi meter — zeigt wieder ungefähr dasselbe Verhältniß, wie das 30,5 - Caliber. Während Krupp 1,645 und Vickcr» 1,624 erzielten, also nicht weit auseinander stehen, bleibt Armstrong mit 1,342 wieder weit zurück, noch mehr Schneider, der gar nur 1,240 Metertonnen erzielte. Die Skodawerke mit 1,141 stehen an letzter Stelle. Aus diesen Zahlen crgiebt sich, -aß Krupp in allen Ca- libcrn, mit nur einer Ausnahme, allen anderen Firmen überlegen ist, namentlich aber in den ganz schweren Gc- schützen, daß die zwcitgünstigstcn Resultate Vickers aufzu weisen hatte, daß Armstrong und Schneider in der Mehr- zahl der Fälle hinter Krupp und Vickers weit zurück bleiben und daß endlich die Skodawerke in einem Falle — bei dem 24 - Centimeter - Caliber — Armstrong und Schneider um ein Wesentliches überlegen waren. — Die obigen Zahlen, welche die D u rch s ch l a g s w e r t h e der verschiedenen Geschütze angcbcn, können natürlich nicht in genau demselben Verhältniß auf die Schießwettc An wendung finden, doch sind bekanntlich auch in dieser Be- zichung die Krupp'ichcn Geschütze allen anderen überlegen. Es ist klar, daß Schwergewicht und Luftwiderstand, diese beiden Sauvtsactorcn, welche hemmend auf die Flug kraft des Geschosses wirken, um so später das Projcctil zum Stillstand bringen, je größer die Energie ist, mit welcher da» Geschoß aus der Gcschützmündnng geschleudert wird. Wenn der österreichische Kriegsministcr die Behauptung aufstclltc, daß die Krnpp'fchcn Geschütze allen übrigen wett überlegen seien, so trifft dies allerdings zu: doch darf nicht vergessen werden, daß die heutigen Leistungen der Firma Friedrich Krupp nicht in letzter Linie ein Verdienst der p rc u ß i s ch c n M i l t t ä rve rw a l t n n g sind, die seiner Zeit dem jungen Unternehmen durch vielfache Aufträge Ge legenheit gab, seine Methoden zu vervollkommnen. Die Dienstag den obigen Ziffern zeigten, daß die Geschütze der Skodawerke thetlweise hinter den Schiebresultaten von Geschützen lo angesehener Firmen, wie es Armstrong und Schneider sind, nur wenig zurllckbliebcn, ja dieselben sogar theilwetse übertrafen. Wenn die österreichische Militärverwaltung sich dazu entschließen würde, Stahl kanoncn cinzuführcn, dann würde es nach den bisherigen Leistungen der Skoda- werke diesen nicht schwer fallen, durchaus leistungsfähige Geschütze zu liefern. Bei der Tendenz der modernen Krtegswissenschaft, immer größere Caliber zu verwenden, wird die österreichische Militärverwaltung ohnehin früher oder später mit ihrem heutigen Prtncip brechen müssen, da bekanntlich die Bronze sich für ganz schwere Geschütze nicht eignet, zudem auf -em Gebiete des Stahles immer neue Verbesserungen zu verzeichnen sind, die den Unter schied zwischen Stahl und Bronze immer mehr vergrößern werden. Der Friedensschluß. Der „Standard" veröffentlicht folgende, vom 31. Mai datirte Botschaft Schalk Burger s «ub Botha s: Offener Brief an alle Officiere, Beamte und Burghers, die bis zum heutigen Tage ihre Pflicht gegenüber dem Lande und dem Volke treu erfüllt haben. Kameraden, Brüder und Landsleute! Wir danken Euch herzlich für den Heroismus und für die Hinopferung von so Vielem, was Euch tyeuer und lieb gewesen ist. Wir danken Euch für den Gehorsam und die treue Pflichterfüllung in Allem, was dem Afrt- kandervolke zur Ehre und zum Ruhme