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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000725012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900072501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900072501
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-25
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
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Zu nächst hat Emil Stang, der langjährige Leiter der Rechten, er klärt, kein neues Mandat anzunehmen, und in diesem begabten und besonnenen Politiker, der vielleicht der einzige Staatsmann unter Norwegens Politikern war, verliert die Partei einen kaum zu ersetzenden Chef. Auf der anderen Seite hat sich auch der Storthingspräsident Ullmann, der Häuptling des radikalen Flügels der Linkenpartei, von der politischen Arena zurückge zogen. Ullmann war ein Fanatiker, der die Auflösung der Union und die Begründung einer norwegischen Republik offen als sein Ziel bezeichnete; als geschickter Agitator war er seiner Partei von großem Nutzen; im Uebrigen war er in seiner Stellung so ein seitig, daß hauptsächlich ihm daS Aufblühen der Vettern- und Sippenwirthschaft in der Linkenpartei zuzuschreiben ist. Vielleicht hängt dieser letztere Umstand mit seinem Rücktritte Zusammen. Es haben sich nämlich in der jüngsten Zeit aus der Mitte der Partei selbst sehr energische Stimmen gegen diese in üppigster Blüthe stehende Cliquenwirthschaft erhoben. Das weitverbreitete Organ „Verdens Gang" hat sich zum Sprachrohr dieser Mißstimmung gemacht und mit rückhaltloser Offenheit die Namen zahlreicher Persönlichkeiten genannt, die nur um ihrer Zugehörigkeit zum Parteiverbande und ohne sonstige Quali fikation wichtige und einträgliche Aemter erhalten haben. In einem Lande, wie Norwegen, wo alle Verhältnisse klein sind, und die Zahl der guten Stellen recht beschränkt ist, muh eine derartige Enthüllung natürlich enormes Aufsehen erregen, und die Miß stimmung ist derartig gewachsen, daß „Verdens Gang", früher bekanntlich selbst ein führendes Linkenorgan, offen zur Nieder werfung der ParteityranNis und zur Bildung einer neuen, der „nationalen" Partei auffordern konnte. Inwieweit dieser Vor schlag bereits bei den bevorstehenden Wahlen tatsächlich zu einer Spaltung der Linken führen wird, steht dahin; jedenfalls aber werden die Aussichten der regierenden Partei dadurch nicht un erheblich beeinträchtigt. Auch in anderen Beziehungen liegen die Dinge für die Linke nicht günstig. Man tadelt z. B. ihre Finanzpolitik als ver schwenderisch, — übrigens wohl mit Unrecht, da die Hauptaus gaben für Eisenbahnbau zur Entwickelung des Landes kaum länger zu umgehen waren. Die Socialdemokratie Norwegens hat sich geweigert, bei den Wahlen noch weiter mit der Linken zusammcnzugehen, und dadurch kann die Partei besonders in der Hauptstadt doch eine empfindliche Einbuße an Stimmen er leiden. Endlich haben gewisse, von einigen Gruppen der Linken partei vertretene Centralisationsbestrebungen, die alle wichtigen Behörden des Landes in Christiania zu vereinigen wünschen, vielfache Mißstimmung erregt. Es ist z. B. nur nach schweren Kämpfen und durch eine Coalition der verschiedenen localen Interessenten in der letzten Session des Storthings gelungen, die neue technische Hochschule für Drontheim und die neue Fischerei behörde für Bergen zu sichern, während zahlreiche Abgeordnete in beiden Fällen wiederum für Christiania etntraten. Steht so die Situation für die herrschende Partei in