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Rr. 243. Zehnter Jahr«. Donnerstag 31. August 1865. cBrscheint: «Aich stütz 7 Uhr. Auserate »erden angenommen: N« Abend-6,Ton», tag» bis Mittag ist Uhr: «arirnstrage IS. Iszeig- in dies. Blatt,. »» jetzt i«Ll,80O Exemplare» »scheint, ßode» eine erfolgreich« Brrbreitung ^bonnemmt: «lerleMrlich 20 N,^- bet nnentgeldlicherLivi srrung inw Hau». Durch dir Löntgt. Po'( vierteljährlich 22 Nge Einzelne Numinerr 1 Rgr. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteurr Theodor Drodifch. Inseratenpreise: tzllr den Raum rin« gespaltenen Zeile: 1 Rgr. Unter „Tinge, saudt" die Zeil« t «gr. Druck und Ttgenthum der Herausgeber: Eiepslh 6k Nktchardt. — Verantwortlicher Rrdacteur: Julius Nrtchardt. Dresden, den 31. August. — Der Dresdner Gewerbeverein in Zittau- Zweiter Tag. j8 Uhr rückte man vom Marktplätze aus, um sectionsweise die verschiedenen Besichtigungen vorzunehmen. Wieder waren die Mitglieder des Zittauer Verein- zahlreich erschienen, um in liebenswürdigster Weise uns Führer ,u sein. Der Morgen war so rein und klar, daß Viele sich nicht ver sagen konnten, den Johannisthurm zu besteigen, und von dieser erhabenen Stelle aus die Stadl und ihre Umgegend zu beschauen. Ein reizendes Bild! Zugleich erlangten wlr dabei eine Ahnung von dem Reichthum der Stadt, de r» Be sitzungen sich noch bis hinter die den Horizont begrenzenden Wälder hinausziehen, und deren Waldungen allein 17 Förster erfordern. — Ganz besonderes Interesse bot der Wasser- thurm, dessen 33.000 Kubikfuß fassendes Bassin durch eine in der Nähe des Luckenberges gefaßte Quelle mit fast chemisch reinem Wasser gespeist wird und der die Haupt: öhren aus sendet, die daS Wasser in der ganzen Stadt bis in dir ober- sten Etagen v-rtyeilen. — Den Glanzpunkt der zu besichtigen den Anlagen bildete die Fabrik der Herren Schmitt und Esche Hier wurden die einzeln ankommenden Sektionen von Herrn Esche in liebenswürdigster Weise ausgenommen und zum Theil von ihm selbst, zum Theil von seinen technischen Ober beamten geführt. Die zweite Sektion, der Referent zugctheilt war, wurde von Herrn Kießler zuerst nach der Maschinen werkstatt geleitet, die die in der Fabrik nöthigen Maschinen selbst herftellt und reparirt, und sodann nach der Farbenmühle geführt, die mit scharfem Gebiß die Farbhölzer zerriß. In dem ersten Webesaale war ein Lärm, daß man sein eignes W»rt nicht verstehen konnte, denn hier arbeiteten 500 Ma- schinen und stellten theils glatte, theils gemusterte Orleans her. Im zweiten Saale befanden sich die Jacquardmaschinen; die Damastmuster in fast räthsilhaster Weise herstellten. Vieles wurde hier gesehen und erklärt, was noch bei keiner Exkur sion beobachtet werden konnte; so z. B. eine Maschine, welche von 1400 Spulen die Fäden abwand und sie zum nachhrri- -en Verweben vorbereitete, sowie eine Schlagmaschine, vor der ein Arbeiter saß. der wie ein Orgelspieler nach Noten, so nach einer Musterzeichnung mit Manual und Pedal spielte, und dadurch die zur Jacquardwebcrei nöthigen Musterkarten her stellte. Die vielen sinnreich construirten Maschinen und Appa rate lehrten, wie der menschliche Geist immer und immer ar beriet, um dieselbe Arbeit nicht wieder machen zu müssen, son dern — da sie bei Wiederholung mechanisch werden — sie mechanischrn Werkzeugen zu übergeben, die — wenn richtig corstruirt — sich nicht irren können und nicht ermüden. Be sonders galt dies von dem Panthograph, der die Muster auf die Druckwalzen gravirt. Mutelft einer Esmers odscura wiid das Bild eines Musters ausgenommen und mit dem Griffel auf einer Metallplatle fixirt. Dieses wird hieraus in den Panthograph eingelegt und jeder Strich, dem man mit tum Storchschnabel nachging, grub sich mit Diamantspitzen in die kupfernen Druckwalzen ein. So enistand für jede Farbe des Muster- eine