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Dresdner Journal : 01.04.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189704012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18970401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18970401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-04
- Tag 1897-04-01
-
Monat
1897-04
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 01.04.1897
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Bezugspreis: Dresden vierteljährlich: 1 Mark 50 Ps., bei ^ca Kaiser lich deutschen Pvstanstalten vierteljährlich « Mark; außer halb des Deutschen Reiche« Post- und Etcwpclzuschlaa. Einzelne Nummern: 10 Pf Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend«. Fernfpr-Anschluß: Nr. 1SSS. ^STS. Anlündtgungsgetühre«: Für den Raum einer arspal- teuen Zeile kleiner Schrift «0 Pf. Unter „Lmaesandt" die Zeile 60 Pf. Lei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Aufschlag. Hernn-getzer: Königliche Expedition de« Dresdner Journal« DreSdiN, Zwingerstr. 20. Fcrnspr.-Anschluß: Nr 12SL Donnerstag, den I. April, abends. 1897. Amtlicher Teil. Ansage. 2(uf Ällkrhöchktn Lcfehl wird den am Königlichen Hofe vorgestcllten fremden und einheimischen Herren und Damen hiermit bekannt gegeben, daß am Ostermontag, den IS. April 18S7, Abends 8 Uhr 30 Miu., ein Kof-KoncerL in den Paradesälen des Königlichen Schlosses statt findet. Ihre Majestäten der König und die Königin, sow:e die anwesenden Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, König liche Hoheiten, werden die genehmigten Vorstellungen der angemeldeten Herren und Damen vor dem Con- certe, 8 Uhr 30 Min., anzunehmen geruhen. (Versammlung des Königlichen großen Dienstes: 8 Uhr 15 Min.) Anzug: Die Herren vom Civil: Uniform oder Hof kleid; Die Herren vom Militair: Parade-Anzug ohne Schärpe. Dresden, am 1. April 1897. Königliches Oberhofmarschallamt. Anfahrt der Wagen: Alle Equipagen fahren in das Königliche Schloß durch das nach der katholischen Hofkirche ge legene grüne Thor ein. Absahrt der Wagen: u) Hofequipagen vom Stallhofe durch das Jagd- thor (Diener erwarten die Herrschaften auf der Jagdtreppe). d) Equipagen der Herren Gesandten und Staats minister vom kleinen Schloßhofe durch das Thor nach dem Taschenberg (Diener erwarten die Herrschaften auf dem obersten Absatz der Oberhofmeisterin - Treppe). o) Alle übrigen Equipagen vom großen Schloß- Hofe durch das Thor nach der Schloßstraße i Diener erwarten die Herrschaften im Garde reiter-Wachtsaale I. Etage, Aufgang durch die Kellcreitreppe). Für die zu Fuß nach dem Königlichen Schlosse kommenden Herren wird die Pforte Ecke der Schloßstraße und dem Taschenbcrg geöffnet sein. Dresden, l . April. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den zeitherigen vortragenden Rath im Finanz-Ministerium, Geheimen Finanzrath vr für. Barchewitz zum Geheimen Rathe und Ministerial direktor sowie zum Vorstande der II. Abtheilung des Finanz-Ministeriums, und die zeitherigen HülfSarbeiter, Oberfinanzräthe vr. ^'ur. Wach! er und Kohlschütter zu Geheimen Finanzräthen und vortragenden Räthen im Finanz-Ministerium zu ernennen, sowie den zeit herigen etatmäßigen Rath der Generaldirektion der Staatseisenbahnen, Finanzrath Poppe, unter Ernenn ung zum Oberfinanzrathe in das Finanz-Ministerium zu versetzen. Dresden, 1. April. