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Sonntag. Leipzig. DI« Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags -1 Uhr auS- gegeben. Preis für das Viertel jahr I/, Thlr; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. . Nr. 353. 2». August 18S2. Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die ^Petition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Bnfertionögebühr «Wahrheit und Recht, Freiheit und Sesehl» für den Naum einer Zeile Deutschs MMlius Zeitung Die Zollvereinscouferenzen in Berlin. Berlin, 27. Aug. Die gestern stattgchabten Beratungen zwischen Ven bei der ZollvereinSangclegenheit zunächst intercssirtcn preußischen Mi nistern (einige Zeitungen berichten irrihümlich, auch die Unterstaatssecretäre hätten an der Sitzung theilgenommen) und den diesseitigen Bevollmächtig ten bei den Zollvereinsconferenzen haben, dem Vernehmen nach, das vor läufige Resultat des Entwurfs einer Erwiderung auf die Erklärung der Coalitionsbevollmächtigten vom 21. Aug. gehabt. Die definitive Re daction der Erwiderung ist aus zwei Gründen noch nicht erfolgt; einmal weil man für nothwendig erachtete, zuvor mit dem hannoverschen Minister präsidenten v. Scheie über die auch Hannover im hohen Grade intcressirende Angelegenheit zu conferiren, Hr. v. Schele aber gestern noch nicht hier cingetrof- fen war, dann aber auch besonders, weil man einen entscheidenden Schritt in diesem kritischen Momente ohne die Zustimmung des Königs nicht thun kann. Uebrigens ist der Erwiderungsentwurf ein keineswegs schlechtweg ablehnender; man hält vielmehr diesseits eine Vereinigung der beiderseitigen Anfoderungcn noch für möglich, indem, trotz des anscheinenden Gegensatzes der Ansichten hinsichtlich des Verhältnisses zum österreichischen Kaiserstaate, der Tenor der abgegebenen Erklärung sowol von einem versöhnlichen Geiste als namentlich von der Auf richtigkeit des in derselben nochmals ausgesprochenen Wunsches der Erhal- tung und Erweiterung des Zollvereins Zeugniß abzulegen scheine. Der Ministerpräsident Hannovers ist heute von Ischl hier angelangt und in die sem Augenblicke (1'/- Uhr Mittags) in Unterredung mit dem Ministerprä sidenten v. Manteuffel und dem gewiegten Diplomaten, General Grafen v. Nostitz, preußischem Gesandten am hannoverschen Hofe. Groß und all gemein ist die Spannung auf den Ausgang der bestehenden Krisis in die ser mehr oder minder die sämmtlichen Schichten der Gesellschaft interesfi- rendcn Angelegenheit, Und je nach der Gesinnung, dem Grade der Einsicht und Erfahrung, sowie nach dem spcciellen Interesse gehen die Wünsche und Erwartungen hinsichtlich des Resultats auseinander. Von einem sofortigen Abbruch der Verhandlungen scheint indessen keinesfalls die Rede zu sein. X Berlin, 27. Aug. Für die von Preußen abzugebcnde Gegen erklärung scheint heute ein wichtiger Tag gewesen zu sein. Nachdem der hannoversche Ministerpräsident Frhr. v. Schele hier eingetroffen war, fand heute Vormittag eine Confcrenz des Hrn. v. Schele mit Hrn. v. Manteuffel statt, an welcher auch der preußische Gesandte in Hannover, General v. Nostitz, der eigentliche Urheber des Scptcmbervertrags, vr. Klcnze und der Generalsteuerdirector v. Pommer-Esche theilnahmen. Die Bera- thungen betrafen sowol die Form nnd den Inhalt der von Preußen abzu- gcbcnden Gegenerklärung an die Coalitionsstaaten, als auch die weitern Schritte in Betreff des Fortganges der Zollconfercnzen. Daß eine Kräfti gung der preußischen Erklärung von Seiten Hannovers nicht erwartet wer den darf, wissen Sie bereits aus dem kürzlich sehr richtig dargelegten Pro gramme der hannoverschen Regierung in der ganzen Zollfragc von Ihrem hannoverschen («)-Corrcspondentcn. Allein dessenungeachtet möchte man dies seits wol gesonnen sein, die ganze Schuld einer fernern vermittelnden Politik Hannover