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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.01.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000125022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900012502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900012502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-01
- Tag 1900-01-25
-
Monat
1900-01
-
Jahr
1900
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Größere Echristen laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrnsitz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^tl 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 45. Jahrgang. Donnerstag den 25. Januar 1900. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Januar. Der Reichstag hat gestern, nachdem er den Etat des Reichsschatzamtes bewilligt, die schon vor Weihnachten begonnene Berathung der Anträge auf Borlegung eines Reichs-Berggesetzes fortgesetzt und beendet. DaS Schluß resultat — Annahme dieser Anträge durch eine verhältniß- mäßig starke Mehrheit — wird von der Socialdemokratie als ein Sieg betrachtet und auSposaunt werden; denn von socialdemokratischer Seite war die erste Anregung zur Vor legung eines solchen Reichsgesetzes gegeben worden. Bei Lichte besehen, ist aber dieser Sieg, wenn von einem solchen über haupt die Rede sein kann, ein sehr geringfügiger; denn erstens wurde der socialdemokratische Antrag im Laufe der Debatte so abzeändert, daß er mit einem freisinnigen im Wortlaute übereinstimmte, und außerdem ein Amendement des Centrums mit ausgenommen; zweitens batten die BundesrathS Mitglieder vor Beginn der Berathung der Anträge den Sitzungssaal verlaßen und dadurch ihre Stellung zu der Anregung in unzweideutiger Weise kund gegeben. Und wenn wirklich die verbündeten Regierungen den überaus schwierigen Versuch machen sollten, reichsgesetzlich Ver hältnisse zu regeln, die in den einzelnen Staaten überaus ver schieden sind, so würde der Versuch zweifellos ganz anders auösallen, als die Herren „Genossen" es wünschen. Sieht man vollends von dem für den Bundesrath unverbindlichen Schlußresultate ab. und verfolgt den Verlauf der Debatte, so muß man selbst bei der objektivsten Beurtbeilung zu dem Ergebniß gelangen, daß die „Genossen" die Unter liegenden waren. Sie cvncentrirten die Angriffe, mit denen sie ihren Antrag motivirten, vornehmlich aus die Mansfelder Gewerkschaft und ließen sick dabei das Bekenntnis; entschlüpfen, daß sie nach diesem ihnen bisher verschlossenen Terrain ihre „Groschen" schicken. Das beleuchtete von vornherein den politischen Hintergrund dieses Wetterns gegen die Verwaltung wegen der besonders harten Bedingungen, unter denen der ManSfelder Bergmann das Erz gewinnt; Bedingungen, die man beklagen kann, die sich aber nicht ändern lassen, wenn der Bergbau nicht auf gegeben werden soll, von dem die Bevölkerung lebt, und die darum auch willig durch dir lange Rache* von Jahrhunderten getragen worden sind, auf die der Mans felder Bergbau mit Ehren zurücksieht. Als Vertreter des dortigen Kreises trat den Socialdemokraten der Abgeordnete Arendt entgegen, der auf die Thatsache hinwies, daß die Mansfelder Gewerkschaft in schwierigen Zeiten den Berg bau für die Arbeiterbevölkerung über Wasser gehalten hat. Der Abg. Thiele, der vo» der Bestechlichkeit der Steiger und anderen „Schändlichkelten ohne Gleichen" gesprochen batte, wurde vom Abg. Arendt