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HchcnstklMmfWkr Anzeiger Tageblatt tm A-^enstein-Gr»ßt^«>, Gbcrtungwitz, Heisdorf L>erm»dors, Aenlsdorf, UrsMW- MitteNM, !MW«OeW, FML MM5dsrs, GMMSM. Tirlchhem WeitverbretteLM F«fetÄ»WvLrMV Mr LsMWe «Mr GMMMWeÜAM. Diese« Matt erscheint mi: Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Aus träger, sowie alle Postanstalten. Für Abonnenten wird der Sonntags-Nummer eine illustrierte Sonn tagsbeilage gratis beigeg< AVonnrment: Bei Abholung monatlich 35 Pfg. die einzelne Nummer 5 „ Durch die Post bezogen Frei ins Hau ¬ monatlich 42 Pfg. vierteljährlich 1. M. 25 Pfg. 25 Mk. excl. Bestellgeld. Nr. 166. Sonnabend, den 21. Juli 1906. Fernsprecher Nr. 151. Jufertiou-gebühre«: die sechSgespaltene CorpuSzeile oder deren Raum für den Verbreitungsbezirk 10 Pfg., für auswärts 12 Pfg. Reklamen 25 Pfg. Bei mehrmaliger Aufgabe Rabatt. Annahme der Inserate für die folgende Nummer bis Vorm« LV Uhr. Größere Anzeigen abends vorher erbeten. Geschäftsstelle: Bahnstr. 3. 33. Jahrgang. Für ein 6jähr. Waisenkind (Mädchen) wird Unterkommen gesucht. Angebote werden im Rathause, Zimmer Nr. 2, entgegengenommen. Gtadtrat HohensteiN'Srustthal, am 20. Juli 1906. I. V: W. Zeibig. We. Freibank Hohenstein-Ernstthal: Verkauf von rohem Rindfleisch; Pfd. 50 Pfg. Das Verzeichnis der zur land- und forstwirtschaftlichen Berufs genossenschaft gehörigen Betriebsunternehmer nebst Heberolle «egt bis 4. August d. I. im Rathause — Gemeindekaffe, 2. Zimmer links — während der gewöhnlichen Geschäfts« stunden zur Einsicht der Beteiligten aus. Einsprüche gegen die Höhe der Beiträge (4,9 Pf. für jede beitragspflichtige Steuereinheit) sind unter genauer Angabe der Gründe, welche von dem Unterzeichneten bestätigt sein müssen, innerhalb der obigen Frist direkt an die Genossenschafts-Geschäftsstelle — Dresden-A., Wiener Platz 1, II — einzu reichen. Der auSgeworfene Beitrag ist aber trotzdem in voller Summe vorläufig zu zahlen. vberlimgwitz, am 20. Juli 1906. Der Gemeinderat. Modernes Leben. Verschwendungssucht, Spielleidenschaft, der Hang zum Großtun haben in mehreren modernen Prozessen der neuesten Zeit eine große Rolle ge- spielt; und das Bild des modernen Leben- in einem wenig erfreulichen, ja ziemlich trüben Lichte gezeigt. Den Helden dieser GerichtS-Berhandlungen fehlt oft die Teilnahme nicht; besonders, und nicht ganz mit Unrecht, hat sich das im Prozeß gegen den Major von Zander in BreSlau ergeben. Aber eS befremdet, daß van den Erscheinungen, die sich aut diesen Verhandlungen ergeben, so oft und gern daS Wort von dem grellen Licht gebraucht wird, daS plötzlich und jäh auf soziale Mißstände unserer Zeit fallen soll. Diese Mißstände sind heute durchaus nichtt Ungewöhnliches mehr. DaS sogenannte moderne Leben hat seit 10—15 Jahren mit einer Lebhaftigkeit und einer Wucht sich aus gebreitet, daß nicht jeder auf der schmalen Straße der Ehrlichkeit und Gradheit bleiben konnte. Genuß- und Verschwendungssucht, Spielleidenschaft, der Hang zum Großtun, daS Protzentum treten unS nur zu oft vor die Augen, aber man spricht ungern und nicht früher davon, als bis der Staats anwalt zu solchen Geschichten das Wort ergreift Dann heißen sie etwa- außergewöhnliche-, bilden sie eine Sensation. Aber die Sensation schreitet Tag für Tag durch die Gassen, und die Gesellschaft tut viel zu wenig, ihr die Schranken zu weisen, weil sie selbst an den Schwächen der Zeit leidet. Durch gerade und ehrliche Stellungnahme würde manche- außergewöhnliche Ereignis vereitelt, es würden auch über daS, waS eine Schwäche der Zeit genannt wird, andere Ueberzeugungen laut werden. Die moderne Durchschnittsfrau ist schwer lich weniger charaktervoll, als ihre Vorgängerinnen, trotzdem ist eS heute nichts seltene-, daß von un glücklichen Ehen gesprochen wird, welche