Walze, so daß zu manchem Muster IO bis 12 W lzen erforderlich waren. Eine Guillochirmaschine stellte jelbstthätig die Zeichnung des Untergrundes her, wenn dies nicht durch gemusterte Stahlwalzen geschah. Diese Druckwal» zen sahen wir nun wirken, sahen, wie das weiße Zeug in die ziemlich complicirte Maschine eintrat, sich vor den verschiede nen Walzen vorbeizog und zu ollgem iner Ueberraschung in 4 bis 12 verschiedenen Farben gedruckt wieder herauskam, wie es durch die Trockenräume hindurch ging und nach kurzer Zeit fertig war. Aller 2 Mir Uten wurde auf diese Weise ein Stück Zeug vollendet. Allgemein war die Freude, diese ausgezeichnet« Fabrik gesehen zu haben und der Dank gegen die Herren Besitzer, die sie unS so freundlich geöffnet hatten. — Wir wurden weiter geführt nach der Kunst bleiche des Herrn Bauch, einem ungemein ausgedehnten Etablissement in welchem dem Leinengarn theils durch Behandlung mit Wasser, theils durch Behandlung mit ChlorgaS eine blendende Weiße ertheilt wurde. Durch die Trockenbleiche erhi-It daS Garn rin seidenartige- Aussehen. Auch hier war der Herr Besitzer selbst zugegen, um mit größter Freundlichkeit jede ge wünschte Auskunft zu geben. Es war nur Denen, welche d e «sie Sektion gebildet hatten, möglich, noch einige andere Etablissement- am Vormittage zu besuchen. — Am Nachmit- tag zog man hinaus nach dcm 1300 Ellen langen Neiße- Viadukt, und von da in die Besitzung des Herrn Friedens richter Mönch. Zuerst wurde hier die großartige Schweine zucht und sodann die Kunstzieg lei besichtigt. In letzterer wrrden nicht nur Fayonziegcl nach jedem Muster, sondern auch DrainirungSröhren, Schlotten und was ganz besonder- über raschte, Bauornamente gefertigt, als Balkcnträger. Friese, Statuen rc. Dir Clauß hatte den Arbeitern das Baure zu pnem frischen Trünke überreichen lassen. Herr Mönch luß seine Arbeiter sämmtlich antretcn und Herr Clauß hielt eine Anrede an sie, in welcher er die Schiller'schen Worte durch führt« : Arbeit ist des Bürgers Zierde, Legen ist der Mühe Preis: Ekrt den .stönig seine Würde, Ehret Euch der Hände Fleiß. Die Arbeiter, welche in ihrer lehmigen Arbeitstracht gekommen waren, traten als Redner auf, dankten für die ihrem Fleiße gewordene Anerkennung und ließen den Dresdner und den Zittauer Gewerbeverein hoch leben. Eine, wir möchten sagen, rührende Feier. Die Zeit war abgelaufen. Im Sturm eilte man nach dem Bahnhöfe und mit tausend Dank nahm man Abschied von dcm lieben Zittau und seinen herzigen Bewoh nern. Gewiß wird allen Theilnchmcrn dieser Ausflug nie aus der Erinnerung schwinden und der Nachbar des Referen ten stieg aus dem Wagen mit den Worten: Liebe Seele, du hast nun genug auf lange Zeit. — Zwei Dresdner Köchinnen wurden dieser Tage von zwei Franzosen unter Heirath-Versprechungen mit nach Leipzig gelockt. Dort lebten sie 8 Tage lang in süßen Hoffnungs stunden, bis eines Morgens beide Franzosen spurlos verschwun den und gen Westen gezogen waren, so daß die getäuschten Küchenvirtuosinnen wieder nach Osten zurückzukehren sich ge» nöthigt sahen. — Vorgestern gingen am Löbtauer Schlage ein paar Pferde nebst dem Strohwagen durch und nahmen ihren Weg nach der Friedrichsbrücke. Tort wurden sie von einem Mann aufgehalten und dem trostlosen Fuhrmann wieder übergeben, ohne daß ein Unglück zu beklagen war — Dem jungen Grafen v. Neust, an der Berliner Uni versität studirend, Neffe dev sächsischen Ministers, ist die Ret tungsmedaille am Bande verliehen worden, weil er einen andern Studenten mit eigner Lebensgefahr vom Ertrinken ge rettet hat. — lieber das Unglück, welches unseren geachteten Mit bürger, Herrn Kaufmann Höppner (Firma Dähne u. Harlan) gelegentlich einer Reise in der Schweiz betroffen hat lesen wir im Berner „Bund" folgendes Nähere: Bern. ^Korresp. aus Engstlen vom 24. August.) Selten kommt ein Unglück allein