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Geheimen Finanz- rathe und Vortragenden Rathe im Finanzministerium Dr. )ur. Otto Friedrich Freiesleben den Titel und Rang eines Geheimen Raths zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Betriebs - Oberingenieur bei der Staats- Lunss und Wissenschaft. Konzert. Im letzten Nicods-Konzert, welches den Gewerbehaussaal dicht gefüllt hatte, lernte man Anton Bruckners Dvum kennen. Es ist ein knapp ge haltenes, mit Stimmung entworfenes und in manchen Abschnitten kunstvoll ausgearbeitetes Chorwerk Daß das Pathos die Oberhand hat, ist bei einem Lobgesange an gemessen und wäre bei diesem Tonsetzer auch ohnedem nicht überraschend. Aber sein Wohlbehagen am hochgespannten Ausdruck und Aufwand der Tonmittel geht im ersten Teile des Ts Denin zu weit, man vermißt in dieser gleich mäßig erregten, sich förmlich überstürzenden Musik die feinere Gliederung der Deklamation und die höchste Wirkung innerlichen Jubels. Die schönen Stellen der Komposition liegen in dem Soloquartettsatz „Ts orxo gnaosnmns" und in seiner Wiederholung mit hinzu tretendem Chor, dessen ,,D8gn« in »«ternnw" mit Palestrinascher Weihe ausklingt Der mit einer Fuge anhebende Schlußteil des 7s Dsum kommt gleich dem ersten Abschnitt über einen starken äußeren Eindruck nicht hinaus, den er überdies noch mit rücksichtslosem Anspruch an die Singstimmen (hohes 0 der Soprane) erkauft. Darüber wie über die Harmonik, in der Bruckner oft mit der Kühnheit eines Naturalisten verfährt, mag man indes heutzutage kein Wort mehr verlieren Die den Sängern dadurch ungewöhnlich erschwerte Aufgabe wurde namentlich vom Cyor sehr sicher bewältigt. Letzterer, aus dem Nicods - Chor und Mitgliedern des Bach-VereinS, des Neustädter Chorgesangverein», der Schumannschen Sing-Akademie und de« Lehrergesangvereins bestehend, behauptete sich auch in der Neunten Symphonie Beethovens mit größeren Ehren als da» Winderstein eisenbahnverwaltung vr.ptul. Fritzsche die nachgesuchte Versetzung in den Ruhestand zu bewilligen. Se. Majestät der König haben dem Ober-Tele graphenassistent Meißner in Dresden und dem Post verwalter Kümmel in Lockwitz das Albrechtskreuz Allergnädigst zu verleihen geruht. Mit Allerhöchster Genehmigung ist die Function des Vorstandes der ll. Abtheilung des Ministeriums des Innern dem Geheimen Regierungsrathe Merz übertragen worden. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, den Amtshauptmann Dr. Kunze zu Pirna zum vortragenden Rath im Ministerium des Innern mit dem Titel und Rang als Geheimer Regierungsrath zu ernennen. Mit Allerhöchster Genehmigung ist der vortragende Rath im Ministerium des Innern Geheimer Regier ungs-Rath I)r. Kunze zum ständigen Mitgliede deS Landes VersicherungSamts ernannt worden. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Geheimen Regierungsrath Dr. Haberkorn, vom 1. April dieses Jahres an, die Stelle des Direktors der Brandversicherungskammer zu über tragen. Mit Genehmigung Sr. Majestät des Königs ist der Amtshauptmann Hans Karl Freiherr von Teubern in Flöha zur Amtshauptmannschaft Pirna versetzt worden. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Regierungsrath Köttig bei der hiesigen Polizeidirection den von Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland ihm verliehenen St. Annen orden 3. Classe nnd der Criminalpolizei - Jnspector Unger bei derselben Behörde die ihm verliehene goldene Medaille dieses Ordens annehme und trage. Dresden, l. April. