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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960911013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896091101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896091101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-11
-
Monat
1896-09
-
Jahr
1896
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Extra-Bcilaacn (gesalzt), nur mit der Rltorgen - Ausgabe, ob ne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Anzeiger. Amts Statt des Königlichen Land- «nd Kmtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Vokizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Ännchmelchluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck nnd Verlag von E. Potz in Leipzig Freitag den 11. September 1896. SV. Jahrgang. verbände zur Errichtung von volksheimen. WM. Die badischen Arbeitsnachweise, die jetzt einen Landesverband bilden, haben sich bekanntlich außerordentlich rasch und meist sehr günstig entwickelt. Wie sind sie aber entstanden; wer unterhält sie im Wesentlichen und wer leitet sie? Sie sind hervorgegangen aus der Initiative von Vercins- vorstänven, verdanken ihr Entstehen und ihre Unterhaltung einem für den Zweck zusammengetretenen Verband von gemein nützigen Vereinen verschiedener Art, und die Vereine stellen auch aus ihrer Mitte das Personal für die geistige Leitung der Anstalten. Wohl haben Gemeinden und größere Communal- verbände den Anstalten pecuniäre Unterstützungen gewährt nnd es haben in zwei Städten, wo die gemeinnützigen Ver eine zu schwach an Mitteln, Mitgliedern und Initiative waren, auch Gemeinde-Arbeitsnachweiscstellen errichtet werden müssen, aber in der Hauptsache sind die Arbeitsnachweise das Werk von gemeinnützigen Vereinen, die Geld und Kraft zu sammengelegt haben. Ebenso wie sich die Idee der vereinigten Arbeitsuachlveise in den letzten Jahren Bahn gebrochen, hat auch der Gedanke sich verbreitet, daß zu den wesentlichsten Hilfsmitteln eines socialen Friedens die Volks Heime gehören, das sind Stätten, in denen gemeinnützige Bestrebungen zur Hebung der Volks bildung und Volksgesclligkeit ihren Mittelpunkt finden und iusbefonderc die Angehörigen verschiedener Stände auf gleichem Boden miteinander verkehren, sich gegenseitig kennen lernen, gegenseitig dadurch Vorurtheile oblegen oder ver mindern und sich nicht nur über sich gegenseitig belehren, sondern Lehre nnd Lernen mit einander allgemein austauschen. Wer sich mit gemeinnützigen Fragen beschäftigt, steht durch aus den Volks Heimen sympathisch gegenüber und die Frage der Volksheime, die kürzlich auf den Tagesordnungen der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung und des Deutschen Vereins gegen Mißbrauch geistiger Getränke stand, beschäftigt beute alle, die für Volkswohl in seinen ver schiedenen Gestaltungen arbeiten. Unter diesen Umständen bedarf es schon in den Kreisen, die sich für Gemeinwohl interessiren, keiner Empfehlung und keiner Erklärung der Volksheime mehr, aber man hält sich vielerorts für zu schwach, sie so allgemein einzuführen, wie cs wünschenswert!) wäre, ja wie es nothwendig erscheint. Und thatsächlich ist man auch an vielen Orten zu schwach, wenn man allein steht. Nicht von Einzelnen ist die Rede, wenn vom Alleinstehen gesprochen wird, sondern von allein stehenden Vereinen. Hier ist es ein Bildungsverein, dort ein Gewerbeverein, da ein Mäßigkeitsvercin, dort ein Arbeiter- bildungsvercin, ein Turnverein, ein Leseverein, die sich zu der Ansicht bekennen, ein Volksheim würde nicht nur ihrem speciellcn Verein nnd Vereinszweck zum Segen sein, sondern ganz allgemein Gutes und Socialreformatorisches bewirken, aber sie alle fühlen sich zu schwach, um ein Volksheim