auf die Schultern zu laden, was jedenfalls denn doch etwas zu gewagt wäre und Preußen in keinem Falle als genügende Entschuldigung dienen kann. Die Uebergabe der Gegenerklärung wird übrigens wol erst nächste Woche stattfinden können. Deutschland. Berlin, 27. Aug. Die Neue Preußische Zeitung zeigt an: Der Mi nisterpräsident Frhr. v. Manteuffel gibt heute zu Ehren der Anwesenheit des hannoverschen Ministerpräsidenten Frhrn. v. Schele ein Diner, zu wel chem die Minister v. d. Heydt und v. Bodelschwingh, der General der Ca- Valerie Graf v. Nostitz, die Unterstaatssecretäre der Ministerien des Auswär tigen und des Handels, der Gencralsteuerdirector v. Pommer-Esche, der hannoversche Gencralsteuerdirector Klenze und die diesseitigen Bevollmächtig ten beim Zollcongresse geladen sind. — Die Allgemeine Zeitung theilte mit, daß in Frankfurt Unterhandlun gen über Wiedererstattung von 80,000 Fl. oder mehr, die Preußen für die polnischen Flüchtlinge verwendet habe, schweben sollen. Das ber liner Correspondenz-Bureau kann mit Bezug hierauf aus „zuverlässiger Quelle" versichern, daß die Angelegenheit wegen der Erstattung des durch den Transport entstandenen Aufwandes nicht jetzt erst, sondern seit 18-19 Gegenstand der Verhandlungen ist, und über die Pflicht der übrigen Ne gierungen, den anthciligcn Betrag zu erstatten, niemals eine Differenz be standen hat. Der Betrag, der auf jede Negierung fällt, sei in der That auch zu gering, um einen angemessenen Gegenstand von Verhandlungen und Erörterungen abzugebcn, denn der gesammte Aufwand für den Transport und die Verpflegung der betreffenden Flüchtlinge betrug nicht 50,000 Fl., sondern in genauer Angabe 4152 Thlr. 16 Sgr. 11 Pf., welche von Preußen liquidirt find. Die Allgemeine Zeitung hat sich hiernach wieder bedeutend verrechnet. — Von der Oberwcser vom 24. Aug. wird der Zeitung für Nord deutschland geschrieben: Die Religionsfreiheit soll in Gefahr sein, weshalb der 1. Sept, die Piusvereinsmitglieder der preußischen Provinzen West- falen und Rheinland, einige Bischöfe und mehre hundert Geistliche und Lehrer auf der vormaligen Abtei Corvei versammelt sehen wird, zur Bcra- thung und Beschlußfassung in Betreff der von der preußischen Negierung ausgegangcncn Maßregel über das Studium preußischer Theologen auf aus ländischen Jesuitencollcgicn und über die Nichtzulassung ausländischer Jcsui- lenpalres zur Mission im Königreiche Preußen. — Das Frankfurter Journal-thcilt einen T^inkspruch Heinrich's v. Ga tz ern in Heidelberg mit, den er gelegentlich eines Festmahls, bei dem ihm seine Verehrer im Großherzogthume Hessen eine Gedenktafel überreichten, gesprochen. Nachdem nämlich einer der anwesenden Tischgenossen in einer kurzen Anrede einen Toast auf den gefeierten Ehrengast ausgebracht hatte, erwiderte Gagern darauf ungefähr Folgendes: Es ist eln Gcdcnkblatt, meine Herren und Freunde, welches Sie mir im Na men und Auftrag einer größern Anzahl hessischer Bürger übergeben, und daß ich Jenen zu verdanken habe. Es ist ein echtes Gedenkblatt jener denkwürdigen Zeit. Nicht blos die Wahrheiten und ihren Kern, sondern auch die Jrrthümer und ihre Spreu und Phantasterei, die miteinander im Kampfe waren, versinnlicht cs in künstlerischer Vollendung. Schön und wahr ist der Grundgedanke des Bildes, und ich erfreue mich an der Uebereinstimmung der Geber und des sinnigen Künstlers mit mir in diesem Grundgedanken, welcher ist: daß an der Zukunft des Vaterlan des nicht zu verzweifeln, daß die Bewegung des Jahres 1848 in ihren reinen Motiven und in ihrem nationalen und volkSthümlichen Ziele für diese Zukunft nicht verloren sei. Was der Künstler dabei zum Ideale gestaltet, das braucht nicht ganz das unserige zu sein; es trägt sein eigenes, berechtigtes, künstlerisches Gepräge. Und komme ich nun auf die versinnlichten Jrrthümer