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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.01.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050113029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905011302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905011302
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-01
- Tag 1905-01-13
-
Monat
1905-01
-
Jahr
1905
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Vez«s»-Vret- 1» Wr Hauptqgxdittou oder deren Au-gaie« fallen ab geholt: vierteljährliches.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung iut Hau» e S.75. Durch die Post bezogen für Deutsch« land u. Oesterreich vierteljährlich e 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitung-prei-liste. Diese «ummer kostet tNst auf allen Bahnhöfen und III Hß I bei den ZeitungS-Berkäufern * Stetaktton und Expedition: 153 Fernsprecher 222 Johannirgasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Hrrzal.Bayr.Hofbuchbandlg, Lützowstratze 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Avend-Ansgave. MpMcr.TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. ««zeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SS Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen, GeschästSanzeigen unter Text oder an besonderer Stell« nach Tarif. Die 4 gespaltene Reklamezeile 75 Anuahmeschlnst für kl «zeige«. Abend-AuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte». Ertra-VeUagea (nur mit der Morgen- Ausgabe) »ach besonderer Vereinbarung. Die Expedtttan tst wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von U. Palj in Leipzig (Inh. vr. R. L W. «liukhardt). Nr. 23. Freitag den 13. Januar 1905. SS. Jahrgang. Vas Wichtigste vsm Lage. 'BeiderReichstagsersatzwahl im Kreise Calbe-Aschersleben ist Stichwahl zwischen dem Nationalliberalen Placke und dem Sozialisten Albrecht sicher. * Die Ministerkonferenz in Budapest über den deutsch-österreichischen Handels vertrag dauerte bis heute früh 3 Uhr, und dürste zu einem positiven Ergebnis aefübrt haben. * Lemberger Polenblätter melden aus Iaroslau, daß das dort garnisonierende galizische Infanterie regiment zur „Assistenz" vei den ungarischen Reichstaaswahlen nach Ungarn abqegangcn sei. (Siehe Ausland.) * Der „Figaro" behauptet, nach dem für heute er warteten Sturze Combcs würden die Sozialisten Iaurtzs und Briant in ein Kabinett R o u v i e r ein treten. (Siehe Pol. Tagesschau.) * Clemenceau beklagte sich gestern in den Wandelgängen des Senats beim I u st i z m i n i st e r, daß Combes verschiedene Parlamentarier und auch chn selbst durch Detektivs überwachen lasse, und soll schließlich gesagt haben, die gegenwärtige Regierung sei eine Spitzelregierung. (S. Pol. Tagesschau.) 'Bei der Ersatzwahl im Londoner Mile End Distrikt siegte der Unionist Lawson. (Siehe Aus land.) * Der Chef des Preßbepartements im ruilli schen Ministerium des Innern, Swerew, soll zurück getreten sein. (Siehe Ausland.) Vie bSre viiägetirsmmittion. Die gestrigen Verhandlungen in der Budgetkommission deS Reichstags nahmen den Charakter eines großen Tages an. Da das Niveau der Debatten im Plenum sich infolge des grassierenden Absentismus immer tiefer senkt, so daß sogar die gestrige Debatte über den Fall Ruhstrat vor gähnend leerem Hause und in durchaus nicht imponierender Weise stattfand, so flüchtet sich anscheinend der aus der großen Vergangenheit her an Bessere» gewöhnte gute Geist de» Hauses in die Kommissionen. Zumal die Budgetkommission. die wichtigste von allen, hat gestern ehrliche Arbeit verrichtet. Zn ihr kam die schon vorher in der Presse deutlich verkündete Miß stimmung aller Parteien zum Ausdruck über die Behand lung, die sich