gereicht. Wir rathen Euch Allen, Euch in den Frieden zu schicken, Euch ruhig und friedfertig zu verhalten und der neuen Regierung Gehör- sam und Achtung zu erweisen. Von den Vertretern der beiden Staaten ist eine Commission ernannt worden zur Beschaffung von Geldmitteln u. s. w. für die Wittwen und Waisen, deren Gatten und Väter ihr Leben ließen im Kampfe für Freiheit und Recht und in unserer Geschichte ewig fortleben werden. Wir sprechen unser inniges Mit gefühl Denen aus, welche trauern, und bitten Gott, daß er ihnen Kraft geben möge, das Kreuz zw tragen. Auch unseren Weibern und Kindern möchten wir unseren Dank aussprechen, die so tapfer Opfer gebracht und bitteres Leid getragen haben. Jetzt, da der Friede geschlossen ist — wenn er auch nicht ein Friede ist, wie wir ihn ersehnt haben —, lastet uns da verharren, wohin Gott uns geführt hat! Mit gutem Gewissen können wir erklären, daß 2^-. Jahre lang unser Volk den Kampf in einer Weise geführt hat, wie es die Geschichte bisher kaum kannte. Lastet uns nun einander die Hände reichen für einen anderen großen Kampf, der vor uns liegt, für die geistige und sociale Wohl fahrt des Volkes! Lasset uns allen bitteren Gefühlen ent sagen, lasset uns vergessen nnd vergeben, auf daß die tiefen Wunden heilen mögen! iWbhlt.) * London, 9. Juni. (Telegramm.) „Reuters Bureau" erklärt: Die von Vertretern der Boeren in Hol land so hartnäckig in Umlauf gesetzte Andeutung, daß den in London amtlich veröffentlichten Uebcrgabe- beding ungen irgend ein geheimes Protokoll oder geheime Bestimmungen bcigefügt seien, entbehrt aller Begründung. Afrika englisch vom Tafelberg bis zum Tanganjika. vr. Carl Peters schreibt in der Londoner „Finanz- Chronik": Der große Kampf ist zu Ende. Dreiunddreißig Monate hat das eiserne Würfelspiel in Südafrika gewährt, bis sich das kleine Bocrcnvolk in sein Schicksal gefügt hak. Die Un abhängigkeit der beiden Republiken ist dahin; und die Flagge Großbritanniens weht heute unbeanstandet auch zwischen Orangefluß und Limpopo. Damit hat eine der denkwürdigsten Episoden in der Geschichte Afrikas, ja der Menschheit, ihren Abschluß ge funden. Daß der Kampf zwischen Engländern und Holländern mit der Niederlage von Majuba Hill nicht sein Ende finden könne, das war klar für Jedermann, der Augen hatte, zu sehen. Nun und nimmermehr hätte der britische Nationalstolz es ertragen, die Beziehungen zu einem anderen Volke mit einer Niederlage als erledigt zu betrachten. Wie der Fall von Khartum mit dem Lieg von Omdurman beantwortet ward, so mußte auch auf Majuba Hill, insbesondere auf bas klägliche Fiasco des Jameson Raid, ein neuer Waffengang in Südafrika folgen. Dieses Verlangen brannte in den Seelen über die ganze angel sächsische Welt hin, und deshalb war dieser Krieg populär von Ottawa bis nach Wellington: von Melbourne bis nach London. Die Zeichnung des Protokolls am Abend des 31. Mat dieses Jahres war die letzte Quittung Englands für Majuba Hill und die Politik Krüger s. Ehrenvoll und stolz ist das Holländerthum in Südafrika unterlegen. Die De Wet und Delarey, die Botha und Steijn sind die echten Söhne der Freiheitskämpfer unter den Oraniern. Großartig war der 80jährige Kampf, welcher zur Unabhängigkeit -er Niederlande führte; großartiger vielleicht der dreijährige Kampf, in welchem die Unab hängigkeit