mit der Frage nach bestimmten Thatsachen in dieEnge getrieben. Es blieben nur Klatsch und ver einzelte, nicht erwiesene Vorkommnisse übrig, die der social demokratische Redner zu einer vollständigen Corrnption auf- gebauscbt hatte. Ein Seitenstück dazu bot der Abg. Sachse, dem vom Abg. Hilbck nachgewiesen wurde, daß er ein ge richtliches Erkenntniß falsch citirt hatte. Der socialdemo kratische Vorstoß war verfehlt, und was insbesondere die Verhältnisse im MandSfeldschen anlangt, so wird eS hoffent lich trotz ter socialdemokratischen „Groschen" dabei bleiben, daß die dortigen Bergleute, wie der Abg. Arendt versicherte, ihren Stolz darein setzen, daß in ihren Dörfern kein Social demokrat eine Wahlstimme erkält. Einen kleinen Triumph bereitete nur der zweite Vicepräsident den „Genossen". Einer von ihnen hatte mit Bezug auf den Mansfelder Kreis eine Parallele zwischen Luther und dem Aba. Arendt gezogen, waS der Letztere mit vollem Recht als „geschmacklos" bezeichnete. Wegen dieser Bezeichnung verfiel er einer Rüge des Vice präsidenten Schmidt, der jene Parallele geschmackvoller ge funden zu haben schien, als die Abwehr. Mit diesem Ge- schmackSurtheile dürfte er aber, wenigsten- in der protestantischen Bevölkerung deS Reiches, so ziemlich allein stehen. Auch dieser Präsidialschutz giebt also den „Genossen" kein Recht, sich eines SiegeStageS zu rühmen. Eine weit gemäßigtere Temperatur, als man nach den Vorgängen der letzten Zeit hätte erwarten müßen, herrschte gestern im preuhifchcn Abgeordnetenhause bei der zweiten Berathung deS Etats der landwirthschaftlichen Ver waltung. Traten auch die zum Worte gelangenden Mit glieder deS Bundes der Landwirthe mit einer ganzen Masse von Beschwerden und Forderungen auf, so geswah dies doch ohne die sonst üblichen Borwürfe gegen die Ne gierung. Andererseits ließ es der LandwirthsckaftSminister v. Hammerstein-Loxten an entgegenkommenden Versiche rungen nicht fehlen und stellten sich fast alle Redner der zum Worte gelangenden Parteien freundlich zu den berechtigten Forderungen der Landwirthschaft. WaS deren Lage anbelangt, so waren die Bündler v. Mende l und v. Wan gen beim, die Eentrumsmänner Schmitz und v. Eynatten, sowie der Nationalliberale v. Sanden darin einig, daß, wenn auch in einzelnen Gegenden und einzelnen Zweigen des landwirthsckast- lichen Betriebes eine Besserung eingetreten sei, doch die Wir kungen dieser Verbesserung mehr als aufgehoben würden durch daS stetigeSteigenderProbuctionskosten, namentlich der Arbeits löhne, sowie durch den zunehmenden Mangel an Arbeitskräften. Nur der Vertreter der freisinnigen Bolkspartei vr. Hirsch wollte die eingetretene Besserung als eine dauernde und als den Beginn eines neuen Aufschwunges für die Landwirthschaft erkennen. Er allein widersprach auch mit Entschiedenheit einer Verstärkung deS Zollschutzes für landwirthschaftliche Producte nach Ablauf der Handelsverträge. Alle anderen Redner hielten dagegen einen wirksameren Schutz der Land wirthschaft vor der Concurrenz deS Auslandes für unerläßlich. Ferner erkannten zwar alle Redner an, daß in dem land wirthschaftlichen Etat mehr Mittel als bisher zur Förderung der Landwirthschaft eingestellt seien, erklärten aber höhere Aufwendungen des Staates zu diesem Zwecke für erforderlich, wobei die conservativen und die CentrumS-Redner vor Allem höhere Mittel zur direkten Förderung der landwirthschaft lichen