der Reichstag von der Regierung nicht mehr gefallen lassen will. Während eS im Plenum kein Mitglied einer nichtradikalen Partei für nötig nnd nützlich hielt, zu den Seltsamkeiten der Ruhstrat- prozesse ein Wort zu sagen, bildeten die Parteien in der Budgetkommission eine geschlossene oppositionelle Phalanx. Man hat zwar, „leider" muß man sagen, den letzten Schritt nicht getan und die Weiterberatung de» zweiten NachtragsetatS für S ü d w e st a s r i k a nicht unterbrochen, so daß der Regierung eine Frist zum Einlenken gegeben worden ist. Aber man darf hoffen, daß hier auch wirklich nur eine Frist gesetzt ist, und daß nach Ablauf dieser Frist mit der Androhung Ernst gemacht wird. Und immer wieder muß man die Erfahrung machen, daß die Leute vom Zentrum trotz ihres regierungsparteilichen Charakters am geschicktesten nach außen hin operieren. Sie waren es, die zuerst am energischsten verlangten, daß vom Reichskanzler um Indemnität nachgesucht werde. Und sie werden ihr Licht gewiß nicht vor ihren Wählern unter den Scheffelstellen, so daß ihr Männerstolz in die rechte Beleuchtung gerückt wird. Daß sie zuguterletzt um sie len, um ihrer guten Verbindungen willen, werden sie freilich nicht erzählen. Die Verhandlungen sind so wichtig, vor allem auch wegen der eventuellen Folgen dieses Konfliktes mit der Regierung, daß wir hier eine genauere Darstellung der Vorgänge nach dem Berichte der „Köln. Ztg." geben: Der Berichterstatter Prinz Arenberg (Ztr.) leitete seine allgemeinen Bemerkungen über den Etat gleich mit der Forderung ein, daß es sich hier um eine Indemnitäts vorlage handeln müsse, und daß der Reichstag fordern müsse, daß formell für die ohne Zustimmung deS Reichstag geleisteten Ausgaben Indemnität erteilt werde, denn eS seien in diesem Nachtragsetat auch eine Reihe von Forde rungen enthalten, die zu dauernden Zwecken gemacht würden wie gewisse Eisenbahnen- und Hasenbauten, und darüber bätte man verfassungsmäßig den Reichstag fragen müssen. Auch der Mitberichterstatter Dr. Paa sche (nl.) schloß sich dieser Grundanschauung namens seiner Pgrtei an. Kolonial direktor Dr. Stübel erklärte sich aber einfach für nicht ermächtigt, wegen der Indemnität irgendwelche Erklä rungen abzugeben, und meinte, daß die Aeutzerung des Herrn Reichskanzler im Plenum des Hauses, er übernehme die Verantwortung für die notwendig gewordenen Ausgaben, als ausreichend zu betrachten sei. Auch die Bahnbauten seien im Interesse der Truppenverschiebungen und ihrer Ver pflegung bringend notwendig gewesen, ebenso wie der Ausbau der Mole und die Verbesserung der Landungsgelegenheiten. Ueber die jetzige Lage in Südwestafrika, nach der der Bericht erstatter ihn gefragt hatte, konnte er nichts mitteilen, sondern glaubte die Kommission auf das Hinweisen zu müssen, waS in den Zeitungen bereits veröffentlicht ist. Jetzt brach aber der Sturm eigentlich von allen Seiten los. Ter Führer des Zentrums, Spahn, verlangte ener gisch die Indemnikätserklärung. Der BundeSrat müsse auf den Reichstag Rücksicht nehmen. Der Reichstag habe daS Recht, die Ausgaben zu bewilligen, und soviel Zeit sei unter allen Umständen gewesen, die Einholung 'oer Genehmigung durch den Reichstag zu bewirken. Noch staroffer trat natür lich Herr Bebel aus, der verlangte, der Reichstag solle dem BundeSrat und dem Reichskanzler zeigen, WaS er konstitutionell zu fordern berechtigt sei. Bequemlichkeitsrücksichten könnten nach keiner Richtung anerkannt werden, weder für den BundeSrat noch für den Reichstag. Deswegen sollte man nicht eher da« geringste bewilligen, als bis die IndemnitärSerklärung von den verbündeten Regierungen vorläge. Auch der konservative Redner, Herr v. Richt hofen, verlangte