mancher Hinsicht recht wenig günstig, so ist doch die Rechte so lange kaum in der Lage, diese Situation für sich auszunutzen, als sie sich ausschließlich auf die Defensive beschränkt. Die Erkenntniß, daß die beste Parade der Hieb ist, ist den Politikern der Rechten offen bar noch nicht aufgegangen. Der große Mangel dieser Partei ist, daß sie den Wählern eigentlich nichts bietet. Wohl sucht sie jetzt den Anschluß an die nationale Bewegung wiederzugewinnen, den sie vor «twa zwei Jahrzehnten in kaum begreiflicher Verblen dung verpaßt hat; aber wenn sie nun auch in ihrem Wahl programme in Bezug auf die Consulatsfrage schon so weit geht, durch eine Umfrage bei den erwerbenden Ständen feststellen zu wollen, ob das praktische Bedürfnis; für die Begründung eines eigenen norwegischen Consulatswesen spreche, so ist doch eine solche Zusage nicht kalt und nicht warm und kann keinen Wähler begeistern. Daß übrigens das praktische Bedürfniß in dieser viel erörterten Frage in der That für die Forderungen der nationalen Partei spricht, hat jüngst die Eröffnung des Elbe-Travecanals eklatant erwiesen. Dieser Canal ist für die beiden nach Deutsch land Holz exportirenden skandinavischen Schwesterreiche von großer Bedeutung. Beide sind aber im Holzhandel Konkurrenten, und der gemeinsame Konsul in Lübeck dürfte natürlich keinen Wink geben, der Norwegen oder Schweden speöiell nützlich sein könnte. Wenn nun die norwegische Handelswelt fragt: was nützt uns ein Konsul, der uns der Concurrenz gegenüber nicht schützen noch rathen darf? — so kann man ihr in diesem Falle nicht Unrecht geben. Ueber die Stimmung in der Wählerschaft ist schwer zu urtheilen. Sicher ist, daß bei den Anhängern der Linken eine große Unzufriedenheit herrschte und daß man sich über die Mög lichkeit der Ergebnisse, die die Regierung in drei Jahren mit einer geradezu imposanten Mehrheit zu erreichen vermochte, voll kommen klar ist. Andererseits hält speciell der norwegische Bauer an seinen Ansichten mit der äußersten Zähigkeit fest. Wohin nun vollends die erheblichen, durch das neue Wahlgesetz zum Wahl recht zugelasienen Massen sich wenden werden, ist völlig unklar. Im Ganzen genommen, ist Wohl ein totaler Umschwung der Partetverhältnisse nicht wahrscheinlich; daß aber die Linke wieder mit einer Zweidrittelmajorität in das Storthrngshaus zurück kehre, scheint nach der gegenwärtigen Lage doch aus geschlossen Die Wirren in China. Wir haben gestern Abend unseren Lesern bereits Kenntniß von dem Ansuchen gegeben, da» der Kaiser von China an den deutschen Kaiser gestellt hat. Es liegt jetzt darüber eine längere officiöse Mittheilung der „Nordd. Allg. Ztg." vor. Sie besagt: „Der chinesische Gesandte stellte am 21. d. M. dem Auswärtigen Amt eine Depesche des Kaisers von China an den deutschen Kaiser zu, in der er als einziges Mittel zu der Klärung der Lage die Beihilfe Deutschlands anruft und den Kaiser bittet, die Leitung zu übernehmen, um die früheren friedlichen Zustände wieder herbeizuführen. In der Antwort note vom 24. d. Mtö. lehnte es der Staatssekretär deS Auswärtigen Graf Bülow ab, die Depesche dem Kaiser zu unterbreiten, so lange nicht daS Schicksal der in Peking eingeschlossenen Ge sandtschaften und der übrigen Fremden aufgeklärt sei und solange nicht die chinesische Negierung für die Ermordung deS deutschen Gesandten in Peking Frhr. v. Ketteler volle Sühne gewährt und für das dem Völkerrecht und der Civilisation entsprechende künftige Verhalten genügende Garantien geleistet hat." Die Haltung unseres Staatssekretärs ist würdig, das Ansuchen des chinesischen Kaisers unverfroren, wenn es über haupt ernst gemeint ist, denn die Anrufung als „einziges" Mittel haben schon Nordamerika, Frankreich und Japan erlitten. Natürlich hat das Gesuch des sogenannten chinesischen Kaisers keinen Einfluß auf die weiteren Operationen. Hierüber und über andere Vorgänge liegen folgende Telegramme vor: * Berlin, 24. Juli. „Wolff'S Telegr.