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Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Eonn-». Kefttage. Bezugspreis r Vierteljahr!. 1 Mk. 80 Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6888. Bei auherdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-Prei-liste. Einzelnummer 1« Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. Luckaruckerel. LeHslrtlon unü «erckättrrteNer Presde«, Pilluitzer Straße 43. Inserate werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 1366. 238. Katholiken: Felicia». Dienstag, den 20. Oktober 1903. Protestanten: Wcndeli». 2. J-tzhrKM1g. Der Evangelische Bund nnd das vertrau liche Schreiben des Kath. Preßveretns. Das „Neue Sächsische Kirchenblatt" bringt in Nr. 41 den Inhalt des vertraulichen Rundschreibens, welches von dem Kath. Preßverein an einzelne Freunde der „Sachs. Volksztg." versandt worden war. Zu diesem macht ein Herr -2 im genannten Blatte unter anderem folgende Be merkungen: Da wir diese Nachrichten in einem streng vertraulichen Rund schreiben lasen, so würden »vir sie der Oesfentlichkcit nicht über geben, wenn, um nur ja die Schuld für den offenkundigen Miß erfolg auf andere Schultern abzuwälzen, man sich nicht in jenem Elaborate zu den abgeschmacktesten Angriffen gegen den Evangelischen Bund versttegcn hätte. Wie flössen in Köln die Toleranzreden doch so süh »vie Honigseim! Und hier dagegen heißt es: „Sodann sind durch die Hetzereien des Evangelischen Bundes viele Leute, be sonders auch unsere Glaubensgenossen abgeschreckt worden, bei uns zu inserieren, aus Furcht, sie konnten geschäftlich geschädigt werden, was bei der bekannten Liebenswürdigkeit der Hetzbruder gar nicht ausgeschlossen ist." Die Herren Ultramontanen wissen ganz genau, daß neun Zehntel der protestantischen Bevölkerung des Landes mit den Bestrebungen des Evangelischen Bundes sympathisieren, ebenso, daß zu den Gliedern des Vereins neun Zehntel der lutherischen Geist lichen Dresdens gehört. Wir quittieren über obige Beschimpfung, die für uns ja nichts Neues enthält, »veil fast täglich „das kranke Kind", die Sächsische Volkszeitung, sie in kindischer Unart sich leistet. So tief ist denn doch die Ehrliche unserer evangelischen Ge schäftsinhaber nicht gesunken, das; sie in einem Blatte inserieren, das unserem Volke die Freude an dem Herrlichsten, was es sein nennt, am Geisteserbe der Reformation zu vergällen sucht. Und weiter:. Es gibt unter den Katholiken Sachsens Ungezählte, die dankbar für die ihnen allerseits entgegengebrachte Toleranz mit uns Protestanten in gutem Frieden leben »vollen. Auch diese Kreise, und sic umfassen vornehm und gering, Geistliche und Laien, bedanken sich dafür, in einem Blatte zu inserieren, das selbst vor persönlichen gehässigen Angriffen nicht zurückgeschreckt ist; aus diesen Kreisen mag das an Unrechte Adreffe geratene „streng vertrauliche" Rund schreiben in. gerechter Entrüstung uns als den hinterrücks An gegriffenen zugesandttworden sein, aus diesen Kreisen endlich mehren sich — und auch das wird sehr verständlich — die Uebertritte zur evangelischen Kirche immer mehr. Die „Sächsische Volkszeitung" hat eben für Sachsen dieselbe Rolle übernommen »vie Zucklins „Hausfreund" für Nordböhmen. Sie sind beide unfreiwillige, aber nicht zu unterschätzende Förderer der Los von Nom-Bewegung — dort jenseits, hier diesseits des Erzgebirges. -2. Der geehrte Herr -2 wird in Nr. 233 der „Sachs. Volkszeitung" schon gesehen haben, daß es mit seiner Freude über das baldige Hinscheiden derselben Essig war. Sie lebt und hat sich so wunderbar erholt, daß Herr -2 noch oft seine Freude daran haben wird. Daß er das Rund schreiben so genau mitgeteilt hat, ist jedenfalls auch nur aus Nächstenliebe geschehen und wird sicherlich dazu dienen, manchem lauen Katholiken die Angen zu öffnen. Beweise hierfür liegen schon