gleichfalls Indemnität und wunderte sich darüber, daß sie nicht bereits vorläge, während Herr Müller-Sagan von der Freisinnigen BolkSpartei es für eine selbstverständliche Pflicht und Schuldigkeit der Regierung erklärte, in den verfassungsmäßigen Formen Anträge aus Ausgabebewilligung zu stellen und nicht nachher einfach die vollendeten Tatsachen dem Reichstag zur Beschlußfassung vorzulegen. Das sei eine unwürdige Behandlung des Reichstages, und der Herr Reichskanzler bätte längst seine Erklärungen abgebcn müssen, um so mehr, als auch der Abg. Erzberger bemerkte, daß ihm die Sache absolut nicht überraschend kommen konnte, nachdem im Plenum des HauseS mehrfach die Anregung dazu gegeben war. Er erklärte es geradezu für unerhört, daß man, ohne den Reichstag zu fragen, mit einer großen Eisenbahnbaufirma einen Ver- trag absckließe zur Vorbereitung eines Eisenbahnbaues, ohne darin auch nur ein Wort über die notwendige Zustimmung des Reichstags zu sagen; auch der freikonservative Aba. Dr. Arendt stellte sich genau auf denselben Standpunkt wie die Vertreter aller übrigen Parteien. Er benutzte die Gelegenheit, um aus der Tatsache, daß der Direktor der Kolonialabteilung und der Staatssekretär deS Auswärtigen Amts zu keinerlei Erklärung berechtigt gewesen seien und nicht mal als formell verantwortlich gelten könnten, dafür einzutreten, daß bald an Stelle des abhängigen Kolonial direktor» ein selbständiger Staat»sekretär für die Kolonien al» Vertreter de» Reichskanzler» dem Reichstage gegenübertrete. Inzwischen hatte Herr Bebel einen Antrag eingebracht, die Verhandlungen abzubrechen und dem Reichstage über diesen Beschluß Bericht zu erstatten. Eine Reihe von for mellen Einwendungen wurde aber dagegen, namentlich vom Vorsitzenden der Kommission selbst, geltend gemacht und betont, daß die Kommission verpflichtet sei, einen ihr zur Vorberatung überwiesenen Antrag durchzuberaten oder dem Plenum die Ablehnung desselben vorzuschlagen. Es zeigte sich aber allseitig Neigung, dem Grundgedanken des Bebelschen Antrag» zuzuftimmen, und Dr. Paäsche erklärte sich im Namen seiner Freunde bereit, einen ähnlichen Weg zu gehen. Der Direktor des Kolonialamts Dr. Stübel bemühte sich zwar, den Nachweis zu führen, daß e» sich hierbei nicht um neue Forderungen handle, sondern, daß der Reichstag ja in dem ersten Nachtragsetat für Südwestafrika sich grund sätzlich bereit erklärt habe, die Gelder zu bewilligen, und bemüht sich weiter zu beweisen, daß doch ein grundlegender Unterschied zwischen den Bewilligungen für unsere eigenen Kolonien und denjenigen für China bestehe, denn die Expe dition dorthin sei der Initiative der Regierung entsprungen, und e» habe sich um neue Formationen und dergleichen gebandelt, während hier der Reichstag bereit- seine ver fassungsmäßige Zustimmung zu bestimmten Truppen sendungen erteilt bade. Auch der Staatssekretär Frhr. v. Stengel bemühte sich nachher, dem Kolonialamt zu Hülfe zu kommen unter Hinweis darauf, daß man bereits eine Vorlage an den Reichstag au-gearbeilet habe, daß dann aber die Erhebung der Hottentotten ganz neue Anforderungen gestellt habe, so daß man nicht imstande gewesen sei, zu überblicken, wie groß die Forderungen sein würben. Aber auch diese Erklärungen genügten der Kommission nicht. Dr. Bachem ging ganz besonders scharf gegen die Regierung vor und zeigte, daß e» fick tatsächlich bei der chinesischen und bei der südasrikaniscken Expedition um ganz gleiche Dinge handle; in beiden Fällen sei unS der Kampf aufgezwungen worden, dort durch den Gesandtenmord, hier durch den Aufstand. Der Reichskanzler hätte die Pflicht gehabt, entweder den Reichtag zusammenzurufen oder sofort Indemnität zu