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Riesaer G Tageblatt Fenisprechftrkt« Nr. 20 und Anzeiger Meblall M Anzeiger). Amtsötatt der König!. Amtshanptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. ISS. Donnerstag, 28. August 18S4, Abends. 47. Jahrg. Das Rtejan rageblan »richeiat ,cve» Tag Abends mn Ausnahme der Sonn- und Festtage. BiertrljLhrlicher LrzugSpreis bei Abholung in den Expeditionen In Mesa und Strehla, den MMßchOM»h sowie am Schall« der taiiert. Pojlanstalten 1 Mark 2S Ps., durch die Träger srei inS HauS I Mart SO Ps-, durch den Briefträger frei in» Haus I Mark SS Ps. Augeige» Auuahmi pr bt» Mm»« deS Ausgabetages bi» Bormittag S Uhr ohne Gewähr. Druck und Berlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Sasiantenstrabr VS. — Für die Redaetlou vrnmWertlich: Schmidt i» »tel«. Tagesgeschichte. Bei dem Versuche, die Reichsregierung möglichst von der Aufgabe der Aufwerfung eines schützenden Dammes gegen die sozialdemokratische Fluth zu entlasten, hat die „Norod. Lllgem. Ztg." wiederholt die Aufforderung z» einem „festeren Zusammenschluß der positiven Parteien", also zur Bildung eines Kartel«, wie es bei uns in Sachsen besteht, ergehen lassen. Das freiwillig gouvernementale Blatt findet aber für seine Aufforderung wenig Entgegenkommen. Besonders die Organe der preußischen Konservativen, „Kreuzztg." und „kkonservat. Korr." weisen jeden Sartelgedanken entschieden zurück. Die „Kreuzzeitung" schrieb dieser Tage: „Wir lehnen jedes Kartel, wie weit oder eng es auch gedacht ist, sür die Zukunft mit aller Bestimmtheit ab Wo nun das Blatt sich sein Kartel zusammensuchen will, mag seine Sorge sein; geneigt dazu dürsten nur die Freikonscrvativen und ein Theil der National liberalen sein: eben nur die, welche partei-politisch dabei zu gewinnen hoffen. Ob die Kartelschwärmer zu jenen Leuten zählen, die „nichts knien und nichts vergessen", wissen wir nicht; aber wir wissen, daß die Verhältnisse und Zeiten sich ändern, und zugleich haben wir aus früheren Kartelersahrungen manche Politische Lehren gezogen. Jeden falls war es schwierig, einen unzeitgemäßeren Vorschlag zu machen, ais gerade diesen " Die „Konservative Korr." hat für die Aufforderung nur Spott und meint, es gehöre ein nicht geringer Muth dazu, in unserer Zeit, wo der größte Theil unserer politischen Parteien innerlich gespalten ist und wo die Partei- und In teressengegensätze einander so schroff gegenüberstehen, wie selten zuvor, von einem umfassenden Kartel der politischen Parteien als einem Allheilmittel gegen die Sozialdemokratie zu sprechen. Und auf das Drängen der „Norod. AUgem. Zlg", auf eine Milderung der Parteigegensätze bedacht zu jein, um mehr gemeinsame starke Kraft für den Kampf gegen die Sozialdemokratie zu gewinnen, antwortet die „Konserv. Lorr." mit folgendem Vorschlag: „Wenn die „Reichsregierung" sich dazu entschließen wollte, den im „Tivoliprogramm" proklamirten Schutz der nationalen Arbeit, des Mittelstandes, der Landwirthschast und nicht zuletzt die Kräftigung der christlichen Lebensanschauung auf ihre Fahne zu schreiben, wenn sie also mit Emst und Eifer an die Börsenreform, an die Lösung der Währungssrage, an die Organisation von Handwerk und Klein gewerbe, an die Bekämpfung jedes unredlichen Wettbewerbs, sowie Mißbrauchs des Großkapitals rc. herantreten wollte, so wäre das die beste Art, die staatserhaltenden Elemente in unserem Vaterlande zu sammeln und der Sozialdemokratie den Boden abzugraben." Darauf entgegnet nun jetzt die „No.dd. Lüg. Ztg." : „Wir begnügen uns für heute mit einer Gegenfrage. Die Re gierung befindet sich allmählich einer wahren Musterkarte