-Burcau" meldet: Nach einer Mittheilung des Chefs des Kreuzergeschwaders Biceadmtral Bendrinann auS Taku vom 21. d. M. ist der zweite Admiral des Krcuzergeschwaders Coutreadmiral Kirchhoff, der bisher den VertbeidigungS- und Etappendienst in Taku geleitet hat, an Bord der „Hansa" zurückgekehrt. Nach einer Meldung des deutschen Consuls in Tschifu vom 23. d. M. verbreitet der Gouverneur von Schantung ein kaiserliches Edikt a» den Groszsekretär, das in dem üblichen Kanzleistil gehalten ist und Folgendes besagt: Die gegenwärtigen Feindseligkeiten sind durch Streitigkeiten zwischen Len einheimischen Christen und der übrigen Bevölkerung, sowie durch die Besetzung der Forts von Taku durch die fremden Mächte veranlaßt worden. Sehr bedauerlich ist die Ermordung des deutschen Gesandten und des japanischen Kanzlers. Tie Gouverneure u. s. w. möchten für Schutz und Ord- nung Sorge tragen. Ter allen Fremden zugefügte Schaden soll, abgesehen von dem durch direkte Feindseligkeiten verursachten, von dem Präfecten in Peking und dem Generalgouverneur von Tschili ermittelt werden. * Paris, 24. Juli. Der Minister de» Auswärtigen DrlcassS empfing in der letzten Nacht mehrere vom 13. bi» 48. d. M. datirt« Depeschen des französischrn Consul» in Tientsin, in denrn dieser mittheilt, daß die Brrlnst« der Franzosen bei dem Angriff der Chinesenstabt von Tientsin 1b Todt« und bO Verwundet« betrugen. Am 17. d. M. sei di« chinesische Stadt ruhig gewesen und habe ihr gewohntes Aussehen wieder angenommen. Ein Bote, der am 17. d. M. nach Peking geschickt wurde, könne in sieben Tagen wieder zurück sein. Die militärischen Befehlshaber hätten am 18. d. M. darüber berathen, welche Regierung in Tientsin einzusetzen sei. Der französische Consul fügt hinzu, daß er am 18. d. M. noch keines der Telegramme erhalten habe, die seit dem 20. Juni von Paris anihnabgejand wurden. * ICenttU, 24. Juli. Der Reichs-Posldampser „Preußen" mit dem Vorkommando des deutsche» Ostajiatischen Ex peditionskorps an Bord ist heute Vormittag unter den Hurrah- rufen der Truppen und Len Klängen der deutschen und der italienischen Nationalhymne »ach Lstasien in See gegangen. Eine ungeheure Menschenmenge in dem Hafen bereitete den deutschen Soldaten warme Abschiedskundgebungen. Die Vertreter der Militär- und Civilbehörden und zahlreiche Osficiere der Garnison hatten sich an Bord eingesundrn, um sich von den Ofsicieren der Abthrilung zu verabschieden. * Lolidoit» 24. Juli. Die „TimeS" entnimmt einer Privat- Meldung aus Shanghai vom 21. Juli die Mittheilung, der an» gebliche Zweck der Mission Li-Hung-Tschangs in Tientsin sei, das Aeußerste zu versuchen, die kaiserlichen Truppen in eine Linie mit den Truppen der verbündeten Mächte zur Unter drückung der Boxerbewegung zu stellen. Der Tientsiner Berichterstatter Les „Standard" will wissen, Li-Hung-Lschang wolle den verbündeten Mächten die Abtretung zweier Provinzen al» Ent schädigung für den Pekinger Aufstand anbieten. (Boss. Ztg.) * Petersburg, 24. Juli. Die „Nowoj, Wrrmja" erhält rin Telegramm