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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.06.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188306169
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830616
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830616
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-06
- Tag 1883-06-16
-
Monat
1883-06
-
Jahr
1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.06.1883
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Erscheint täglich früh S»/, Uhr. LrtatNon und Lr-edvi-a Iohaaoesgaffe 33. L-rechüuu-rll der Rrdarttau: Vormittag« IE—12 Uhr. Nachmittag« - Uhr. V»«H«e »er für tzt» «ichstsolge,»« Nummer »esttmmte» Jnlerot» «« W»cke»t>,e» »t« » Uhr Nachmittag. », »«uv ««» Fcftta,rn sr»t dt» V.-Ujr S» te« FfUilr» fRr 2»s.->aaah«e: vtt« Me««, Untverfitätsstraße 21, «O»t» Äsche. Kathartneuftraß« 18, p. »»r dt« '/,» vtzr^ riMMr.TagMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage lS,L0«. ^donnemenlopreis Viertels. 4'/, Mk. tncl. Brtnaerlohn ü Mk.. durch dir Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren tür Extrabeilaaeu ohne Postdesörberung 39 Mk. «it Postdesörberung 48 Mk. Inseratr Sgespaltme Pttitzeile 20 Pf. Größere Schriften lau! unjcrcm PrciS- verzeichniß. Tabellarischer La» nach höherem Tarif. tlttlamen unter dem ttedactionsstrilii die Spallzeile 50 Pf. Jnlerate sind stet» a» die vrpedition zu fendeu. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuuiiwiamiu oder durch Post- uachnabme. aS1K7. Gonnaben- den 16. Juni 1883. 77. Jahrgang. Zur gefälligen Veachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 17. Juni, Bormittag» nur bis Uhr geöffnet. LxpvMIon üv» Iu«1pr1xer L»xvdl»tto«. Amtlicher Theil. BelnmnlMichmi. DK Erd« und Maurerarbeiten am <ktt»eltero«g-ba> ör« ftckdtische« Museum- sollen verdungen werden. Wir bitten. Offerten hierüber unterscbrieven, versiegelt »ud mit der Aufschrift „Museum-bau" bis zum 22. diese» Monats Nachmittags 5 Uhr bei unserem Bauamt «inzu» reiche», woselbst auch die Bedingungen und Blanquet« zu den Offerte» zu entnehmen sind. Auf die eingegangenen Offerten behalten wir «n» jede Entschließung vor. Leipzig, am 8. Juni 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georg».Cichoriu» Srasnutzllugs- und Mmnen-Verpachtung. Es soll Montag, den 18. d. M., vormittags S Uhr ln der Expedition de- städtischen MarstallS die GraS- »utzuna in den Gräben der Mockauer Strate, de» Schleuniger Wege-, der Skutritzscher Stratze, der Souuemttzer Ehauffer, der Kochstrage, de- Wege- uaeh der Stammanlage der neuen Wasserleitung, aus einem Thetle de- Ufer« der Tlster und der alten Pleiße, sowie di« Pflanmennntznag aus einer kurzen Strecke vo» SehleUsftE« Wege- unv de» Wiese» der -lennbahu unter den vor Beginn der Auktion bekannt zu machenden Bedingungen meistbietend versteigert werden. Leipzig, den 11. Justi 1883. De» Rath- Straßenbau« und Oekonomie« Deputation. Vekanntmachuilg. Dt« «« t.Inlt d. I. säßtgru Eoupouü unserer vdliaatlone» werden an der Sasse de- Herr» Hex. A vrtlmuer (Markt Nr. 13, Stieglitzen'« Hof, Tr. 0, I.) an den gewöhnlichen Geschäftslagen in de, Vormittagsstunden vom Verfalltag« a» Ungelöst. Leipzig, de» 1b. Juni 1883. Der varftand der Jaraellttschen Ncligionsgeineinde »« Leipzig. Nichtamtlicher Theil. Die Zukunft der nationalliberalen Partei. Der Rücktritt Rudolf von Bennigsen'» ist da» bedeutendste parlamentarische, ja da» bedeutendste politische Ereignis, wrlche» wir seit langer Zeit zu verzeichnen baden, «in Ereigniß, welche- seinen unimltelvarcn Eindruck nicht