Kaum ist das traurige Ereigniß am Matterhorn verhallt, so erfahren wir mit Schrecken, daß sich auch auf den Eisfeldern des Titlis ein gräßliches Unglück zugetragrn. EinHr. Höpp ner aus Deutschland, der sich seit einer Reihe von Jahren jeden Sommer längere Zeit in Engelberg und Engstlen aufhielt, brach Mittwochs den 23. d. mit dem beherzten Führer Enge nius Jnfanger von Enge berg auf, um eine Exkursion in den Regionen des Titlis zu machen, mit der auSorücklich-n E klärung an seine Frau, am Abend d sselben Tag s wieder zurück zu sein. Wohl mochte die Angehörigen der kühnen Bergfahrer eine düstere Ahnung erfüllen, als die B.idcn am Abend desselben Tag s nicht wieder zmückkehrten. Jedoch suchte man sich noch damit zu trösten, es möchte Hr. Höppner mit seinem Führer vielleicht auf Engstlen geblichen stin. Da man Letzteres aber nicht mit Sicherhüt annehmen durfte, so machte sich in der Frühe des folgenden Morgens eine betracht- liehe Anzahl von Leuten auf den Weg, die Vermißten aufzu- suchen. Es war an einem Unglück um so weniger zu zweifeln, als von Engstlen die Nachricht eintraf, daß ähnliche Personen daselbst nicht lozirt hätten. Nach langem Suchen fand man die Unglücklichen endlich, sie lagen als zerschellte Leichname am nördlichen Abhange des Titlis auf einem unzugänglichen Eis feld auf unterwaldnerischem Gebiete. Die Suchenden kehrten zurück, ohne daß es ihnen gelungen wäre, die beiden Leich name aufzuhlben. Durch das Fernrohr unterschied man, daß Hr. Höppner unten und sein Führer Jnfanger auf i;n zu liegen gekommen ist, in welcher Lage sie hinter einem Fels vorsprung liegen gebli ben waren Es wird olles Mögliche gethan, die Verunglückten aufheben zu können. Noch diese Nacht werden von Engstlen aus die nöll.i,en Vorkehrungen getroffen, wenn man auch auf keinen Erfolg hoffen darf. Der Jammer um die Unglücklichen ist allgemein! Jedermann in hier kannte und liebte die Familie Höppner, und nicht minder sind die Hinterlassenen des Führers Jnfanger zu bedauere, indem an Letzterem 10 Kinder ihren Vater verloren haben. — (Eingesandt.) Die gleiche Art des Eisenbahn wesens in Nordamerica, wie solche vorgestern in diesem Matte gerühmt ward, findet sich auf vielen Bahnen d.r Schweiz. Der Zug fährt vor. Niemand befiehlt da: Einsteigei, oder Aussteigen, sondern jeder Fahrgast steigt ein oder aus. wie und wo rr Lust hat. Wer sich nicht dazu hält, hat cs sich selbst zuzuschreibcn. Die Bahnbeamten wissen, daß sie cs nicht mit Kindern zu thun haben, welchen man cm sag,» muß. wie sie sich verhallen sollen. Erst während der Fahrt untersucht der Schaffner die Fahrkarten; wer !>inc odcr nicht die ent sprechende Karle hat, kauft solche oder wird in die entsprechende Wagenclasse gewiesen. Das Alles geschieht mit der größten Ruhe und Artigkeit; denn man weis, daß die Bahnen des Publicum wegen da sind, nicht aber das Publicum wegen ter Bahnen. Nimmt ein Fahrgast durch seine Unvorsichtigkeit Unglück, so wird darüber kein Wort verloren; ein Jeder ist eben selbst für seine Haut verantwortlich, und es fällt daher Niemandem ein, die Fahrgäste zu beaufsichtigen und zu be schulmeistern. Es herrsch: allenthalben dasselbe freie Verhält- niß, wie bei dem Omnibus und bei jedem anderen Wagen. Die mehr oder minder glücklichen Verhältnisse eines Volkes spiegeln sich überhaupt im Eisenbahnwesen ab und das Zu- vielregienn und engherzige Schulmeistern eines Staates trägt sich auch auf die Bahnen über. In manchen Staaten wer den die Fahrgäste sogar eingeschloffen in den Wagen, gleich wie Gefangene von Bahneswegen. Auf anderen Bahnen braucht man gar nicht zu fragen, in welchem Staate man ist; man hört es schon an der Barschheit und Verdrossinheit der Schaffner. Auf manchen Bahnen gehört das Reisen zu den widerwärtigsten Dingen. Man wird eingepfergt wie eine Waare. Wird der Schaffner aufmerksam