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Heft 4, 1925. LEIPZIGER MONATSCHRIFT FÜR TEXTIL-INDUSTRIE. Textil-Technischer Teil Aus dem Inhalt: Die Technische Messe auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1925. — Die Hechelgarn-Vorspinnerei. Von Ing. Josef Sponar (Fortsetzung). — Jacquard-Frottierstoffe. Von Arthur Hamann. — Die Konstruktion des Exzenters zur Bewegung der Nadelbarre einer Pagetmaschine. Ein Beitrag zur Kinematik der Flachwirkmaschinen. Von Wilhelm Meister. — Die Ent stehung und Entwicklung der Textilkunst im Laufe der Jahrhunderte. Von A. Naigele. — Erfindungen auf dem Gebiete der Textil- Technik. — Patentschau. — Der Textil-Technische Ratgeber. — Vermischtes. Die Technische Messe auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1925. Die Technische Messe ist eine Einführung, mit der sich das Meß amt zweifellos um die technische Industrie Deutschlands sehr verdient gemacht hat. Dies beweist die starke Beteiligung des deutschen Ma schinenbaues, die auch auf den Sachkundigen einen imponierenden Ein druck machte, was sich nicht bloß auf die Zahl und Größe der ausge stellten Objekte, sondern auch — und insbesondere — auf die erstaun liche Vollkommenheit, Einfachheit und Zweckmäßigkeit, selbst kleinerer Erfindungen bezieht. Wir können es uns aber nicht versagen, der deut schen Textilmaschinenindustrie einen Spiegel vorzuhalten, in dem sie eigentlich recht wenig sehen kann, wenn auch das vorhin Erwähnte auf die zur Schau gestellten Objekte vollauf Anwendung verdient. Es fehlte offenbar an einem rechtzeitigen Zusammenschluß, um auch die Textilmaschinenmesse einheitlich und übersichtlich zu gruppieren und auch den Messeführer so zu gestalten, daß man die ausstellenden Fir men programmgemäß aufsuchen kann, ohne dem mehr oder weniger mißgünstigen Zufalle ausgeliefert zu sein. Wir möchten daher in all- seitigem Interesse, sowohl der Aussteller als auch der Besucher empfeh len, daß sich die Textilmaschinenfabriken mit dem Meßamt jetzt schon in Verbindung setzen, um die Herbstmesse, besonders aber die nächste Frühjahrsmesse würdig vorzubereiten. Betriebstechnische Tagung während der Leipziger Messe. Die in diesem Jahre zum ersten Male im Rahmen der Technischen Messe in Leipzig von der Arbeitsgemeinschaft deutscher Betriebsinge nieure im Verein deutscher Ingenieure in Verbindung mit der Maschi- nen-Schau G. m. b. H. veranstaltete Tagung hat die Erwartungen über troffen. Weit über 700 Fachgenossen waren der Einladung gefolgt. In Vertretung des durch einen Todesfall verhinderten Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft deutscher Betriebsingenieure, Herrn General direktors Dr.-Ing. e. h. K ö 11 g e n , eröffnete die Tagung der Direktor des Vereins deutscher Ingenieure, Herr Dr.-Ing. e. h. Hellmich, der in seinen einleitenden Worten auf die wachsende Bedeutung der Be triebstechnik hinwies. Die Fertigung ist heute zu einem geschlossenen Wissensgebiet geworden, das sich in den vorgeschrittenen Industrie ländern, z. B. in den Vereinigten Staaten mindestens ebenbürtig, auf vielen Gebieten sogar überlegen neben die Konstruktion gestellt hat. Wir finden in Amerika den Fertigungsingenieur auf allen Gebieten der Gütererzeugung, nicht nur im Maschinenbau, sondern auch in Kleider-, Schuh-, Seifenfabriken u. a. m. Wenn wir auch nicht amerikanische Verhältnisse ohne weiters auf Deutschland übertragen können, so sollten wir doch namentlich eine Geistesrichtung pflegen, die man in Amerika als Kooperation bezeichnen wird, d. h. als vertrauensvolles Zusammen wirken aller an der Produktion Beteiligten. Die unselige Geheimnis krämerei, die in vielen deutschen Betrieben noch herrscht, sollte endlich einer vertrauensvollen Zusammenarbeit weichen, ein Gesichtspunkt, der auch in den folgenden Vorträgen immer wieder in den Vordergrund ge stellt wurde. In den anschließenden Vorträgen standen zunächst die Werkzeugmaschinen und Werkzeuge im Vordergründe, wobei insbeson dere die Richtlinien entwickelt wurden, die künftig für die Entwicklung der Fertigung, ihre Hilfsmittel, aber auch des Verhältnisses zwischen Maschine und Mensch maßgebend sein müssen. Die Loslösung des Einkaufes der Werkzeugmaschinen und Werk zeuge von rein kaufmännischen Erwägungen und seine Durchdringung durch rechnerische Gesichtspunkte war gleichfalls Gegenstand eingehen der Darlegung. Mit besonderem Interesse verfolgten die Teilnehmer die Ausführungen über neue Grundsätze für das Schmiedeverfah- r e n, die dieses etwas vernachlässigte Gebiet in die Reihe hochstehender Fertigungsvorgänge rückte. Das umfangreiche Fertigungsgebiet der Feinmechanik wurde in einem ausführlichen Vortrage behandelt, der erkennen ließ, daß hier eigenartig gelagerte Bedingungen für die Konstruktion und Fertigung vorliegen, die bis heute sowohl in den Schulen als in der Literatur zu wenig beachtet worden sind. Der Bedeutung der Zahnräder und ihrer Fertigung für eine einwandfreie Kraftübertragung war eine besondere Vortragsreihe gewid met, in der die Theorie der Verzahnung und die hier noch bestehenden Probleme, die Werkbehandlung der Zahnräder und ihre neuzeitlichen Herstellungsverfahren behandelt wurden, wobei besonders solchen Ma schinen Augenmerk zugewendet wurde, die die Schnelligkeit in der Her stellung mit größter Genauigkeit verbinden. Die Vorträge haben durchweg den lebhaften Beifall der Teilnehmer gefunden. Der leitende Gedanke bei der Veranstaltung war die Kupp lung der Wissenschaft mit der Praxis, um die Kenntnis des Vorgetragenen durch praktisches Studium auf dem Messegelände zu vertiefen. Von allen Zuhörern wurde diese Kupplung als außerordent lich wichtig empfunden und der Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß die betriebstechnische Tagung eine ständige Einrichtung für die Zukunft werden möge. Obwohl die Technische Messe von den Textilmaschinenfabriken nicht sehr stark beschickt und leider auch nicht sehr einheitlich und übersichtlich gelgiedert war, bot sie doch ein schönes Bild des rastlosen und stetigen Fortschrittes des deutschen Erflndungs- und Unternehmer- ' geistes. Wir behalten uns daher vor, über besondere technische Neue rungen ausführlich zu berichten und geben im Nachfolgenden nur eine gedrängte Übersicht über die von den einzelnen Ausstellern gezeigten Maschinen und Aparate. Wir erwähnen zunächst den Spinnereimaschinenbau, der durch die Deutsche Werke A. - G., W erk Ingolstadt und Fried. Krupp, Aktiengesellschaft, Essen, vertreten war. Die Deutsche Werke A.