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Nummer 226 — 24. Jahrgang «mal wöch. Bezugspreis: für Septbr. 3,— -K einschl. Bestellgeld. Anzeigeuprejse: Die Igcsp. Petitizeile WZ, Stellengesuche 2» Z. Die Petitreklamezeile, 89 MM- Meter breit, 1 ^l. Offertengebühven für Selbstabholer 20 Z, bei Uebersenbung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 1ü Z, So-nntags-Nr. IS Z. Geschäftlicher Teil: Josef Fohmann. Dresden. Mittwoch, 30. September 1925 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede «erpflichiung auf Lieferung sowie Erfüllung bon Auzeiarn-Sujirägen ». Leistung von Schadenersatz. Für undeutlich u. d. Fernruf übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Verant« Wortung. Unverlangt eingesandte und mit Rückport« nicht versehene Manuskripte werden nicht anlbewahrt. Sprechstunde der Redaktion b bis ü Uhr nachmittags. Haaptjchristleiterr Dr. Joses Albert, LreSde». äieschnftSfteUe, TruN und Verla«, Saxonia. Buchdruikerei GmbH.. DreSdon-A. 1k, Holbeinstrahe 1V. stcrnrn! M7-2. Postscheckkonto Dresden 11797. Panlkoi»» Vassen«e L Aritzsche, Dresden. Für christliche Politik und Kultur I >>!»!!! NM I»,»»», Redaktion der Lächstschen VolkSzeilung Dresden-SUisi. lk. HolbeuistrostelO gernrn, 0172Z Ui!d ct3L38. Die Bilanz der Affäre Barmal Me WWW des MseeeOMs Paris, 29. September. Havas dementiert die Meldung, nach der die Sicherheitskonferenz verschoben werden soll. In der Havasmeldung wird nunmehr amtlich erklärt, das; die Konferenz am 3. Oktober in Locarno zusammen treten wird. Berlin, 29. September. Das Reichskabinett ist gestern abend 9 Uhr unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Dr. Luther zusammengetreten. Briand soll nach einer Berliner Meldung durch den deutschen Botschafter der Reichsregierung bestimmte Vorschläge gemacht haben, wie die Meinungsverschiedenheiten beigelegt werden könnten. Dar über habe das Rcichsknbinett gestern abend beraten. Die Sitzung des Reichskabinetts war um Mitternacht noch nicht beendet. Die Antwort der deutschen Regierung an den deutschen Botschafter von Hoesch soll noch während der Nacht abgehen. Aus Paris wird gemeldet, daß das französische Kabinett für heute mittag zu einer Sitzung einberusen worden ist, die der Beratung der deutschen Antwort ge- jwidmet sein wird. Der französische und der englische Botschafter hatten gestern eine Unterredung mit Reichsaußenminister Dr. Stresemann. London. 29. September. „Daily News" melden, Austen Chamberlain rüste sich zur baldigen Abreise nach Locarno. Sein Begleiter werde der juristische Berater im Foreign Office Sir Cecil Hurst sein, der Großbritannien kürzlich auf der Ju ristenkonferenz vertrat. Die Konferenz werde vermutlich eine Woche bis zehn Tage dauern. » W -je MMOs« Berlin, 29. September. Halbamtlich werden folgende Gründe für die mündlichen Erläuterungen der deutschen Auslandsvertreter angegeben; „Wenn die Vertreter des Reiches in den vier alliierten Hauptstädten bei Ueberreichung der Zustiminungserklärung zu dem Konferenzplan auf die beiden Fragen eingegangen sind, die vorwiegend die deutsche öffentliche Meinung be schäftigen (Räumung Kölns und Kriegsschuld), so ist das im Zusammenhang mit der Forderung der Gegenseite geschehen, nach der der Eintritt Deutschlands in den Völker bund dem Abschluß eines Sicherheitspaktes voranzugehen hat. Ein solcher Pakt kann aber nur zwischen Gleich- -ge stellten, Gleichberechtigten, nicht zwischen Parteien abgeschlossen werden, bon denen eine mit dem Stigma einer schweren moralischen Schuld der anderen gegenüber belastet ist. M UM U -W 81W. Asien. MMN London» 29. Seplember. Wie aus Simla (Indien) gemeldet wird, machte der indische Innenminister Gre rar gestern lm indischen Parlament während der Aussprache über den Antrag aus Freilassung der politischen Gefangenen interessante Angaben über den Umfang der ko muri ist i- schen Propaganda in Indien. Er erklärte, das; die Regierung schriftliche Beweise in den Händen habe, das; die kommunistische Propaganda in Indien über China geleitet und hauptsächlich durch chinesische Kommunisten betrieben werde. Aus China seien während der letzten Monate große Mengen von Flugschriften und Waffen einaeführt worden. Ferner teilte Grerar mit, daß die deutsche Regierung die indische Regierung gebeten habe, die von indischen Kommunisten ausgehenden Angriffe auf die deutsche Re gierung zu unterbinden. London. 