nur aus die ihm zunächst stehende nationaltiberale Partei, aus sein, langjährigen Kampfgenossen, geltend macht, sondern säst »n demselben Grade den gesammten Liberalismus ergreift, und die Eonservativen wie da» Ecntrum» ja selbst die Soeialdemokraten nicht un berührt läßt. Zwei Faktoren sind e« vor Allem, Welch« Alle«, waS die Volksseele ergreift und bewegt, wieverfpirgeln: da« Parlament und die Presse; und die organisirte Vertretung der Nation wie die Stimme der öffentlichen Meinung baden in der That sofort sich vernehmen lassen. Im preußischen Abgeordneten« Haus« wie im deutschen Reichstag«, in den großen und Leinen Blättern, in den Organen de» gemäßigten Liberalismus wie in denen der extremen Parteien, in Deutschland wie im Aus lande, Überall nabmen und nehmen die Betrachtungen über den Schritt Rudolf von Bennigsen'» die erst« Stelle ein und drängen alle anderen Vorkommnisse in den Hintergrund. Welch ein Urtheil bietet sich un« nun dar, wa« sagt Deutsch, land, wa» sagt die Nation über Bennigsen'» Rücktritt? Nun zuuächst, da« ist natürlich und erklärlich, kann von einem Ur theil keine Rede sein; unter dem unmittelbaren Eindruck de» Vorgang» ist kein Mensch im Stand« zu reflectiren, zunächst ^lt da» Gefühl die Oberhand über den Verstand, dir Empfindung herrscht über da» Denken. Und da >st zu con« statirea, daß. soweit wir unS aus die Deutung der öffentlichen Meinnng verstehen, ein Gefühl alle Kreise beherrschte, soweit sie überhaupt Beziehungen zum öfsentiichen Leben Deutsch land» haben — da-Z Gefühl de» Schmerzes und der Trauer. In seltener Einmüthialeit wurde anerkannt, daß Rudol von Bennigsen kein bloßer Partrimann, daß er nicht nur der Führer und Berather der nationalliberalen Partei war, sondern daß er die Zierde de« deutschen Parlament« darstellte, daß in ihm vor Allem sich die Vereinigung de« nationalen und liberalen Gedanken» verkörperte, wie raum in einem zweiten Manne Deutschland». SS war noch zu frisch in Aller Gedächniß. baß «in Bennigsen, ganz im Gegensatz zu gewissen Parteitaktikern nicht alle Augenblick« da» Wort nahm, um di« öffentlich« Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Da« hatte er nicht nöthig, nnd seine vornehm« Natur sträubte sich da gegen. irgend welche kleinlichen Mittel und Mittelchen an zuwenden. um seiner Partei irgend einen vorübergehenden Bor- theil zu verschaffen. Stet» hatte er — eia ganzer Mann und ein ganzer Staatsmann — da« Ganz« im Auge, stet- sollte dir Sache gefördert werden, d. h. die Wohlfahrt de« Vaterland«», die Person sollte stet« im Hinterarund« bleiben, und wen» Bennigs«,'» lmponirende Persönlichkeit gerade trotzdem mehr als me jede» anderen Parlamentarier» hervortrat, so lag die» eben besonder- darin, daß sich Herr von Bennigsen stet- völlig »it der Sack« zu identisiriren verstand. Darum war seine Red« so ehern nnd plastisch, darum wurde dieser Redner auch von alle» Seiten mit lautloser Still« ongebvrt, darum hatte und hat auch Herr von Bennigse, nicht, wie so viel« der kleine» Parlament-göttrr, auch nur «inen einzigen Feind. Wenn die Wogen der Erregung noch so hoch gingen, wenn die „persönlichen Bemerkungen" noch so — sehr persönlich gewesen waren: nahm Herr von Bennigsen da» Wort, so legte sich da» Tosen, etwa« von seiner klassischen Nube theilte sich jedem einzelnen Mitgliede deS Hause» mit, nnd die Versammlung ward sich wieder völlig bewußt, wa» sie sich selbst schuld«, um würdig der Vertretung de« deutschen Volte« zu sein. Wie gesagt, der erste Eindruck, der empfunden und wiedera,geben wurde, war der de« Schmerze». Doch kein Mensch