Production, insbesondere der Viehzucht, die Redner der liberalen Fractioocn vornehmlich die Aufwendung größerer Mittel für den landwirthschaftlichen Unterricht verlangten. AuS den Erklärungen des LandwirthschaftSministerS beben wir besonders die folgende hervor, da sie noch einer Ergänzung bedarf: „Die Vorarbeiten für einen Gesetzentwurf im Sinne des Antrags Gamp zur Steuerung der Lentenoth durch Er schwerung des ContractbruchS rc. sind in vollem Gange, und hoffentlich wird Sie schon in den nächsten Monaten diese Vor lage beschäftigen. Ich glaube auch, daß sie die Antragsteller be friedigen wird." Daß Preußen durch seine eigene Gesetzgebung der Leute- noth zu steuern sucht, ist begreiflich und erwünscht; wie aber ein Einzelstaat den Coutractb ruch der in Brennereien, Zuckerfabriken und bei der Bedienung von landwirthschaft lichen Maschinen beschäftigten Arbeiter in einer die betr. Antragsteller befriedigenden Weise erschweren kann, ohne mit der Reich Sgesetzgebung in Collision zu geratben, will uns nicht recht einleuchten. Es ist daher zu wünschen, daß Herr Hammerstein-Lexton oder sein College v. Rheinbaben um weitere Mittheilung über den in Vorbereitung begriffenen Gesetzentwurf ersucht werden. Wieder müssen wir ein paar Beispiele englischer Ueber- hebung Deutschen gegenüber verzeichnen. Ein Oberingel- heimer Weinßeschäst richtete, wie die „Rhein- und Nahe-Ztg." meldet, an ein erstes HauS in London ein deutsch gehaltenes Schreiben. DaS Londoner Geschäft schickte jedoch den Brief einfach wieder zurück und schrieb schräg auf die eine Ecke der Rückseite: „>Ve are extremvlv gorrv, but rvs cko not uucker- stauck Kerman" (ohne Unterschrift). Auf deutsch: Es thut uns sehr leid, aber wir verstehen kein Deutsch. — Wenn auch der deutsche Absender sich durch dieses formlose Verfahren nicht geradezu beleidigt fühlte, so glaubte er doch darin so recht die Nichtachtung und den Haß des Engländers gegen daS Deutsche zu erkennen; er ließ darum dem englischen Ge schäft folgende Abfertigung englisch zukommen: „Ich dedaure aufrichtig, daß Sie als Besitzer eines großen Cas6S mit internationalem Verkehr nicht einmal die heute in allen Welttheilen verstandene deutsche Sprache verstehen. Hier in Deutschland versteht man sogar die Boerensprache und ich habe die beste Hoffnung, daß die Lectionen, die Old England eben in dieser Sprache erhält, dessen Bescheidenheit von größtem Nutzen sein werden." — Wir wollen eS hoffen! — Noch ein anderer Fall. Eine deutsche Weltfirma in Köthen (Anhalt), die seit längerer Zeit mit einer bedeutenden Lon doner in Geschäftsverkehr steht, schreibt ihre Briefe deutsch und die englische in der Sprache ihres Landes. Anfang dieses Jahres wurde nun am Schluffe eines Briefe- von dieser Gesellschaft folgende charakteristische Zumuthung gestellt: „Wir erlauben uns, auseinander zu setzen, baß Ihre Briefe in deutscher Sprache unS große Mühe bereiten und uns Aus gaben anserlegen durch das Nebersetzenlassen derselben; wir senden Ihnen hierdurch eine Berechnung bis zum heutigen Tage in Verbindung mit diesen Zeilen und bitten Sie, unS Rimesse zu senden, sobald es Ihnen paßt." Die deutsche Firma antwortete hierauf: «Ich dedaure, daß Ihnen meine bisherigen Briefe große Mühe betr. deS UebersetzenS ver ursacht haben. Ich hatte jedoch geglaubt, daß bei dem Um fang Ihres Geschäftes eS selbstverständlich sei, daß auch Ihnen, wie jedem großen