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Director der Landesanstalt zu Hohnstein Lieutenant a. D. Gottlob Friedrich Tunger die nachgesuchte Versetzung in den Ruhe stand mit der gesetzlichen Pension zu bewilligen. Dresden, 1. April. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den bisherigen Director der Landesanstalt zu Hubertusburg Arthur Theobald Vogel zum Director der Correctionsanstalt zu Hohnstein und den Dirigenten der Strafanstalt zu Voigtsberg, Oberinspektor Karl Hermann Bäßler, zum Strafanstaltsdirector sowie den bisherigen Ober- mspeclor an der Strafanstalt zu Zwickau, Prcmier- lieutenant a. D. Karl Adolf Benno Rühlemann zum Director der Landesanftalt zu Hubertusburg zu ernennen. Srneuuungen, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Im Geschäftsbereiche des Ministeriums des Innern. Wiederangestellt: der zweite juristische Sekretär bei dem Evangelisch-lutherischen LandeSconsistorium Georg Heinrich von Carlowitz als Bezirksassessor bei der Amtshauptmann schaft Pirna. — Versetzt: Regierungsassessor Dr. Wilhelm Maximilian Mehnert, derzeit zur aushülssmeisen Dienstleistung bei der Kreishaupimannschasl Dressen, zur AmtShauptmann- schaft Borna. Nichtamtlicher Teil. Fürst Bismarck begeht heute seinen 8?. Geburtstag. Er feiert ihn diesmal in größerer Stille, da er eben erst eine schmerzhafte Erkrankung überwunden hat. Fehlt somit dem Tage ein äußeres festliches Gepräge, so ist darum seine Bedeutung für das deutsche Volk nicht geringer. Auch wenn keine Feierzeichen uns ins Auge fallen, denkt heute doch jeder Patriot an den ersten Kanzler und richtet aus bewegtem Herzen die Orchester und die Vereinigung der Solisten. Ersteres ent faltete nur mäßige Kraft, Frische und Schönheit der Tonwirkung, was ja zum Teil durch die mißliche Aus stellung der Kapelle verschuldet sein mochte, und unterlag auch mannichfachen Schwankungen und Verminderungen in der Klarheit und Wärme des Vortrags. Die Solisten, Frau Sondermann, Frau Bächi - Fährmann, Herren Borchers und Reichert, ließen es an Eifer nicht fehlen, doch reicht diese Aufwendung gegenüber den Forderungen des klassischen Riesenwerkes eben nicht weit hin. Am vollkommensten gelangen gestern das Scherzo und die erste Hälfte des Adagios, am wenigsten erfreute uns die Wiedergabe des ersten Satzes Nicht nur, daß der Dirigent sich hier ungenügend vom Orchester unterstützt sah, sondern er that auch selbst ein übriges, um durch häufigen schroffen Zeitmaßwechsel und willkürliche Cäsuren den großen Zug und Fluß der Tonsprache zu hemmen Wir haben diese Wahrnehmung schon im Vorjahre gemacht und können daher nur mit entschiedener Mißbilligung feststellen, daß Hr. Nicods bei einem Verfahren beharrt, durch welches der Beethovenschen Musik zweifellos Gewalt angethan wird Unser Bedauern darüber ist um so größer, als wir die geistige Bedeutung und Selbständigkeit dieses Diri genten sehr wohl zu schätzen wissen. Freilich schien Hr. Nicodö gestern überhaupt von einer starken Nervosität be fangen zu sein, infolgedessen auch die Ausführung des Schlußsatzes, ungeachtet der prächtigen Chorleistung, hinter der im Vorjahre zurückblieb P. Kochs neue Tuberkulin-Präparate. Wir haben bereits mitgeteilt, daß es Prof Robert Koch nach jahrelangen Untersuchungen gelungen ist, zwei neue Tuberkulin-Präparate herzustellen — Tuberkulin 0 und Tuberkulin k —, von denen das Tuberkulin U seiner Meinung nach ganz entschieden gegen die Tuberkelbazillen Bitte an den Lenker aller Geschicke, daß die gewaltige Gestalt noch lange unter uns