und kein Volk darf sich aus di« Dauer dem bloßen Schmerze, der Trauer hingeben, jeder Tag stellt neue Horderiingen, und nur wer denkt und arbeitet, hat die Berechtigung der Existenz. So folgte denn auch bald den Au-brüchen der Empfindung die ruhigere Betrachtung. Wir Halen unseren Lesern bereu» eine Blüthrnlese brr Ergüsse der verschiedenen Blätter gebracht. Unsere Leser werden mit un» in fast allen die Machest de» Gedanken» vermißt haben. Nehmen wir zunächst die gegnerische Press«, so zeigt sich, daß hier von einer wahren, rubigcn und objek tiven Würdigung de« Vorgänge» keine Rede sein kann. „1« «»trömes re toueneot- sagt ein französische» Sprilchwort und e» hat sich auch diesmal wieder bewahrheitet. Die extremen Parteien von recht» und links, die Radikalen it l» Eugen Richter und die Radikalen, welche Herrn von Kleist-Retzow und Herrn von Hammerstein folgen, sie jubeln in gleicher Weise, sie sind durchdrungen davon, daß nun — natürlich jeder für sein« Partei — ihr Weizen blühen werbe. Aber hier ist, wie so oft der Wunsch der Vater de» Gedanken»; von dieser Hofsmmg bi» zur Erfüllung ist noch ein sehr, sehr Weiter Weg, welchen, so Gott will. LaS deutsche Volk niemal» mitmachen wird. Unberufene und Unverständige, die UrthcilS- unsähigkrit in jeder Form, haben oft genug zu behaupten gewagt, daß die Mittelpartei die Partei de» Schaukrlshstem« sei. Diese Ansicht ist gerade so wahr und richtig, wie die Zunge der Waage daran Schuld ist, wenn die eine Schaale die andere Uberwiegt. Gerade wenn die Miltelpartei zeigt und wirkt, daß keine» der Extreme di« Oberhand gewinnt, dann ist der SlaatsorganiSmu» in ruhiger und stetiger Entwickelung begriffen. Aber wenn eS kein« Mittelpartei gäbe» daun wären wir in der Thal unglücklich genug, in «in Schaukelshstem zu gerathrn, denn dann würde, je nachdem Lorruption und Demagogie von der «inen oder von der anderen Seite mehr anaewendet würden, bald die äußerste Renetten, bald die äußerste Deinokratie am Ruder sein. Und damit unser Vaterland vor beiden gleich großen Gefahren bewahrt bleibe, darum ist dir Mittclpartei nethwcndig, darum hat sie in den besten Tagen de» neuen deutschen Reiche» den besten Einfluß geübt und darum wird sie in besseren Tagen ihn wieder gewinnen. Unbegründet wie die Furcht vor der Herrschaft de» Radi- kaliSmu» ist auch die Furcht vor dein UttramontaniSmuS. Da» deutsche Volk ist ein fromme» Volk, eine kirchlich gesinnte Nation. Aber au» dem deutschen Volke ist die Reformation hervorgegangen, und da» Volk Luther'» wird c» niemals zu» geben, daß ein römischer Papst die Gewissen beenge. Aber, sagen andere Scribler, gewiß, Herr v. Bennigsen ist ein hcchbedeutrndcr Mann, gleich ihm ist kein zweiter; und eben der Rücktritt diese» Manne» bedeutet den Bankerott des Nalionalliberali»mu». Und die Phrase ist da, sie klingt so voll — warum soll sie nickt ein ganze» Heer gedankenarmer Lohnschreiber nachschreiben? — Doch wie oft ist e» gesagt worden, die Einrichtungen, die Versassnng de» deutschen Reichs sind aus den Fürsten BiSmarck zugeschnitten und nach ihm müsse auch jene» zusammensallen. Welcher verständige Mensch glaubt noch solche aberwitzigen Redensarten? Und der Nattonalliberali»mu», die nationalliberale Partei fällt ebenso wenig mit Herrn von Bennigsen; wäre eine solche Möglichkeit auch nur denkbar, dann wäre eben Herr v. Ben nigsen nicht au» dem parlamentarischen Leben geschieden. — Genau denselben Gedanken, welche die Adresse enthält, die der Vorstand der Partei — nachdem der Te^t einstimmig aut geheißen worden — an ihren vorläufig geschiedenen