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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumcr.Uicn«,Preis 22j Silbergr. (4 Thlr.) niertcliädriich, Z Tb». für das gan,e Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin Pränumerationen »erden Von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Cvmp., Iägertiraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Armier», angenommen. für die Literatur des Auslandes. 149. Berlin, Sonnabend den l3. Dezember 1845. Marokko. Die französische Diplomatie in Marokko. Erste diplomatische Verbindungen zwischen Frankreich und Marokko. — Gaunerstreich eines Konsuls. — Muley-ISmacl. — Ein marokkanischer Gesandter in Parts. Witzworts und Anekdoten. — Heiraths - Antrag. — Maurischer GeschastSstyl. — Titelstrcit. — Napoleon und Mulen-Soliman. — Schluß-Bemerkungen. Die unerwarieie Schild-Erhebung Abd el Kaders scheint den kaum abge schlossenen Frieden zwischen Frankreich und Marokko schon wieder in Frage zu stellen und einen neuen Bruch wahrscheinlich zu macheu. Ob der kühne und an HülfSquellen unerschöpfliche Emir sich selbst zum Beherrscher des maurischen Reichs auswirft, oder ob er den jetzigen Kaiser zwingt, an seinem Kampfe gegen die Ungläubigen theilzunehmen — in jedem Fall bereitet sich diesem Lande, einer der letzten Vormauern des Muhammedanismus, eine wichtige Krisis vor. Die Franzosen werden in der aufzuführenden Staats-Action ohne Zweifel die Haupirolle spielen, und es ist daher zur richtigen Beurtheilung der gegenwärtig zwilchen beiden Staaten eristircnden Verhältnisse nöthig, einen historischen Ueberdlick ihrer früheren Beziehungen zu erhalten. Einen solchen finden wir in einem erst vor kurzem erschienenen französischen Werke, dessen Verfasser, Herr Thomassp, zu den Archiven des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten Zutritt hatte und namentlich die handschriftlichen Berichte und Memoiren Pidou de Saint-Olon'S benutzte, der unter der Re- gierung Ludwig's XlV. Gesandter in Marokko war. Saint-Olon hatte den Auftrag, die Traktate, die bereits zwischen seinem Hofe und dem Schcrif von Marokko bestanden, zu erneuern und für die Dauer zu rcguliren, und seine Unterhandlungen, auf die man sich bei allen späteren Verträgen stützte, dienen noch heute als Grundlage zu den diplomatischen Verbindungen Ludwig Philipp's und Muley-Abderrhaman's. Nach Herrn Thomassp waren die Franzosen die ersten Europäer, die mit dem Reiche Marokko in Berührung kamen, und zwar schon im Jahre 1402. So viel ist gewiß, daß Johann von Bethancourt, ein Edelmann aus der Normandie, sich um diese Zeit der kanarischen Inseln bemächtigte, die von einem zum Berber-Stamm gehörigen Volke bewohnt waren. Die erste Sorge Bethancourt'S war, die Eingebornen nach der im Mittelalter üblichen Art zum Christenthum zu bekehren; aber seiner Frömmigkeit zum Trotz gilt er für den ersten Europäer, der einen Handel mit Sklaven von dem benachbarten Kontinent her eröffnete. Seine Haupt-Niederlassung gründete er auf der Insel Lancerota, indem er sich zum Vasallen des Königs von Castilien erklärte, den er seinem natürlichen Lehnsherrn vorzog — wahrscheinlich weil er von diesem, seiner größeren Entfernung halber, keine Unterstützung zu erwarten hatte. Frankreich war damals von inneren Unruhen zerrissen und außer Stande, an die Erlverbung so entlegener Gebiete zu denken; nm so eifriger waren die Portugiesen