aufrecht bleiben möchte als eine hohe Verkörperung deutschen Wesens, als ein Schutz geist der Nation. Und gerade in unserem engeren Vaterlande, dessen Männer ihr : Treue zu Kaiser und Reich allezeit wärmer denn andere auf den Mitschöpfer des letzteren übertragen haben, werden heute viel tausend herzliche Glückwünsche in Wort und Schrift und mehr noch im Stillen dem treuen „Alten im Sachsenwalde" dargebracht werden. — Den Gefühlen der staatserhaltenden Parteien dem Fürsten Bismarck gegenüber verleiht heute die „Conservative Correspondenz" in folgenden Worten Ausdruck: An den erhebenden Festtagen zu Ehren des hundertjährigen Geburtstages des großen Kaisers Wilhelm des Ersten ist, wie sich gehört, auch deS treuen Beraters des Gefeierten nicht ver gessen worden Heute aber, am Geburtstage deS großen Kanzler-, begehen wir gewissermaßen eine Nachfeier Jeder Tag, den Gott der Herr dem Fürsten Bismarck noch schenkt, den Er ihn in körperlicher und geistiger Rüstigkeit erleben läßt, ist ein Ge winn für unser Vaterland. Denn unvermindert hat der be währte Rat des Eisernen Kanzlers Gewicht im Volke, und immerdar finden seine Mahnungen Wiederhall. Mit treuer Dankbarkeit tragen heute Millionen von Deutschen Segenswünsche für des alten Kaisers großen Kanzler im Herzen, und gedenken wehmutsvoll vergangener Zeiten. Daß dazu das Gegenstück nicht fehlt, daß ein leider nicht unerheblicher Teil des Volkes mit Haß und Wut deS nationalen Wirkens Bismarcks gedenkt und ihn auch heute noch, trotzdem er von seinen Ämtern emhoben ist, schilt und schmäht, ist für den großen Kanzler ehrenvoll Von diesen Elementen gelobt und geehrt zu werden, ist kein Ruhm, und wir wissen von dem Sohne des Fürsten, von dem Grasen Herbert Bismarck, daß der Geschmähte diese« Treiben mit der heiteren Ruhe eines Naturforschers betrachtet. In diesem Sinne hat Fürst BiSmarck auch während seiner Amtszeit das Lob der Demokratie nicht nur wie sein unmittel barer Amtsnachfolger als „unheimlich" erkannt, sondern er hat auch demgemäß gehandelt. Es war ihm stets ein Zeichen da für, daß er sich auf dem rechten Wege befand, wenn er von der Linken bekämpft wurde, und in diesem Zeichen hat er ge siegt und Deutschland zu Macht und Ansehen geführt Wenn also jene Widersacher auch heute noch als unversöhnliche, ge hässige Bekämpfer Bismarcks austreten, so beweist das, daß der große Kanzler auch heute noch ein gewichtiger nationaler Faktor in unserer Politik ist, mit welchem — Golt sei Dank - die Demokratie zu rechnen hat. Je mehr aber der große Kanzler von jenen, einer echten nationalen Polilik abholden Elementen geschmäht wird, desto inniger ond dankbarer hängen diejenigen Teile der deutschen Bevölkerung an ihm, die seine bewährte und erfolgreiche Politik gestützt und getragen haben, und wir wissen, daß Fürst Bismarck diese aufrichtige Liebe und Verehrung treuen Herzens würdigt. Möge der erste April noch oft dem großen Kanzler wiedcrkehren. Gottes reichster Segen walte über dem Fürsten Bismarck für un) für! Rechtöqcfühl und öffentliche Meinung. Ter letzten Nummer der „Deutschen Juristen- Zeitung" entnehmen wir die nachstehenden vom Neichs- gerichtSrat Dr. Stenglein in Leipzig verfaßten Aus führungen, die sich mit einer der zahlreichen Fragen befassen, bei deren Besprechung die TageSprcsse, an geblich sich in den Dienst der „öffentlichen Meinung" stellend, das heutzutage so beliebte „Nörgeln" in aus giebiger und leider g'wiß nicht erfolgloser