Führer abgesandt, haben wir bereit» Au-druck gegeben. Wir haben Herrn von Bennigsen'» Erwägungen zu achten und sind überzeugt, zur rechten Zeit kehrt er zu un» zurück. Also ganz gewiß hat er nicht gemeint, daß nun mehr die werthvollste und nethwendigste Partei im Vatcrlande in Trümmer gehe. Wa» ist denn die nationalliberale Partei? E» ist di« berufene Vertreterin de» ganzen, großen gebildeten Bürgerthum», de» eigentlichen Kern» der Nation; und diese» Bürgerthum sollte verloren gehen, oder ohne Vertretung bleiben? Da» glaubt dock im Ernste kein Mensch — also wird die nationalliberale Partei auch weiter bestehen, blühen und gedeihen. Herr von Benda hat e» ausgesprochen: Äm Geiste de» Herrn von Bennigsen wollen und werden wir weiter wirken in Liebe zum deutschen Reiche, al» Vorkämpfer de» gemäßigten LiberaliSmu». Und so wird e» geschehen. Die nationalliberale Partei wird weiter leben, denn ihre Existenz ist eine Nothwendigkeit für da» weite deutsche Vaterland! . ' . Wir knüpfen an die vorstehende Betrachtung noch eine Ausführung der ^Nationalliberalen Corres ponvxnz", wrlche sich gleichfalls mit der Zukunft der nationalliberalen Partei beschäftigt. Da» genannte Organ schreibt: Di« Zukunft der nationalliberalen Partei ist au» Anlaß de» Rücktritt« de» Herrn v. Bennigsen im Parlament und Presse einer sehr lebhaften Erörterung unterzogen worden, und da» Wohlwollen, dessen sich von recht» und link« die vermittelnden Parteien zu erfreuen baden, führt konservative, ultramontane und fortschrittliche Propheten zu dem über einstimmenden Urtheil, daß e« mit der Partei ^jetzt vorüber sei. Daß dabei hämische Bemerkungen, Gehässigkeiten und Vorwürfe in unerschöpflicher Fülle herniedcrhagrln, versteht sich von selbst. Wir sind über diese gegen die nationalliberale Partei veranstaltete allgemeine Hetze durchaus nicht ver wundert noch erregt. Daß die nationalliberale Partei aus reactionairer. ultramontaner und radikaler Seite aus« Aeußerste verhaßt ist und nicht» sehnlicher gewünscht wird al» ihr verschwinden, wissen wir seit lange und erblicken darin nur eine Anerkennung sär diese Partei und eine Aufforderung, in ihrem Kampfe gegen reactionaire, ultramontane und radikal« Bestrebungen sortzusahrcn. lieber den schweren nnv unersetzlichen Verlust, den die Pattei durch di« Zurückziebung de» Herrn v. Bcnnigsen au» dem öffentlichen Leben erlitten, ist e« unnöthig, ein einzige» Dort zu verlieren, über die Bedeutung diese» Manne» für da» politische Leben im Allgemeinen und sein« Partei ins besondere stimmen Gegner und Freunde überein. Allein wir sind der festen llcberzeugung, daß diese- Ausscheiden ein dauernde» nicht sein wird und kann, und bei aller schmerzlichen Trauer über den Verlust diese» Führer» wird die Partei fortsahren, in ihrem bisherigen Geiste und aus dem von Herrn von Bennigsen gewiesenen Wege auch unter zeitweiligen ungünstigen Umständen nach Kräften wirksam zu sein, unbeirrt durch alle Gehässigkeiten und Anfeindungen von recht» und link». Daß eine Partei, welche eine ge mäßigte Richtung de» liberalen Princip» und vor Allem eine entschieden nationale Gesinnung re- vräsentirt. au» dem öffentlichen Leben nicht ver schwinden wird, stehtun» darum ganz fest, weil diese Gesinnung au» dem deutschen Volk nicht verschwinden kann, und wir möchten glauben, daß auch bei den Gegnern mit dem lauten Jubel Uber da» Ende dieser Partei der innere Glaube an die Wahrheit dieser Prophe zeiung nicht in Einklang steht. Oder sollte wirklich Jemand im Ernste glauben, alle frei sinnig denkenden Kreise de» deutschen Volk» könnten dauernd