zu begründen, um so mehr, als die große Anzahl von geselligen und gemeinnützigen Vereinen sich ohnehin bei den Geldbeuteln der Bemittelten und selbst der Wenigbcmittelten eine schwere Eoncurrenz bereiten. Ten zahlreichen Anforderungen gegen über werden die Spender schließlich abgestumpft und es werden zuweilen die minder guten Zwecke reichlicher bedacht als die edlen. , Wie ganz anders aber würde sich das gestalten, wenn eine Vereinigung von gemeinnützigen Gesellschaften zu sammen an den Gemeinsinn und an die Mittel der Gemein sinnigen sich wendete! Die Hauptschwierigkeit, der man bei der Errichtung von Volksheimen gegenüberslehl, ist die Beschaffung und Bezahlung der Lokalität, sei cs durch Kauf oder Niietbe, und die entsprechenden Einrichtungen. Aber die Erfahrung lehrte ja, daß man das Risiko leicht tragen kann, weil sich die Volksheime später durch den Betrieb nahezu oder ganz selbst zu erhalten vermögen. Nur der Anfang ist schwer und zwar schwer für kleine und mittlere Vereine jeglicher gemein nützigen Art. Legten diese kleineren Vereine aber ihre Kräfte zusammen und sicherten sich dafür auch die Dolksbeime unter einander für ihre Vereinszwecke in entsprechender Abwechselung, wie viel leichter würde die Ausbreitung der Volksbeime in der Praxis, nachdem sie in der Theorie bereits anerkannt sind! Nur ein Zurücktreten von Eifersüchteleien ist noth wendig und die Verbände zur Errichtung von Volksheimen sind geschaffen, kräftig und leistungsfähig, nutzbringend für die Gesammtheit, nutzbringend für die Eiuzelvercine und ihre Zwecke, nutzbringend auch in wirthschaftlicher Hinsicht nach allen Richtungen. Mit wie wenig Mitteln der einzelnen Vereine haben sich die gemeinsamen Arbeitsnachweise zum Vortbeil der Gesammt heit, der Arbeiter und Arbeitgeber, erwiesen und wie viele Tausende von Gebühren und Auslagen werden erspart durch den Aufwand der geringen Vereinsmittel. Ganz ebenso oder ähnlich würden Vereinsverbände für die Errichtung von Volksheimen wirken. Einigkeit macht stark, und die kleinen Mittel vieler Kleinen geben zusammen genügende Kräfte zu leistungsfähigen Anstalten, die sich sicher bewähren und bezahlt macken dürften. Auch auf diesem Gebiet wird der Genossen schaft, der Verbindung Gleichstrebender, die Zukunft gehören. Was dem einzelnen Mann, dem einzelnen Verein unmöglich erscheint, Verbände werden es ermöglichen und leicht erscheinen lassen; mögen die Beispiele der badischen Arbeitsnachweise auch den Volksheimen die Wege ebnen. Deutsches Reich. L Berlin, 10. September. In den jüngsten Wochen ist die Presse wieder mehrfach mit Angaben über die bevor stehenden Regierungsvorlagen im Abgeordneten bause beschäftigt worden. Speciell galt dieses von den im Finanzministerium geplanten Gehaltsaufbesserungen. Nach unserer Ansicht hat man bei der Veröffentlichung der betreffenden Einzelheiten ein völlig verfehltes System befolgt. Zuerst erfuhr man die bevorstehenden Gehaltserhöhungen der Oberpräsidenten, dann diejenigen der Regierungs präsidenten. Jetzt ist man bereits glücklich bei den Richtern erster Instanz angelangt. Diese Reihenfolge scheint uns aber ganz verkehrt; sofort hat die radikale Agitation sich der Gehaltserhöhung für die zuerst genannten Beamtenkategorien bemächtigt und daran ihre verhetzenden Eommentare geknüpft; auch wenn später alle Beamtenclassen an dem Segen betheiligt werden, wird doch der erste ungünstige Eindruck nicht mehr fortzubringen sein. Warum veröffentlicht man nicht einen solchen Plan in einem Stück, wie dies bei den ReichsetatS gebräuchlich ist und wie dies jüngst im Handelsministerium dessen neuer Inhaber Herr Brefeld eingeführt Hal? Man würde damit einer parteipolitischen Agitation das Wasser abgraben, die