Geschäft, fremdsprachliche Bureaukräfte so wie so zur Verfügung stehen. Es ist internationaler Ge brauch, daß Weltgeschäfte in der Sprache ihres Lande- correspondiren." Der Krieg in Südafrika. —p. Wenn dies Blatt den Lesern in die Hände kommt, ist wahrscheinlich daS Schicksal von Buller's Entsatzversuch besiegelt. Nach unseren gestrigen Meldungen war für General Warren und damit für die ganze englische Armee am oberen Tuzela das Schlimmste zu befürchten, da der von Buller angekündigte, als „verzweifelt" bezeichnete Sturm auf den alle Wege nach Ladysmith beherrschenden Bergrücken des SpionSkop, wiederholt blutig von Cronje und Botha zurückgeschlazen worden war. In London sind noch immer keine amtlichen Nachrichten eingetroffen oder werden, wie eS bisher Praxis war, zurückgehalten, und die Spannung, aber auch der Unwille der Bevölkerung sind daher auf daS Höchste gestiegen. Fieberhafte Erregung herrscht, daS Kriegöamt wird vom Publicum förmlich be stürmt und die Zeitungsausgabestellen werden tatsächlich belagert; aber auch die großen Londoner Zeitungen sind außer Contact mit ihren Correspondenten in Durban und Pietermaritzburg, die au- dem Buller'schen Lager nicht eine Silbe erfahre», und so ist man auf Meldungen auS New Hork angewiesen. Unser Londoner Mitarbeiter sendet un folgendes, schon durch Extrablatt bekannt gegebene Tele gramm: r. London, 25. Januar. (Privatttlepramiu.) Au» New Kork wird gekabelt: Soeben schlagen der „New Kork Herold", die „World" und die „Sun" ttabeltelegramme an, welche rin furchtbares Massacre der englischen Truppen am Tugela melden. London ist noch ohne Nachrichten. Es herrscht grotze Aufregung und Pessi mismus wegen des Ausbleibens von Nachrichten. Es verlautet, die Regierung trete zurück, falls die Niederlage sich bestätigt. Einen schwachen Versuch, über die entscheidungSvollen Kämpfe am Dienstag zu berichten, macht folgende Meldung: * Loudon, 25. Januar. (Telegramm.) DaS „Reuter'jche Bureau" meldet von vorgestern Abend auS Spearmans Camp: Heute zu früher Stunde rollte daS Gewehrfeuer heftiger als je. Die Boeren gaben Crest Kopfe auf, das die britische In- santerie besetzte. Die Boeren suchten hinter einem Steinwall Zn- flucht. In dieser Stellung hielten sie Stunden lang aus, Nach- mittags aber sah man sie in vollem Rückzüge; sie liefen durch eine Schlucht, während die britische Artillerie sie mit Shrapnel!- und Lyddit-Granaten überschüttete. Die britischen Truppen nahmen in der durch einen Steinwall gebildeten Deckung Stellung. Die heutigen Verluste sind gering. Das ist ein nichtssagendes Gerede über einzelne Phasen des Kampfes, wobei wieder die verkehrte englische Auffassung hervorlrilt, daß ein Rückgang der Boeren Rückzug und Flucht bedeute. Auch alle in Brüssel eingetroffenen Nachrichten bestätigen die Niederlage der Engländer am SpionSkop, bezeichnen in Uebereinstimmung mit unserer Auffassung den llmzchungS- plan Warren'S als endailtig gescheitert und srbrn Buller zu einem Frontangriff auf Tod und Leben gezwungen. Der mili tärische Mitarbeiter deS Londoner „Morning Leader", Williams, meint, die Einnahme von SpionSkop würde eine große Thal sein, wenn sie gelungen sein sollte, aber auch daS würde noch nicht einen schnellen Spaziergang nach Ladysmith ermöglichen, da sich mindestens noch zwei gute Stellungen hinter Spionkop befänden. Aus dem Boerenlager bei Ladysmith sind ri» Louren^o MargueS in London Berichte