gemacht, daß noch eine Menge leerer CoupsS vorhanden sind, so erfolgt in der Regel keine Antwort, meist aus dem einfachen Grunde, weil das Einpferchen nur aus Bequemlichkeit geschieht, um die Con- trole zu erleichtern. — Wie in vielen Dingen, so auch im Bahnwesen zeichnet sich Sachsen vortheilhaft aus, sowohl duich die Bildung und Höflichkeit der Beamten, als durch die Er leichterung des Verkehres. Bei keinem Zuge fehlt es an hin reichenden Reservewagen, und auch bezüglich des EinsteigenS und Wagenöffnens herrscht volle Freiheit, zumal an frequenten Sonntagsstationen, wo aber auch ein Platzanweiser: rein un möglich wäre. Da gilt cs, wie in der Schweiz: „einsteigen, wo Platz ist", und Schaffner wie Fahrgast ersparen dabei an Arbeit und Zeit. — Aus dem Feuerwehrtage in Leipzig fand am 22. ein interessanter Wettkampf zwischen einer kleinen, aber gut ge bauten Spritze aus Chemnitz und einer großen Dampfspritze aus Hamburg statt. Die Mannschaften bespritzten sich jchlüß- lich gegenseitig, und da hatten allerdings die Chemnitzers sich tapfer zu halten An dcm immer heftiger und interessant« werdenden Kampfe belheilizten sich zuletzt selbst Familienväter thätig, ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit, ja einige Spritzen- Enchusiasten zogen wasserdichte Urberröcke an und stellten sich als Schutz vor die von Schweiß und Spritzenwaffer triefen den Arbeiter, die an diesen erbitterten Kampf ihr Lchen setzen zu wollen schienen. Endlich erklärte der Hamburg«, er habe sich nur für die Probe mit Kohlen versehen und muffe pfeifen und d:n Kampf cinstellen Auch die Ausschußmitglicder baten, di'sem gcsundheitsgesährlichen Spiele ein Enve zu machen. Da brach der Wettkampf ab. So tüchtig auch die Chemnitz« Spritze sich auswies. stellte sich doch auch hier heiaus, daß eine Dampfspritze wegen ihrer ununte>brochenen Thätigkeit weit prakt schere Dienste zu leisten im Stande ist. Die ge dachte Hamburger Dampfspritzc soll, wenn cs vielfach m Wün schen nachgeht, angelauft und der Leipziger Feuerwehr zum Geschenk gemacht werden. — Feuer! Fünf Schlag: waren e-, mit denen eS der Kieuzthüim« verkündete, daß es in Neustadt drüben brenne. Das Feuer selbst ging bald nach 10 Uhr Nachts am Diens tag Abend auf. Da Alles noch auf den Beinen war, so läßr's sich denken, daß auch die St aßen ein Menschenstrom durchfluthcte, den zu durchdringen keine Kleinigkeit war. Die alte Elbbrücke konnte kaum mit ihrem ruinirten Piedestal die Karawanen tragen, die in der elften Stunde hinüberzogen nach Neustadl. Es brannte ein Seitengebäude der Restaura tion zum , Albertsgartcn" an der Ecke der Frühlingsstraße und des Bilchofstvegs, ein altes, mit vielem Holzwerk versehenes G bäude. Wie bas Feuer entstanden, weiß kein Mensch — wie gewöhnlich eS soll im Stall herauSgckommen sein. Die Turncrfeucrtvchr rückte zahlreich an und leistete trotzdem, daß das Pr cßnitzslüßchen wegen Mangel an vollständigem Wasser sich nutzlos z-igte, das Möglichste. Auch die Zuschauer leiste ten alles Mögliche, während dcm die hohe Feucrsäule leuch, tend zum Himmel emporsticg. Nachdem man mit vielem Er folg den Wcitcrbrand des Hauptgebäudes verhindert und den Beand gedämpft, war um halb 12 Uhr Alles vorbei. Ein bald folgender Gewitterregen bewirkte, daß daS Feuer gänz lich in sich selbst zusammcnstarb. Wie man kört, sind ein Pferd und ein Schwein in den Flammen umzekommen. — Eine Wette eigenthümlichcr Art wurde gestern Vor mittag unter den Mitgliedern eines h efigen Clubbs von einem jungen Mann angenommen und glänzend gewonnen Es galt nämlich: im vellständigcn Anzug rwt Hut u d Stiefeln durch die beiden Elbbrücken zu schwimmen. Ein Schwimmmeister und noch ein Herr wurden zu Zeugen enväblt. Der kühne Schwimm r setzle an. er stürzt sich hinein in die Elbe und schwimmt, mit Passirung der be:oen Brucken. bls in die Gegend r >