sich, wie der Erfolg zeigt, für ihre Zwecke die bisherige Methode nur allzu gut auszunutzen versteht. * Berlin, 10. September. Bei der Fortsetzung der Be« rathungen der Handwerkerconferenz rief der Absatz HI des 8 83» drs vorliegenden Gesetzentwurfes eine lebhafte Debatte hervor. Dieser Abschnitt lautet im Entwurf: „Richtet sich die Beschwerde gegen die Errichtung einer Innung für ein bestimmtes Gewerbe oder gegen die Zuweisung eines Gewerbes zu einer kür mehrere Gewerbe zu errichtenden Innung: oder gegen die Einbeziehung eines Ortes in den Bezirk einer Innung, welche in einem anderen über 10 kni entfernte» Orte ihren Sitz hat, so kann ihr schon dann stattgegebcn werden, wenn sich berausstellt, daß der angefochtenen Anordnung die Mehrzahl der dabei beiheiligten Gewerbetreibenden widerspricht." Uebereinstimmend wurde diese Bestimmung von den Confereuztheilnehmern bekämpft, da sie den Plan einer umfassen, den Organisation durchlöchere. Die Conserenz lehnte einstimmig den Ab schnitt III des 8 83a, ab. In dem folgenden 8 84 (Ausgaben der Innung) wurde auf Antrag Voß (Hamburg) hinzugefügt, daß zu den Aufgaben der Innung die Förderung der gewerblichen und wirthschasllichen Interessen ihrer Mitglieder gehöre. Ter 8 84o wurde in folgender Fassnng angenommen: „Die Jnnnngsversamm- lung kann aus Vertretern bestehen, wenn die Innung 500 oder mehr Mitglieder zählt". Die Regierungsvorlage lautet: „Die Jnnungsvcrsammlnng muß aus Vertretern bestehen, wenn die Innung 200 oder mehr Mitglieder zählt". Ohne Debatte wurden an 8 844 (Aufgaben rc. der Junnngsversammlung) folgende Aende« rungen vorgenommen: Ziffer 5 lautet nur noch: („Der Jnnungs- Versammlung muß Vorbehalten bleiben:) . . . „5) Der Erlaß von Vorschriften zur näheren Regelung Les Lehrlingswesens". Neu eingesügt wurde als Z ffer 9: „Der Erlaß von Vorschriften über die Ablegung von Gesellen- und Meisterprüfungen. Tie hierauf be züglichen Beschlüsse bedürfen der Genehmigung der Handwerkerkammer". Ebenfalls ohne Besprechung wurde 8 84x in folgender Form gutge- heißen: „ Sä m mtliche Mitglieder des Vorstandes und der Ausschüsse müssen das Recht zur Ausbildung von Lehrlingen besitzen." Die Bestimmungen über den Gesellenausschuß der Innung wurden ohne wesentliche Aenderungen gutgeheißen, dagegen wurde die Be stimmung des 8 86a gestrichen, wonach die höhere Verwaltungs behörde vorläufig das Jnuungsslatut erlassen soll. Abgelehnt wurde auch der Absatz I Les 8 86b, welcher bestimmt, daß Beschlüsse der Innung über Errichtung von Schiedsgerichten zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen JnnungSmitgliedern und ihren Gesellen (Gehilfen) und Arbeitern sowie von Krankenkassen, auf welche die Vorschriften des 8 73 des Krankenversicherungsgesetzes zutreffen, der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde be ¬ dürfen sollen. Ter 8 87 wurde in folgender Fassung be schlossen: „Die aus der Errichtung und der Thätigkeit der Innung (die hier folgenden Worte: „und ihres Gesellenaus- schusjes" werden gestrichen) erwachsenden Kosten sind, soweit sie aus den Erträgen des vorhandenen Vermögens keine Deckung finden, von den Znnungsmilgliedcrn aufzubringen". Im Uebrigen bleibt dieser Para-raph unverändert, nur wird hinter den ersten Absatz noch eingesügt: „die Bestimmungen über die Deckung der Kosten für den GejeÜenausjchuß erläßt der Jnnungsvorsland gemeinschaftlich mit dem Gesellenausschuß". — Ter Antrag Voß, betr. obli- gatorische Heranziehung der Großindustriellen zu den Kosten der Wohlsahrtseinrichtungen der Innungen, wird an genommen, ebenso eine Resolution, in der an die Regierung das Ersuchen gerichtet wird, die Frage einer erneuten, gründlichen Prüfung zu unterziehen. Ter Centralausjchutz