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Wochenblatt für Bischofswerda, Stolpen «nd Umgegend. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Redigirt unter Verantwortlichkeit des Verlegers Friedrich May. Sonnabend, den 13. Mai.1848. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich 2 Mal und zwar Mittwochs und Sonnabends, in halben und resp. ganzen Bogen. — Bestellungen nehmen alle Postämter Sachsens an. — Pränumerations-Preis vierteljährlich 1<) Rgr. — Annoncen werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 6 Pf. berechnet und für jede nächste Num mer bis Tags vorher Vormittags S Uhr angenommen. — Eine Annonce unter 4 Zeilen kostet 2 Ngr. 5 Pf. Zeitgeschichtliches. s- Sachsen. In Frauenstcin ist Kreisamt mann Heubner in Freiberg zum Nationalver treter und Bürgermeister Maukisch in Dippoldis walde zu dessen Ersatzmann gewählt. In Freiberg wurde am 9. Mai vr. Joseph aus Lindenau als Nationalvertreter gewählt. In Grimma wurde am 9. Mai der Bürger meister Theodor Schmidt zu Wurzen als Natio nalvertreter und Advocat Ludwig Langbein daselbst zum Stellvertreter gewählt. In Löbau wurde der früher in Eibau, jetzt in Chemnitz lebende Fabrikant Wilhelm Zöllner zum Nationalvertreter und Buchdruckereibcsitzcr Hohlseld in Löbau zum Stellvertreter gewählt. In Bautzen ist am 10. d. vr. Herrmann auf Weidlitz zum Nationalverlrcter und Hofrath vr. Stieber zu dessen Stellvertreter erwählt worden. Dem Vernehmen nach soll jedoch Ersterer die auf Hn gefallene Wahl nicht anzunehmcn gesonnen sein. Bischofswerda, 10. Mai. Heute war der Tag, an welchem der in unserm Bezirke erwählte Nationalvertreter vr. Schaffrath seiner Hcimath vielleicht auf längere Zeit Lebewohl sagte und den großen und ernsten Weg nach Frankfurt an trat. War schon die am Abend vorher abgehal- tcne Sitzung des Vaterlandsvereins zu Neustadt eine überaus zahlreich besuchte gewesen, in wel cher vr. Schaffrath in einer glänzenden AbschiedSrede seine Gefühle nicht ohne Thränen laut werden ließ, und zu welcher Hunderte auch aus den ent fernteren Ortschaften stch eingefundcn hatten, um den Wackern geliebten Mann noch einmal zu se hen und zu hören, so glich seine Abreise von Neustadt einem wahren Triumphzuge. Mehr als Dritter Jahrgang. 200 Neustädter Bürger, worunter der Sänger verein und ein starkes vollstimmiges Musikchor, voran die große Freiheitsfahne, geleiteten den Wackern Vorkämpfer für Deutschlands Freiheit mit klingendem Spiel und unter Böller- und Flintenschüssen 1^ Stunde Weges bis in's Lehn gericht zu Langenwolmsdorf. Auch die Glieder dieser freisinnigen, dem Fortschritt huldigenden Gemeinde, welche sich früher schon dem Vater landsverein in Neustadt angeschlossen, empfingen den edlen Reisenden auf eine höchst erfreuliche und zugleich würdige Weise. Wo die Chaussee in das Dorf mündet, hatte man in kürzester Zeit einen Ehrenbogen errichtet, mit Kränzen, Bän dern und einer paffenden Inschrift geschmückt. Als vr. Schaffrath in der Mitte seiner zahlrei chen Begleitung bei demselben anlangte, wurde er in einer kurzen, dem Zweck seiner Reise ent sprechenden Anrede begrüßt, welche er mit Kraft, aber mit Tbräncn in den Augen beantwortete, wobei er namentlich seine zurückgelassene Familie bei den jetzigen bewegten Zeiten dem Schutze treuer Freunde empfahl. Auf das Tiefste ergrif fen brachte er der Gemeinde Langenwolmsdorf, den Städten Neustadt und Bischofswerda ein Lebehoch, welches von den Anwesenden rauschend wieder holt wurde, und bemerkte ausdrücklich, daß die letztere Stadt den Ausschlag zu seiner Wahl ge geben habe. Der ganze Zug, welcher wohl zu einer Masse von 300 Personen angcwachsen sein mochte, bewegte sich nun unter Musik und Ge sang bis in das Lehngericht, woselbst nach kur zem Aufenthalte der Postwagen aus Neustadt eintraf, welcher den vr. Schaffrath, nachdem der selbe noch einige Worte des Abschieds gesprochen, aufnahm und ihn den Augen seiner Freunde ent-