fordern. Inzwischen halte der Abg. Dr. Paoscke nvt seinen Frcurlven Beumer und Graf Oriola ein«! Antrag dahingehend eingebracht, an Stelle des Bebelschen Antrags, der den Reichstag ersuchte, den Eintritt in die Beratung des Gesetzenlwurfs abzulehnen, dem Reichstag vorzu schlagen, die Forderung abzulehnen und dem Reichs kanzler anheimzustellen, für die bereit« verausgabten Summen des Nachtragsetats nachträglich Indemnität beim Reichstag nachzusuchen. Plötzlich schlug aber der Wind beim Zentrum wieder um, und diezenigen, die anfangs nicht genug tun konnten, der Regierung Vorwürfe mancher Art ru machen, wollten jetzt klare und entscheidende Beschlüsse nicht fassen, sondern meinten, man könne es abwarten, bis der Herr Reichskanzler in der Kommission erscheine und sein Vorgehen rechtfertige und eventuell Indemnität fordere. Graf Oriola erklärte aber namens seiner Freunde, daß Sie auf ihrem Antrag be harrten, weil darin ausdrücklich festzestellt sei, daß man an sich die notwendigen Forderungen für die Expedition bewilligen wolle, aber auf der andern Seite die verfassungsmäßigen Rechte deS Reichstags unter allen Umständen wahren müsse. Gerade weil man vor wenigen Jahren bei der chinesischen Expedition dieselben Erfahrungen gemacht habe, hätte man diesmal von vornherein den verfassungsmäßig richtigen Weg betreten müssen, wenn man den Reichstag nicht während der Ferien hätte zu sammenberufen wollen. Nachdem aber die Herren vom Zentrum versöhnlicher geworden waren, stellten sich auch die Konser vativen auf den Standpunkt, erst den Reichskanzler hören zu wollen, und so kam nach verschiedenem Hin- und Her reden, wobei der Abg. Lattmann (Wirtsck. Vgz.) sich für den Antrag Dr. Paasche erklärt hatte, Müller-Sagan dagegen, den Bebelschen Vorschlag für besser erklärt hatte, ein Vertagungsanirag zur Annahme, durch den eS nun mehr ermöglicht wird, ohne eine definitive Beschlußfassung herbeizuführen, in nächster Sitzung die Erklärungen de- Reichs kanzlers zu hören. Lur Sergarbeiterbemgung im llubrrevier. Uebcr den Verlauf der Telegiertenversammlung der Bergarbeiter, die gestern in Essen stattfand und deren Resultat — Aufschub des Generalstreiks bis zum 17. d. M. — wir bereits gemeldet lxrbcn, wird dem „L.-A." noch berichtet: Zum Vorsitzenden der Versammlung wurde der Abge ordnete Sachse gewählt. Er und der Sekretär des christlichen Gewerkoercins, Efferv, saßen mit ie einem Vertreter des Hirsch-Dunckerschen und des Pol nischen Vereins auf der Bühne des großen Versamm- lungsiaals. Unten, vor ihnen, die Delegierten der ver schiedenen Reviere, welche dort Vertrauensmänner der Organisationen sind. Sachse forderte sie auf, über die Stimmung in ihren Revieren zu berichten, damit man danach für oder wider den Streik entscheiden könne. Einer nach dem andern trat auf die Bühne. Fiast alle der 40 Redner sprachen gewandt, alle vertraten den intelli gentesten Typus des deutschen Arbeiters. Kein Zuruf von feiten der Zuhörenden unterbrach sie, schweigend, rauchend und gelegentlich am Glase nippend, saßen diese um lange Tische — ein überraschend würdiges Arbeiter Parlament des Ruhrreviers. 14 Redner begründeten naclxsinander die Klagen ihrer Kameraden, jeder den Streik fordernd und versichernd, er könne ohne den Be- schluß für einen solchen unmöglich wieder vor feine Vc legschaft treten. Der Generalstreik schien abgemachte Sache, als Bergmann Funke aus Herne anS Podium trat, ein Mann mit blondem leicht angegrauten großen Vollbart, eine goldumränderte Brille trug er auf der Nase, goldene Uhrkette auf dem behäbig gerundeten Leibe und einen breiten Ehering am Finger. Ein Bild des Wohlstandes schien er, mehr dem Handwerksmeister von einst als dem Lohnarbeiter