Volltext Seite (XML)
7 gessen hatte, als er es von Salzburg zurückerhielt und selbst erstaunt war über seine eigene Musik. Hier muß eingefügt werden, daß es sich um die 2. Haffner- Serenade handelt, die erste und heute noch vollständig erhaltene und gespielte ist die von 1776, anläßlich der Trauung der Tochter Haffners des Alteren, Bürger meister von Salzburg, Elisabeth Haffner, mit F.X. Späth. Da Mozart in Wien für ein Konzert eine neue Sinfonie brauchte, waren ihm die Noten zur 2. Haffner- Serenade gerade im rechten Augenblick von Salzburg gekommen. Der Serenade ging ein Marsch voraus, welchen Mozart bei der Wiener Aufführung nicht mit musizierte, ebenso ein zweites Menuett, welches verlorengegangen ist, so daß wir mit der heutigen Haffner-Sinfonie die Fassung vom 3. August 1783 kennenlernen. Dem jetzigen ersten Satz ist das Pathos geblieben, das eben der früheren Serenade als Festmusik sympathischerweise eigen ist. Das auffallend breit ausholende Thema beherrscht den ganzen ersten Satz, ein zweiter Gedanke kommt gar nicht auf. Das Thema durchwandert alle Stimmen, bald in vollem F'estglanz, bald in ge flüsterter Heimlichkeit, und gibt zur reichen Entfaltung kontrapunktischer Künste Anlaß. Eine kurze Coda (= Schwanz, Schlußteil eines Satzes) beschließt den energischen Satz. Wie dieser erste Satz den Kenner auf Haydn, so weist der zweite Satz, ein Andante ( langsam gehend), auf Wien im allgemeinen hin: Ein behagliches Thema, fast marschartig dahinschlendernd, wird durch allerlei Zutaten der Harmonik und Dynamik abgelöst. Auch das Menuett, der dritte Satz, wird durch seine volkstümliche Knappheit sowie durch den Liederton seines Trios ein unverfälschtes Wiener Erzeugnis. Im Finale ( Schlußsatz) tritt zunächst ganz unverhohlen der Osmin aus der Entführung („Ha, wie will ich triumphieren!“) auf den Plan. Tatsächlich schrieb Mozart diese Sinfonie im Jahre 1782 mitten in den drängenden Nacharbeiten zur Entführung. Dann geht es freilich durch eine sere- nadenhafte Partie in den festlichen Lärm des Seitenthemas — schließlich in die lange Coda. Wohl jeder Musikfreund hat Freude an der klangvollen Feiertagsmusik. Die Improvisationskunst war in den älteren musikalischen Epochen so geläufig, daß man sie kaum erwähnte. Es sei an die Kunst, den bezifferten Baß in der Barockzeit zu spielen, gedacht. Gewaltige Improvisatoren wie Johann Sebastian Bach haben diese Kunst mit ins Grab genommen. Wettkämpfe, wie der zwischen Händel und Domenicco Scarlatti, entsprechende improvisierte Konzerte, wie man sie von Mozart verlangte, waren keine Ausnahmen. Die Stegreiferfindung ganzer Fugensätze — die schwerste Form der freien Fantasie — gehörte zum musikalischen Handwerkszeug des 17. und 18. Jahrhunderts wie etwa um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert das Stegreifmusizieren der Ornamente. Noch Ludwig van Beethoven imponierte seinen Zeitgenossen als glänzender Improvisator am Klavier. „Bei sämtlichen Wer ken fällt das Eindringen improvisatorischer Manieren auf. Innerhalb des G-Dur- Konzertes , op.58, namentlich in dem wehmütigen e-Moll-Andante, wo der Dialog zwischen dem unerbittlich schreitenden Streicher-Unisono und dem klagend sin genden Klavier Kontraste von ergreifender Wirkung erzeugt. Die martialischen Tuttirhythmen verhallen allmählich — in der Seele des Spielers tönen die elegischen Klänge traumhaft weiter. Es ist vielleicht das poesiereichste Stück, das die Kon zertliteratur bis dahin aufzuweisen hat, einer Überlieferung nach angeregt durch das Bild des die Mächte der Unterwelt anflehenden Orpheus. Auch das erste Allegro sowie das marschartige Rondo prägen die Gegensätze zwischen Orchester und Solo instrument zu persönlichem Ausdruck . . . ein Zug milden, sinnenden Ernstes liegt über dem Werk, eine latente Energie, die sich wohl gelegentlich zu kräftigen Lebensäußerungen aufschwingt, im allgemeinen aber das nachdenkliche, lyrisch beschauliche Element überwiegen läßt.“ (Bekker) Prof. Dr. Hans Mlynarczyk L I TE RA TÜRHINWEIS Karl H. Wörner: Neue Musik in der Entscheidung, Mainz 1956 Hermann Abert: Wolfgang Amadeus Mozart, Leipzig 1957 Paul Bekker: Beethoven, Berlin 1922 Richard Petzoldt: Beethoven, Leipzig 1947 Vorankündigung: 1. Kammermusikabend am Dienstag, dem 13. September 1960, 19.30 Uhr — Anrecht D — Freier Kartenverkauf! Nächste Konzerte im Anrecht A 22-/23. Oktober 1960, jeweils 19.30 Uhr Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr 1. Philharmonisches Konzert 1960/61 6147 Ra III-9-5 860 1,4 ItG 009,60/61