au» Tschifu, daß die telegraphische Verbin dung mit Tientsin unterbrochen und die Eisenbahn zerstört ist und die Dampfer der Amur-Gesellschaft laut osficielleu Er klärungen die Beförderung von Passagieren und Privatfrachten ein gestellt haben. Aus Nikolskoje wird gemeldet, daß die Station ChantacheS der mandschurischen Eisenbahn von den Chinesen zerstört worden ist. Nach den neuesten Meldungen sind in Chardin große chinesische Truppenmassen concentrirt. * Petersburg, 24. Juli. Ein Telegramm de» Generals Grodekow aus Chabarowsk vom 22. d. M. meldet, daß der am 16. Juli aus Charbin abgegangene und in Chabarowsk am 21. Juli eingetroffene Dampfer „Odessa" einen Bericht des Haupt- Ingenieurs Jngowitsch überbracht habe, in welchem es heißt: Unser 200 Mann starkes Detachement, welche» am 7. Juli Mit einem großen Troß von chinesischen Christen, Frauen und Kindern von Telia ausgebrochen war, langte nach drei Tagen, an welchen es beständigen Angriffen ausgesetzt war und stark« Verluste erlitt, in Schuan-Mjaozy an. Infolge beunruhigender Nach richten wurde auS dem Gebiete nördlich von Schuan-Mjaozy Alles mitgenommen, was von der Schutzwache auf zweimal sortgeschafft werden konnte. Nach Telia wurden 70 Kosaken mit 1b 000 Pa tronen abgrschickt, allen weiter nördlich Angestellten wurde besohlest, sich mit der Schutzwach« nach Sungari, südlich von Charbin, zu be geben. Dieser Rückzug wurde am 14. Juli beendigt. De» Beamte» der 11. Sektion mit dem Ingenieur Amosor wurde besohlen, sich nach der Grenzstation zu begeben. Der 12. und 13. Sektion mit dem Ingenieur Sviagin wurde kein Befehl zum Rückzug ge geben, weil Hoffnung vorhanden war, daß sie schnelle Hilfe auS Nikolsk erhalten würden. Die Bewegung dehnt sich jetzt nördlich von Charbin aus, wo 200 Schutzmännern besohlen wurde, sich bis zum Aeußersten zu halten und das Telisirr Detache ment zu vrctheidigcn, das von zahlreichen BanLen Aufständischer bedroht wird. Zur Befreiung der Bedrohten kann Niemand ab gehen, La die Einwohner keinen Proviant und keine Fvurag« liefern und Charbin vertheidigt werden muß, wo sich einige Tausende unbewaffneter Beamten mit ihren Familien befinden. Der letzte Theil der Frauen und Kinder und der zweite Theil der Arbeiter und Beamten der Centraladministration wird jetzt aus Dampfern befördert, die übrigen müssen Las Detachement Feirilletsn. Gemüse und ihre Geschichte. Eine Skizze vonKonrad Münch. »tawrruck verdet-n. Wenn unsere Gemüse wieder reichlich und mannigfaltig auf dem Tisch» erscheinen, so finden sie allerseits das herzlichste Will kommen. Der Feinschmecker weiß ihre gastronomischen Vor züge zu würdigen, dem bescheidenen Manne bieten sie eine wohl schmeckende und wohlfeile Nahrung, die Hausfrau dankt ihnen die Möglichkeit einer größeren Abwechselung der Mahlzeiten, der Vegetarier wird durch ihr Erscheinen auf den Gipfel seiner irdischen Freuden erhoben und der weise Hygieniker heißt sie willkommen, well er wohl weiß, daß in der heißen Jahreszeit unser Bedürfniß nach vegetabilischer Nahrung steigt und das nach animalischer Nahrung sinkt. So bieten unsere Gemüse Jedem etwas — selbst dem Historiker. Ja, eS mag wohl auf den ersten Blick wunderlich erscheinen, aber auch unsere Gemüse haben ihre Geschichte. Man braucht ja nur an Esau zu denken, der um oin Linsengericht seine Erstgeburt verkaufte, oder an die Dame Pompadour, di« wohl wußte, daß sie bei Ludwig XV. ihre Wünsche besonders leicht durchsetzte wenn sie thn nkit jungen Erbsen, seiner