Weise betreibt. Keine Zeit war wohl darin so stark, wie die unserige, mit gewissen Stichworten die wichtigsten Fragen entscheiden zu wollen, und zwar mit Stichwortcn, welche eine ernstere Prüfung durch aus nicht vertragen, trotzdem aber ihre Wirkung thun. Eines dieser Stichworte, welches das juridische Grbiet berührt, ist die Berusung auf das Rechtsgcsühi des Volke-. ES wird in Dis kussionen über Rechtsfragen benützt, ohne zu prüfen, ob das an gebliche Rechtegelühl überhaupt bestehe, und wenn, in welcher Richtung cs sich äußere. Gefühl ist, praktisch genommen, ein instinktives Urteil, wclches on Logik und Vernunft möglichst wenig beeinflußt wird. Entsprechend ist RcchtSgefühl ein instinktives Urteil über Rechtsfragen, welches nach Logik und Vernunft absolut nicht fragt. Ob aber im Volke überhaupt ein solches unzu längliches Urteil bestehe oder nicht, wer von allen denen will es beweisen, die es als Stichwort benutzen? Es liege ferne, auch ein Rechtsbewußtsein des Volkes be streiten zu wollen Wo aber ein solches im Volke wirklich auf- rmmunlperenv wirkt. Die bezügliche Veröffentlichung Kochs wird in der heutigen Nummer der „D. med. Wochenschr." erscheinen. Die „Nat.-Ztg." hat fchon gestern Einsicht in den Wortlaut gehabt und ihren Lesern das Wesentliche der Darlegungen bekannt gegeben. Diese Mitteilungen lauten: Die Anwendung der Bakterien und ihrer Produkte zu Heil- und Schutzzwecken kommt immer auf eine Art Im munisierung hinaus. Ursprünglich dachte man sich die Immunität gegen Infektionskrankheit als etwas Einfaches, Unteilbares. Allmählich ist man aber mehr und mehr zu der Einsicht gelangt, daß die Immunität zwar einfach sein kann, aber es nicht sein muß, daß sie auch aus zwei Kom ponenten, vielleicht sogar aus mehreren zusammengesetzt sein kann, wie beim Tetanus (Starrkrampf), bei Cholera und Typhus beobachtet ist. Das Ideal einer Immuni sierung wird immer sein, den tierischen bez. menschlichen Körper nicht nur gegen eine einzige der Schädlichkeiten, welche die pathogenen Mikroorganismen mit sich bringen, zu schützen, sondern gegen alle. Diese Verhältnisse spielen auch bei der Tuberkulose eine große Rolle Zu nächst könnte es allerdings so scheinen, als ob für Tuberkulose überhaupt keine Immunität besteht, da sie beim Menschen Jahre hindurch dauern kann, ohne daß die Empfänglichkeit dafür abnimmt. Selbst in den Fällen, wo eine Heilung eintritt, ist der Mensch dadurch nicht immun gegen eine neue Invasion der Tuberkelbazillen ge worden; er ist dann im Gegenteil, wie die Erfahrung lehrt, eher noch empfänglicher für eine frische tuberkulöse Infektion. Und doch existieren Andeutungen, welche dafür sprechen, daß auch die Tuberkulose unter bestimmten Be dingungen eine Art Immunisierung erkennen läßt Koch findet dieselbe in den Beobachtungen, welche man bei der Miliartuberkulose de» Menschen und bei der experimentellen Tuberkulose des Meerschweinchens machen kann. Es tritt hierbei in der Regel ein Stadium ein, in welchem die Tuberkelbazillen, welche anfang« in großer Menge vor tritt, wirkt eS so mächtig als Ausdruck deS nationalen Urteils, daß auch die Richter sich demselben nicht entziehen können. ES wird darüber nie zu den kleinlichen Zänkereien kommen, zu denen die Behauptung deS Rech.SgefühlS in bestimmten Fragen führt. Ähnlich verhält es sich mit der öffentlichen Meinung. Diese ist überhaupt schwer zu definieren. Häufig bandelt e« sich um keine öffentliche, sondern um die Meinung