bemüht, sich an der afrikanischen Küste festzusetzen, und dreizehn Jahre nach der Erpedition Bethancourt'S eroberten sie von den Mauren die Festung Ceuta. Die Entdeckungen, die auf Antrieb ihres berühmten Jnsanten Dom Henriquez bewirkt wurden, und der ununterbrochene Verkshr, den sie mit den westlichen Theilen Marokko'S unterhielten, verdoppelten ihren Eroberungö- und BekehrungS-Eifer. Noch im Lause desselben Jahrhunderts nahmen sie Besitz von Tanger, Alcazar, Seguer, Arzilla, Mogador und beherrschten durch diese Festungstinie die ganze westliche Seeküste. Aber ihre schnelle Größe schwand eben so schnell wieder dahin, und der unglückliche Tod ihres ritter lichen Monarchen Dom Sebastian auf den Gefilden von Alcazar machte der ruhmvollen Laufbahn der Portugiesen ein Ende. Von allen ihren Eroberungen behielte» sie nur Ceuta und Tanger, um auch diele in der Folge einzudüßen; ersteres kam an Spanien und letzteres als Mitgift der Infantin Katharina an England. * Die Franzosen hatten bereits ihre Handels-Agenten zu Tripolis, Tunis, Bona und Algier, als sie im Jahre IS77 zuerst ein Konsulat in Fez er richteten. Wie cs scheint, waren die Functionen des neuen Beamten von doppelter Art; außer der Verpflichtung, die Interessen der Kaufleute und des Handels wahrzunehmen, sollte er noch die Auslösung der französischen Gefangenen betreiben. Im Jahre 1617 ward ein gewisser Castcllane ans Marseille zu diesem Posten ernannt, der durch eine eben so niederträchtige als unpolitische Handlung sich selbst und seine Nation mit Schmach bedeckte. Fez wurde damals von Muley-Zeidan, dem jüngsten Sohne Mulcp-Hamet Alman- sor's, beherrscht, der sich schon seit einiger Zeit im Kriege mit seinem älteren Bruder, dem regierenden Kaiser, befand. Der Konsul wußte sich die Freund schaft dieses Prinze» zu erwerben, der ihm eine Sammlung von viertausend prachtvoll eingebundenen und höchst seltenen Büchern anvertraute, die er nach einem sicheren Orte schaffen sollte. Statt dessen schiffte sich der treulose Castellane damit nach Frankreich ein; aber er hatte den Raub umsonst began gen, denn auf der hohen See wurde er von einem spanischen Fahrzeuge aul- gefangen, und die literarischen Kleinodien, die er für die kibliordeque du koi bestimmt hatte, fanden ihren Weg nach Madrid. Der mit Recht er bitterte Muley-Zeidan ließ alle Franzosen einkerkern, dke ihm in die Hände fielen, und konfiszirte ihr Vermögen. Um diesen Zwiespalt wieder auszu- gleichcn, wandte man sich an den türkischen Sultan, den der maurische Fürst vor kurzem als seine» geistlichen Oberherrn anerkannt hatte, und auf Ansuchen des französischen Gesandte» in Konstantinopel ließ die hohe Pforte ihm die Befreiung der Gefangenen anempfehlen, da Castellane ein Betrüger sey, der seine Beglaubigungsschreiben selbst geschmiedet habe und von dem französischen Hose nicht anerkannt werde. Ob diese Behauptung gegründet war, ist frei lich etwas zweifelhaft, aber sie hatte die beabsichtigte Wirkung, die französische Ehre in den Augen deS marrokkanischen Fürsten wieder herzustellen. ES verdient Bemerkung, daß der folgende Konsul seine Stelle von dem französischen Ministerium für die Summe von 4000 Fr. erkaufte, wogegen man ihm das Recht einräumte, zu seinem eigenen Vortheil einen Zoll von zwei Prozent auf alle Waaren zu legen, die auf französischen Schiffen in Marokko ein- und auSgeführt würden. Der zwischen beiden Staaten abge