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Dresdner Journal : 21.07.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189007218
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18900721
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18900721
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-07
- Tag 1890-07-21
-
Monat
1890-07
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 21.07.1890
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0166. 1890. Montag, dm 21. Juli, abends. kNr Vrviä«» viortalMrrUeL 2 50 kL, txi ä«v äeat»«bsa koit»u»t»ltoo viortsl- jkUrUcU S 11 »rk; »o„erl>»It» äv» äeutivkel» k«iobv» tritt kv8t- unä Ltewpet-ueeU»- Uüun». Liorotos Huwmeru: 10 kk. Xullüuatxuusssvdüdrenr kür äeu kLum eiovr ^eipLlteoso ^lsiovr KvUritt 20 kk. voter „Lu»8S«ui6t" ä^o -." 50 kk. Lei 1»d«Uei»- uoä Ziösrnsütr sutZpr. ^8. Lrsekvtnenr Ht^Ucl» mit ^u»n»Umv ävr Soun- u. ksiertL^s »>.. korvsprsoU-LixeUIll»»: t^r. 1285. Dres-mrAMmal. ^ür die G«samUettun- verantwortlich: ^ofrat Gtto Banck, Professor der L Literatur- und Kunstgeschichte. ro» L»KL»6tx»»x»» »»»^Lrt»r Fr Lranrir^tt«-, Lommi»«l0üLr äv» Ore,äv«r ^ourmÜR; L»»d»rU LsrU» -Vt«a L—l-Lr—I»» rnu^Nu« ». M.! Laaseruitri« «s lo-irr,' S«rUv - Vt«o - SLmdiuU- kr»U L«ip«tU-rr»L^riu1 ». N. NÜLcd«»: ^o«e,' k»rt, Loü«loL -L«rllL -kr»Lkriirt ». N.-8t«tt»»rt: Oa«5« <e Oo., LsrU» ! , Ur«,:»«: Fmii L'abat5, Uoimo vr: (? §e5«tt«ter, L»u» ».8.: Larct <e Oo. llorausxedvrr LSvi^I. Lipsäittov äe» Orssäoer xourviU». vreiUea, 2vivKsrstr. 2V. kervsprocU-^oseU1u88: tir. 1285. Ämtlicher Teil. Se. Majestät der König haben den an Stelle John W Stovall's zum Vice- und Deputy-Handels- agenten der Vereinigten Staaten von Nordamerika zu Plauen i. V. ernannten Oskar Gottschalk aus New- Aork in dieser Eigenschaft anzuerkennen geruht. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische Wachrichten. Molde, 21. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Gestern abend fand an Bord der „Hohenzollern" ein Diner statt, an welchem Prinz Heinrich und die Admiräle Deinhard und Schröder teilnahmen. Heute unternimmt Se. Majestät der Kaiser mit Gefolge eine größere Partie nach Romsdal. Paris, 21. Juli. (Tel. d. Dresdn. Jour::.) Zur Feier des 28. Geburtstages deS Prinzen Viktor Napoleon hielten die bonapartistischen Komitees eine Festversammluna unter dem Vorsitz des Senators Poriquct ab. Ein Danktelegramm des Prinzen, welches verlesen wurde, erklärt, ge- stützt auf die Plebiszite zu Gunsten des napoleo nischen Namens erwarte er ungeduldig den Wahr spruch des Volkes. Madrid, 21. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Streiks in Mauresa dauern fort und man befürchtet, daß sich dieselben auch auf die anderen Städte Kataloniens ausdehnen werden. Die über die Gesundheit deS Königs verbrei teten ungünstigen Nachrichten sind durchaus falsch. Der König und die ganze königliche Familie er freuen sich bester Gesundheit. Sofia, 21. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Wie die „Agence Balcaniqur" meldet, richtete Stambulow an den Großwesir ein Telegramm, in welchem er bat, dem Sultan den Dank der bulgarischen Regierung für dir Regelung der Frage der bulgarischen Bischöfe in Makedonien zu übermitteln und ihn der Unterstützung Bul- aarienS für jeden Augenblick, wo er dies wünschen sollte, zu versichern A lle Zeitungen veröffentlichen Artikel, welche der Weisheit und Billigkeit deS Sultans Anerkennung zollen. Sansibar, 21. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ) vr. PeterS reist heute von hier nach Berlin ab. Dresden, 21. Juli. Zum fünfundzwanzigjährigen Rcgierungs- jubiläum König Leopolds von Belgien. Am heutigen Tage, dem 21. Juli, sind 59 Jahre verflossen, seit König Leopold I. von Belgien seinen feierlichen Einzug in Brüssel hielt und den Eid auf die neue Verfassung leistete, nachdem er von dem Nationalkongreß in Brüssel am 4. Juli 1831 zum Regenten des Landes erwählt worden war. Die großen Verdienste, die sich Belgiens erster König um sein Volk erwarb, sind bekannt. Zahllos waren die Schwierig keiten, die sich ihm bei seinem Regierungsantritte ent gegenstellten, aber mit großem Geschick wußte er ihrer Herr zu werden und als er im Jahre 1865 von dem Schau - platze seiner erfolgreichen Thätigkeit durch den Tod abge rufen wurde, hinterließ er seinem Nachfolger ein Reich, das blühend und nach innen wie nach außen gefestigt war Der ritterlichen, sympathischen Erscheinung ihres ersten Herrschers haben die Belgier stets ein ehrenvolles An denken bewahrt und dieser im gesamten Volke fort lebenden Gesinnung ist es zuzuschreiben, daß der Jahres ¬ tag der Thronbesteigung König Leopolds I. noch heute als ein nationaler Festtag im Lande angesehen wird. In diesem Jahre gestaltet sich der Tag, an welchem König Leopold I. den Eid auf die neue Verfassung leistete, zu einem besonders festlichen: Belgien begeht heute die sechzigste Gedenkfeier seiner im Jahre 1830 begründeten Unabhängigkeit und gleichzeitig feiert das Reich, der Zeit um einige Monate vorgreifend, das 25 jährige Regierungsjubiläum seines am 17. Dezember 1865 auf den Thron gelangten gegenwärtigen Herr schers. Nach den Berichten, die aus der belgischen Haupt stadt über den Verlauf der Feier bis jetzt vorliegen, kann sich König Leopold II. dem freudigen Bewußtsein hingeben, daß er die Liebe und Verehrung seines Volkes in nicht minder reichem Maße besitzt wie sein Vorgänger. Bereits om gestrigen Tage wurde das Nattonalfest unter ungeheurer Beteiligung der Be völkerung in der Landeshauptstadt begonnen. Um 2 Uhr mittags wurden auf dem Square Sablon in Brüssel die Marmorstatuen von acht berühmten Män nern des 16. Jahrhunderts enthüllt und nachmittags fand ein großer historischer Festzug statt, worin auf 5 Festwagen in zahlreichen Gruppen die Kämpfe der vereinigten Provinzen gegen die spanische Gewaltherr schaft dargestcllt wurde. Daß größere pomphafte Fest lichkeiten ihm zu Ehren abgehalten werden, hat Bel giens König abgelehnt; er hat den Wunsch aus gesprochen, daß die dafür bestimmten Summen zu einem wohlthätigen Zwecke verwendet werden möchten; aber auch aus den getroffenen Veranstaltungen wird der König ersehen können, daß die Herzen all seiner Unterthanen ihm in Treue und Liebe entgegcnschlagen. Als ein streng konstitutioneller Monarch hat sich König Leopold II. bei all seinen Regierungshandlungen stets streng innerhalb der Grenzen der Verfassung ge halten. Sein ganzes Bestreben war auf die Förderung des Wohls seines Landes gerichtet und wie sehr seine Bemühungen in dieser Beziehung von Erfolg gekrönt waren, geht daraus hervor, daß Handel und Industrie unter seiner Regierung einen ungeahnten Aufschwung nahmen und Belgien zu einer kommerziellen Großmacht wurde. Durch die Ausdehnung der Antwerpener Hafen anlagen, durch nationale und internationale Aus stellungen, durch zahlreiche Kongresse schuf der König dem Handel neue Bahnen und Ziele. Seine hervor ragendste That auf diesem Gebiete aber war die Gründung des Kongostaates, den er unter großen persönlichen Opfern ins Leben rief. Diese Schöpfung nahm seine Thatkraft voll in Anspruch, schwere finanzielle Sorgen drückten ihn, aber mit un entwegter Entschlossenheit schritt er vorwärts und sieht jetzt sein Ziel gekrönt: Belgien übernimmt den Kongo staat. Eine Anzahl hervorragender deutscher und auswärtiger Blätter widmeten bereits gestern und vorgestern dem belgischen Nationalfeste Betrachtungen, in denen die Verdienste König Leopolds um sein Land ganz und voll anerkannt wurden. Wir geben aus der Reihe derselben im nachstehenden die des Wiener „Fremdenblatt" wieder, welches unterm 19.Julischreibt: Ein glänzender historischer Festzug wird sich mor gen durch die Straßeu Brüssels bewegen und damit beginnen die Feste, welche daselbst aus dreifachem An lässe gefeiert werden. Man hat den 59. Gedenktag des Einzuges des ersten