bestimmter Stände oder sonstiger Volksteile, noch häufiger wird der zeitungslesenden Menge in Fragen, über welche sie kein eigenes Urteil hat, durch die TageSpresse eine Meinung ausgedrungen, indem gewisse Mißstände oder auch nur angebliche Mißstände möglichst laut und energisch be kämpft werden, wobei gegenteilige Meinungen ignoriert oder mit der in dem größeren Teil der Presse üblich gewordenen Polemik, ohne sich viel aus Gründe einzulassen, niedergeschrien werden... Einer eigentümlichen Erscheinung dieser Art, die zu obigen Betrachtungen Veranlassung gegeben hat, begegnen wir in den „Preußischen Jahrbüchern", Januarheft 1897, S. 196, 197. Nach einigen ganz vernünftigen Einleitungssätzen, würdig einer ernsten Zeitschrift von der Bedeutung der „Preußischen Jahrbücher", geht die Besprechung über zu Sünden der Straf, justiz, die nicht etwa eingehend dargelegt, sondern im Tone unfehlbarer Weisheit nur kurz aber erkennbar bezeichnet werden, um das Urteil zu begründen: „Die Klagen über unsere Kriminaljustiz sind nur gar zu berechtigt." Dieses Urteil giebt aber nicht etwa ein gewiegter Jurist ab, sondern ein Professor der Geschichte, von dem sogar bezweifelt werden muß, ob er nur das Detail der Fälle kennt, über welche er so souverän aburteilt, und deren geringe Zahl im schlimmsten Falle jein Urteil nicht rechtfertigen würde! Die Majestätsbeleidigung eines sozialdemokratischen Redak teurs aus Anlaß der Letzlinger Saujagd mag zweifelhaft ge weien sein. Was berechtigt aber den Herrn Professor, ohne weiteres seine Zweifel höher zu stellen, als den Mangel an solchen Zweifeln bei fünf juridisch gebildeten Richtern, die ohne Zweifel mit der Person des Abgeurteitten und mit den Verhält nissen vertranter waren, als der Redakteur der Preuß Jahr bücher? Die Behauptung, dem verurteilten Redakteur sei nicht nachgcwiesen, daß er von der Anwesenheit des Kaisers bei jener Jagd etwas gewußt habe, ist vollends eine so willkürliche, daß sie sich in einem sozialdemokratischen Blatte besser auSnehmen würde, als in den ernsten Preußischen Jahrbüchern. Die Anwendung des Groben-Unsugs-Paragraphen auf eine Bismarckbeleidigung in Bayern, und die Behauptung eines Gerichtsurteils, es gäbe keinen Diebstahl an elektrischer Kraft, giebt dem rechisgelehrten Professor der Geschichte zu folgendem Ausruf Anlaß: „Hier der ödeste Formalismus unter absoluter Verachtung der Natur der Sache; dort eine völlig willkürliche Ausdehnung der Strafbestimmungen, die zuletzt jede Rechts sicherheit aufhebt." Die arme Strafjustiz, einmal vertreten durch ein Amtsgericht in München, das andere Mal durch den obersten Gerichtshof des Reichs, kann eS dem Hrn. Professor nicht recht machen, und cs wird ihr wohl nichts übrig bleiben, als sich künftig stets an die Pythia der Preußischen Jahrbücher zu wenden, um das Orakel zu erholen, ob die Gerichte ausdchnend oder cinengend Gesetze zu interpretieren haben. Nur sollte, dis diese Ein richtung getroffen ist, der Urheber solcher gi ündlichen Beurteilung der Strafjustiz nicht von sich sagen: „Ich bin der letzte, dem es Vergnügen macht, an den öffentlichen Einrichtungen in Deutschland herumzunörgeln " Hat er doch nicht einmal den Widerspruch erfaßt, der darin liegt, daß seine Angriffe gegen die Organe der Strafjustiz und deren Handhabung der be stehenden Gesetze gerichtet sind, daß er aber zum Schluß aus dem Einbringen der Ltrasgcsetznovelle glaubt den Beweis ziehen zu dürfen, daß es auch nach