des Innungs verbandes beantragte ferner, in 8 88a (Schließung der Innungen) folgende Sätze zu streichen: (die Schließung einer Innung kann erfolgen, wenn:) „ 2) Die Innung, wieder ¬ holter Aufforderung der Aufsichtsbehörde ungeachtet, die Erfüllung der ihr durch 8 84 gesetzten Ausgaben vernachlässigt — 3) wenn die Innung sich gesetzwidriger Handlungen oder Unterlassungen schuldig macht, Lurch welche das Geineinwohl gesährdet wird, oder wenn sie andere, als die gesetzlich zulässigen Zwecke verfolgt". Obermeister Faster (Berlin) wies in der Begründung des Antrages auf Streichung dieser Stellen darauf hin, baß man doch nicht Innungen mit obligatorischem Charakter aus diesen Gründen schließen könne. — Gehet mrath Sieffert stimmte dem zu und be merkte, daß man bei Abfassung der bemängelten Absätze 2 und 3 die Gefahr vor Augen gehabt habe, daß einmal die Mehrheit in einer Innung socialdemokratisch sein und Beschlüsse fassen könnte, welche das Gemeinwohl gefährden. Er erklärte sich mit dem Vorschläge des Centralausschusfes einverstanden, an Stelle der Ziffern ? und 3 einen Satz zu genehmigen, daß für solche Innungen, welche dauernd ihre Pflichten verletzen, von der Auf ¬ sichtsbehörde eine zwangsweise Verwaltung durch einen Commissar angeordnet werden kann. Die Versammlung erklärte sich ebenfalls damit einverstanden. In Verfolg dieser Aenderung muß der letzte Absatz des 8 88a, lauten: „Gegen die, die Schließung aus sprechende oder zwangsweise Verwaltung anordnende Verfügung findet der Recurs statt . . ." ?c. Hierauf ging die Conferenz zu der Bcrathung des Abschnittes L der Vorlage (Handwerks» ns- jchüsse) über. 8- 89b Absatz 2 wurde wie foigt sestgestellt: (der Handmerkerausschuß besteht ans: „... 2) Vertretern der im 8 82b Absatz I und 2 bezeichneten Handwerker des Bezirks, welche eines der in 8 82 auigesührthen Gewerbe betreiben und einer Innung angekören, deren Sitz außerhalb des Bezirks des Handwertcraus schusscs liegt." (N. A. Z.) L. Berlin, 10. September. (Privattelegramm.) Der General-Postdirector des russischen Reichs General von Pctross ist aus der Rückkehr von der Telegraphenconserenz in Pest gestern hier eingetroffen und hatte beute Vormittag auf dem Reichs-Postamt eine Besprechung mit Or. von Stephan. — Der Münchner „Allg. Ztg." wird von hier gemeldet: „In den hiesigen maßgebenden Kreisen ist man vom Verlaus des Zarenbesuchs durchaus befriedigt. Derselbe bat allen Erwartungen voll entsprochen und wird auf die russisch deutschen Beziehungen, sowie auf die Gestaltung der gesammten internationalen Lage nicht ohne günstige Einwirkung bleiben. Es wird bestätigt, daß der Zar seiner besonderen Genug thuuuz über die Beendigung der Wirren auf Kreta Ausdruck verlieh." — Der Reichsgerichts-Präsident a. D. und ehemalige Reichstags-Präsident vr. v o n S i in s o n ist aus Schlangen bad in Berlin wieder eingetroffeu. Der greise Herr befindet sich laut der „Nat.-Ztg." im besten Wohlsein. — Der Berliner Arbeitervertrcter-Vereiu hat beschlossen, dahin zu agitiren, daß die Heilstätte für Lungen kranke am Grabowsee ausschließlich der Berliner Arbeiterschaft, den Mitgliedern der hiesigen Krankencaffen zu Gute kommt. Stimmt der Beschluß mit dem socialoemo kratischen Gleichbeits-Ideal überein? — Aus der schon erwähnten Rede Auer's in einer hier abgehaltenen socialdemokratischen Parteiversamm lung sei noch folgende Stelle mitgetheilt: Die Berliner und Hamburger Genossen seien, das werde aus dem Bericht des Ausschusses diesmal mehr wie sonst hervor gehen, die einzigen finanziellen Stützpuncte der Partei, deshalb sollten die hiesigen Genossen bestrebt sein, für eine energische Vertretung zu sorgen, die den Genossen aus der Provinz gehörig den Standpunct