von Pro grammen gegenüber, die sämmtlich „den Schutz der nationalen Arbeit, des Mittelstandes, der Landwirthschast" rc. proklamiren und von denen jedes den Anspruch erhebt, als der allein „echte Ring" betrachtet zu werden. Soll die Regierung also nach den Rezepten des Herrn AHIwardt oder nach denen des Herrn Dr. Förster oder der Herren k Göhre und Naumann oder der Vertreter der Tivolirichtung oder eines der sonstigen Urheber eines den Mittelstand und die Land wirtschaft rettenden Programms „die staatserhaltenden Elemente in unserem Baterlande sammeln und der Sozialdemokratie den Boden abgraben?" Nichts ist gewisser, als daß die meisten von diesen Füh rern mit ihren Truppen nur lau eingreisen werden, sobald nicht genau nach ihrem Programm verfahren wird; und nichts ist wahrscheinlicher, als daß wenigstens ein Theil der ausgezählten „Resorm"-Gruppen es unter allen Umständen ablehnen wird, sich mit anderen „staatser hallenden Elementen", die für sie Konkurrenten sind, „sammeln" zu lassen. So löst sich der Rath der „Kons. Korr.", der sich so positiv geberdet, zu einem guten Theil in den gemalten Koulissenglanz eines Schlagwortes aus." Lehr richtig. Der Vorschlag der „Kons. Korr/ beweist eben nur, daß die preußischen Hintermänner dieses Organs Las nicht wollen, was die sächsischen Konservativen in Ueber- einstimmung mit den Anhängern der übrigen OrdnungSpar- tcien wollen und deshalb auch können: dem gemeinsamen Feinde gegenüber alle Streitfragen ruhen zu lassen und das Ltaatswohl über den Parteivortheil zu stellen. Es wäre übrigen« unrichtig, den preußischen Konservativen allein einen Vorwurf aus ihrer Abweisung des KartelvorschlageS zu machen. Wo ein solcher Vorschlag auf fruchtbaren Boden fällt, gebührt auch der Regierung ein Antheil an diesem Er folge. Der preußischen Regierung kann man fast ebenso wenig, wie dem Herrn Reichskanzler und seiner oft bewiese nen Sehnsucht nach einer ultramontan-konservativen Koalition nachrühmen, daß sie auf eine Milderung der Gegensätze zwischen den Kartelparteien hingearbeitet und sich bewußt gewesen sei, wie dringend nöthig eine solche Milderung der sozialdemokratischen Gefahr gegenüber ist. Wenn jetzt die preußische Regierung oder Graf Caprivi der Mahnung der „Nordd. Allgem. Zlg." guten Erfolg wünschen, so können sie sich nicht darüber wundern, daß dieser Erfolg ausbleibt. Deutsches Reich. Ein Mitarbeiter des Petersburger „Herold" hat in Oberhof in Thüringen Unterhaltungen mit dem Finanzminister Dr. Miquel gehabt; seinem Bericht darüber entnehmen wir Folgendes: Der Minister berührte den deutsch- russischen Handelsvertrag, dessen segensreiche Folgen für beide Kontrahenten sich freilich noch nicht so bemerkbar machen, al« man anfangs zu erwarten berechtigt gewesen wäre. Das habe hüben und drüben eine gewisse Enttäuschung hervorge rufen, durch die man sich jedoch nicht irre machen lassen dürfe. Das gute Einvernehmen zwischen den beiden mächtigen Nach barstaaten auf handelspolitischem Gebiete sei ein Erfolg, über den man sich im Interesse der Kultur und des Friedens nur freuen dürfe. Im Grunde genommen beständen ja zwi chen Rußland und Deutschland kein; zwingenden Gründe, die zu einer Kollision Veranlassung geben könnten. Die etlichen Reibungen, die sich hie und da bemerkbar gemacht haben und denen man eine übertriebene Bedeutung beigemessen habe, seien im Grunde genommen untergeordneter, geringfügiger Natur und nur durch Mißverständnisse auszebaufcht worden. Die Programmkommission der freisinnigen Volkspartei hat im Laufe der Monate April !is Juli dieses Jahres unter Berücksichtigung der au« den Reihen der Partei ein- gegqngenen