ihre Befriedigung und ihren AuSdruck in der von Herrn Richter rcpräsentirten radikalen, unfruchtbaren und ver neinenden Richtung finden, ganz zu schweigen von den äußeren Formen, in welchen sich unter der Herrschaft diese» Politikers der .entschiedene" LiberaliSmu» zu oethätigen gewöhnt hat? ES mögen für vermittelnde Richtungen, für eine gemäßigte Auffassung de» freisinnigen Princip», für da» Streben nach positiver Thäligkeit ans besonnener liberaler Grundlage die Zeiten und Umstände manchmal ungünstig und schwierig sein. Aber e» bleibt eine politische Naturnothwendig- keit, daß diese Richtungen unv Bestrebungen im öffentlichen Leben ihre Stelle behaupten, und sollt« wirklich einmal vorübergehend unter den schroffen Gegensätzen der extremen Parteien für gemäßigte Richtungen die Wirksamkeit und Existenz erschwert oder gar unmöglich gemacht werden, so bedürfte e» eben nur einer kurzen Dauer eine» Zustande», wo sich Reaktion und RadicaliSmu» unver mittelt und unversöhnt gegenüber stehen, um aller Welt den Werth und die Nothwendigkeit einer maßvollen Vertretung de» liberalen wie einer ebensolchen de» konservativen Princip» in« Bewußtsein zurückzurnfen. Man lasse einige Zeit die Parteien der Reaction aus der einen, de- RadicaliSmu» aus der anderen Seite ohne jede Vermittlung ihre Kräfte mit einander sich messen und je nach der augenblicklichen Ucberlegcn- heit ibre äußersten Ziele verwirklichen, dann wird sehr bald alle Welt darüber einig werde», daß es ohne Miltelparteien eben nicht geht. Und auch darüber täusche man sich nicht: wollte der ge- ammte deutsche Liberalismus sich nach den Zielen und in den Formen und Bahnen der Fortschrittspartei bewegen, so würde sich in kürzester Zeit in unsere»! Volke eine Reaction erheben, von deren Kraft diejenigen keine Ahnung haben, die wirklich »icincn, eine liberale ParlameniSiuehrheit unter Nichtcr'schcr Führung und nach fortschrittlichen Grundsätzen ei auck nur für kurze Dauer rn Deutschland eine Möglich keit. Schrankenlos würde die Reaction erst entfesselt werden, wenn der gesammte deutsche Liberalismus sich zum Radicalis »in», zur Demokratie unv Deniaaogic u,»bilden wollte. Wir können nur wiederholen, wa» die Parleicrklärung vom 29. Mai 1881 gesagt hat: „Für Deutschland ist nach wie vor eine Partei nolhwcndig. welche die weitere Entwickelung unsere» Vaterlandes auf den mühsam erkäinpslcn Gruiivlagen in ent schieden freiheitlichem, aber zugleich maßvollem und die realen Verhältnisse beachtendem Sinne erstrebt. Ohne eine solche Partei würde ein fortdauernder, die Grundsäulcn de» SlaatS erschütternder Kamps zwischen extremen Richtungen, an dem andere Staaten kranken unv nicht zur Ruhe kommen können, unser»» Baterlande nicht erspart bleiben." Dari» beruht unser unerschütterlicher Glaube an die Nothwendigkeit und den Bestand einer gemäßigt liberalen Partei. Leipzig, 16. Juki 1883. saßt die Partei, in folgende Be- * Die sreicon servativ« „Post" läge nach dem Rücktritte Bennigsen'» tracktung zusammen: Der Bankerott der Mtttelpartelen ist jetzt eine vollendete That sache. Denn bekanntlich wlcd «ll» Zeit au- zweier Zeugen Mund die Wahrheit kund und dir Vertreter der einen und untherl- baren conservativen, wie diejenigen der gleich cherakter- vollen und gestnnuna-iüchtlgen radiealen Partei sind darüber elnlo, daß der Rücktritt de« Herrn v. Bennigsen von dem parlamei... :»,.n Leben den Bankerott der nationalliberalen Partei und der B„.,:,roN der »ationaMberatea Partei denjenigen der Mlttelp^.:.