der südafrikanischen Republiken niedcrging. Und solcher Heldenmuth ist niemals verloren, auch wenn das eigentliche Ziel verfehlt ist. Das Boerenthum hält seinen Einzug in das britische Weltreich erhobenen Hauptes und ruhmgekrönt. Damit ist seine Stellung in diesem neuen Zn- samenhange ein für allemal bestimmt. Nicht nur den außen stehenden Völkern, anch dem Feinde selbst hat das kleine Volk aufrichtige Bewunderung ctngcflößt; und Niemand ist mehr geneigt, als der Engländer, kühnen Heldenmuth auch am Gegner anzuerkennen. Wen in der That Boeren- delegtrte zu der Krönung in London erscheinen würden, so würbe diese Stimmung obnc Frage zum begeisterten Aus druck kommen. Unter allen Umständen wird sic, und die praktische Folgerung daraus, mehr als alles Andere dazu beitragen, den inneren Gegensatz zwischen den beiden niederdeutschen Rasten auch in Südafrika zu überbrücken. ... Was den FrteüenSabschluß selbst ««betrifft, so ist zimächst 10. Juni 1902. bemerkenswerth, daß er erfolgt ist ohne Mitwirkung von Krüger, vr. Leyds und ihrer Umgebung in Europa. Dies ist ein großer Erfolg der britischen Diplomatie. Aber auch sonst kennzeichnen die einzelnen Bestinnnungen Groß britannien klar und deutlich als Sieger ohne Phrase. Die Bedingungen sind nicht so günstig für die Boeren, wie man noch in der vorigen Woche annahm. Sie unterwerfen sich ohne Umschweife der britischen Krone; sie legen sofort die Waffen nieder, übergeben alle Kanonen und Gewehre, sowie ihre Kriegsmunition an den englischen Oberbefehls haber; anstatt der erwarteten 10 000 000 Pfund Sterling giebt England zum Wiederaufbau ihrer Farmen eine freie Dotation von 3 000 000 Pfund Sterling und stellt außerdem Vorschüsse in Aussicht, die mit 3 Proccnt Verzinsung zu- rückzuerstatten sind. Waffenlicenzen sollen zwar in ein zelnen Fällen auch in der Zukunft verliehen werden; doch unter der Cvntrolc der britischen Behörden, wie in Nhodesia und in Natal. Von einer militärischen Organisation der Holländer in Südafrika ist nicht mehr die Rede. Dagegen wird Selbstverwaltung für die beiden Colonien in Aus sicht gestellt, und die holländische Sprache soll, auf Wunsch der Eltern, auch forthin in den Schulen gelehrt und vor Gericht angewendet werden, „wo dies den Zwecken der Rechtspflege dient". In der Amnestiefrage hat England ebenfalls seinen Principienstandpunct klar gewahrt. Die Cap- und Natalrcbellen sollen nach ihren eigenen coloni alen Gesetzen gerichtet werden, wenn auch Todesstrafen ein für alle Rial ausgeschlossen sind. So dictirt ein Sieger; dies ist nicht der Ausgleich zwischen sich in Waffen gegcnüberstchenden Gegnern. Geschichtlich interessanter als diese Frage der Formen und der Etikette ist die praktische Rückwirkung, welche die Protokoll-Zeichnung von Pretoria haben wird. Sie betrifft nicht nur Holländer und Engländer, sic umfaßt die ge- sammte Welt des Handels und in der That unseren ganzen Culturkreis schlechtweg. Drei Jahre war Südafrika praktisch aus der Production für den Weltverkehr elimi- nirt, und die verhängnißvollcn Folgen hiervon haben sich in London, wie in Berlin, in Paris wie in New Aork, in Melbourne wie in Shangai: kurz über die ganze Erde fühlbar gemacht. Die Menschheit ist ärmer geworden in diesen drei Jahren, und viele zerschmetterte Existenzen kennzeichnen diesen allgemeinen