klar machen könne. ES seien in manchen Orten Zustände eingerissen, die sich auf !die Tauer nicht aufrecht erhalten ließen. Man sollte es gar nicht für glaublich halten, daß größere Städte nicht einmal ihr Parteiblatt ans eigenen Mitteln erhalten könnten. So stünden die Tinge in Breslau, Köln und einer ganzen Reihe anderer Städte (hört, hört!), die stolz darauf seien, eine socialdemokralische Vertretung im Reichstage zu besitzen' — Ter Reichstagsabgeordnete Kammergerichtsrath Hugo Schröder (freij. Vereinig.) hat, wie die Kreuzztg." vernimmt, seine Entlassung aus dem Justizdienst nachgesucht und tritt am 1. Oktober d. I. in Len Ruhestand. — „Genosse" Ledebour, politischer Redakteur des „Vorwärts", veröffentlicht im „Vorwärts" eine Er klärun g, m ver es heißt: > „Meine Stellung in der Redaktion des „Vorwärts" habe ich selbst gekündigt, und zwar bereits am 1. Juli zum 1. Lctobcr, folglich längst, ehe sich die Debatte über die Quarck'schcn Vor schläge entspann. Mein Austritt aus der Redaction Les „Vor- I wärts" hat also gar nichts mit diesem Conslict zu schaffen. Was Feuilletsn. Moderne Historiker. Zum 4. deutschen Historiker-Tage, II. bis 14. September. Von vr. Hans Hasselkamp. ^Nachdruck verboten.) Mit Ranke und seinen großen Schülern — Waitz, Giesebreckt, Sybel w. — mit Droysen und Treitschke ist nicht allein eine Reihe großer Historiker dahingegangen, eine Epoche unserer Geschichtswissenschaft hat mit ihnen ab geschlossen. Die Weltbistorie sowohl als unsere vaterländische Geschichte waren eigentlich bis ins erste Viertel des 19. Iahr- bunverts eine terra iucojzuita. Nur dilettantisch batte man sie zu bebandeln versucht. Ein Forscher, wie Niebuhr, der festeren Boden gewann, war eine ziemlich vereinzelte Aus nahme. Da legte Ranke die Methode der historischen Quellenkritik fest und öffnete damit einen gangbaren und sicheren Weg. Eine unvergleichliche Zeit frischer Arbeit be gann, bald war ein guter Grund gelegt, und auf diesem Grunde erhoben sich große Werke: Waitz baute seine ini- ponirende „Deutsche Verfassungsgeschichtc" auf, Giesebrecht wagte sich an die bis dahin ganz verkannte „Geschichte der deutschen Kaiserzeit", Sybel schrieb seine „Geschichte der französischen Revolutionszeit". Diese Epoche der großen Werke liegt hinter uns. Die Geschichtswissenschaft ist in ein Zeitalter der Specialisirung eingetreten. Wenn wir daS Bild gebrauchen dürfen: in den Berg der Geschichte sind schier zahllos« Stollen getrieben worden und werthvolles Metall förderten sie zu Tage — aber Niemand kann sich mehr in dem Labyrinthe von Stollen und Gängen zurcchtsinden. Eine Erscheinung wie die Ranke'S, der das ganze gewaltige Gebiet der Geschickte übersah und productiv beherrschte, ist heute schlechterdings unmöglich; man bat bereits scherzend, aber nicht ohne Bitterkeit gemeint, dem nächst würden wohl Lehrstühle für die deutsche Geschichte des 12. oder die französische de« 16. Jahrhunderts errichtet werden müssen. Vor einigen Jahrzehnten noch vermochte ein Historiker sich bei entsprechendem Fleiße wohl des in unseren „Monuments Germaniae" ausgrhäuften OuellenstoffeS zu bemächtigen; heute, wo sie zu einer Bibliothek angewachsen, wo die frühmittelalterlichen Quellen, die Todtenbücher, die Kaiser-Urkunden rc. in sie ausgenommen sind, ist das kaum mehr angängig. Und gilt daS von der mittelalterlichen Geschichtsforschung, die sich angesichts der Dürftigkeit ihres Quellenmaterials auf die Kritik des Richtigen beschranken muß, um wie viel mehr erst von der neueren Geschichte, der daß Material massenhaft zuströmt und daher auch die Kritik deS Wichtigen obliegt. Allerdings sind durch diese Ent wickelung Specialforscher berangebildet worden, die ihr Gebiet in kaum noch