29. September. Wie der Korrespondent der „Chi- kago Tribüne" aus Teheran berichtet, haben die persischen Behör den gestern 12 Russen, die im Verdacht stehen, mit der russischen Delegation, die in der letzten Zeit eine besonders lebhafte Sow jetpropaganda in Persien entfaltet hat, in Verbindung zu stehen, verhaftet. Später wurden die bei der russischen Lcgation be schäftigte Radiooperateur, sowie mehrere Drucker und Arbeiter, denen man vorwirst, Plakate und Flugblätter für Propaganda zwecke angefertigt zu haben, von den Militärbehörden verhaftet. Die Polizeiwache rund um die Gebäude der russischen Legation ist von persischen Truppen verschärft worden. Ein von den Ein geborenen unternommener Versuch, die Sommerquartiere der russischen Legation zu plündern, wurde verhindert. Budapest, 29. September. Das Verhör des gewesenen Volkskommissars Ra kost wurde gestern den ganzen Tag über fortgesetzt. Er bestätigte in der Aussage sämtliche Ver dachtsmomente der Polizei und gab eine genaue Liste der Buoapester Teilnehmer an der kommunistischen „Maikon- serenz" in Wien. Auf die Frage, wie er sich als gewesener Volkskommissar zur Reise nach Budapest entschließen konnte, antwortete Rakosi nach längerem Schweigen: „Ich mußte zwischen zwei Todesarten wählen^. Mehr war Die diesbezügliche deutsche Auffassung Ist so bekannt und ihre Behandlung im Zusammenhang mit der Bölker- buudsfrage ist unter der Kanzlerschaft Marx bereits so lange festgestellt worden, daß hiermit nichts Neues gesagt wird. Es bedeutet einen Akt der Loyalität, wenn die Reichsregierung es nicht daraus ankommen ließ, die Frage erst auf den Verhandlungen selber anzuschneiden und diese damit zu belasten, und es ist selbstverständlich, daß man in ganz anderer Weise auf positive Ergebnisse der Konferenz hoffen kann, wenn erst dieser seelische Druck von der deut schen Bevölkerung genommen worden ist. Die deutsche Aktion hat sich im übrigen amDarlegungen der deutschen Auffassung zu diesem Punkt und zur Frage der Räumung der ersten Zone beschränkt, ohne die au anderer Stelle der Auslaudsprcsse genannten Probleme der übrigen Rheinlandbesahung, des Jnvestigationsrechtes, der Saarsragen, der Kolonien und des Artikels 16 aufzuwerfen." Paris, 29. September. Die Morgenblätter berichten ausführlich über den gestrigen Besuch des deutschen Bot schafters v. Hoesch am Quai d'Orsay. Es wird behauptet, daß Herr v. Hoesch eine Verbalnote hinterließ, die folgende Punkte behandelte: 1. Erleichterungen der Militär kontrolle, 2. Abgabe des formellen Versprechens, daß Köln vor der Unterzeichnung des Sicherheitspaktes geräumt werde, 3. Protest gegen die Kriegsschuldparagraphen. Die Blätter legen großen Wert auf die Feststellung das; die vom deutschen Botschafter erhobenen Vorstellungen keinesfalls als Voraussetzungen für die Eröff nung der Konferenz zu betrachten seien. Die Verhandlungen würden einen raschen Verlauf nehmen. Von zuverlässiger Seite erfährt „Petit Parisicn", daß nur noch eine Frage zu regeln sei, damit der Entwurf des Nheinpaktcs, wie er in London ausgearbeitet wurde, von sämtlichen Unterhändlern angenommen werde. Ueber die Schiedsgerichtsvertrüge Deutschlands mit Polen und der Tschechoslowakei, die Frank reich zu garantieren gedenke, seien die Verhandlungen noch lange nicht so weit fortgeschritten. Man wisse nur ;o viel, daß sich Skrzhnskt und Benesch in Locarno au'fhalten würden. Die Veröfsenilichung -er -eulschen Nole