Niedergang des Wcltver- mögens. Jetzt setzt die Ebbe um; von Neuem wird die Fluthbcwcgung heraufsteigen; und dies wird zunächst zu einem neuen Emporblühen von Südafrika, in zweiter Linie zu neuen Vcrmögensbildungen in allen Culturstaaten führen müssen. Zwar wird der „boom" seine Schwankungen haben. Tie großen Capitalisten, welche den Kaffernmarkt durch diese Krisis gehalten haben und „voll sitzen bis an den Hals", werden zunächst einmal „abladcn", und dies muß zu wiederholten Rückschlägen des Marktes führen. Aber mit der wicdcrbclebtcn productiven Arbeit in Süd afrika muß doch das Vertrauen des großen Publikums, auf welches in letzter Linie Alles ankommt, rasch sich be festigen, und dies wird zu gesunden nnd normalen Ver hältnissen führen müssen. Minenwcsen nnd auch die Land- wirthschaft werden einen ungeahnten Aufschwung nehmen. Südafrika wird der Anziehungspunct, nicht nur für intcr- nationales Capital, sondern auch für die internationale Arbeit werden; und noch einmal wird cs alle anderen Ge biete unseres Planeten in den Schatten stellen. Großbritannien geht gestärkt und stolz aus der großen Krisis hervor. Wenn auch manche großen Mängel in seiner Hceres-Organisativn sich hcransgcstcllt haben, so hat cs doch auch diesmal wieder durch seine unerschütterliche Ent schlossenheit und Kaltblütigkeit im Gegensätze zu der öffent lichen Meinung aller Völker sich als große Nation erwiesen und durch die Geschlossenheit aller seiner Colonien der Menschheit einen ersten kleinen Vorgeschmack des am Hori zonte der Zeiten yeranfzichcndcn „Oreater Lritain" ge geben. In Afrika besitzt Frankreich zwar das größere Ge biet, aber England hat mit Egypten, Uganda nnd dem mctallrcichcn kühlen Süden ohne jede Parallele auch in diesem fünften Erdtheil sich den Löwenanthcil gesichert. Etwa ein Viertel-Jahrhnnbcrt ist verflossen, seit Charles Dilkc den übrigen Völkern der Welt das dreistcWvrt znrief: „Tks vorlck jz rapistl^ beeominF Loßlisb". Trotz aller gegentheiligcn Prophezeiungen macht es im Juni 1902 noch nicht den Eindrnck, als ob dieser Entwickelung irgendwo feste Schranken cntgegcngcstcllt würden. Vielmehr sicht cs immer deutlicher so aus, als ob die überseeische Welt dauernd dem Angclsachscnthum gehören würde. Deutsches Reich. * Leipzig,9.Juni. Preußische und sächsischeRegie- rung werden von der „Kreuzztg." in Gegensatz zu einander gebracht, weil Graf Bülow im Namen des preußischen Ministeriums im Abgeordnetenhaus« den klerikal - conser- vativen Versuch, in die Ausgestaltung deS Zolltarifs und mithin in dieNeichSvolitik einzugreisen, zurückqewiesen hat, in der Zweiten sächsischen Kammer aber vom Regierungs tische aus eine Interpellation wegen deS .Toleranz- Antrags- beantwortet ist. Die .Kreuzztg." schreibt nämlich: „Wie bereit» gemeldet, ist in der Zweiten sächsische» Kammer an die StaatSregirrung eine Interpellation gerichtet worden, ob sie den im Reichstag zur Verhandlung stehenden Toleranz antrag des CentrumS im BundeSrothe abzulehnen gedenke. Ter CultuSmin ister hat die» bejaht. — Am Montag, den 2. Juni, lehnt in der preußischen Zweiten Kammer der Minister präsident in der denkbar schärfsten Form e» ob, an der Berathuug eine« Anträge» sich zu bethei igen, weil dieser sich auf ein, Angelegenheit beziehe, di« nach der Verfassung ausschließlich zur Lompetenz d»S