Leibspeise, bewirkhete und die darum Alles, was sie von diesem zarten Gemüse aus den Märkten von Paris auf treiben konnte, zusammenkaufen ließ. Uebrkgens aber bieten die Wanderungen und Wandlungen unserer Gemüse selbst so diel des Interessanten, daß es sich wohl einmal lohnt, guf die Geschichte einiger ihrer Hauptvertnter «inen Blick zu werfen. Beginnen wir mit den Erbsen, so müssen wir in ihnen eine der ältesten Speisen der Menschheit respectiren. Wir treffen sie schon km alten Indien, und e» mag wohl sein, daß bereit» Alexander der Groß« nach seinen Heldenthakn sich dieses Gemüses erfreute. Die Egypter bauten die Erbse in ihren Gärten, di« Griechen und Römer kannten sie; tn Rom bildeten sie eine Art BolkSgericht, weshalb Horaz den einfachen Mann auf die Schüssel mit Erbsen und Schnittlauch sich freuen läßt, die man ihm daheim vorsehen wird. In unserem Laterlande findet sich die erste historische Spur der Erbse tn einer Urkunde vom Jahre 197, in der ein Erbsen-, Bohnen und Mckenackrr erwähnt wird. Dann hat Karl der Große, der ja für die Hebung deS Acker- und Gartenbaue» tn Deutschland die segensreichste Thätigkeit entwickelte, Vie Erbse tn seinen Gärten gezogen und die maurische Erbse <pisurn maurlcuru), die er von seinem Fr«unde Harun ar Raschid erhielt, hatte sich bald in unseren nördlichen Strichen akklimatisirt, ja, e» drang die» Kind de» Orient» allmählich vi» nach Hammerfest und Lappland vor. Bald war auch das Recept der wohlschmeckenden Erbssuppe ent deckt, und die Stadt Hall bewirthote einmal an einem Festtage Kaiser Karl V- mit einer „Erbssuppe mit Marks, grob oinge- schnttkn und mit Eiern stattlich übersäet. Und dennoch müssen wir all' diese langen Jahrhunderte nur als die erste Jugendzeit der Geschichte unseres Gemüses ansehen. Denn tn all' dieser Zeit kannte und aß man die Erbse nur in ihrem reifen Zustande — die gelbe Erbse. Die zarte, junge grüne Erbse aber taucht erst im 16. Jahrhundert auf, und zwar zu erst in Frankreich, wo sie noch zu Colbert's Zeit eine solche Dcli- cottesse war, daß oin Maß davon mit 60 Francs bezahlt wurde. Als ein seltener Leckerbissen kam sie, mit Speck angerichtet, An fang Mai auf die Tafel des Königs und der großen Finanz leute. Seit damals legte man sich auf ihr« Cultur, und es ist ja die französische Erbse bis zum heutigen Tage ein besonders feines Product geblieben. Es folgten die Engländer, die die grüne Erbse zuerst aus Holland erhielten und um 16'öO als einen besonderen Leckerbissen für Frauenzimmer ansahen; heute wird die Erbse dort auf das Sorgfältigste gepflegt und ist ein Natio nal- und Lkibessen geworden. Besonders sind in England die marrovs (Markerbsen) zu hoher Vollkommenheit und Be liebthort gelangt. Was Deutschland angeht, so setzte der Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig im Jahr« 1679 Dem, der den ersten Korb voll grüner Erbsen auf den Markt brächte, eine Be lohnung von einem Thaler auS und gab so der Erbsencultur einen wichtigen Anstoß. Seitdem hat sich die junge Erbs« immer als eines der vorzüglichsten Gemüse in Ansehen erhalten, wenn auch die gelbe Erbse nach wie vor ein« Rolle spielt und z. B. als Begleiterin von Hamburger Rauchfleisch oder Schinken in Burgunder selbst auf der vornehmen Tafel erscheint. Mit der Erbse kann sich freilich die Bohne aN Vornehm heit nicht messen, und sie hat sich sogar zeitweilig große Verach tung gefallen lassen müssen. Das war bei den Egvptern, die diese Frucht aus nicht ganz aufgeklärten Gründen für unrein hielten; ihre