zu übertreffender Weise beherrschen. So ist Gustav Schmoller im Reiche der branden burgisch-preußischen Wirtbschaftsgesckichte souverainer Meister. Dietrich Schäfer übersieht die hansische und skandinavische Geschichte vollkommen. Die von unserem verehrten Altmeister Wilhelm Wattenbach begründete Wissenschaft der Diplomatik und Urkundenlehre erfreut sich in Harry Breßlau eines hervorragenden Kenners. Aber die Gebiete dieser Gelehrten muffen im Hinblicke auf die heutige Lage der historischen Wissenschaft schon al- sehr groß bezeichnet werden. Tie größte und wesentlichste Errungenschaft der modernen Geschichtsforschung, die Methode der Quellenkritik, hat bei dieser neueren Entwickelung freilich nicht gelitten, sie ist viel mehr immer kunstvoller und sicherer ausgebildet worden. Der Laie, dem bei den naturwissenschaftlichen DiSciplinen die fremden Kunstausdrücke als Zeichen der technischen Arbeit sofort ins Auge fallen, ahnt gewöhnlich nicht, ein wie feines und schwieriges Instrument diese historische Methode ist. Man muß immer bedenken, daß es die Historie nur tbeilweise mit den Actis, dem Geschehenen, meist mit Relatis, dem Berichteten, zu thun hat, daß sie nur sieht, wie sich die Dinge in einem menschlichen Geiste spiegelten, und auS diesem Spiegelbilde die Anschauung der realen Vorgänge gewinnen soll. Da hat sich denn ein höchst geistreiche- und präciseS System der praktischen Psychologie, der Vergleichung und der Eontrol« entwickelt, da- vielfach unsere historischen Anschauungen ganz über den Haufen geworfen hat. Seit dem die llnglaubwürdigkeit Lambert'- von HerSfeld er wiesen ist, auf besten Chronik früher die Geschichte Kaiser Heinrichs IV. im Wesentlichen aufgebaut wurde, bat sich unsere Auffassung von diesem Fürsten ganz erheb lich zu seinen Gunsten verändert; und vom Bußgange nach Canossa hat ja Delbrück behauptet, er habe vielleicht politisch eine Niederlage, diplomatisch aber einen Triumph Heinrichs bedeutet, da dem Papste durch die erzwungene Absolution des Kaiser- die in sicherer Aussicht stehende Möglichkeit genommen wurde, über die Geschicke Deutschland- als Herr zu verfügen. Diese unterirdische kleine Arbeit, deren Einzelergebnisse so unscheinbar sind und zuweilen fast ein spöttische- Lächeln beransfordern, bat allmählich unsere ganze Idee von der Cultur deS Mittelalters umgcstaltet und u. A. jene merk würdige Abwesenheit des WabrbeitSbegriffeS in dieser Epoche sestgestellt, die sich darin ausspricht, daß bockangesebene Bischöfe und Aebte unbedenklich Urkunden fälschen oder Chronisten die von ihnen zu schildernden Ereignisse ganz einfach in Berichte aus Cäsar oder Suetoe kleiden. Diese selbe Kleinarbeit hat gezeigt, daß man dem vorjenaischen Preußen Unrecht gethan hat und daß in ihm bereits viele der Reformen in Angriff genommen und gefördert waren, die eine einseitige Betrachtungsweise bis dabin aus schließlich dem Werke der Stein und Hardenberg hatte zu schreiben wollen. Dieser glänzenden Ausbildung ihrer Methode verdankt es die Geschichtswissenschaft, daß sie so recht in den Mittelpunkt der Geisteswissenschaften getreten ist, den bis dahin die Phi losophie eingenommen batte. Ein reicher Kranz von Zweig wissenschaften umgiebt beute die Mutter Historia. Auf dem Gebiete der Rechtsgeschichte hat Otto Gierke mit ganz seltenem Verständnisse für das Leben des socialen Körpers die Geschichte der deutschen Genossenschaft klargestellt, Heinrich Brunner mit echt germanischem Gefüble für geschichtliche Entwickelung seine große „Deutsche Necktsgeschichte" aufzubanen begonnen, Stölzel die vielerörterte Reception des römischen Rechtes als eine Folge des Bankerottes des deutschen Rechts im 13. Iabrbnndert erwiesen. In der Kirchengeschichte