Vorschläge den Entwurf eines Programms der freisinnigen Volkspartei beschlossen, der durch die Blätter der Partei jetzt veröffentlicht wird. Der Entwurf ist so allge mein gehalten und unverbindlich, daß ihn so ziemlich Jeder mann, der nicht gerade Anarchist ist, unterschreiben kann. Ihn insbesondere für die Nationalliberalen annehmbar zu machen, ist ja auch der Entwurfsverfasser leicht erkennbare Absicht. Als Spezialitäten, durch die er sich von den Pro grammen anderer Parteien unterscheidet, können nur die alten Jnventarstücke des vormärzlichen Liberalismus gelten, die auch hier wiederkehren: Erhaltung des geheimen, allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts für den Reichstag, Aus dehnung desselben auf Landtagswahlen, reichsgesetzliche Rege- lung des Vereins- und Versammlungsrechts auf „freiheitliche" Grundlage, Schwurgerichte für alle politischen und Preßver gehen, Koalitionsfreiheit, Freizügigkeit, Gewerbefreiheit, freie Veräußerung, Vererbung, Theilung und Zusammenlegung des Grundeigenthums, Beseitigung der kommunalen und staat lichen Privilegien des Großgrundbesitzes und jeder „unbe rechtigten" Sonderstellung von Gutsbezirken, Handels- und Verkehrssreiheit im Innern, keine Steuerprivrlegien, keine Monopole, Beseitigung der Duelle, Oeffentlichkeit und Münd lichkeit der Militärgerichtsbarkeit, jährliche Feststellung der Friedenspräsenzftärke durch das Etatgesetz,c. Frankreich. Paris, 22. August. Hier erregt ein neues Attentat Aufsehen, welches gestern vor der Rotre- Dame-Kirche an dem Polizeiagenten BaleSdan verübt wurde. Der Thäter, ein junger Küfer Namens Dodey, versetzte dem ' Polizisten unversehens drei Stiche, wurde sestgenommen und nach dem Commissariat gebracht; seine zwei Spießgesellen entkamen. Im Verhör erklärte Dodey, er wolle den Poli zisten Poison erstechen, der Henry festgenommen ; er habe sich aber leider geirrt; dafür würden Andere Casimir-Perier und Dupuy treffen. Die Haussuchung ergab die Entdeckung von Papieren, deren Bedeutung geheim gehalten wird. Der Vater Dodey'S protestirt gegen die Bezeichnung seines Sohne» als Anarchisten. Er versichert, sein Sohn sei durch unbe kannte Kerle berauscht und zur Verübung des Verbrechens angestiftet worden. Die Polizei scheint die Ansicht des Vaters zu theilen und fahndet eifrig nach den flüchtigen Ge nossen des Attentäters. Gerbte«. Durch Serbien wehen wieder einmal Staatsstrcichlüste. Milan, der zärtlich besorgte Papa, scheint zu der Erkenntniß gekommen zu sein, daß die Last de- Pur purs für die Schultern seines lieben SoyneS doch zu schwer sei. Selbstlos, wie es nun einmal seine Natur ist, will der Exkönig naher das persönliche Opfer bringen, und seinen Sohn um Purpur und Bürde zugleich erleichtern. Wie be reit- gemeldet, soll Exkönig Milian beabsichtigen, sich wieder al» regierenden König einjetzen zu lassen. Der Kabinet-chef Nikolajewitsch verweigere aber rundweg seine Mithilfe dazu, weshalb Milan über ihn erbittert und die Stellung de» Ministerpräsidrnten unhaltbar geworden sei. Daher stamm ten auch die jüngsten widersprechenden Meldungen über eine KabinetSkrifis. Der junge König Alexander scheine die Ab sichten seines Vaters freiwillig oder gezwung n zu billigen. Milan habe bereits mit dem Führer der Radikalen Paschitsch Fühlung genommen, und dieser soll gegen die Zusage, daß die Radikalen wieder Einfluß erhalten, Milans Plan gut heißen. E ne Umwälzung soll unvermeidlich geworden und bloß noch eine Frage der Ze t sein. Jedoch mache sich ein auswärtiger Hochdruck geltend, welcher den beabsichtigten Streick» Milans zu vereiteln suche. Türkei. Der „N. Fr. Pr." entnehmen wir, daß die Pforte gegenwärtig mit der Abfassung einer Note an die italienische Regierung beschäftigt ist, in welcher sie E Hin blick auf die Einnahme von Kassala durch die Italiener, ähnlich wie bei der seinerzeitigen Erwerbung von Massaua, ihre Rechte auf den Sudan aufrecht erhält. In diesem Schrift stücke, das in einem sehr maßvollen Tone gehalten sein wird, soll, wie verlautet, auf das zwischen Lord Dufferin und Marquis di Rudini getroffene englisch-italienische Abkommen vom April^189l Bezug genommen werden, in welchem sich Italien verpflichtet, falls es Kassala einmal zu besetzen ge zwungen wäre, diese Stadt wieder zu verlassen, sobald der Sudan den Händen der Mahdisten wieder entrissen werden sollte. Auch der übrige Inhalt der Note werde, wie von unterrichteter Seite verlautet, in keiner Weise die Grenze einer förmlichen Erklärung zur Wahrung der Rechte der Pforte auf den Sudan überschreiten. Asien. Aus Tokio wird amtlich mitgetheilt, daß der König von Korea am 30. Ju .i sich unabhängig erklärte und in Folge dessen Japan aufforderte, bei der Vertreibung des chinesischen ContingentS aus Asan ihm beizustehen. Im Kampf wurden die Japaner von den koreänischen Truppen unterstützt. Die Regierung von Korea kündigte gleichzeitig alle Verträge mit China. — Der japanische Consul in Glas gow protestirte gegen die Beschlagnahme des Dampfers „Islam", welcher nicht zur Verwendung als bewaffneter Kreuzer bestimmt gewesen sei. Lertliches und Sächsisches. Riesa, 23. August 1894. — Morgen Freitag begehen die kleinen Zöglinge des unter Leitung von Fräulein Prescha stehenden KintergartenS ihr Spielfest im Schützenhause. Dasselbe soll unter Musik begleitung mit einem „solennen" Auszuge durch mehrere Straßen der Stadt beginnen und mit einem ebensolchen Ein züge Abends endigen, während die Zeit des Aufenthalts im Schützenhause dem Spiele und sonstiger Unterhaltung gewidmet sein wird. Natürlich wird den Kleinen durch Verabreichung von Kaffee und Kuchen der Festtag noch besonders zu einem denkwürdigen gestaltet. — Der Kindergarten prosperirt unter der bewährten Leitung von Frl. Prescha ganz vorzüglich und wird gegenwärtig von einigen 60 Kindern besucht, die in demselben liebevolle Beaufsichtigung und Unterhaltung finden. — Die Lotterie-Gewinnliste der Freiberger Ausstellung liegt für Interessenten zur Einsichtnahme in unserer Expe dition aus. — Das am gestrigen Abend zur Einweihung des neu renovirten Saales im Hotel „Wettiner Host Hierselbst statt gehabte, von der Kapelle der Reitenden Artillerie ausgeführte Konzert hatte sich eines regen, besseren Besuchs zu erfreuen. Das Programm war ein sehr gut gewähltes und reichhaltige». Eröffnet wurde das Konzert mit dem „Wettiner Jubiläums- Marsch" von Meißner, welcher sich reichen Beifalls zu er freuen hatte ; ebenso die darauffolgende „Ouvertüre z. Op. Raymond" von Thoma». Herr Stabstrompeter Günther bot hierauf seinen Zuhörern einen besonderen Genuß durch das „Souvenir de Bellini," Fantasie sür Violine von Artot, das entzückend wirkte und wofür der Herr Vortragende reichen Applaus erntete. Ein „Strauß'scher Walzer" und der „Waffenruf de» Kaiser»" von Clären» bildete den Schluß de» ersten Theil» und hatten sich diese ebenfalls besonderer Auf nahme zu erfreuen. Der zweite Theil de» Konzerte» begann mit der einen gewaltigen Eindruck machenden „Ouvertüre z. Op. Slradella" von Flotow, welcher da» zarte .Vorspiel de» 5. Akte» a. d. Op. König Manfred" von Reineck« folgte. Einer Gavotte von Rosch „Erinnerung an Berlin", sowie einer „Paraphrase über Koschat'» Lied: Verlassen bin i" von Schwalm, wurden gleichfalls wohlverdiente Anerkennung ge-