vor. Was ist nun aber der Grund zu seiner Veröffent lichung des streng vertraulichen Rundschreibens? Angeblich ein paar Worte, die den „Evangelischen Bund" beträfe»». Mit Verlaub, verehrter Herr, wenn »vir den „Evangelischen Bund" einen Hetzhund nennen und von seiner Hetzerei sprechen, befinden wir »»ns, wie Sie wissen, in sehr guter Gesellschaft. Wir wüßten die Tätigkeit dieses famosen Bundes wirklich nicht anders zu charakterisiere»», als mit den Worte»», die an höchster Stelle gebraucht worden sind, oder sollen »vir Ihnen das Gefasel von der Abwehr glauben, wo zirka 5 Millionen Protestanten 200 000 Katholiken gegenüberstehci»? Da müssen Sie sich jämmerlich schwach fühlen. Wollen Sie aber Beweise habe»» für das in» Rund schreiben Gesagte, so kann Ihne»» auf der Redaktion mit Auskunft gedient werden. Warum heucheln Sie denn Ent rüstung, da Sie ein paar Zeilen weiter unten sagen, es wäre nichts Neues für Sie, da die „Sächs. Volksztg." sich diese kindische Unart fast täglich leistet? Keilte andere Zeitung, Verehrter? Dann lesen Sie wohl nur das „dt. S. Kirchen blatt"? Die „Kreuz Zeitung" würde Sie vom Gegenteil überzeugen. Ehe Sie übrigens andere beschuldigen, »volle»» Sie sich einmal überlegen, ob es keine Unart ist, wem» Sie »»ns Ultramontane nennen; denn Sie verbinden mit diesen» Ausdruck den Begriff Vaterlandslose, die ihr Vaterland jenseits der Berge haben. Das ist eine schwere Beleidigung für die deutsche»» Katholiken. Wir gehorchen unser»»» kirchlichen Oberhanpte, das jenseits der Berge wohnt, mir in Glanbenssachen, »vie Sie wohl wissen könnten. In politischen Dingen sind »vir vollständig »mabhängig nnd sind ebenso gute Deutsche, »vie die Andersgläubige»» und werden »ms die Frcnde an unser»»» lieben Vaterlande durch keine Hetzereien ranben lassen. Merkwürdig, was der brave Herr alles für Liebens- Würdigkeiten in dein Artikel zusammenträgt, »in» den Katho liken eins anznhäugen. Da wird sogar die große Katholiken- versammlnng in Köln bei den Haaren herbeigezogen. Freilich flössen dort die Toleranzreden süß »vie Honigseim. Die Katholikenversammlungen zeichne»» sich nämlich dadurch ans, daß sie sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern nnd nur die Toleranz für sich selbst verlangen, die anderen ohne weiteres gewährt wird. Wollten doch andere Versammlungen sich an diesen Katholikenversannn- lungen ein Beispiel nehmen, dam» könnte Ruhe und Frieden herrschen, aber eine verblaßte Bnndesgröße sagte damals in Krefeld: Wir »vollen keinen Frieden, »vir »vollen angreifen! Dam» darf »»»an sich aber auch nicht beklagen, wenn »vir »ms wehren. Uebrigens kann man auch den AnSsprnch von den Toleranzreüen sehr leicht variieren. Sagen wir z. B.: Wie triefen doch die Herren von Toleranz in ihren Tranreden, besonders bei gemischten Ehen. Da heißt es: Ein Jedes soll die religiöse Ueberzeugung des anderen achte»». Keines soll versuchen das andere zu sich hcrüberzuziehen. Wie tolerant! Kommt man aber in eine Bundesversammlung, z. B. Pirna, Zwickau, Zittau usw. oder geht mau mit Bourricr hausieren, dann schlägt man ganz andere Töne an, da ist der ganze sächsische Klerus »nmderwertig und ungebildet, kann keine so famosen Bücher und Brochüren schreiben, »vie andere, da taugt der katholische Katechismus nichts, »veil er nicht von Zwickau approbiert ist und was dergl. Ungereimtheiten mehr sind. Da ist der Protestan tismus ans einmal iuternatioual, man drückt den ab gefallenen französischen Priester liebevoll ans Herz, läßt ihn ans die Katholiken schimpfen nnd entläßt de»» welschen Bruder segnend mit volle»» Tasche»» in seine geliebte Heimat. Dabei nennt »»»an die allgemeine «kath.» Kirche vaterlandslos, »veil sie für die Deutschen nicht eine Extra religion zusammenbrauen will. Doch genug der Proben toleranten Honigseims, die ja in inlmitnm fortgesetzt werden könnten. Weiter