die Ver« schwendung-sucht der Frau verschuldete, die Spiel- und andere Passionen deS Manne- herbeiführten. E« kommt nicht vereinzelt vor, daß man ganz genau weiß, wie eS mit einer Familie abwärts und immer weiter abwärts geht, man läßt sich aber gern da- „große HauS", das in einem solchen Falle gemacht wird, behagen, bis dann alles zu Ende ist. Hinterher spricht die Kritik herbe Worte, und kommt eS zum Prozeß, wird daS Wort vom grellen Licht, dar auf daS moderne Leben fällt, gesprochen. ES braucht aber kein Licht mehr zu kommen, wir empfinden e« von selbst, daß vielfach in den Zeitverhältniffen etwa- brüchig und morsch zu werden beginnt. Nicht Stand und Rang schützen vor Leidenschaften, wir sehen fie noch oben hinauf, nach unten hinunter. Strafrichter und StaatSanwalt können da nicht mit einem Mal bessern, die ganze Gesellschaft, die Bevölkerung hat dafür zu sorgen, daß daS heutige Leben sich wieder auf eine besonnenere Auffassung von dem, waS wir von unserem Erdendasein zu verlangen, war wir ihm zu leisten haben, besinnt. Wir hören Klagen über Roheit deS Charakter» in den breiten Volkskreisen, wir schauen auch in den höheren Ständen brutale Instinkte. Ist es etwa ein edler Lharakter, der mit Tausenden im öden Kartenspiel Vergeudung treiben läßt? In einer neuesten Spielaffäre ist der Name eine- Mit gliedes eines deutschen Fürstenhauses genannt, aber auch das ist nicht das erste Mal. Wir ereifern uns mit Vorliebe über das skandalöse Treiben in Monte Carlo; wir haben aber in Deutschland selbst Konventikel genug, denen wir keine größere Hoch achtung entgegenbringen können. Wie viele Fa milien sind nicht schon durch Spiel und Wetten aller Art ruiniert worden? Neulich war von einem Briefträger in ven Zeitungen zu lesen, der seine Wetlschulden durch Unterschlagungen zu decken versuchte. Der Mann kommt vor die Strafkammer. Der Sohn einer angesehenen Familie, für dessen Verschulden die Angehörigen mit allem Aufgebot ihrer finanziellen Mittel einspringen, wird nach Amerika befördert. Wer will von dem einen, ob wohl er dem Strafverfahren entgeht, sagen, er sei weniger schuldig wie der andere? Zur rechten Zeit einschreiten und, wenn es sein muß, ein- schneiden, das heilt; nicht jeder aber, der gerichtet wird, ist schuldiger wie andere, die straffrei ausgehen. Die Borgän ge in Rußland. Nach Petersburger Berichten der „Köln. Zlg." wird der ReichSrat die Vorlage der Duma über die Abschaffung der Todesstrafe annehmen, also direkt gegen den Willen des Zaren stimmen. Der Regierung bliebe dann nur der AuSweg übrig, die Reichsduma und den ReichSrat aufzulösen, was aber undenkbar ist, nachdem sich herausgestellt hat, daß die Regierung sich auf die Armee nicht stützen kann. Wie e- aber um die Armee bestellt ist, das zeigen die täglichen Ausbrüche von Meuterei, die aus allen möglichen Garnison-orten und sogar aus Krasnoje-Gelo gemeldet werden. Die leitenden Kreise Petersburgs verhehlen sich den Ernst der Lage nicht mehr. Der Minister deS Innern erklärte, da auf die Armee kein Ver- laß mehr sei, so bleibe dem Zaren kein anderer AuSweg, als die Berufung eines Ministerium- auS den Reihen der Partei dec Volksfreiheit. Die Gärungen in der Armee haben außerordentlichen Umfang angenommen. Bereits in 6 Garderegi- mentern, 29 Armeeregimentern, mehreren Kosaken- regimentern und in fünf Sappeurbataillonen sind Unruhen au-gebrochen Nach Moskauer Meldungen hat die russische Regierung angesichts der jüngsten Ereignisse end- gültig beschlossen, die Freiheitsbewegung gewaltsam zu unterdrücken. Alle Unterhandlungen wegen Bildung eines parlamentarischen Kabinett- sind abgebrochen. Die Militärdiktatur soll proklamiert werden, fall« die Gärung in der Armee zunimmt. Der Kriegsminister wird sämtliche Militärbezirke bereisen, um die Stimmung der Armee au- eigner