wendet ein Forscher wie Adolf Harnack die historische Methode auf die alten Urkunden deS ChristenthumS an. Die historische National-Oekonomie hat einen ungemeinen Aufschwung ge nommen; neben Schmoller und Brentano ist hier vor Allem G- F Knapp in Straßburg zu nennen, der in seiner Geschichte der Bauernbefreiung in Preußen eine seltene Fähigkeit er wiesen hat, verworrene Vorgänge zu klarer Anschauung zu bringen. Die Kunstgeschichte endlich ist eigentlich erst durch die Anwendung der bistorischen Methode, besonder- durch Anton Springer's Vorgang, zu einer exakten Wissen schaft geworden, und Iusti hat in seinem schönen Werke über Velasquez gezeigt, wie man scharfe geschichtliche Kritik mit feinstem künstlerischen Empfinden vereinigen kann. So weisen sich bis zum heutigen Tag überall die stillen, aber höchst bedeutsamen Nachwirkungen der großen Entdeckung Ranke'S. Allerdings bat sie auch manche bedenkliche Folge mit sich gebracht. Extreme Anschauungen haben verlangt, daß die Geschichte ganz Forschung werde und jeden Zusammenhang mit der Kunst löse. Und Thatsache ist jedenfalls, daß die Kunst der Darstellung bei unseren Historikern zurückgegangen ist. Vergeblich sucht man bei ihnen Ranke's attische An muth, Droysen's schneidige Kraft, Treitsckke's monumentales Pathos. Man muß schon zufrieden sein, wenn sie leidlich angenehm schreiben. Unsere Historie ist unpersönlicher ge worden, und wie für ihre Form, so gilt das auch für ihren Inhalt. Denn sie beschäftigt sich weniger denn vordem mir den großen Persönlichkeiten der Geschichte und mehr mit den Zuständen und Einrichtungen. Eine lebhafte Coutroverse bat fick hierüber erhoben; Dietrich Schäfer bat verlangt, daß die politische Geschichte nack wie vor das Rückgrat der Wissenschaft bilden müsse; Eberhard Gothein bat das Neckt einer umfassenden Culturgeschichte im modernen Sinne vcr- theidigt. Man darf Wohl sagen, daß diese Frage durch theoretische Erörterungen nicht entschieden werden kann; jede Zeit schasst sich ihre eigene Geschichtswissenschaft, und unsere Epoche der socialen Frage scheint allerdings an der lange vernachlässigten Geschichte der Einrichtungen und Zustände ein besonderes Interesse zu nehmen. AuS diesem Gedankenkreise ist auch da- bedeutendste ein heitliche Werk unserer modernen Geschichtswissenschaft empor gewachsen: Karl Lamprecbt's „Deutsche Geschichte". Lamprecht ist von der Wirthschaftsgeschichle ausgegangen, die ja von Ranke nur sebr kümmerliche Pflege empfangen hat und erst von K. W. Nitzsch recht begründet wurde. Auf diesen Studien fußend, hat Lamprecht zum ersten Male den Versuch gemacht, die Geschicke des deutschen Volkes in ihrem vollen Zusammenhänge zu entwickeln, wie sie sich in Politik und Kunst, im häu-licken und wirthschaftlichen Leben, in Recht und Sitte vielfältig und doch einbeillich darstellen. Daß ein so kübner Versuch nicht auf den ersten Wurf überall in gleicher Weise glücken konnte, liegt aus der Hand; der Werth deS Werkes beruht aber vor Allem in der Größe und Höbe seiner Gesammtaufsaffung. Sie beweist, daß unsere Wissenschaft auch seit dem Hinscheiden unserer großen Historiker wahrhafle Fortschritte gemacht hat, daß die gegen wärtig eingetretene Specialisirung nur al« ein Vorgang erneuter Befruchtung anzusehcn ist, und daß die moderne Historie die Fühlung mit dem nationalen Leben nicht ein gebüßt bat. In der Gründung der deutschen Historikertage dürfen wir den entschiedenen Wunsch erblicken, zwischen Wissen schaft und Leben gesunde Beziehungen zu erhalten, und in dieser Richtung wirb auch hoffentlich die gegenwärtige Ver sammlung wirken, die in Tirol- alter geschichtSreicher Haupt stadt Zusammentritt
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