Rei»«tage« gehör,. Drei Tage später beantwortet der sächsische LultuSministrr in liebenswürdiger Weise eine Anfrage, di« gleichfalls zur Comp«tenz des Reichstage» gehört. Da« eigenartig« Vorgehen de» größten BundeSstaaie» hat also zunächst keine Schule gemacht. DaS Ber- halte» de» sächsischen Ministeriums ist um jo an«kktuneaswerth«r, al» auch in Dre-den di« Lpnstrvgtjveu .die stärkst« Partei HA.AH- 96. Jahrgang. geordnetenhauseS bilde». Man scheint dort noch nicht der Ansicht zu huldigen, daß «S sich empfehle, gerade auf di« loyalsten Parteien am wenigsten Rücksicht zu nehmen, da man ja auf der«» Unter-" ß ätzung schließlich doch rechnen könne." Die „Nat.-Ztg." bemerkt zu dieser Auslastung: „Bei dem Schlußsatz wollen wir unS nicht aufhalten: diese An- maßung der „loyalsten Parteien" braucht am wenigsten einige Tage nach der Rede deS Abg. v. Wangenheim beleuchtet zu werden; und wie man auf die Unterstützung dieser Parteien „schließlich doch rechnen kann", das ist wohl Allen, die es angeht, noch von der Canalvorlage her bekannt. Der Vergleich der Verhandlungen im Abgeordnetenhaus« und in der sächsischen Zwesten Sammer ist so unhaltbar wie möglich. In der ersten Be- rathung des Toleranzantrages hat der Reichskanzler im Reichstag erklärt, daß dieser Antrag nicht zur Zu ständigkeit des Reiches gehöre; «S kann in der That keinem Zweifel unterliegen, daß er nur durch eine Er weiterung der Reichscompetenz vermittelst einer Verfassungs änderung Gesetz werden kann. Eine solche wird verhindert, wenn im BundeSrath 14 Stimmen dagegen abgegeben werden. Vorläufig also gehören die Angelegenheiten, auf welche der Toleraozantrag sich bezieht, zur Zuständigkeit der Einzelstaaten, uud ob diese durch Zustimmung der Einzelregierungen vermindert werden soll, das ist allerdings eine Frage, zu deren Erörterung die Einzellandtage sich berofen erachten können." Mit dieser zutreffenden Zurückweisung de» unzulässigen Vergleiches ist die Kennzeichnung desselben noch nicht erschöpft. Die preußische Regierung hatte, als sie .aufgefordert" wurde, im BundeSralhe für eine Erhöhung der Minimalsätze des Zolltarifs einzutreten, bereits Stellung gegen eine solche Erhöhung genommen und wurde daher .aufgefordert", sich mit sich selbst io Widerspruch zu setzen. Daß der sächsischen Regierung eine solche Zumuthung gestellt worden sei, würde selbst der verflossene Herr v. Hämmerstein in der Blüthe seines Verhältnisses zu Flora Gaß nicht be hauptet haben. Die sächsische Regierung, die ihre Stellungnahme zu dem.Toleranz«»trage" noch nicht bekannt gegeben hatte, wurde wegen dieser Stellung geziemend befragt und ertheilte auf diese in der Sache vollkommen berechtigte und ia der Form geziemende Anfrage bereitwillige Auskunft. Eine solche würde auch den Hintermännern der .Kreuzztg." im preußischen Abgeordnetenhause ertheilt worden sein, wenn eine Anfrage überhaupt noch am Platze gewesen wäre und sich nicht in die doppelt ungehörige Form einer Aufforderung gekleidet hätte. In beiden in ungehörigen Ver gleich gestellten Fällen brauchen also beide Regierungen nichts von einander zu lernen; jede hat vollkommen corrrct ge handelt. Wohl aber könnte die „Kreuzztg." au» dem Ver laufe der sächsischen Interpellation lernen, wann und wie man sich an die Regierung zu wenden hat, wenn man einer bereitwilligen