Anschauung kennen zu lernen und den Ansturm gegen die Revolution vorzubereiten. Der Ex minister Durnowo soll aus dem Auslande zurück berufen und auf einen leitenden Posten gestellt werden. Mehrere Minister und die Vertreter der Hofpartei arbeiten auf eine Auflösung der Duma hin, in die der Zar jedoch noch nicht willigen mag. Die revolutionären Parteien rüsten sich zum Ent scheidungskampf und bewaffnen ihre Anhänger. Die furchtbaren Agrarunruhen im Gouverne ment Woronesch dauern bereits eine Woche an. Eine Bande von Tausenden von Bauern zieht von Gut zu Gut, jagt die Gutsbesitzer fort, zerstört die Gebäude, raubt daS Vieh und äschert die Wirtschaftsgebäude ein. Trotzdem die requirierten militärischen Hilfstruppen scharf schießen, wüsten die Bauern weiter. Hunderte find bereits getötet worden. Schwerverwundete Gutsbesitzer flüchten und nehmen nur daS Allernotwendigste mit. Ar- tillerie soll aufgeboten werden. Im Gouvernement Tambow, Kreis Koslow, hielten 3000 Bauern ein Meeting ab. Al» Dragoner heranrückten und die Bauern sich der Verhaftung widersetzten, hieben die Dragoner mit dem Säbel drein. Die Bauern wehrten sich. Darauf schaffen die Dragoner scharf, 80 Bauern wurden getötet, Leutnant Baron Bux« hövden und mehrere Soldaten verwundet. Der Gouverneur von Orel ersuchte den Minister des Innern um sofortige Entsendung einer starken Truppenmacht zur Unterdrückung der Bauernun ruhen, wozu die dortigen Kosaken nicht ausreichten. Der Gouverneur traf besondere Maßregeln, um die Güter des Großfürsten Michael, eines Bruder- des Zaren, im Bezirke Sj.-wSk den Bauern wieder zu entreißen. Nach Meldungen aus Paris befürchtet man auch w dortigen Regierungskreisen für Rußland das Schlimmste. Es wird vielfach der Besorgnis Ausdruck gegeben, daß angesichts der wankelmütigen Haltung dek Zaren der Untergang der Dynastie beoorstehe. Die regierenden Kreise Petersburgs suchen die Opposition neuerdings durch die Behauptung ein zuschüchtern, Deutschland und Oesterreich-Ungarn würden dem Zaren militärische Unterstützung leihen, wenn die Revolution nochmal- ausbrechen und der Ernst der Agrarunruhen sich erhöhen sollte. Daß weder Deutschland noch Oesterreich-Ungarn sich in die inneren Angelegenheiten Rußlands ein mischen werden, ist selbstverständlich ausgeschloffen. Die Untersuchung wegen der Kapitulation von Port Arthur ist Petersburger Blättermeldungen zufolge beendigt. Die Untersuchungskommission stellte fest, daß die Kapitulation der Festung ein schweres Verbrechen war. DaS Gesetz fordert für Stöffel Orden- und Rangentkleidung und den Tod durch Erschießen; eS wird aber voraussichtlich dem Ge neral Stössel gegenüber ebenso wenig in seiner vollen Strenge angewendet werden, wie eS dem Admiral RoschdjestwenSki bezw. seinen Mitange klagten Offizieren gegenüber zur Anwendung gelangt ist. Südwestafrika. XI. Langsam und mühsam ging die Fahrt mit dem ungen, schwachen Gespann in sechs Treck- bi- Otjimbingue, wo Quartier für die Kommissions mitglieder in drei Häusern gastfrei bereitet war: >ei Haelbich, bei Redecker und in der Mission. Früher, als die Eisenbahn noch nicht existierte, führte der einzige Weg von der Küste inS Innere den Swakop hinauf über Otjimbingue, und die beiden seit 35 Jahren dort ansässigen deutschen Familien haben bi- um 1900 wohl so ziemlich jeden weißen Mann und namentlich jeden Deutschen, der inS Land kam und auS dem Lande ging, al» Gast unter ihrem Dach gehabt. Damals, vor der deutschen Herrschaft, war noch die Zeit, daß es massenhaft Elfenbein im Lande gab und Vater Redecker erzälte unS, wie er einmal auf dem HandelSzug unter den HereroS bei GobabiS einen Buren traf, der ihm seinen ganzen Wagen voll Fracht auf einmal abkaufen wollte und Bezahlung nach einigen Tagen in Elfenbein in Aussicht stellte. Wirklich wurde eine große Elefantenheerde