-len überhaupt bedeute. Im «runde haben wir, da wir stet» kür die Nothwendigkeit der Existenz der Miltelparteien eingetrrien find, keine Veranlassung, gerade bei dieser Gelegenheit Ostgcsagte» zu wiederholen, und wenn wir doch auch außerhalb unlerer „Revue der Presse" den Gegenstand berühren, so geschieht e» nur. um unseren Freunden gegenüber nicht in den verdacht zu komme», daß qui taoat, eoooeutirv oiäetur. Der Rücktritt de« Herrn v. Bennigsen, so bedauerlich er nach vielen Richtungen hin sein mag, hat aus die Existenz der Mittelparteten tm Lande keine unmittelbare Wirkung. Herr von Bennigsen war der Führer einer parla mentarischen Partei, die seit sech» Jahren stark zurückgeg-ngen ist und mSglicheriveise noch weiter zurückgehen wird. Ob die» in gleichem Maß« der Fall mit der Partei im Land« ist, möchten wir bezweifeln. Die Snilchledenen pflegen sich di« Sach« so vor,»stellen, daß die parlamentarischen Fractionen da» Mialaturblld der „össentltchen Meinung" de» Lande« sind. Manchmal ist bie der Fall, gewiß sehr oft aber nicht, und wenn eine parlamentarische Partei zerbricht, wie r» früher de» Alt-Liberalen erging und seit 187? den Nationalliberale» ergeht, so gehe» die Wähler >m Lande nicht etwa wie dir Fractionen bei einem „Hammelsprung" männig lich nach recht» oder nach link», sondern eS bleibt ein starke» Re sidunm, welche», heut inoctiv, doch den Stoff einer neuen Mittel Partei bilden wird. Nur ausnahmsweise ganz von Parteiwuth beherrschte ZeitlLuse können dte Mittel Parteien gänzlich ersticken und e» werden die« Zeiten sein, in welchen die Regierungen ohnmächtig sind, oder »»«schließlich einer Partei angeboren und dienen. Daß die Parteileidenschast ent setzliche Fortschritt» bei unt macht, läßt sich nicht verkennen. ES würde sonst auch der Hohn, mit welchem Herr »an Ven- »lgsr» bet satnrin Abgang« überschüttet wird, nicht möglich sein. Wir sind in dieser Beziehung ganz anparteiisch, denn Herr von Bennigsen bat sich gegen d,« un» nahestehenden Parteien stets ängstlich reservirt geholten, aber selbst der ent schiedenste Gegner seiner Politik dars da« nicht ver gessen, va» Herr von Bennigsen 1887, im Reichstage de» Norddeutschen Bunde», und später im nationalen Dienste geleistet hak. In gewöhnlich!'» ruhigen Zeiten würden auch Couservative einigermaßen bedenklich werden, wenn ihnen die Ridicalc» die Hand zum Zeichen des Einversländ»»,'.'- drücke». Jetzt irrilirl diese» Linversläiidni» Niemanden, macht Niemanden aucl, nur e n> n Augenblick bedrnküch. Nun kann man sehr wohl verstehen, bas; Herr Richter und seine Freunde aus de» Consticl IvSarbeiie». wie aber „Lonscrvative" dahin arbeite» können, da» ist allerdings unverständlich. Denn wenn e» wirklich nur zwei Parteien gä'e (wa- schon deshalb undenkbar ist. weil das C.ntrum »ie in rl.er conservaiivc» Partei ausgehen wird), so würde die mähllgere ans jede Regierung, selbst aus eine sehr starke, immer solch, a Ems> >; üben, daß da» „parlamentarische Lystem", welches durch die Vorder thar hinau-gcworsen ist, durch die Himerlhur seine» Einzug zur definitiven Herrschaft Hallen müsste. * Tie kirchenpolitische Commission de» Ab geordnetenhäuser trat am Donnerstag in die Sp.cial- diScussion der Vorlage ein. Es wird uns aus der Sitzung Folgende» geschrieben: Die DiScnssion über Art. 1 und 2 wurde verbunden. Dieselben lauten: Arlikcl 1. Die Berpslichlung der geistlichen Oberen zur Br- »ennung de» Candidaten für ein geistliche» Ami, ivwic das LiulpruchS- recht LeS Staates werden aufgehoben: I) jür die Itcbertraguiig von Scelsorgeämtern, deren Inhaber unbedingt abbcruscn werde» dürscn, 2) für die Anordnung einer Ltcllvertretung oder einer