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Amtsblatt mr die MrichtSämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. 8iebenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaktion, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags. Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher A b o n n e m e n 1 öpr e is, auch bei Beziehung durch die Post. I Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die Tags darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. —.Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene CorpuS-Zcile berechnet. Donnerstag. 10. November 1859. Zu Schillers hundertjährigem Geburtsfeste. Heute vor 100 Jahren wurde Joh. Christoph Friedrich v. Schiller im Städtchen Marbach in Würtembcrg geboren, und heute find alle sonst so uneinigen und gespaltenen Deutschen nicht bloS in Deutschland, sondern auch in Paris, London, Amerika und Australien — vielleicht zum ersten Male — wunderbar einig, diesen Tag als einen Festtag zu begehen. Und einer Freude Hochgefühl entbrennet, Und ein Gedanke schlägt in jeder Brust, WaS sich noch jüngst in blul'gcm Haß getrennet, DaS thcut entzückt die allgemeine Lust; WaS nur zum Stamm der Deutschen sich bekennet, DaS ist deS Namens stolzer sich bewußt — „so weit die deutsche Zunge klingt und Gott im Himmel Lieder singt." Wer aber war dieser Schiller und was Hal er denn Großes und Gutes für die Menschheit oder Loch für Deutschland gestiftet, daß sein Säcular-GeburtSsest so allseitig und hoch gefeiert wird? ES war ein Dichter. Dichter batS genug gegeben und giebtö heute noch; aber ihre Dichtungen sind freilich sehr, sehr verschieden, und gar Mancher hält sich für einen Dichter, wenn er einen Reim zusammenschmieden kann, der auch darnach ist. Schiller aber war ein wirklicher, großer Dichter, ein Mann, dem Gott die Gabe verliehen, „zu preisen daö Höchste, daS Schönste, was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt!" Cr war im Stande, alle edlen und schönen Gefühle und Gedanken, tue in eines denkenden und fühlenden Menschen Herzen rege und Wege sind und werden, auf die schönste und vollendetste Weise tu Versen so anSzudrücken, daß seine Dich tung jedes denkende und fühlende Herz mächtig ergreift, rührt, begeistert. WaS sein Vater, damals Herzog!, würlemb. Leutnant, bei der Geburt deS Knaben von Gott gebeten hatte, „er möchte seinem Sohne an Geistes kräften zulegen, was cr, der Vater, an guOm Unterrichte nicht habe er reichen können," hat Gott reichlich erfüllt. Schiller ist ein König gewor den im Reiche deS Geistes, er steht geistig hoch über Millionen Menschen, wie ein König erhöht ist über Millionen; „drum soll der Sänger mit dem König gehen, denn beide stehen auf der Menschheit Höhen!" Und war er auch nicht frei von menschlichen Fehlern und Schwachheiten: „WaS Mitwelt sonst an ihm beklagt, getadelt, ES hat's der Tod, cS hat's die Zeit geadelt." WaS solches Dichten nützt? Geld bringt'ö blutwenig ein, und Schiller selbst hat sich lange genug kümmerlich durchschlagen müssen, ehe ein hoch gebildeter deutscher Fürst, ein Wettiner, der Herzog Karl August von Sachsen-Weimar, der, selbst ein hochbegabter Geist, solche Köpfe zu schätzen wußte, ihm ein Auskommen verschaffte. Unö bringen Schillers Gedichte auch kein Geld ein, wenn wir sie lesen oder im Theater darstellen sehen und hören, im Gegentheile, sie kosten unS Geld. Wir wenden eS aber gerne daran, weil das Lesen, Sehen und Hören derselben uns eine GeisteS- und Herzensfreude macht, unserer