Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummer». Pränumerations- Preis 22; Sgr. (; Thlr.) viertcljädrlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. M Literatur a g a z i n für die Man »rSnumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. Staats-Aeitung (FriedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei de« Wohllöbl. Post - Aemtern. des Auslandes. >43. Berlin, Mittwoch den 8. April 1840. Italien. Die Jtaliänischc Volksliteratur. kl. Mailand und Turin. Die Mailändische Poesie ist eben so neuen Ursprungs wie die Neapolitanische, denn auch sie blühte erst beim Verfall der Jtaliänischcn Literatur auf. Die ältesten Erzeugnisse derselben, die wir in den Mai ländischen Sammlungen oorfindeu, sind einige Verse von Lvmazzo und Sonnctte von einem der Musiker des Doms. Lvmazzo war Maler; als er aber erblindete, gab er mehrere Bände Gedichte her aus; Mailändische Verse sind jedoch nur in geringer Anzahl darun ter, denn er schrieb mcistcnthcilü in Jtaliänischer Sprache oder in der bäuerischen Mundart. Die Lombardische Volksliteratur hatte da mals sich auf das Land zurückgezogen, weil die Städte noch unter dem Einfluß der Jtaliänischcn Ueberlieferungen standen. Der Typus dieser alten ländliche» Poesie war Bcltram, ein linkischer und unge schickter Bauer, den man aus Gaggiano, einem Dorfe an der Avda in den Venetianilchen Staaten, hcrbciholtc. Zur Zeit des Karnevals sah man ihn durch die Straßen Mailands wandern; auch in Venedig benutzte man Beltram's Karikatur unter den phantastischen Masken der Stegreif-Komödie. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts gewinnt der Stadt-Dialekt die Oberhand; I6ttS versucht es Capis, der Mailändischen Mundart dadurch mehr Glanz zu verleihen, baß er in dieselbe Griechische und Lateinische Wortbildungen cinführt; ein anderer Schriftsteller greift die Jtaliänische Sprache in einer kleinen Abhandlung über die Mailändische Aussprache an. Die Spanische Herrschaft hatte damals die Jtaliänischcn Ueberlieferungen noch nicht verwischt, man gedachte vielleicht noch immer des Hofes der Sforza; aber die städtische Reaction trat um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts ins Leben, und die Volkspoesie sagte sich nun von der bäuerischen Mundart los, um den Dialekt der Städte anzunehmen. M agg i ist der Repräsentant dieser Ucbcrgangs-Epoche; mit fvrtgeriffcn durch die Bewegung, welche von der Jtäliänischen Sprache entfernte, ließ er sich durch die Leichtigkeit gewinnen, mit der er im Mailändischen schrieb, nnd so wurde er aus einem schlech ten Jtaliänischcn Schriftsteller der erste Dichter der Lombardei. Maggi schrieb vier Komödien, und wie Venedigs Stegreif- Theater, io sind auch diese Stücke das treuste Abbild der Landcs- sittcn. Die von Maggi erfundenen Personen sind zu feststehenden Karikaturen, seine Witze zu Sprüchwörtern geworden. Gewisser maßen sind alle Mailändische Dichter nur aus ihm hcrvorgegangen; sein auserwählter Held, Mcneghino, ist Mailands Polichinell, der eigentliche Typus der Mailändischen Poesie geworden. Mencghino ist ein verheirathcter Bedienter mit einem ganzen Häufchen Kinder, seiner Herrschaft treu ergeben, lächerlich tugendhaft und gutmütbig feig; cr geht immer mit komischer Vorsicht zu Werke und läßt sich doch gleich vom ersten besten Gauner betrügen. Auf den Brettern ist Mcneghino der Spielball aller Jntrigncn; cr stcckt, so zu sagen, alle Mlt ihni auftrctenve Personen durch seine Gutmüthigkeit und seine Dummheit an. Außerhalb der Bühne ist er der Trager aller Lokal-Dichtungen; unter seinem Namen treten fast alle Erzählungen, Lieder und Satiren auf. Natürlich vergaß man Bcltram über Mcneghino; der Diener aus der Stadt verdrängte den vom Dorf, und man gedachte Beltram's nur noch in einigen Sprüchwörtern und Gedichten der ländlichen Mnndart. Mcncghino'S poetischer Lebenslauf begann mit Maggi's erstem Stücke. Donna Quinzia, eine Dame von Stande, mtt sehr zahlreicher Familie, möchte ihre Tochter mit Fabio, dem einzigen Erben einer reichen bürgerlichen Familie, vermählen, doch fürchtet sie sich vor der Mißheirath; das ist der Inhalt des ganzen Stückes. Beide Familien kommen auf die Scenez die eine ist anmaßend und hochmüthig, die andere schlicht und häuslich. Fabio und sein Bedienter Mencghino gehen von einer Partei zur anderen; der sehr unschlüssige Herr läßt sich immer von seinem Diener leiten. Im ersten Akt will er sich von seinem Vater ein Regiment kaufen lassen, doch dem Mcneghino mißfällt der Sol- datenstand. Fabio cntsagt also diesem Vorsätze und willigt in eine Vermählung, wird aber durch die hohen Ansprüche der Donna Quinzia abgeschrcckt. Der Bürger kann sich nicht entschließen, Lakaien und Equipage zu halten und eine Loge in der Oper zu micthen; überhaupt ist cr nur lau entzückt von der Liebenswürdig keit der jungen Dame, obgleich sie ihren Amavis von Gallien aus wendig weiß. Im zweiten Akte langt eine Depesche aus Madrid an, durch welche Fabio zu einer Stelle im Magistrate ernannt wird; Donna Quinzia knüpft nun die Unterhandlungen wieder an und setzt zur Erreichung ihrer Absicht ein ganzes Nonnenkloster in Bewegung; auch muß ihr Sohn mit Fabio Händel suchen, um ihn zur Heirath zu zwingen. Unglücklicherweise sagt der dem Fabio angcbotcne Magistrats-Posten dem Mcneghino nicht zu; er findet die dadnrch aufedlegten Pflichten zu beschwerlich, und man setzt sich dabei auch oft der Gefahr aus, vornehme Personen zu beleidigen. Diese Gründe machen Eindruck auf seinen Herrn, der einen Entschluß saßt, ohne etwas darüber verlauten zu lassen. Er willigt scheinbar in die Hei rath und in die Annahme des Amtes, nur bittet er um die Erlaub- niß, eine Reise nach Nom machen zu dürfen. Sein Vater ist ganz entzückt, Mcneghino aber in Verzweiflung, denn cr begreift nicht, wie man fern von Mailand leben könne. Fabio reist ab, und in der letzten Scene erhält sein Vater einen Brief, worin er ihm an kündigt, daß er Kapuziner geworden, um allen Plackereien dieser Welt zu entgehen. Ein tiefes Erstaunen bemächtigt sich Mcneghinv's bei dieser Nachricht, und zum ersten Mal bätet er sich, den Entschluß seines Herrn zu tadeln. Fabio nnd der Sohn der Donna Quinzia sprechen Jtaliänisch, Donna Quinzia selbst spricht ein Kauderwelsch, das weder Jtaliänisch noch Mailändisch ist, sondern ein Dialekt von ihrer Erfindung, die Sprache der vornehmen Damen. Das Fräu lein erscheint gar nicht auf der Sccne; sie befindet sich im Kloster, und man lernt sic nur durch das Geschwätz der Aufwärtcrin der Nonnen, Tarlcska, kennen, die in alle Launen ihrer Herrinnen ein- gcweiht und immer mit den Glückswundcrn der Lotterie beschäf tigt ist. Maggi'S zweites Stück ist der „Baron von Birbanza". Eine Familie steht auf dem Punkt, eine schlechte Heirath zu schließen; der Baron wendet alle mögliche List aus, nm für reich zu gelten, er wird arer entlarvt, und die Verbindung findet nicht statt. Dieses Stück ist mit Episoden überladen; ein Doktor Gratiano, der Bo- lognesisch spricht, ein Genueser und noch andere komische Personen tragen zur Verwickelung der Jntrigue bei; Mencghino, der hier noch alberner als sonst ist, wird von Jedermann zum Besten gehabt. Leider folgen dic Abenteuer, aus welchen die Handlung dieses Lustspiels besteht, ohne inneren Zusammenhang auf cinander und führen zu keiner ordentlichen Entwickelung. „Das kleinste Uebel" ist der Titel von Maggi's drittem Stück; hier erblickt man eine junge von An betern umringte Witwe, sie weist keinen ab, sic empfängt und prüft alle- und geht zuletzt in ein Kloster, um sich die Verlegenheit einer Wahl zu ersparen. Molierc's Tartüffe hat den Stoff zur letzten Komorne gelüftet, „Lee Pleuvo-Philosoph" betitelt. In diesem Stück hat Maggi auf eine sehr alberne Weise das Französische Meisterwerk entstellt, lndcm er der Philosophie dic Nolle des JesuitismuS beilegt. Die Stücke dieses Dichters, denen cS an lebhafter Handlung und an gehöriger Entwickelung feblt, schildern jedoch mit vieler Wahrheit die bürgerlichen Sitten der Spanischen Lombardei; die Neigung für das quior» vivero ist die einzige Leidenschaft, die Maggi auf die Bühne brachte. Seine Lieblings-Figuren find Donna Quinzia, Tarlcska und Mcneghino. Der Jtaliänischc Theil seiner Komödien, der durch weg schlecht ist, stört ihre Harmonie; die Jtaliänischcn Personen sind linkisch gezeichnet nnd stimmen nicht mit den aus der Mailändischen Gesellschaft entlehnten zusammen; es find lauter Störenfriede, und alle Jntriguen laufen auf ihre Vertreibung hinaus. Doch können Maggi's Komödien nicht gut ohne die Jtäliänischen Figuren bestehen, denn dic Lokal-Karikaturen sind weder zahlreich genug, noch hinläng lich ausgcführt, um allein die Scene zu beleben. Maggi's Lustspiele erfreuten sich eines großen Erfolges unter den Bürgern Mailands; diese Leute waren ganz entzückt von Mencghino's Erscheinung; es war für sie das Aufblühen einer neuen Poesie. Andererseits aber nahm der Adel Anstoß an dem Gelächter, das durch diese Späße er regt wurde. Mehrere Schriftsteller ärgerten sich darüber, daß Maggi sich von der Jtaliänischcn Literatur lossagte, und der Dichter hatte daher so manche kleine literarische Streitigkeit auszusechtcn, die er zum Gegenstand seiner „Gespräche in der Abtei der Mencghino's" nahm. Verschiedene Dichter bewerben sich um dic Aufnahme in dic Abtei; lauter Karikaturen aus der Stadt, dic unter gewissen Spott- namcn cingcführt wcrdcn; sic müssen sich einem regelmäßigen Eramcn unterwerfen, dessen sich Maggi bedient, um seinen Gegnern zu ant worten. ES wird über dic Opcr, übcr dic Jtaliänischc Komödie ge sprochen, im Ganzen aber werden der hohe Adel und dic National- Literatur der damaligen Zeit ein wenig verspottet. Donna Quinzia ist heftig über diese dramatische Satire erbittert, die alle Welt dem