belgischen Königs in die Hauptstadt gewählt, um gleichzeitig auch das 60. Jahr der Unabhängigkeit Belgiens und das 25. Jahr der Regierung des gegenwärtigen Herrschers festlich aus zuzeichnen. Der Ausstand, welcher jener merkwürdigen Vorstellung der „Stummen von Portici" in der Brüs seler Oper folgte, jährt sich erst im August, die Un abhängigkeitserklärung selbst erst im Oktober zum 60. Male und) das Datum der Thronbesteigung König Leopold II. ist der 17. Dezember. Allein man hat de« Tag gewählt, der dem Lande seinen Fürsten brachte und es aus dem gärenden Treiben eines werdenden Staatswesens auf den Boden einer sicheren staatlichen Existenz hinüberführte. Was Leopold I. für Belgien gervesen, welchen Einfluß er durch seine Weisheit auf die Entwickelung auch allgemein europäischer Fragen genommen, weiß alle Welt; sein Volk hat ihm seine Verehrung in einer großartigen Feier kundgegeben, die zum 25jährigeu Regierungsjubiläum veranstaltet wurde. Nun wird auch seinem würdigen Sohne und Nachfolger mit gleichem Gefühle dieselbe Feier be reitet. und obwohl er es abgelehnt hat, daß gerade an seinem Ehrentage pomphafte Festlichkeiten abgehal- ten werden und den Wunsch ausgesprochen hat, die dafür bestimmten Summen mögen einem wohlthätigen Zwecke zugewendet werden, so gelten doch die Kund gebungen des morgigen Tages und der zwei folgen den Tage zum guten Teile der Person dieses edlen Königs selbst. Unsere Zeit zeichnet sich durch eine glänzende Reihe von edlen, pflichttreuen, unermüdlich thätigen Monarchen aus, wie sie schwerlich irgend eine Epoche der Ver gangenheit aufznweisen hat. Das Wort Friedrich des Großen, daß der Monarch der erste Diener seines Staates ist, ist wohl noch nie so umfassend zur Wahr heit geworden, noch nie so tief ernst genommen worden wie eben jetzt. Unter den Namen, welche die Geschichte in diesem Sinne rühmend einzuschrciben hat, wird der des zlveiten Königs der Belgier einen so hervorragenden Platz finden, wie der seines Vaters Leopold II. ist in seinem Privatleben vom Schicksale hart geprüft worden, er hat schwere Schläge erdulden müssen, welche die Teilnahme Europas wachgcrufen haben. Er hat auch manches Unheil über sein Land schreiten sehen, wie die furchtbar ausgeartete Arbeiterbewegung, die vor vier Jahren blühende Gegenden mit Brand und Verwüstung heimsuchte und schweres Elend und arge Verbitterung zurückließ. Aber stets blieb er aufrecht und stets erfüllte er seine Pflicht und immer stand er an der Spitze wahrhaft fortschrittlicher Bestrebungen. Die Aufgabe, die einem konstitutionellen Monarchen zugewiesen ist, ist eine ungemein schwierige. König Leopold II. hat die engen Grenzen, die seiner Initiative durch die Verfassung gezogen sind, niemals überschritten, stets die Gewohnheiten seines Volkes respektiert, das von Unzeiten her die Selbstregierung geübt und gegen jedes Ein griffen in seine Freiheiten sich hartnäckig gewehrt hat. Die Geschichte der südlichen ist so gut wie die der nördlichen Niederlande eine Geschichte unablässigen Einstehens für das Selbstbestimmungsrecht der Städte, der Provinzen, der Gesamtheit. König Leopold II. hat diesen Geist seines Volkes erfaßt und die modernen Formen, in denen er sich seit 1830 ausspricht, ge wissenhaft geachtet. Aber eine so bedeutende Persön lichkeit wie die seinige konnte trotz dieser Zurückhaltung nicht zur Unbeweglichkeit herabgedrückt werden und König Leopold II. hat es verstanden, von dem schmalen Boden aus, der ihm zugemessen ist, anregend und be lebend zu wirken. Nicht nur Künste und Wissenschaften verdanken ihm Fördern:^, sondern auch auf politischem Gebiete war seine kluge Hand allezeit fühlbar. Den Parteien, die mit wechselndem Erfolge um die Herr schaft streiten, wußte er Mäßigung aufzuerlegen und, wenn der Sturm zu hoch ging, einzugreifen, und daß er ein ernster Mahner ist, wo es not thut, ist bekannt. So benützt der König jeden Anlaß, um dem Gedanken Ausdruck zu geben, daß die Einführung der all gemeinen Wehrpflicht eine Notwendigkeit sei, und so sehr sich die gegenwärtige Kammermehrheit gegen diese Einsicht sträuben mag, so wird doch sicherlich dieser Gedanke schließlich obsiegen. Das glänzendste, aber auch mühsamste Werk seines Lebens hat der König in Afrika voll bracht, wo er sich wahrhaft ein Denkmal gesetzt hat für ewige Zeiten. Schon als Kronprinz war er dafür einge- Feuilleton. Spätsommer. Erzühlung von G. Franke. 