Ansicht der Reichsregicrung mit unserer Strafjustiz nicht so stehe, wie es sollte. Novellen suchen die Gesetze, nicht die Richter zu verbessern! Den be stehenden Gesetzen sind aber bekanntlich auch die Richter unterworfen Schließlich noch ein Wort über die Anwendung der Straf bestimmung über groben Unfug aus gewisse Preßäußer- ungen: „Diese willkürliche, die Rechtssicherheit aushcbende Ex- tendierung der Strafbestimmungen." Der 8 »60 Ziff. 1 t unseres Strafgesetzbuches sagt: „Es wird bestraft, wer ungebührlichcr- weise ruhestörenden Lärm erregt oder wer groben Unfug ver übt." Anerkanntermaßen bezweckt die erste Alternative den Schutz des Bürgers gegen Störung seines physischen Ruhcbedürfnisses. Die zweite Alternative wird u a. auch angewendet gegen un gebührliche Verunglimpsung der moralischen Gefühle, so wohl religiöser Gefühle, als jener der Pietät, der Dank barkeit, der Nationalität u s. w Darin eine die Rechtssicherheit aushebende Ausdehnung des GejcbcS zu finden, nachdem das Gesetz keine Definition des groben Unfugs giebt, heißt mit anderen Worten: „Daß der Schlaf des ruhigcn Staatsbürgers gestört wird, ist strasbrr; die heiligsten Gefühle des Staats angehörigen zu verletzen, muß aber die Presse das Privilegium haben. ,.b Appetit risut sumanxsant" sagt unser westlicher Nach bar. Gebt der Presse noch so viele Privilegien, sie verlangt stets noch mehr. ' .I"". Händen waren, wieder verschwinden Es ist dies sehr aus fallend, da die Tuberkelbazillen, wenn sie experimentell dem Körper einverleibt werden, außerordentlich lang sam resorbiert (aufgesaugt) werden. Es scheint sich in jenen Fällen also in der That um einen Jm- munisierungSvorgang, und zwar um einen rein bakteriellen zu handeln. Leider kommt er für den betreffenden Organismus zu spät, als daß er für ihn noch von Nutzen sein könnte. Aber diese Beobachtungen sind für Koch von Anfang an die Veranlassung gewesen, unablässig nach einem Verfahren zu suchen, welches gestattet, auch in einem frühen Stadium der Tuberkulose, wo e« noch etwas nützen kann, diesen Zustand von Immunität herbeizuführen Um eine künstliche Immunität zu erhalten, mußten Verhältnisse angestrebt werden, welche den eben geschilderten möglichst ähnlich sind. Dem stellen sich aber geradezu un überwindliche Schwierigkeiten entgegen. Alle Versuche, die unveränderten lebenden oder selbst abgetöteten Tuberkel bazillen in einigermaßen größerer Menge vom Unterhaut gewebe, von der Bauchhöhle oder von der Blutbahn aus zur Resorption zu bringen, sind mißglückt und ebenso ist es vielen anderen Forschern gegangen Koch versuchte cs dann, die Bazillen durch chemische Eingriffe resorbierbar zu machen Die einzigen Verfahren, welche in dieser Beziehung etwas leisteten, bestanden in der Behandlung der Tuberkelbazillen mit verdünnten Mineralsäuren oder mit starken Alkalien bei Siedehitze. Damit gelingt es in der That, die Tuberkelbazillen so zu verändern, daß sie in größeren Mengen, wenn auch langsam, doch vollständig resorbiert werden Irgendwelche Anzeichen von Immuni tät wurden hierbei indessen nicht erzielt, und eS ist anzu nehmen, daß dieser chemische Eingriff eine zu tiefe Veränderung der Bazillensubstanz bewirkt und ihre immuni sierenden Eigenschaften zerstört Da also auch auf diesem Wege nichts zu erreichen war, so ging Koch dazu über, unter Verzicht auf die Ge samtmasse der Tuberkelbazillen resorbierbare Bestand-
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