ähnelnd, eine Hans Sachs Figur! Der erklärte den streiklustigen Gefährten: Wie wollt ihr denn den Streik durchführen? Nun fanden andere den Mut, gegen den Ausstand zu sprechen. Walter von Gelsenkirck^en, mit Gewandtheit und Gcbahren eines studierten Juristen tcdend, sprach der Bewegung, »vcnn sie zum allgemeinen Streik führe, jeden gesetzlichen Boden ab. Schön sprach auch Berger aus Steele hager und weißhaarig: Keine Rebellion! Unterbreiten wir unsere gerechten Forderungen dem Minister. Dann sammelte Tipp aus Nottlxmsen feurige Kohlen auf der Zcchenbesitzer Köpfe und mahnte, selbst ihnen gegenüber die christliche Nächstenliebe nicht zu vergessen. Prächtige Leute lxrben wir an diesen westfälischen Bergleuten! Freilich erklang immer wieder nach solchen Ausfüh rungen die Aufforderung zum Streik, und die Behaup tung, man könnte die nun feiernden Kameraden nicht mehr im Stick lasten. Man fühlte zwei Unterströmungen im stickigen Saal, den Einfluß Sachses, der nunmehr gegen den christlichen Verein zum Streik riet. Wenn schließlich dock die Resolution mit den tele graphisch bereits mitgeteilten Forderungen angenommen wurde, so geschah cs deslxilb, weil Effertz im letzten Augenblick drohte: Wenn die Resolution nicht angenom men wird, dann reinliche Scheidung zwischen dem christ- lichen und den« sozialdemokratischen Verein. Die stoben erwählten Vertreter von dem Bergbauverein sind Sachse, Hausmann, Effertz, Kühme, Prescott, Regulski, Ham- machcr. Wie tneitcr aus Essen gemeldet wird, haben sich dem Ausstande noch folgende Zecken angeschlossen: „Victoria Matthias" „Gras Beust", „Matthias Stinnes" und „Friedrich Ernestine", ferner ein großer Teil der Beleg schaften der Zechen: „Hannibal 1", „Sieben Planeten", ^Zollverein 6" .„Präsident 2" und „Alte Haase". In Witten beschlossen die 5 Zechen infolge des abschlägigen Bescheids der Unternehmer weiter zu streiken. Im gan- zen Streikgebiet ist ein umfassender Sicherheitsdienst ein gerichtet, berittene Gendarmerie wird auS der Provinz Brandenburg und Schleswig-Holstein berangezogen. Der Minister des Innern wird täglich auf dem Laufenden er- Feuilleton. Um jeden Preis. tkj Roman von Sergei D . . . . »racvdru-l verdorrn. Dmitry schlug ein. „Bin doch neugierig", brummte er hörbar. Dann hatte er plötzlich einen Einfall. „Sag mal, Peter, das könnten wir doch gleich ausprobieren. Bin doch zu neugierig, ob du recht hast?" „Wie — gleich?!" fragte Peter verwundert. „Na — hier um die Ecke ist ein sehr schönes Cafä. Da gibt's auch ein Schachbrett!" Peter schüttelte den Kopf. „Ich darf nickt fort!" sagte er. Dmitry lachte. „Angst hast du! Jaule Ausrede! Warum darfst du nicht fort? Wirst du kontrolliert?" „Nein, das nicht — aber —" „Was — aber?! —" „Es könnte ivas passieren!" „Angst hast du, Petercken, sag ich dirl Was passieren! Wie lange bist du schon hier?" „Zehn Jahre!" „Und ist noch nie etwas passiert, — nicht wahr? — Also grade heute, wo du Angst hast, eine Flasche Wodky zu verlieren, kann vielleicht was passieren! Das kennen wir, Petercken!" Und Dmitry lachte Peter höhnisch ins Gesicht. Der wurde rot vor Zorn. „Ich sag dir, Dmitry, du lügst!" schrie er beinahe. „So beweis es doch!" höhnte der andere. „Das Cafs ist ja nur um die Ecke." Zehn Minuten später saßen Dmitry und Peter am Schachbrett und spielten mit einer Aufmerksamkeit, als gelte jeder Zug ihr Leben. Der Schachspieler weiß, was das bedeutet. Man vergißt alles um sich herum, die Stunden schwinden dahin wie Minuten. Und wunder bar, so wie heute hatte Dmitry noch nie gespielt. Peter sah ihn ordentlich erstaunt an. Er war nicht matt zu kriegen. Hätte Peter sehen können, was nur wenigs Schritte von ihm entfernt in dem Gebäude, das er hätte bewachen sollen, sich zutrug, er hätte anderes zu tun gefunden, als sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie er Dmitrys König schachmatt setzen könne. Aber Peter sah und ahnte natürlich nichts. Und wer weiß, ob das nicht eigentlich sehr gut für ihn war, — denn sehen und ahnen hätte in diesem Falle auch — sterben heißen können. Einige Minuten, nachdem die beiden Freunde das Cafe zu ihrer nächtlichen Schachpartie betreten hatten, waren Napier, Sullivan und der Russe auf der Bild- fläche vor der Botschaft erschienen. Alle drei waren mit Frack und Claque bekleidet und sahen aus wie Gentlemcn, die eben aus dem Theater kommen. Ohne rechts oder links zu schauen, stiegen sie ruhig die Steinstufen zur Bot- schäft empor. Napier zog einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Tur. Im nächsten Moment waren alle drei im Innern des Gebäudes verschwunden. „So weit, so gut!" flüsterte Napier aufatmend, als er die Tür wieder geschlossen hatte. „Und nun, Boys — drauf. Oaock luckll" Mit diesen Worten zog er aus der Schoßtafche seines Fracks eine schwarze Maske und band sie vorS Gesicht. Die anderen folgten seinem Beispiele. Dann tappten sie sich im dunkeln Korridor vorwärts. Napier führte lautlos, tveit nach vorn übergebeugt, mit den Fingern an den Wänden entlang gleitend. — Um die Ecke links. — Jetzt zog Napier seinen elektrischen Stab aus der Tasche und richtete sich auf. Die Strahlen ließen die Umgebung deutlich erkennen, — und auch die mit Sand gefüllten Tücher, — Sanddags — die jeder in seiner rechten Hand trug. Ein Hieb mit einem solchen Sandbag auf den Schädel eines Menschen ist absolut geräuschlos und tötet selten, zieht dagegen regelmäßig eine Gehirn erschütterung und natürlich sofortige Bewußtlosigkeit nach, sich. Sie waren im Souterrain angelangt, — im Bureau der Botschaft. Die Tür hatten sie mit Leichtigkeit ge öffnet, genau so wie die Außentür, denn Sullivan hatte alle Schlüssel nachgefeilt, die in Suwarows Taschen vor gefunden wurden. „Nun schnell, Mike! — Oeffne die Tür des Ge wölbes!" flüsterte Napier und beleuchtete das Kombi- nationSschloß. „Du zitterst ja — sei doch nicht so'n Hasenfuß I" Ter große Augenblick war gekommen. v, 6, 41 —", las Napier leise ab, wahrend Sullivan mit etwas zittrigen Händen den Knopf auf die bestimmten Buchstaben und Zahlen drehte und dann vor- schriftsmäßig am Griff drückte. „L, X, II — 79!", diktierte Napier weiter. Das Schloß klickte. „V,ck, !>,—!" Klick! — „Und nun fünfmal hintereinander 8, 6, R! Ein mal — Klick! Zweimal — Klick! —" Ringsum herrschte tiefes Schweigen, als Napier ruhig die fünfmal abzählte. Aber alle Herzen schlugen wie Schmiedehämmer, als der letzte Knopf gedreht war und sich die Tür des Gewölbes von selbst öffnete. „Nun aber um Gottes willen rasch!!" zischte Napier Da in einem offenen, kleinen Fach lag ein kleines Buch. Schnell ergriff er es und blickte hinein. „Es ist's — es ist's", rief er erregt. „Schnell — auf die Erde — nicht so hoch!" Und im nächsten Moment kauerten alle drei Männer mit untergcschlagenen Beinen wie Türken auf dem Fuß boden und schrieben so hastig wie möglich in ihre Notiz- büchcr. „Nicht zu schnell", ließ sich der besonnene Russe ver- nehmen. „Ein Fehler kann alles verderben! Langsam! Und nicht doch diktieren!! Jeder für sich!" Es war eine gespensterhafte Scene, da, beim düstern, unsicheren Licht des Stabes, daS jeden Moment auSging, da Napier, der die rechte -Hand zum Schreiben ge- brauchte, in seiner Erregung den Knopf mit dem linken Daumen nickt immer fest genug preßte. Nach halb- stündiger Tätigkeit war die Arbeit endlich erledigt. Alle
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