HiliSleistuug in einein geistliche» Amte. Artikel 2. Aus Veiweser sAtmininratorc», Provisoren re.) eine» Psarramt» findet die Vorschrift tc» Artikels 1 nicht Anwendung. Abg. Framke bczweiselt, baß die tlirchc, wenn Art. 1 Gesetz würde, die Anzeigepslichl hinsichtlich der dauernd anzustellenden Geistlichen zugestcheii würde. ES werde, wenn die HüsSgeistlichcn u. s. w. in Gemäßheit der Bestimmungen dcS Art. 1 nichl mehr angezeigt würden, die Llaal-Sregierung entweder alle diese Hllssgeistlichkn u. s. w. ans Grund der ihr durch das Gesetz vom 3l. Mai 1882 gegebene», Ecmachligung von dem Erforderuige der wissenschaftlichen Vorbildung lg. 1 deS Besetze» vom 11. Mai 1873) diSscuslrcn — dann sel die» Erforderlich lür diese Kategorie von Geistlichen thaisächlich beseitigt und die Kirche ivecde sich »unmchr ausschließlich durch Verwendung solcher von Natur absetzbarer Geist liche» Helsen, die Anzclgepfliaft aber sicherlich nicht anordueir — oder die StaalSregierung stelle sich grgcuüber diesen HtlsS- geistlichen, die vorauSsichllich nicht um Dispensation ein- komme» würden, aus den strengen Llandpimct, daß sie denselben die T,Spensatio» nicht erlhkilrn, dann würden dieselben mangels wissenschaftlicher Vorbildung jojort wieder beseitigt, so daß Art. 1 fruchtlos sein würde. VorauSsichllich werde erster« Nüernalivc rln- lretcn und di« katholische Geistlichkeit svrlau in einem größeer» Um- sangc a»S amovibeln Geistliche» bestehen; daS sei aber gewiß nicht im Jnleressc der katholischen Kirche sclost; die auch in katholischen Slaaten in neuerer Zeit erlassenen kirchenpolwschen Gesetze leien nicht bloS im Interesse des Staates, sondern gerade auch zum Schutze der Katholiken und der katholischen Geistlichkeit gegen da» io der katholische» Kirche zur Herrschaft gelangte System des Absolutismus ergangen. Abg. Freiherr von Zedlitz hat inft den beiden anderen sreiconsrrvativen EommissionSmitglieoern folgende Anträge gestellt: Art. 1. Die Bestimmungen des 8- 1ü bcS Gesetze» vom 11. Mal 1873 finden fortan nur Anwendung auf diejenige» geistlichen Aemicr. welche mll einem sundalionsmäßig' n Einkommen (Vcn-hclum) daucrno verbunden sind. Dasselbe gilt von der Anordnung einer Stell vertretung in einem Psarramie. Art. 1». Hat ei» Geistlicher i» einem dem Einspruchrcchte de- SlaaieS nicht uulerliegcnde» geist liche» Amte den aus sei» Amt oder seine geistliche» Aiulsvereichtuiigru bezüglichen SlaatSgcsetzc» oder innerhalb ihrer gejctzlichciiZuständigtcil erlassenen Anordnungen der Obrigkeit znwidergchandcll vdcr Lc» offen:- lichen Frieden gestört, so kann der Oberpräsiüeni seine Abberufung auS dem ihm übertragenen Amlc verlange». Wird dem Lcilangcu innerhalb der gestellten Frist nicht entsprochen, so kann ihm au? Antrag deS Oberpräsidenlen durch gerichiltchcS Unheil d e Aus übung de- ihn» übertragenen geistlichen Amtes untcrsagl werden. Abg. v. Zedlitz begründete diese Anlräge; durch die repressiven Bestimmungen solle eine gewisse Garantie jür dn> Staat geschossen werden; indem man einen Theil des EinspruchSrechiS ansgebe, sei eS richtig, dafür da» Repressivsysicm zu verstärken. Abg. v.Jagdzewoki reserlri, daß der Lardinal-Erzdischoj von Posen Gneien nach Erlaß der Maigesetze dieselben ignoriri und ohne deren VeaSilung schon i» der nächsten Zeit geistliche Aemlcr übertragen habe. Huisichtlich der betreffenden Geistlichen werde es corrcci sein, wen» die Stnal-s- regierung dieselben einfach aus ihre Stelle» znrü.kkchrr» lasse. Lori de» später geweihten Geistlichen hätten manche aus dem Eullegluiu Oermnmaum ln Ron» oder in Innsbruck