Berlin, 29. September. Die ftir Dienstag in Aussicht genommene Veröffentlichung der deutschen Note über die Einladung zur Sicherheitskonferenz ist verschoben worden. Das ist zurttckzusühren auf den W unsch der We st in ächte nach einer Aussprache über die in den mündlichen Erörte rungen der deutschen Gesandten in Paris, London und Brüisel aufgeworfenen Fragen, in erster Linie der Kriegs schuldfrage. Der englische und der französische Botschafter haben gestern im hiesigen Auswärtigen Amt Vorgesprächen. Die Erklärungen der deutschen Vertreter in London, Paris und Brüssel und die Stellungnahme der Westiinichte dazu waren Gegenstand der Unterhaltungen. aus ihm über diesen Punkt nicht herauszubringen. Er führte aus, daß die Budapester kommunistische Organisation wesentlich ln zwei Gruppen eingeteilt war, die eine agitierte unter den erwachsenen' Arbeitern, die andere suchte die Jugend zu gewinnen. WM W -!e M WIMM London, 29. September. Tschitscherins Besuch in Warschau hat in den politischen Kreisen großes Aufsehen erregt und Anlaß zu verschiedenen Vermutungen gegeben. Vorherrschend ist die Annahme, daß Tschitscherins Reise den letzten verzweifelten Ver such zur Verhinderung eines Friedens Westeuropas darstelle. Moskau versuche, ein gegen Deutschland gerichtetes russisch-pol nisches Bündnis zustande zu bringen für den Fall, daß Deutsch land mit den Wcstmächten einen Sicherheits;xrkt adschließt. Dieses Bündnis würde die „Geheimklausel" des Rappallo- vertrages endgültig aufgeben. Die Geheimklausel bestehe an geblich in der Abmachung, daß weder Deutschland noch Rußland ohne gegenseitiges Einverständnis in den Völkerbund eintrelen dürfe und sich im Falle eines französisch-polnischen Angrijscs gegenseitig zu unterstützen verpflichte. Es verlautet, daß Groß britannien der polnischen Regierung eine „milde" Warnung vor einem Bündnis mit Sowjetrußland hat zukommen lassen und darauf hingewiesen hat, daß Polen in diesem Falle der finan ziellen Unterstützung Englands und Amerikas verlustig gehen würde. Frankreich dagegen scheine das Bündnis zu unterstützen, da es hoffe, daß auf diese Weise eine Entspannung in der Lage im Osten herbeigeführt werden könnte. Diese Meldung ist interessant lediglich deswegen, weil sie die in England vorherrschende Meinung über die Aktion des russischen Außenkommissars darstellt. Die „Geheimklausel" des Rapallo-Vertrages freilich dürste ein Kapitel aus der großen Legende sein, die sich in England um diesen Vertrag gebildet hat. Frie-ensklänge in Warschau Warschau, 29. September. Gestern abend fand bei de»; polnischen Außenminister Skrzhnski ein Essen zu Ehren Tschitscherins statt. Skrzynski erklärte, er betrachte Nachdem das deutsche Volk monatelang mit dieser Affäre traktiert worden ist, ist es an der Zeit, nunmehr endgültige Feststellungen zu machen. Dazu bietet der letzte Teil der Ver handlungen, der in der Sache Kußmanu—Caspary gipfelte, aus reichende Veranlassung. 1. Vollkommen zusammengebrocheu sind die Vorwürfe ge gen das Justizministerium, insbesondere den der Zentrums- Partei angchörenden Justizminister am Zehn hoff. Seine Verwaltung geht als absolut korrekt aus diesen Verhandlungen hervor. Es ist nicht mehr erlaubt, auch nur den leisesten Vor wurf gegen das Justizministerium zu erheben. 2. Wenn es den Assessoren Kußinann und Caspary die Un tersuchung der Fälle Varmat und Kutisker nahm, so geschah dies aus sachlichen Erwägungen, die in der Unfähigkeit der beiden Assessoren zur Behandlung dieser schwierigen Falle ihre Veranlassung hatten. 3. Die Assessoren Kußinann und Caspary haben mittel- oder unmittelbar amtliches Material, dessen Hergabe ihnen verboten war, an deutschnationale Prehorgane geleitet und diesen die Möglichkeit geboten, auf Grund des amt lichen Materials die Varmathetze in aller Farn: zu inszenieren. 