über die Kämpfe am Sonnabend eingetroffen. Dieselben besagen, daß die Engländer niit mehr als 30 000 Mann und 40 Kanonen einen verzweifelten Versuch machten, die Höhen am Tugela gegenüber der PotgieterS Drift zu nehmen. Die englische Artillerie habe dabei daS stärkste Feuer entwickelt, welches man im gegen wärtigen Kriege gesehen habe. Dreimal hätten die englischen Regimenter die Anhöhen gestürmt und jedes Mal seien sie durch neue Truppen verstärkt worden, jedes Mal aber sei der Angriff durch die Boeren unter Botha, Burger und Luka- Meyer zurückgeschlagen worden. Botha und Cronje Forrilleton. Los Die ganze Hand. Roman von Hans Hopfen. Nachdruck veriotrn. „Nicht ins Meer!" rief Immanuel, „ich hoffe zu Gott, Sie haben Sie in ein fruchtbares Land gesenkt und ich werde Ihnen eines Tages sagen dürfen: Sieh' her, das ist Dein Werk! Nicht die Fische haben Deine Wohlthat als Köder verzehrt, sondern die Saat ist aufgegangen." „Das walte Gott!" sprach der Landrath. So gingen sie frohgemuth auseinander, obschon Immanuel sich nicht verhehlte, daß eine Besserung seiner Einnahmen und Ausgaben auch mit diesem herzerwäremenden Prospect so bald keineswegs zu erreichen sein werde. Aber er fühlte sich doch wie ein Mann mit einem guten Wechsel in der Tasche, freilich einem Wechsel auf lange Sicht. Gern hätte er der Geliebten noch heute von dem neuen Plane Kunde gebracht. Es war doch immerhin ein Zuwachs von Hoffnung, den sie nicht erwartet hatten. Allein ein Zettelchen, das er in seiner Wohnung fand, belehrte ihn, daß er sie heute nicht sehen könnte. Sie hatte eine Einladung der unermüdlichen Frau Gehcimrath Seckenstedt angenommen, die für diesen Abend Verschiedenes zu unternehmen willens schien. Ms Nanda nach der Tauenzinstraße kam, fand sie Lydia Mac-Minn bereits im Salon am Flügel sitzen und sich mit ihrer Fingerfertigkeit die Wartezeit vertreiben. Frau Alma war noch mit ihrer Toilette beschäftigt. „Sie will sich heute besonders schön machen", erläuterte Lydia, mit der linken Hand eine schwierige Passage wiederholend, während sie die rechte der Eingetretenen zur Begrüßung bot. „Warum denn heute mehr als sonst?" fragte diese. Lydia kicherte hell auf, was sie sehr wunderlich und reizend zu machen verstand und griff dazu mit carikirenden Accenten die ersten vier Tacte des Hochzeitsmarsches aus dem Sommer nachtstraum. Da brach sie ab und erläuterte mündlich: „Weil sie wieder einmal glaubt, der richtige Mann wär' im Anzuge, der Auserlesene, mit welchem sie ihre Tage so spät wie möglich beschließen möchte." „Und dabei sollten wir ihr helfen? Wie denn das?" „Nun etwa, wie die Ministranten dem Priester, wenn er doch ganz allein seinem Gott opfert. „Er kniete rechts ... er kniet« links." Und bei den feierlichsten Momenten wird zur Erde ge blickt und geklingelt, aber sehr discret . . . Sie kann doch nicht allein mit ihm ins Lessingtheater oder in den Circus und dann zu Poppenberg oder Dresse! gehen. Machen Sie sich nur auf eine flotte Woche gefaßt, Nanda. Diesmal hat unfere hohe Gönnerin ernste Absichten." „Aber wir können ihr doch diese schönen Absichten nur verderben?" „Wollen wir auch, werden wir auch, liebstes Herz. Es wird diesmal gshen, wie die vorigen Male; der hohe Herr wird sich in eine von uns Beiden, dieser vielleicht in alle Beide verlieben, uns L outrano« den Hof machen, Alma wird dem lächerlichen Schau spiel gegenüber ihren höheren Standpunkt