Seele einen Genuß verschafft, köstlicher als alle Sinnengenüsse. Wem freilich aller Sinn, alles Gefühl für er habene Gedanken und Empfindungen abgeht, der freut sich weder über ein schönes Bild, noch über ein kunstreiches Bauwerk, noch über die beste Mu sik, noch über eine gediegene Rede, noch über ein, in unübertrefflicher Pracht, in wahrhaft königlichem Glanze der Sprache vorgeführtes dichte rischcS Bild deS ganzen menschlichen Lebens mit allen menschlichen Em pfindungen, wie z. B. Schillers „Lied von der Glocke" ist, der hat kein anderes Maß für daS, was nützt, als — waö Geld cinbringt. Und nicht bloS Geistes- und HerzenSgenuß haben Schillers Dich tungen den Deutschen gebracht und bringen ihn noch, sie haben auch un endlich viel zur Hebung der Bildung in Deutschland beigetragcn. Seine Dichtungen haben nicht bloö unser Volk anS den versumpften gciftig-todten Zuständen der Perückcnzeit geweckt, nicht blos um alle Deutschen ein Geisiesband geschlungen, sondern sie wirken fort und fort veredelnd aus alle deutsche Seelen. Empfinde nur und nimm in Dich auf solche erhabene Gedanken und Gefühle, wie sic unser Schiller vollendet darstellt, Du wirst bald inne werden, wie Dein geistiges Wesen vom Schmutze und Schlacken niederer Gedanken und Gefühle reiner und geläuterter wird und das Rohe, Gemeine Dich abstößt! Es ist da, als wenn auf den Lebensbaum unseres gewöhnlichen Denkens und Handelns ein edles Pfropfreis gesetzt wird, dem anch gute Früchte entsprießen. Und Tausenden und Tausenden haben sich solche Pfropfreise aus Schillers Gedichten in die Seele gepflanzt! Wem cS freilich nicht gegeben ist, solche Gedanken und Gefühle zu fassen und in sich aufznnehmen, die unser großer Landsmann, wie kein anderer, auS dem innersten Kern seines deutschen Wesens sang und eben deshalb so sehr daS deutsche Gemüth ergreift, dem wird auch der unermeßliche Ein fluß nicht klar, den Schiller zu seinem Theile auf die Bildung unseres Volkes und somit aas dessen Wohl auSgeübt, der saßt auch die Verehrung für ihn nicht, die heute in der ganzen gebildeten deutschen Welt sich kund giebt, nicht als heillose Menschenvergötterung, sondern als lautcS, Millionen- stimmiges Zeugniß der Dankbarkeit gegen den Schöpfer eines solchen ächt deutschen Geistes, dem daS deutsche Volk selbst wieder solch herrliche Schöpfungen im Reiche deS Geistes schuldet, in deren Genüsse Jung und Alt deutscher Zunge noch Jahrhunderte schwelgen wird und fort und fort durch sie sich bilden und veredeln zu höherer, geistiger Schönheit. Wie . eine Familie sich eS zur Ehre und Freude hält, ein ausgezeichnetes Glied zu besitzen, dem in weiten Kreisen Achtung gezollt wird, so nennt die ganze große deutsche Völkerfamilie mit gerechtem Stolze Schiller den Ihrigen und bekränzt heute seine Büste mit dem Lorbeerkranze, den seine geistigen Schöpfungen ihm selbst gewunden in den Herzen aller gebil deten Deutschen. „Zum Höchsten hat er sich emporgeschwungen, Mit allem, waö wir schätzen, eng verwandt. So feiert Ihn! Denn waS dem Mann daS Leben Nur halb crtheilt, soll ganz die Nachwelt geben." Zeitungen. Sachsen. Plauen, 8. Novbr. DaS dritte Wort der Zeitungen ist: Schiller, Schillerfeier. Selbst die Anzeigen in den Zeitungen enthalten fast nichts als Ankündigungen von Büchern und Schriften über Schiller, von Schillerseife, Schillerwein rc. In fast jedem Städtlein, selbst auf Dörfern in Sachsen — Schillerfeier. In Dresden werden am 10. Mit tags die Kaufläden sogar geschloffen. In Berlin hat der Prinz-Regent