in den Sümpfen deS schwarzen Nosob zusammen- getrieben und von den Buren unterschiedslos, ob alt, ob jung, gemordet. DaS war noch in den siebziger Jahren. Seitdem hat der Großwildstand im Lande so abgenommen, daß Elefanten- und Nashornjagden als Ereignisse einer schon fast sagenhaft gewordenen Vorzeit erscheinen. Jetzt ist Otjimbingue ein weltabgeschiedener und stiller Winkel geworden. Die Geschichte von Südafrika ist jung und schreitet schnell. Der alte Quaderturm auf dem Haelbichschen Gehöft, der noch auS der Zeit der Herero- und Hottentottenkriege vor der deutschen Herrschaft stammt, sieht auS, al- ob Jahrhunderte über ihn hinweggegangen wären, und doch stammt er erst von 1872! Da» ist aber für unS in Südwestafrika schon beinahe prähistorisch. Hinter seinen Mauern haben die wenigen Weißen am Ort mehr als einmal Schutz gesucht, wenn die Kugeln der kriegführenden Eingeborenen über den Platz hinschwirrten, und jetzt, während de- Herero- aufstandeS war er wieder zum ersten Mal seit 15 Jahren al- letztes Reduit für den Fall eines Sturme- hergerichtet. Die Militärstation liegt 20 Minuten davon entfernt und ist mit ihrem großen Garten und den vielen Nebengebäuden für den wirklichen Verteidigung-fall so ungünstig angelegt, daß sie von vornherein verlassen werden mußte. Die Hereros brannten den Turm der Feste aus, plünderten und zerschlugen, was fie konnten, wagten sich aber an das verschanzte Haelbichsche Gehöft, wo alle- zusammengezogen war, waS Waffen tragen konnte, nicht heran. Otjimbingue liegt hoch am rechten Ufer det Swakop. DaS Flußbett ist mehrere Hundert Meter breit und statt deS Wasser- von tiefen weißen Sandmaffen erfüllt. An den Ufern und unten auf Alluvialinseln im Sande wächst der schönste Baum SüdwestafrikaS: die majestätische Ana-Akazie, deren alte Exemplare eS mit jedem deutschen Eichbaum an Mächtigkeit des Stamme- und Umfang der dunkelgrünen Krone aufnehmen können. Der Baum trägt leuchtend rotbraune Schoten, und die langen, biegsamen Enden seiner frischen Triebe schwanken im Winde wie lange grüne Reiherfedern auf und ab. Bis nach Tsaobi- und den drei Farmen in seiner Umgegend sind eS dann noch 40 Kilometer zu reiten. In Otjim bingue hatte der kommandierende Leutnant zum Glück einige Pferde für un- übrig. Gouverne« ment-baumeister Redecker, ein Sohn deS alten Pioniers von 1870, der eben auS Deutschland vom Urlaub zurackkam, ritt mit uns, um die Ge« bäudeschäden abzuschätzen. Farm Kaltenhausen, eine halbe Stunde von TsaobiS, bot da- schlimmste Bild der Verwüstung, da- mir bisher im Lande vorgekommen ist. Der Besitzer, Farmer B., jetzt als Vizewachtmeister bei der Truppe eingezogen, war mitgerilten und führte unS zu seinem Hause. Mobiliar, Bilder, Geschirr und die ganze sonstige HauSeinrichtung boten einst da- Bild behaglicher Wohlhabenheit, ja vielleicht eine- für unsere süd afrikanischen Verhältnisse etwas auffallenden LuxuS dar. Jetzt war alles in einem unbeschreiblichen Zustande von Verwüstung. Herr B. und seine junge Frau hatten sich in Eile flüchten und fast alles zurücklaffen müssen. Gleich danach waren die Herero- erschienen und hatten nicht nur ge- plündert, sondern auch absichtlich zerstört, waS nicht niet- und nagelfest war. Auch sonst habe ich regelmäßig beobachtet, daß die Bezüge von SofaS und Stühlen abgeschnitten, Gardinen und Vorhänge heruntergeriffen und überhaupt alle- fortgenommen war, waS irgendwie als Stoff zu Kleidung oder Schmuck verwendbar erschien. Aber sonst waren die Plünderer meist zu träge gewesen, um sich mit dem absichtlichen Zerschlagen schwerer Möbel aufzuhalten. Um aber ein Bild zu haben, wie eS in Kaltenhausen auSsah, stelle man sich vor, daß eine reiche Hau-cinrichtung: seidene Polstermöbel, Klavier, Tische, Stühle, Pfeilerspiegel, Wetteraudsicht für Sonnabend, den 21. IM: