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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönumerMien», Preis 22; Sgr. (^ THIr.) vierteljährlich, 3 TLIr. für da» ganze Jahr, ohne Er höhung. in allen Tdeilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man xränumerlrt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. StaatS-Zeitung (FriedrichSslr. Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Dintern. Literatur des Auslandes. 101. Berlin, Montag den 23. August 1841. England. Zur Geschichte des Englischen Zeitungswesens. (Aus Len Memoiren eines Journalisten ) Von Kindheit auf ist es einer meiner wärmsten Lieblingswünsche gewesen, einst an der Spitze der Redaction eines politischen Jour nals zu stehen. Wenn mein Vater den „Courier" pries, dessen po litischer Meinung er sich blind unterwarf, so schien mir alle Ver. ehrung, die er dem Blatte zollte, dem Redacteur selbst zu gelten. So betrachtete ich es seit dem zehnten Jahre als das höchste Ziel meines Ehrgeizes, meiner Stimme in der politischen Welt Geltung zu verschaffen. Mein Vater, welcher andere Absichten mit mir hatte, trat mit allem Ernste der Entwickelung dieser gefährlichen Neigung entgegen; vergebliche Sorgen! mein Geschick wie meine Wünsche trieben mich auf die dornenvolle Bahn der Herausgeberschaft. Ich war sechzehn Jahr alt, als die Provinzialstadt, in der meine Aeltcrn lebten, endlich das Bedürfniß fühlte, eine Gesammt-Uebersicht der Journale der Hauptstadt zu erhalten und ein besonderes Organ zu besitzen, in welchem die Interessen der Stadt ausführlich besprochen würden. Der Herausgeber deS neuen Blattes war mein Freund. Ich unterstützte ihn bereitwillig mit meinen Kräften, und zum Danke öffnete er seme Spalten für einige Stücke unseliger Poesie, die sich unter meinen Papieren angehäuft halten. Endlich erlangte ich bald darauf mein erstes Honorar als Korrespondent eines Londoner Blattes, welches meinen Bericht über eine Festlichkeit, die in unserer Stadt begangen worden war, aufnahm. Zugleich erhielt ich den Auftrag, regelmäßig die Ankunft und Abreise großer Männer zu berichten, dee unsere Stadt besuchten. Doch diese niedrigen Verrichtungen er- hielten plötzlich eine gewisse Bedeutung. Man höre, wie. Ein Korporal auS Orford, eines Verstoßes gegen die inili- tairische Subordination angeklagt, wurde vor ein Kriegsgericht ge stellt, welches bei uns bestand. Ich wohnte den Sitzungen bei und schickte einen ausführlichen Bericht nach London. Der Angeklagte wurde verurtheilt, tausend Ruthenstreiche zu empsangen. Beim zwei- hundertsten fiel er in Ohnmacht und wurde in sein Gesängniß zurück geführt, woselbst man ihn auf alle Weise Pflegte, um ihn fähig zu machen, die übrige Strafe auszuhalten. Die öffentliche Meinung wurde durch mehrere Ereignisse, die sich an diesen Vorfall knüpften, aufmerksam gemacht, und Sir Francis Burdett machte denselben zum Gegenstände einer gerichtlichen Untersuchung. Vor Allem indeß war es nothwendig, den Verfasser des ersten Berichts kennen zu lernen. Der berühmte Oberst Wardle besuchte mich und holte sich aus meinem eigenen Munde die Gewißheit, daß mein Bericht in allen Stücken genau sep. Von der Zeit ab trat ich in unmittelbare Ver bindung mit Sir FranciS Burdett; doch unsere vereinten Bemühun gen, dem Korporal Gerechtigkeit zu verschaffen, fielen inS Wasser, wie die Franzosen sich auSdriscken; vielleicht hatten wir in der That Unrecht mit unseren Beschwerden, obgleich wir damals freilich nicht so urtheilten. Nachdem dieser erste Versuch mich zu keinem Ziele geführt hatte, stand ich im Alter von zweiundzwanzig Jahren außer aller literarischen und politischen Verbindung, als mich ein Edelmann, Ramens Hadgett, besuchte und mir Herrn Wooller, damals Buch drucker zu London, vorstellte. Wooller hatte die Abficht, ein zweites Journal zu Brighton zu gründen, das der Förderung der konser vativen Grundsätze gewidmet sepn und seine Farbe stolz auf seinem Banner tragen sollte, indem es sich „der Ropalist von Brighton" nannte. Wooller schlug mir vor, die Redaction zu übernehmen und den Ertrag mit ihm zu theilcn. Der Prospekt wurde gedruckt und ausgegeben. Der Tag, an dem die erste Nummer erscheinen sollte, war festgesetzt, und unsere Subscriptions-Listen zählten bereits einige hundert Namen, als ich ein Schreiben meines Verlegers erhielt, m welchem er mir anzeigte, er habe seine Absicht geändert. Dies war in der That der Fall, wie sich bald darauf ergab. Uebrigens erbot er sich sehr ehrenvoll, mich für die gemachten Auslagen zu ent schädigen. Einige Tage später gab Wooller zu London die erste Nummer des „schwarzen Zwerg" aus, ein Blatt, das bis zum Uebermaß radikal war. Der Wechsel der Gesinnung war so vollständig wie plötzlich. Mit derselben Feder, mit welcher er den loyalen/ religiösen und anti- revolutionairen Prospekt des Royalisten von Brighton entworfen hatte, schloß er sich jetzt dem leidenschaftlichen Treiben der Republi kaner und Atheisten an. Wooller galt in den Augen Aller für den wahrsten und wärmsten Patrioten. Die Spekulation war gelungen; die heftigen persönlichen Angriffe und das leidenschaftliche Pathos, welche die wohlfeilen Hebel des schwarzen Zwerg waren, erregten allgemeinen Beifall. Heute besteht der schwarze Zwerg nicht mehr; sein früherer Revacteur ist ins Privatleben zurückgetreten, in welchem er eine Achtung genießt, wie er sie als politischer Schriftsteller bei weitem nicht vervient hat; auch dies ist eine seltene Wendung des menschlichen Schicksals. Einige Wochen nach dem Erscheinen deS schwarzen Zwerg begab ich mich nach London, wo ich alsbald einen Besuch meines alten Bekannten Hadgett erhielt, der seinen konser vativen Grundsätzen treu geblieben war. Er bewog mich, mit ihm in Gemeinschaft ein Wochenblatt herauszugeben, welches wir den weißen Zwerg nannten. Dies geschah, um offen anzuzeigen, wie weit unsere Grundsätze von denen abwichen, zu denen fich Wooller bekannte. So war der schwarze Zwerg streng radikal, der weiße streng konservativ; der schwarze griff die Religion an, der weiße vertheidigte sie mit Wärme; der schwarze setzte jede Woche mehrere tausend Eremplare ab, der weiße erreichte mit Mühe dreihundert Abonnenten, und dabei hatten wir uns die Mitwirkung einiger der bedeutendsten Schriftsteller gesichert. Der Zustand unseres Vermögens »erstattete uns nicht, einen so unglücklichen Krieg lange Zeit auf eigene Kosten zu führen. So faßre Havgett Vic Idee, sich an das Ministerium zu wenden, um Unterstützung zu erhalten. Nach kurzem Widerstande willigte ich ein. Mein Genosse hatte die Kühnheit, an Lord Sidmouth zu schreiben, der damals Staats-Secretair war in der Abtheilung des Innern, und um eine Unterredung zu bitten, indem er ihm Mittheilungen von der höchsten Bcveutung zu machen habe. Die Stunde der Audienz wurde auf den nächsten Taz festgesetzt. Dies war mein erster Be such bei einem Minister, und ich muß gestehen, daß ich einigermaßen zitterte, als ich vie Treppe Hinaufstieg. Mit meiner natürlichen Schüchternheit verband sich das Bewußtseyn der Unredlichkeit, die dazu diente, uns einzuführcn. Angekommen in Lord Sidmouth's Kabinct, der damals (vor dreißig Jahren) ein sehr schöner Mann war, brach mein Schicksalsgefährte in ziemlich vage, zerflossene De- clamationcn aus über den schlechten Geist der Massen, über den Fortschritt der Jrreligion u. dgl. m. Der Minister bemerkte sehr schonend, daß seine Minuten gezählt seyen, und bat ihn, zur Sache zu kommen. Havgett verwickelte sich immer mehr in das verworrene Gcspinnst seiner Entschuldigungen; so nahm ich das Wort und er klärte offen sowohl unsere erbärmliche Ausflucht, als auch die Scham, vie wir über dieselbe empfanden. Mein aufrichtiges Ge- ständniß hatte den besten Erfolg, und Lord Sidmouth antwortete mit gleicher Freimüthigkeit, an dieser Offenheit habe ich sehr wohl ge- than, ohne sie würde er den Gerichtsbiener geruscu haben und uns abführen lassen. Diese Unterredung hatte zunächst den Erfolg, daß das Ministerium auf hundert Exemplare unserer Wochenschrift sub- skribirte. Nach einigen Wochen trat Hadgett von der Redaction zurück, und alsbald steigerte sich die Anzahl der vom Ministerium entnommenen Exemplare auf tausend. Die Theilnahme des Publi kums hatte fich in gleichem Grade vergrößert, obgleich verhältniß- mäßig langsamer, und ich befand mich an der Spitze einer Unter nehmung, welche jährlich 800 Psd. eintrug. Dies war ein artiges Einkommen für einen jungen Mann meines Alters. In der Folge führte ein Verstoß, den ich dadurch beging, daß ich einen Artikel zurückwies, der für die Vermehrung der Einkünfte des Herzogs von Cumberland sprach, die Auflösung des weißen Zwerges herbei. Ich glaubte damals, großes Unrecht erlitten zu haben. Jetzt betrachte ich die Sache mit kälterem Blute und gestehe, daß ich vielleicht Un recht halte. Bon jener Zeit ab blieb ich mit der politischen Presse in enger Verbindung. Ein Jahr, nachdem mein Verhältnis zur Regierung aufgehört hatte, wurde ich Haupt-Redacteur eines Englischen Blattes, welches im AuSlandc erschien, und als ich später durch Familien- Verhältniffe, welche mich nöthigten, in England zu leben, gezwungen wurde, diese Stellung aufzugeben, bewegte ich mich fortgesetzt in den Londoner Blättern, machte mehrere untergeordnete Stellungen durch, bis ich endlich den Thron erstieg, nach dem ich von Jugend auf so viel geseufzt hatte. Ich wurde einer der Alleinherrscher der Tagespreise. Ich kann nicht ohne Schmerz an jenen Abschnitt meines Lebens denken, nicht als ob ich in meinen günstigen Vorurtheilen besangen von Anfang an , die Schattenseiten Vieser hohen Stellung. erkannt