schlossenen Verträge ungeachtet, wurden mehrere dieser Fahrzeuge von den in Salee hausenden Korsaren genommen, und Richelieu mußte im Jahre 1630 ein Geschwader von drei Kriegsschiffen gegen diesen Hafen absenden, um Ge- nugthuung zu fordern. Die Gefangenen erhielten zum Theil ihre Freiheit, und man ließ einen Konsul in Salee zurück, um künftige Unannehmlichkeiten dieser Art zu verhindern. Als die Engländer (1662) in Besitz von Tanger gelangte», bemühten sie sich, die Franzosen in der Gunst des marokkanischen HofeS auszustechen; die diplomatische Gewandtheit der Letzteren siegte jedoch über ihre Gegner, da auch die Eifersucht des Kaisers durch eine so mächtige Nachbarschaft erregt ward. Erst als die Engländer im Jahre 1684 die Festung wieder aufgaben, fing der Monarch an, sich ihnen geneigter zu erweisen; aber nach einigen Zwistigkeiten, wozu die ewigen Seeräubereien der Mauren den Anlaß gaben, gewann Frankreich seinen ganzen Einfluß wieder, sobald Muley« Ismael die von Ludwig XlV. errungenen Siege erfuhr. Er war von dem enge» Bündniß unterrichtet, das zwischen dem französischen König und der ottomanischen Pforte bestand, und wünschte selbst nichts sehnlicher, als einen mächtigen christlichen Alliirten zu besitzen. Wenn Ludwig der Türken wegen so häufige und so kräftige Diversionen zu ihren Gunsten am Rhein, in Italien und in den Niederlanden unternahm, konnte der allerchristlichstc Monarch nicht eben so gut den maurischen Kaiser gegen die Spanier unterstützen, die sich noch in Ceuta hielten? Eine solche Aussicht durste nicht vernachlässigt werden, und um das Bündniß zu Stande zu bringen, schickte Mulep-Jsmael mehr als Eine Gesandtschaft nach Frankreich. Aber der doppelte Zweck, der ihn zu diesem Schritte bewog — denn religiöse Eifersucht auf seinen großen Nebenbuhler, den türkischen Sultan, war in ihm eine eben so mächtige Triebfeder, als der Wunsch, sich der Ungläubigen zu entledigen — wurde in Paris nicht richtig verstanden. Ludwig war der Meinung, wen» der Kaiser seines Beistandes gegen die Spanier bedürfe, so wäre es nur billig, daß er seinerseits die Partei Frankreichs gegen die Algierer nehme, deren Raubzüge der französischen Schifffahrt großen Schaden zufügten. Er kannte den Geist des Jslam'S zu wenig, um wissen zu können, daß eS Mulep-Jömael unmöglich sey, mit Christen gegen Muselmänner zu fechten, da ein solches Verfahren sowohl dem Herkommen als den Satzungen des Korans zuwider wäre. Aus diesem Grunde tappte man fortwährend im Dunklen,' und selbst die Gesandt schaft Saint-Olon'S an de» maurischen Hof blieb in ihren Hauptresultaten fruchtlos, obwohl, wie schon erwähnt, die von ihm vorgcschlagencn und mit dem maurischen Botschafter in Paris erörterten Bedingungen von dieser Zeit an als Basis der zwischen beiden Höfen bestehenden Verhältnisse dienten, die eher auf mündlichem Uebereinkommen als auf wirklich geschlossenen nnd ratifizirten Verträgen beruhten. Wenn der Hauptzweck Muley. Jsmael'S, einen Bundes- genossen gegen die Spanier zu finden, und der Ludwig's XIV., Unterstützung gegen die algerinischen Korsaren zu erlangen, sich als gleich unausführbar er wiesen, so konnte man sich desto eher über die Handels-Beziehungen verstau, digen, in denen beide Monarchen ihren Vortheil erblickten. Als Saint-Olon in Mcquinez ankam, wo Muley-JSmael damals seine Residenz hatte, versprach Alles seiner Mission einen günstigen Erfolg. Der