sagt Herr -2, die Herren ttltramontanen (!I) wissen ganz genau, daß nenn Zehntel aller Protestanten hinter dem Bunde stehe»». Mit Verlaub, Verchrtester. da müssen »vir Ihnen widersprechen, das wüßten »vir gerade nicht, »vir glauben es Ihnen nicht einmal. Was »vir davon halten, sagte zufällig ii» diesen Tagen die „Köln. Volksztg.", die auf die Frage: Was ist der Evangelische Bund? ant wortete: „Eine Schar von Pastoren mit ihren» engeren Anhang, nach Abzug dessen nicht viel übrig bleibt, die paar Mitläufer .'c. machen den Bundeökohl nicht fett." Wir glauben, das wird in» großen und ganzen auch für Sachsen stimmen. Wo waren denn die nenn Zehntel bei der Reichs- tagSwahl, wo die Bnndesgröße»» so jämmerlich abgeschnitten paben? Da waren wohl gerade die Bnndessympathien ver gessen worden. Nur keine Selbsttäuschung, Verehrtester! Daher haben Sie aber auch keil» Recht, sich als Vertreter der Protestanten, die ii» der weitaus größten Mehrzahl vom Bunde nichts wissen »vollen, ansznspielen. Daß neun Zehntel der lutherischen Geistlichen Dresdens Blei iin Herzen. Erzählung von I. R. von der Lans. AuS den» Holländischen übersetzt von L. van Heemstede. <29. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Sie saß ganz ruhig nnd behaglich in einem Rohrstuhl unter einer großen Linde, die das ganze Hans überschattet ; die Stickerei, »vornit sie beschäftigt gewesen war, lag neben ihr auf einen» kleinen Tisch. Das Haus, das sie bewohnte, war fast mehr Dach als Haus zu nennen, denn das Stroh, womit es gedeckt war, hing nach der einen Seite so tief herunter, daß man mit der Hand daran reichen konnte. Dieses hohe, hier und dort mit sammetgrünem Moos über wucherte Strohdach ruhte auf niedrigen, schneeweiß getünchten Mauern mit kleinen Türen und Fenstern, deren offenstehende Läden grün angestrichen waren. ES war ein großes Bauernhaus, in welchem die Witwe ein Paar unbenutzte Zimmer gemietet hatte, die auf einen Blumengarten Aussicht gaben, eine kleine Wildnis von allerlei blühenden Pflanzen, die gar keiner Pflege bedürfen, wie Stockrosen, goldgelbe Lilien und Sonnenblumen, Bal samine»» und Rittersporn, Tausendschön und dergleichen mehr. Die Witlve sah weit besser aus, seitdem sie auf den Rat ihres Sohnes auf das Land gezogen war. Ihre Wangen waren voller und blühender, ihre Angen Heller geworden. Das Dienstmädchen, das ihr aus der Stadt mit hier- her gefolgt »var. brachte ihr gerade eine Tasse Thee und setzte sich zu ihr auf die grüne Bank unter dem niedrigen Fenster. „Ein Brief von dem Herrn Studenten?" fragte sie dann in dem vertraulichen Ton, »vie ihn Dienstboten den Herrschaften gegenüber, bei welchen sie mehr als Mitglieder der Familie angesehen werden, anzuschlagen lieben. „Ja, Hannchen, nächsten Samstag will er bestimmt kommen. Was sagst Du dazu?" „DaS finde ich sehr angenehm, für Sie natürlich zu erst, aber ich freue mich auch selbst darüber, das gibt ein wenig Leben und Veränderung, cs ist hier gar zn still!" Der Kanarienvogel, den die Witwe ebenfalls aus der Stadt mitgebracht hatte, und der in seinen» kleinen Käfig am offenen Fenster saß, schien die letzte Behauptung Lügen strafen zu wollen, inden» er in den höchsten Tönen sein Lied hinausschmetterte. „Ja, liebes Kind!" sagte die Witwe, „da- habe ich Dir von vornherein gesagt; ich wußte, daß es Dir hier auf die Dauer nicht sonderlich gefallen würde, aber Du wolltest durchaus mit mir gehen!" ,,Jch bedauere es auch gar nicht, daß ich initgegangeu bin, in» Anfang »var es mir wohl ein wenig fremd, aber ich habe mich schon ganz an das Landleben geivöhnt und werde die Residenz schließlich wohl gar nicht inehr entbehren. Wenn ich mir bei ihnen bleiben darf, bin ich schon sehr zn- friedeu. In meinem ersten Dienst habe ich es kaum drei Monate autzgehalten, aber bei Ihnen möchte ich doch wohl zeitlebens bleiben." „Nun, ich »verde