studiri; diese werde die SiaatSrcgierung doch wohl von dem Eisordernisje dcS Studiums aus einer deutschen Universität diSpensiren. Abg. v. Hammerstei» tritt den sreiconservativeuAnträgen unv de» »akioualliberaien AuSiührungru entschieden entgegen. Er werde mit seine» Freunden sür de» Antrag Brüel stimme», wonach Art. 2 der Regierungsvorlage sortsallc» und stall dessen Art. 1 folgenden Zusatz erhalten solle: „vorausgesetzt, das» da» zu übertragende Amt nicht das des Verwesers (Administrator:, Provisors u. s. w.) eines PjarramlS ist." Aig. v. Schorlemer-Alst erklärt die sreiconservativcn Anlräge sür unannehmbar, dieselbe» enthielten ein ganz neues M uqcsetz; sic gingen noch hinter den ab- solnlen Staat zurück und brächlen die allerichärsstcil Maßregeln in Vorschlag. Abg. MoSler fraal den CulttiSininiftcr, was unler „gc'st- lichein Amte" zu verstehen sei; er nehme nicht an, baß auch solche Aemter, mit welche» keine Seelsorge verbunden sei, unicr dicsc l Begriff fallen sollen. Er begründet loöan» seinen Antrag, den 8. 2 zu streichen und dem Art. 1 als Ne. 3 h iiziizuietzeli: „sin- niü r dauernd bestellte Verweser (Admiuistraioreu, Vivmivren) einea Pja> - antteS." Der CultuSmintster erklärt, baß die Vorlage an d e alihcrgebrachten Begriffe deS preußischen LandrechleS ankiiiivie. ein Bkiiellclum vorliege, solle bei der Ueberlragung desselben d S Einspruchsrecht des Staate« ln Kraft bleiben. Zw,sch.» Slcar.r- treiung und Psarrvcrwcsung werde säst in alle» Reelilen und Rcch! ?- büchern unierschieden. Wolle inan eine Stettverlrelniig nnlcr der Anzetgevslicht belassen, so w.-rdc min de» Werth des Art. 1 erheb lich emschränken. Durch die Frcigebunq der Piarrv-rwe'er dagcgüi würde eine völlige Umgehung der bestehen bleibenden Voriliritten über die A»zeigehsl>chi ermöglicht werden. Wen» auch »ach dem Rechte der Kirche die scstc dauernde Vergebung der Pirüni .i durchaus die Regel bilde, so sei eS doch leider in der Praxis L.r Kirche keineswegs immer so gewesen. Wenn die Abgg. v. E»»y und Francke sich gegen Art. 1 in der Voraussetzung erkürt Iiällcn, daß die Eurie die Anzeigepslichl »ich! zugestehcn werde, io kenne er her- sönlich nicht die etwaigen Vcr'prech»ngcn der Eurie. ES sei ja denkbar, daß die Eurie sich mcht aus diese» Boden stelle; all, in dann habe der Staat doch immer den Vorihetl erreicht, daß ihm der Vorwurf erspart bliebe, seine Gesetzgebung bmdere dne Pastornung. Bei der Abstimmung wurden die sreicsnservalivrn, Eeittruiue- und conservativen Anlräge abgclchnt, der Art. 1 drr Negirrungs- Vorlage mit 17 Stimmen (Conservaiive, Eenlrum. ForlschrillSvarlct, Seccsstontst und die beiden Freicon ervativen ron Bitter und VopetmSi gegen 4 Stimmen (der drei nationalliberalen Mitglieder u»S dcS sreiconservaliven Abg. Freiherrn von Zcdütz) angenommen; der Art. 2 der Regierungsvorlage, welcher sür Psarrverwescr die An- zeigcpslicht beibehält, mit 15 gegen 6 Summen angenommen. Die Eommission geht zur SpecialdiScnssion der Art. 3 und 4 über. Tie Abgg. vr. von Luny, Freiherr von Zedlitz und Francke erklären ßch für de» Art. 4, welcher wörllich mit der Falk'schen Vorlage d s Gesetze» vom II. Mai 1873 übercinftimme, der Einspruch eign» sich nicht sür richterliche Entscheidung, wildern sei wcsenttich adniinisl, i »vcr Natur. Dte Abgg. Vr. Brüel, v. Rauchhaupt und vr. Wmdi. borst wollen nur Art. 3 annclnii«,. dagegen den Art. 4 streichen. Der EnltuSminister veribeidigt den Art. 4, der mit säst olle» anderen Gesetzgebungen überemsummk. Abg. v. Wcdekl-PicSdors hält
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