wiedergewinnen und den Unwürdigen, der um kein falsches Haar mehr werth sich er wiesen haben wird, wie das übrige Volk der Männer, zwar als Mensch degradirt, aber als Curiosität unanfechtbar, unter die Zierden ihres Salons «inreihen. Dafür eignet sich dieser un vergleichlich. Wir sind ihr ja auch nichts Anderes." „Sie thun ihr «Unrecht, «Lydia . . ." Diese kicherte wieder und griff sich di« Anfangsiacte der Cherubinarie „vor cüe sapete", sie leiser und leiser fortsetzend, während die Wesselbrunn fortfuhr: „Alma ist nichts weniger als dumm, und muß sich doch sagen, daß Einer, der Augen im Kopfe hat, Vergleiche anstellen wird. Ich darf das bei aller Bescheiden heit bemerken." „Hm! Jede ist sich selbst die Schönste. Sie sagt sich: Heimchen wird diese beiden Mädchen keiner von Denjenigen, welche mir zu diesem Zweck tauglich erscheinen. Lydia ist arm und Nanda noch ärmer — sind wir doch —, oder nicht? — Na, also sagt sie sich: Die armen Dinger heirathet höchstens einmal ein armer Deusel, wie sie selber sind. Mein Erwählter hat andere Absichten. Aber die anderen Mädel werden khm sehr gefallen. Und gefallen sollen sie ihm, denn je mehr sie ihn anheimeln, desto behaglicher wird er's bei unS finden, desto öfter wird er kommen, und desto länger verweilen, das Uebrige findet sich dann schon. Schramm!. . ." Und ste fuhr mit dem Nagel des Mittelfingers jäh über drei Oktaven hinauf, daß es im Salon widrrhallte. „Müßt' ich, daß sie uns wirklich in diesem Sinne einlud, ich ginge sofort heim, ohne sie gesehen zu haben", sagte Nanda unwillig. ^Seien Sie doch nicht kindisch", entgegnete die Andere. „Wir werden uns köstlich unterhalten, gut essen, an der Komödie in und nach dem Theater unser Gaudium haben, die Alte auslachen und vielleicht. . . ." Sie stockte, stand vom Elavier auf und horchte, oh sich nebenan nichts regte. Darüber sicher, lehnte sie Wang' an Wange der Gefährtin, ihr den Zechten Arm unter deren linken schiebend, und sagte leise: ,Hch möcht' ihr diesmal einen Streich spielen." „Diesmal? Warum?" „Weil mir der Mann in gewisser Weise gefällt." „Na, na, Lydia! Sie machen Einen ja beinahe neugierig. Wer ist denn der merkwürdige Mensch?" ,Mn alter Mann, ober ein Mann. Don Pedro di Was- weißich y Schnedderedeng, ich kann mir all' den Namenpomp nicht meAen, Ministerrssident der chilenischen Republik, oder es kann auch die peruanische oder sonst eine sein .... Ich weiß es nicht. Ist mir auch sehr egal. Worauf's ankommt, ist, daß er «in ganzer Kerl ist, «in ritterlicher, strammer, eleganter, galanter, allerliebster Hidalgo, trotz seiner 65 Jahre und seines grauen Kopfes und grauen Schnauzbarts. Mädel, ich sag' Ihnen, wenn mir der so vor zehn Jähren noch um weitere zehn Jahre jünger erschienen wäre, rein weg, mauseiodt verliebt wäre ich gewesen. Und noch heute macht er nicht nur einen vornehmen, sondern auch einen liebenswürdigen Eindruck. Man glaubt ihm, daß er schon zwei oder drei getödtet hat, so mit einer wie selbstverständ lich aussehenden exakten und nicht minder eleganten Hand bewegung. Man glaubt, daß er unzählige Weiber geliebt und zahllose Männer betrogen hat. General, Diplomat, Wittwer, Lebemann, Sportsmann, Staatsmann, was weiß ich noch. Jetzt ist er hier mit einem wichtigen Auftrage seiner Republik, dazu man einen besonders fähigen, thatkräftigen Vertreter braucht. Ich glaube, er soll für die Umwandlung der argentinischen Streit