-G. hatte ihre D-Baumwoll-Krempel mit wandernden Deckeln ausgestellt, die sich durch kräftigen und ge drungenen Bau sowie geräuschlosen Gang auszeichnet. Alle Teile beim Ein- und Auslauf, deren gegenseitige Lage nicht mehr geändert werden soll, sind auf gemeinsamen Unterlagen angeordnet, die Paßflächen maschi nell genau bearbeitet; die Lauf deckel sind nach einem besonderen Ver fahren genau plan gearbeitet und versteift. Die Ausstellung enthielt außerdem eine instruktive Zusammenstellung von Spinn- und Zwirn spindeln, Spinn- und Zwirnrningen, Streckwerkzylindern und sonstigen Ersatzteilen. Von dem Arbeitsprogramm dieser Firma gaben die aus gelegten Prospekte über Baumwollspinnmaschinen Zeugnis. Der Textilmaschinenbau der Fried. Krupp Ak tiengesell- schäft zeigte folgende Maschinen: 1. Für die Baumwollbearbeitung: Eine Baumwollkarde und eine Ringdrossel. 2. Für die W ollbearbeitung : Einen Kammstuhl, eine 4köp- flge Doppelnadelstabstrecke mit Topfbandführung, eine 7köpfige Nadel walzenstrecke, eine Ringspiimmaschine und eine Flügelspinnmaschine. Die Kruppsche Baumwoll-Karde mit wandernden Deckeln hat eine gußeiserne Trommel von 1270 mm Durchmesser ohne Be schlag. Trommel und Vorreißer laufen in verstellbaren Bronze-Gleit lagern mit oder ohne Ringschmierung oder in Kugellagern. Der Ab nehmer ist mit Schnell- und Langsamgang ausgestattet. Der Gesamt verzug der Karde ist zwischen 60 und 200 einstellbar. Der Antrieb erfolgt mit Fest- und Losscheibe auf der rechten oder linken Seite. Der Kraftbedarf beträgt etwa 1 PS. Die Ringdrossel für Baumwolle ist nach einem neuen, von der Fried. Krupp Aktiengesellschaft erworbenen Verfahren nach H. Werning gebaut, das auch bei geringerem Fasergut höhere Verzüge gestattet, ohne die Qualität des Garnes zu beeinträchtigen, bei gleich zeitiger Ersparnis an Vorwerksmaschinen. Mit dem neuen Verfahren, das nur wenige Änderungen an vorhandenen Streckwerkteilen erfordert, kann man den bisher nicht über 6U2—7fach gewählten Verzug auf 12 bis 16fach steigern. Die günstige Anordnung der Streckwerkteile ergibt ferner bei gleichem Rohstoff ein weit besseres Garn. Das neue Verfahren hat seine praktische Brauchbarkeit schon seit einiger Zeit bei guten und minderwertigen Rohstoffen in großen Betrieben einwandfrei erwiesen. Diese Aufstellung von Textilmaschinen auf der Leipziger Messe wird noch vervollständigt durch eine Reihe von Ersatzteilen zu vor stehenden Maschinen. Die nach dem Heilmannschen Verfahren arbeitende W o 11 - kämmaschine eignet sich für alle Schafwollarten, Kamelhaar, Frauenhaar usw. und kann Spinngut bis 400 mm kämmen. Sie macht bei 265 —276 Umdrehungen 95—100 Abzüge in der Minute und ist von Hand ausrückbar. Eine besondere Vorrichtung setzt die Kalanderwalze still, wenn der Kammstuhl durch reiche Wickelbildung zu sehr bean sprucht wird. Die Kruppschen Doppelnadelstabstrecken (Intersecting- Gills) für Kammgarn und Strickgarn können mit jeder gewünschten Kopfzahl und mit verschiedenen Kopfteilungen für Verzüge von 3,5 bis 15 und für eine minütliche Bandlieferung bis 40 m geliefert werden. Die aus hochwertigen Werkstoffen gefertigten Kruppschen Nadel walzenstrecken mit austauschbaren Einzelteilen zeichnen sich • durch die einheitliche Ausbildung aller gleichartigen Satzteile des ganzen Maschinensatzes und die bei allen Strecken gleichmäßig durch geführte Betriebsweise und Schmierung aus. Die Kruppsche Ringspinnmaschine für Wolle ist doppel seitig gebaut.