1. Es ist fe st ge ste I l t, daß die beiden deutschnatioualen zeitigen oder ehemaiinen Abgeordneten Bacmeister und Leo pold ein Bureau Kuoll finanziert haben, das mit dem Staatsanwalt Kußinann, der den Barmatfall behandelte, in eng stem Einvernehmen stand, und das; dieses Bureau Knoll aus den Akten Amtsgeheimnisse journalistisch verwer ten konnt«, di« der übrigen Presse nicht zugäng lich waren. 6. Es ist fe stge stel l t, daß die Inspiratoren der Angriffe wider das Justizministerium und de» Chef der Verwal tung. den Iustizmiuister am Zehnhoff, die Assessoren Kuß mann und Caspary waren, die also den traurigen Mut be saßen, ihre eigene Behörde und ihren Ches unter Bruch des Amtsgeheimnisses zu verunglimpfen. 6. Es ist fe stg e st e l l t, daß in der Tat ein wahrer Korruption sh erd durch den Barmalprozeß ausgedeckt worden ist. Dieser Korruptionsherd gruppiert sich um die Her ren Knoll, Vacmcister, Leopold, Kußmann, Caspary und „Deutsche Zeitung". Diese Entente hatte bekanntlich den Kampf wider die „Korruption" auf ihre Fahne geschrieben, aber wir müssen aus Grund der Verhandlungen seststellen, das; sie selber sich der ärgsten Korruption schuldig gemacht hat. Zieht mau aus allen diesen Dingen dieBilauz, so kommi man zu einem vernichtenden Urteil der oben gekenn zeichneten Kreise. Wo die wahre Versumpfung unseres poii- iisehen Lebens ihren Sitz hat, das ist jetzt klar geworden und es wäre verfehlt, dazu zu schweigen. Nachdem die Kreise der Rechts radikale» monatelang mit dem sogenannten ,.Varmatsumpf" ge arbeitet haben, ist es au der Zeit, aus der Defensive in die Offen sive iiberzugehen und diesen Kreisen klarzumachen, wie schwer s»e sich am Staate versündigt haben. Sauberkeit in der Justiz- vcrnialtniig ist das erste Erfordernis einer gesunden Rechtspslege, aber der gute preußische Geist war bei den Beamten des Justiz ministeriums und des Jnst'izministers selbst, während er in trau riger Weise bei Caspary—Kußinann und der Deutschen Zeitung zu vermissen war. Die Barmatassare wächst sich allmählich zu einer schweren Anklage wider ihre Bekämpfer aus. Und mit verlegenem Schwei ge» allein darf es der deutschnatioualen Presse nicht gestattet sein, über diese Affäre, in der sie so nnendlich viel gesündigt hat, hinwsgznkommen. Der Barmatsall hat dem Ansehen des d.'nt- schen Volkes unendlich viel geschadet, weil in ihm aus politischen Gründen eine Korruption vorgetäuscht wurde, die weniger bei den staatlichen Organen als bei den geschickt vorstehenden An streifern lag, deren Anonymität es ihnen eine Zeitlang gestattete, ihre dunklen Machenschaften gegen den Staat ungestraft zu in- szenieren. Das Spiel ist ans und die Ankläger sind selbst zu Angeklagten geworden. Der Barmatsall l>it nach moncttelangem Gange eine sensationelle Wendung genommen. den Besuch Tschitscherins in Warschau als eine Anerkennung des polnischen Strebens nach Frieden. Er hoife, diewr Besuch werde eine Klärung der Verhältnisse zwischen Polen und Rußland ans politischem und wirtschaftlichem Gebiete herbcisühren. Ans alle Fälle werde diese Zusammenkunft v.ei zur Beruhigung Europas beitragen. — Tschnschcri» ant wortete, daß er der Polnischen Regierung sehr dankbar ftir den srenndlichen Empfang sei. Die russisch-polnische Annähe rung dürfe nicht als eine Aktion gegen irgend eine andere Macht angesehen werden. Die Zusammenkunft wolle nur dem Frieden dienen. Warschau, 29. September. Tschitscherin führte vor Warschauer Vertretern d r ausländischen Presse ans: M inen Besuch in Warschau benutze ich dazu, um die Grundlage für künftige russisch-polnische Verhandlungen zu schaffen, die schließlich zu einem Handelsverträge führen sollen. Ueber den Sicherheitspakt erklärte Tschitscherin: In England und Amerika sind Dokumente veröffentlicht worden, aus denen hervorgcht, daß England die völlige Isolierung und Einschließung Sowjetrutzlands anstrebt. Welche Haltung Deutschland gegenüber Rußland einnehmen wird, weiß ich nicht; doch mutz ich sagen, daß mein Besuch in Warschau