kräfte . . . oder sind's die mexikanischen? . . . sämmtliche Neu bewaffnung und dazu preußische Officiere als Instrukteure be sorgen. In dieser Mission wird er viele Monate hier verweilen und hat aus seinem Goldlande ein unerschöpfliches Portemonnaie mitgebracht." „Sie sind ja ganz begeistert von diesem Don Pedro y etcetera", scherzte Nanda. Und Lydia versetzte rasch: „Wenn ich was leisten soll, muß ich mich echauffiren. So bin ich nun mal." „Leisten? Leisten? Was wollen Sie mit dem Spatzenschreck denn leisten?" „Spatzenschreck? Hat sich was. Und was ich will? Toll machen will ich ihn, der Alma zum Trotz und Aerger!" „Und was würde denn Ihr Leutnant dazu sagen?" „Eben meinem Leutnant zu Liebe . . ." „Wollen Sie den Anderen verliebt machen?" „Stimmt! Er soll mich so himmlisch, einzig, unentbehrlich finden, daß er mich nach seinem Eldorado zu verpflanzen nicht umhin kann, und . . ." „Sie heirathen?" fiel die Zuhörerin entsetzt ein. „Nicht doch", antwortete Jene, „mein Heino soll mich heirathen, und Seine Excellenz soll meinen Heino als Ober- instructor seiner heimathlichen Armee mit nach drüben befördern. Dann bleiben wir Alle beisammen, und . . . ." „Haben einander so lieb!" ergänzte Nanda kopfschüttelnd. „Ich glaube nicht, daß Leutnant von Lilienbusch, wie ich ihn kenne, zu einem solchen Programm Ja und Amen sagen wird. Lydia, Lydia, Ihr gottloser Schnabel geht mit Ihnen durch. Sie denken doch an solche Scheußlichkeit»!?, die Sie da auskramen, nicht im Ernst?" „Ich denke wohl. Und ich denke für mich und ihn. Und ich sage Ihnen, wenn wir Frauen nicht für die Männer dächten, und zuweilen nicht ohne ihren hohen Consens für sie handelten, es stünde manchmal schlimm mit unserem Glücke. Hab' ich die Welt gemacht? Hab' ich die Leutnantsgagen in der königlich preußi schen Armee normirt? Nein; aber ich muß mich in die Welt finden, in die Welt, wie sie ist, nicht, wie ich sie mir gern auS meiner Einbildung erschüfe, und ich will einen Leutnant heirathen, der mich mit seiner Gage nicht heirathen kann. Also muß ge holfen werden. Und mein prophetisches Gemüth sagt mir: Der alte Hidalgo, das ist ein hilfreicher Mann, und er ist liebens würdig und appetitlich, so daß man ihm schmeicheln kann ohne Ekel, und ihn gern haben ohne Gewissensbisse." „Lydia!" rief Nanda und faltete die Hände, wie wenn sie ein Ungeheuer vor sich sähe. „Haben Sie sich nicht so, lheure Freundin. Ich stehe so fest in meinen Schuhen, als irgend eine, und bin unfähig, meinem Heino die Treue zu brechen. Aber zu unserem Glücke will ich beitragen. Was hat denn so ein Flirt mit einem greisen Knaben für Gefahr? Lächerlich! Im Anfang schäumt so ein Alter freilich auf für ihrer Viere und geberdet sich verliebt wie toll. Mer 's ist wie mit 'ner Ehampagnerflasche. Braust sie auch auf in det ersten Minute, ist doch so viel wie nichts im Glase, und wenn erst nachgrgossen wird, ist's ein sanft prickelnder gesellschafts mäßiger Wein väterlicher Gefühle, davon man eine Menge ver tragen kann, ohne trunken zu werden —, wenigstens ich." Das Fräulein von Wefsekbrunn gab darauf keine Antwort. Sie starrte vor sich auf den Boden, dann schüttelte sie ein Schauder, und sie redete, ohne die Andere anzusehen: „Lieber Allem entsagen, lieber sterben!" „Oh, noch lange nicht!" lachte Miß Mac-Minn. Et war Nanda, alt knöpft« si« Ein«r «iltg tzu dit an tz«n
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