Priester durften sie nicht einmal berühren oder sehen, geschweige denn essen, und Pythagoras schloß sich gleichfalls diesem Banne gegen die Bohne an. Sie übertrifft aber an Alter vielleicht selbst noch die Erbse, da sie der Kaiser Chinchong an scheinend im Jahre 2822 v. CH. nach China eingrführt hat, und sie hat sich bei den Juden, Persern, Griechen und Römern ver dienter Beliebtheit erfreut. Die ungerechtfertigte Meinung der Egypter machten die Hellenen wieder gut, indem sie di« Bohne als eine segenbringende Frucht ansahen; die Attiker feierten so gar Den, der zuerst die Bohne angepflanzt haben sollte, al» einen Herol: es war KyamiteS, der Bohnengott; er hatte seinen Tempel auf dem Wege nach Eleusi» und sein Fest, die Kyanepsien. Auch im Culte der Römer spülte sie «ine Rolle und diente bet gewissen Festen dazu, die ruhelosen Seelen oder Gespenster der Heimgegangenen zu verscheuchen. In Pompeji und H«rculanum hat man eine M«ng« halb und ganz verkohlter Bohnen, Zeugen ihrer Belebtheit auf dem kölnischen Speisezettel, gefunden. Doch war zu jener Zeit Les raffinirten Luxus' die Ackerbohne bereits von Len Tischen der Reichen verschwunden; sie aßen nur noch die feinere Schneide- oder Schminkbohne, di« aus Ostindien stammte und während der Feldzüge Alexander's des Großen ihren Weg in die occidendale Welt gefunden hatte. Im nördlichen Europa ist die Bohne seit den Römerzeiten ununterbrochen cultivirt worden; nur in England kam sie erst spät auf und mußte noch zur Zeit Heinrich's Vlll. aus Flandern geholt werden. Der Kreis der cultivirten Bohnen hat sich allmählich erheblich erweitert und be sonders sind die amerikanischen Bohnenarten, die Cortez auf dem Markte von Mexiko fand, zu uns gedrungen. So stammt zum Beispiel küru-sriu« inuttiklorus, der häufig als reizender Schmuck von Gartenlauben dient, aber auch «ine sehr schätzbare Frucht giebt, aus Südamerika. Derselbe Pythagoras, der die Bohne als unrein verabscheute, empfahl den Kohl als ein dem Menschen sehr zuträgliches Gemüse, das ihn bei heitrem, ruhigem Sinn und Muth erhalte. Ob er damit dem Kohl nicht zu viel Ehre erwiesen, bleibe dahin gestellt. Thatsache ist jedenfalls, daß der Kohl söit alten Zeiten bereits im Orient sehr beliebt war und von da sich die euro päischen Mittelmeerländer erobert hat. Die Griechen schreiben sogar seine Entstehung dem Zeus selbst zu; als er einmal über der Arbeit, zwei sich widersprechende Orakel zu deuten, Schweiß tropfen vergoß, fei da, wo sie zur Erde sielen, Kohl gewachsen. Die Römer bauten bereits mehrere Kohlarten, und Cato em- pfiehlt den Kohl als das beste Gemüse. Wahrscheinlich hatte er dabei den Wirstg- oder Savoyerkohl im Auge; wenn er aber räth, tm Interesse der Verdauung rohen, in Essig getauchten Kohl vor und nach der Mahlzeit zu genießen, so dürfte er heutzutage hiermit wenig Gegenliebe finden. ES gfiebt kaum ein Gemüse, das eine derartige Verbreitung in allen Wekttheilen genießt, wie der Kohl, und kaum eines — die Möhre vielleicht ausgenommen —, das so wandlungsfähig ist, wie er. Aus dem Kohlreps, der Oel liefernden Stammpflanze, die nach von Strantz noch heute wild an den Küsten Griechenland», an den steilen Kreide felsen der Meeresgestade Englands, an den Küsten Dänemark» und de» nordwestlichen Frankreich» gedeiht, sind durch die ver schiedenen Abstufungen der Cultur mehr als 30 Arten und Ab arten de» Kohl entstanden. Zu den Abarten gehört die geschätzt« Kohlrabi, ein monströser Auswuchs de» Kohlftamme», der sich