Dich nicht fortschicken Kind! Ich bin ganz mit Dir zufrieden, nnd wenn das so bleibt, brauchst Du auch später, wenn mein Sohn sich als Doktor nieder gelassen hat, nicht zu wechseln. Willst Du sorgen, daß sein Zimmer bis gegen Samstag in Ordnung ist?" „O, das ist schon lange fertig; wenn der junge Herr kommt, kann er sich gleich ins Bett legen." Während sie so sprach, kan» eine alte Bäuerin, mit dem schwerleibigeil Personen ihren Alters eigenen Gang, ans den» Garten herangewatschelt. Sie hatte eine»» wirren Strauß frisch abgeschnittener Blumen in der einen nnd ein Messer in der anderen Hand. „Hier", sagte sie, indem sie den Strauß neben die Stickerei auf den Tisch legte, „da Sie die Blumen so sehr lieben, bringe ich Ihnen noch eine Hand voll." „Das ist sehr frcuitdlich von Ihnen, Fra»» Merks", entgegnete die Witwe, indem sie die Blumen ailfmerksain betrachtete und ai» die Nase brachte, „welch' ein prächtiger Strauß! Hannchen. bringe schnell eine Vase, daß »vir sie ins Wasser setzen." „Habe ich recht gehört?" fragte die alte Frau, indem sie sich ans die Bank niedcrließ, wo die Magd eben gesessen hatte, „kommt der junge Herr bald Hein»?" „Ja, Frau Merks, an» Samstag erwarte ich ihn." „Na, das freut mich sehr. Sie haben ihn lange nicht mehr bei sich gehabt. Ist er mm bald fertig mit Studieren? „Nein, das wird wohl noch ein paar Jährchen dauern", sagte Frau Weever lachend, „so rasch geht das nicht." „Ja, das kann ich mir wohl denken", stimmte die alte Frau bei, ganz »veise mit den» ehrwürdigen Haupte nickend, „und Ihr Sohn ist auch noch reichlich jung. Es ist übri gens eine schöne Zukunft, die er vor sich hat. und wenn der junge Herr fleißig »st, und cS ihn» ein wenig vor den Wind geht, können Sie noch viel Freude an ihn» erleben." „Das »volle»» »vir hoffen, Frau Merks", sagte die Witlve lebhaft, „der Gedanke, später Freunde und Hilfe an den Kindern zn haben, versüßt die Opfer, welche die Eltern sich ihretwegen anferlegen müssen. Sie erleben ja auch Glück an Ihren Kindern." „(flott sei Dank, ja. ich habe gar nicht zu klagen", antwortete die Alte, vergnügt mit dem Kopfe nickend, sodaß die langen goldenen Ohrringe an der weißen Brabanter Mütze hin nnd her baumelten, „sie sind Alle gut ver heiratet und haben ihr Auskommen; ans Studieren hat freilich keiner von ihnen gedacht." „Na, es braucht ja auch nicht jeder Doktor zn wer den", »»»einte Frau Weever lachend, „es muß auch Bauer»» geben." „Gewiß!" bestätigte die Bäuerin, indem sie ganz weise hinznfügte, „nnd ein Bauer hat es noch gar nicht so schlecht, wem» er nur mit seinen» Stande zufrieden ist. Daran hapert es aber häufig heutzutage." „Das ist überall so. Frau Merks! Um glücklich zn sein, muß man nicht höher hinaus fliegen »vollen, als die Flügel gewachsen sind; ich bin froh, daß mein Sohn von dieser Großmannssucht nicht angesteckt ist." „So ein junger Doktor kann eS übrigens leicht zu etivaö bringen", sagte die Bänerin. bedächtig vor sich aus schauend, »vie in Erinnerung versunken, wir hatten hier einmal einen in» Dorf, es mag wohl fünfundzwanzig Jahre oder länger her sein, ich »var eben erst verheiratet. Wie hieß er auch nur? Es »var ein sehr gescheiter junger Mann — ja, nun fällt sein Name mir wieder ein. Doktor de Vries hieß er!" „Doktor de Vries?" wiederholte die Witlve nicht wenig überrascht anshorchend. „Ja, kennen Sie ihn?" „Das heißt, ich kenne einen Doktor dieses Namens im Haag; ob dieser aber früher hier gewesen ist, davon weiß ich nichts." „Das wird wohl der nämliche sein", sagte die Bänerin, „er soll in der Residenz so etwas »vie „Professor" gelvor- den sein, in einem Palast wohnen nnd alle reiche»» Leute zn Kunden haben," „Dann wird er es ja wähl sein. Schau, schau, und der hat früher hier im Dorf praktiziert?" „Ja. und das nicht allein, er hat hier eine steinreiche Frau geheiratet." (Fortsetzung folgt.)