Antwort sicher sein will. -7- Berlin, 9. Juni. lSocialdemokratie und freisinnige Vvlkspartei bet den Reichs tag s w a h l c n.) Wenn Anarchisten oder Nihilisten mit dem Revolver auf einen Staatsmann losgchen nnd wenn die socialistischc Presse dann diesen Mordversuch als Heldcnstücklcin preist, so bedauert die „Freisinnige Ztg." in erster Reihe die Unvorsichtigkeit der Freunde vom socialen Radicalismus. Wenn aber ein Socialdemo krat cs wagt, Herrn Eugen Richter anzugrcifcn — nicht etwa mit dem Revolver, sondern nur mit der Feber oder mit dem Munde —, so ist dies ein viel schwereres Verbrechen. Eines solchen Verbrechens hat sich der socia listischc Rcichstagsabgcordnctc Kuncrt schuldig gemacht, der dem College« Richter zu sagen wagte, er schädige seine eigene Partei — eine Auffassung beiläufig, in der Herr Kuncrt auch mit nichtsocialistischcn Politikern zusammen trifft. Für dieses Verbrechen muß natürlich Herr Kunert bestraft werden, und so droht denn die „Freisinnige Ztg.": „Sehe Jeder, wie er's treibe, und wer steht, daß er nichtfalle. D a s g i l t au ch v o n H e r r n K u ne r t im Wahlkreise Halle." Daß Herr Richter nicht blos „Halle" mit „falle" hat reimen wollen, sondern daß dieser Satz eine ernstliche Drohung enthält, wird klar, wenn man die letzten allgemeinen Wahlen im Wahlkreise Halle in Betracht zieht. Damals mußte nämlich Herr Kuncrt in der Stichwahl mit einem nationallibcralen Be werber um die Palme ringen und der Letztere konnte ge wählt werden, wenn er alle Stimmen erhielt, die in ber Hauptwahl auf ihn sowohl, als auch auf den freisinnigen und den antisemitischen ies waren 8236 freisinnige und 795 antisemitische Stimmen abgegeben worden) gefallen waren. Er erhielt aber ungefähr 2000 Stimmen weniger, als die Gcsammtzahl dieser Stimmen betragen hätte, währen der Socialdcmokrat 2000 Stimmen mehr erhielt, als in dcr Hauptwahl. So hatte also der Socialdemokrat seinen Wahlsieg mindestens ihcilweise dcr freisinnigen BolkS- partci in Halle zu verdanken. Dcr Say der „Freisinnigen Zig." besagt also nichts Anderes, als daß, wenn HcrrKuncrt sich noch einmal untersteht, gegen die geheiligte Person Herrn Eugen Richter s anzugeycn, die freisinnige Volks partei in Halle künftighin Mann für Mann gegen ihn stimmen wird. Wir sind ja unter allen Umständen -er Ansicht, daß die bürgerlichen Parteien der Socialdemo kratie stets geschlossen gcgcnübertreten sollen, wir können cs aber immerhin noch begreifen, wenn einmal eine radikale Partei aus politischen Gründen von diesem Grundsätze abgcht. Tas Verhalte» dcr Socialdemokratic gegenüber aber von der größeren oder geringeren Nettigkeit gegen einen Parteiführer abhängig zu machen, ist das Zeichen entweder politischer Unreife oder politischer Greisen haftigkeit. — Wie der „Frkf. Ztg." gemeldet wird, hatte der be- kannte New Norker Anwalt Holli eine Unterredung mit dem Kaiser im Schloß zu Berlin, dir Stunde währte. Der Kaiser unterhielt sich über amerikanische An gelegenheiten und über die verschiedenen internen amerikanischen fragen. Der Ausstellung in St. LouiS 1904 brachte der Kaiser großes Interesse entgegen uud in wohlwollenden Worten gab er der Hoffnung Ausdruck, daß Deutschland auch auf dieser Exposition nicht nur mit seinen Erzeugniffen ehren-
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