zu besonderer Rass« ausgebildet hat und kaum vor dem 16. Jahrhundert bekannt geworden ist. Unter den Arten giebt der Weißkohl, gehobelt, «ingestampft und gesäuert, d«n bekannten Sauerkohl, der, nach den französischen Witzblättern zu urtheilen, da» tägliche Essen de» Normaldeutschen bildet, übrigen» aber wahrscheinlich wirklich al» eine deutsche, und zwar eine nieder sächsische Erfindung anzusehen ist, wenn auch die Türken etwa» Aehnliche» haben. Der Name Savoyerkohl erinnert daran, daß ' di« bei un» gewöhnlich Wrrsigkohl genannnte Torte in Piemont das beliebtest« Gemüse ist; man kocht ihn dort gern mit Reis, Butter oder Hammelfleisch zur Suppe. Der Kohl gehört zu den nahrhaftesten Gemüsen, da er nach Johnston in 100 Pfund 30 bis 35 Procent Kleber enthält; der Blumenkohl aber enthält bis zu 64 Procent Kleber. In Reser wie in jeder Hinsicht muß der Blumenkohl als der Stolz und die Krone der ganzen Familie bezeichnet werden; an Wohlgeschmack kann selbst der liebliche Rosenkohl nicht mit ihm wetteifern. Er soll aus Cypern stammen und scheint nicht vor dem 16. oder 17. Jahr hundert nach dem Norden Europas gekommen zu sein. Noch 1619 war er in England eine so große Seltenheit, daß der Kops mit 2 bis 3 Shilling bezahlt wurde. Gerade de» Blumenkohls aber hat sich die Cultur mit besonderes Eifer angenommen. In Eng land haben besonders seit 1688 die holländischen Gärtner die Blumenkohlzucht zu hoher Blüthe gebracht, und der englische Blumenkohl übertraf mit der Zett sogar den berühmten hollän dischen. In Deutschland haben sich die Ulmer Gärtner Verdienste um die Blumenkohlcultur erworben; in Ulm wuchs im Jahre 1637 Sin „Kalvafiore" (Carviol) von 1^ Ellen im Umfange und 8^ Pfund Gewicht. Heute kann Deutschland in dieser Beziehung getrost mit dem Auslande wetteifern, obwohl allerdings der Pariser Blumenkohl an Feinheit des Wohlgeschmacks den Preis verdient. Algier, Frankreich, Holland, Hamburg, Erkürt u. s. w. sorgen jetzt dafür, daß wir mit diesem köstlichen Gemüse auch mitten im Winter reichlich und in bester Güte versorgt werden. Zum Schlüsse noch oin paar Worte über einen Parvenü Urtier den Gemüsen, denSPina t. Er ist nämlich relativ jung; wenn auch bereits in den römischen Zeiten in Persien und Akadien cultivirt, war «r doch den Griechen und Römern anscheinend nicht bekannt und drang vielleicht erst im Mittelalter, und zwar wohl auS Spanien, zu uns vor. 1351 findet sich kpinLrxsinrn als Fastenspeise der Mönche. Auch wird der Spinat ost von oben herab behandelt. Dodoöus verachtet« ihn: er sot ein armselig Gericht, fade und zur Uebelkott reizend; did Engländer wollen noch heute nicht» von ihm wissen. Der Spinat verdient aber diese ungünstige Meinung koine»wea», da er angenehm und bekömmlich ist und überbi«« den Vorzug besitzt, fast in allen Jahre»z«it«n zu gedeihen, da er nur dem härtest«« Frost und der anhaltenden Dürre weicht. Auch vom Spina» habrn wir mA der Zeit n«ue werthvolle Sorten «rhakttn. Ganz besonder» verdient Pstraownt« sxpansa Erwähnung, jener Spinat, den Capitän Look in Reust«- land entdeckte und der sich in Europa akklimatisirt hat; er ist gerade in dtr htißestrn Zeit am wrrthvollsten und bildot somit den besten Sommerfpinat. Eett d«n 30er Jahren ist dies« Sorte populär geworden. So haben d«r Orient, die uralte Cultur- heimath der Menschheit, und die fast geschicht»losen Inseln tn d«r Südsee gemeinsam zur Bereicherung unsrrer Tafel mit Gemüsen beigrtragin.
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