jener Zeit zu re den, so kann ich nicht umgehen, zunächst von mir zu sprechen, denn sie stellen sich in der Gruppe im Vordergründe dar, in welcher meine Person zuni Mittelpunkte der Allegorie gemacht ist, gleichsam als sei die Entscheidung über die Zukunft des Vaterlandes in meine Macht und Willkür gelegt gewesen. Nicht als ob nicht Viele solchen Beruf und maßgebenden Einfluß mir zuzetheilt, und Viele solchen Ehrgeiz bei mir vorausgesetzt hätten: der Jrrthum liegt in dem Wahne, als ob cs in der Macht irgend eines Sterblichen liegen könne, eine Regeneration des Va terlandes, wie solche im Jahre 1848 angcstrebt wurde, maßgebend zu leiten und zum Ziele zu führe». Der Schwäche meiner Kräfte wie meiner Mittel war ich mir stets bewußt. Generationen werden vielleicht gehen und kommen, ehe Deutsch land zu der gewünschten und ihm so nöthigcn einheitlichen Gestaltung kommt. Sie sehen, daß meine Hoffnungen keine sanguinischen sind. Nicht darum gilt es, ob wir es erleben und die Früchte genießen, sondern darauf kommt cs an, daß die ewige», Interessen des Vaterlandes mit patriotischem Geiste und aufopferndem Muthe genährt und gepflegt, daß das Ziel fest im Auge behalten werde, und über den Weg zum Ziele Vorurtheil und Parteiung sich mindern, Sympathien und Anti pathien sich unterordnen. Ein anderer in dem Gedenkblatte vortretend versinn lichter Jrrthum ist der, als ob die Monarchie das mächtige, die Entwickelung zur Einheit und zu vernünftiger und gemäßigter politischer Freiheit niederhaltende Hin- berniß wäre. Welche, die Hartschlägigsten überzeugende Widerlegung hat nicht dieser Jrrthum neuerlich und so ganz in unserer Nähe gefunden! Wohl weiß ich, daß die republikanische Staatsform viele Sympathien auch in Deutschland fand und findet. Aber eine geläuterte und politische Einsicht und schon der politische Jnstinct der Masse muß begreifen, daß Deutschland bei dem nationalen Fehler der Geltendmachung eines stets selbständig sein wollenden Individualismus, bei der Gewohnheit und Hinneigung der Deutschen zur Pflege der Sonderinteressen auf Kosten der ersten Bedürfnisse der Allgemeinheit und Einheit; bei der Abneigung so Vieler gegen jede, auch die unerläßlichste Centralisativn der Interessen, der Macht und des maßgebenden politischen Wellens; daß Deutschland, in seiner Zwischcnlage zwischen den mächtigsten und im Uebermaße centralisirten, am meisten zum Umsich- greifen geneigten europäischen Mächten; daß dieses Deutschland als Republik nicht leben und nicht bestehen könne. Und wenn ich des Vertrauens und der Anerken nung gedenke, welche in jener Sturm- und Drangperiode meinen bekannten, ein heitlichen und monarchischen Gesinnungen und Bestrebungen von der öffentlichen Meinung gezollt wurden, so tonnte eS mir niemals zweifelhaft sein, daß daß deut sche Volk in seiner weitaus großen Majorität ein monarchisch „gesinntes sei und ein monarchisch" regiertes bleiben wolle. Die Unterstellung, als sei die Bewegung des Jahres 1848 gegen die Monarchie gerichtet gewesen, erscheint als eine un haltbare. Davon vielmehr ausgehend, daß die monarchische Gesinnung des Volks nicht mit den Eindrücken auf und nieder schwanke und durch diese bedingt sei, welche die Inhaber der Kronen oft machen und zurücklassen, sondern daß diese monarchische Gesinnung des Volks dem den, kauernden Staats- und Volksinter- csse entsprechenden Institute der Monarchie gclte — davon ausgehend, daß es keine fruchtbarere Ursache der Revolutionen gibt als die Verachtung der Institutionen, unter denen ein Volk lebt; davon ausgehend habe ich die wesentliche Bedeutung der Bewegung des Jahres 1848 in dem Bestreben gefunden: die konstitutionelle Monarchie, gestützt durch unk auf nationale Repräsentation, und Hank in Hand mit ihr, auf ihren naturgemäßen Boden zu stellen; kic wesenlosen Zerrbilder der-