22 (Schluß.) Da sie lange so gestanden, drang aus der Tiefe ihrer Brust ein zitterndes, stoßweises Wimmern, das mit Gewalt hinausschreien wollte. Ihre Augen blick ten trocken, die fest ineinander geschlagenen Hände hoben sich krampfhaft gegen die Brust empor. Nun kam der Waldwart wieder, einen Kübel mit eiskaltem Ouellwasser, dar hinter dem Hause aus dem Gestein sprudelte, mühsam hereinschleppend, und die Frau begann ihr Samariterwerk Die sicheren Hände, die nicht mehr bebten, breiteten kühlende Tücher über die . keuchende Brust, das glühende Haupt des Kranken. Unermüdlich, mit zäher Kon sequenz, fast ohne Hoffnung auf Gelingen und doch die ganze Kraft ihres stählernen Willens einsetzend, begann sie den Kampf mit der dunklen Gewalt, die den Mann darniedergeworfen und sein blühendes Leben zerstören wollte. Keiner ihrer Gedanken wagte sich über die Gegenwart hinaus. Die bleischweren Stunden, die Tage, die furchtbaren Nächte, deren zaudernder Schritt die Turmuhren aus der Stadt eine nach der anderen maßen und in die der grelle Hahnenschrei wie ein Ruf dcr Erlösung tönte, sie schlichen dahin, ohne daß sie auf ihren Posten wankte Sie hatte einen zuverlässigen Beistand an dem Forst wart, der seinem Herrn mit der Treue eines Hundes anhing. Seinem Zureden gelang es zuweilen, die Pflegerin zu kurzen Ruhestunden zu bewegen, in denen er sorgsam und gewissenhaft ihren Platz ein nahm. Doktor Reinhaus kam häufig, und wie sehr er sich auch bemühte, seine Besorgnis vor ihr zu ver bergen, sein ernstes, ehrliches Gesicht sagte ihr nur zu deutlich, daß die Gefahr im Steigen begriffen. Als der kritische fünfte Tag vorübergcgangen, ohne eine Entscheidung zu bringen, der Arzt sie am Abend kopfschüttelnd und achselzuckend verlassen und die end lose Nacht wieder vor ihr lag, da schmolz zum ersten Mal ihre Kraft, ihr so tapfer bewahrter Mut dahin. Fassungslos sank sie vor dem Bett in die Kniee und preßte ihre Lippen mit verzweiflungsvoller Inbrunst auf die herabhängendc, heiße Hand des Verloren gegebenen. „Stirb nicht, Viktor!" flüsterte sie mit erstickten Lauten. „Strafe mich nicht so hart für meinen Irr tum !" Seine Hand zuckte empor und legte sich auf die Bettdecke; er wandte ein wenig das Haupt. Fast war es ihr, als wenn sein Blick sie mit oem Ausdruck des Verständnisses gestreift — nur einen kurzen Augen blick. Ein Lächeln ging ergreifend über feine Züge, gleich aber erstarrten sie wieder in der alten Te:l- nahmlosigkeit. Gegen Morgen hockte Ingeborg auf des Vogts Bitten ein wenig im Nebenzimmer geruht. Erquickt erwachte sie und sah den Sonncnglanz und die Waldespracht, die sie so lange entbehrt, durch das unverhüllte Fen ster Da hob ein tiefer, erlösender Atemzug ihre be drängte Brust, und leise stahl sich ein Hoffnungs schimmer in ihr Herz. Sie eilte an Viktors Lager und spähte eifrig durch das Halbdunkel in seine Züge. Er schien in ruhigem Schlummer zu liegen, sanfte Atemzüge hoben seine Brust, Haupt und Hände brann ten nicht wie vordem. Sie wagte noch nicht, sich der schmeichelnden Hoff nung hinzuaeben, und doch hoffte sie, dem Warnen des Verstandes und der Erfahrung zum Trotz, mit der Inbrunst, der unerschütterlichen Zuversicht der Liebe. Mit freudig klopfendem Herzen that sie heute ihre Morgenarbeit. Sie streifte die Ärmel auf, daß die vollen Arme in ihrer prangenden Schönheit leuchteten, und nahm mit einem in Wasser getauchten Tuch den Staub von den Dielen. Ihre Wangen röteten sich von der Anstrengung. Ein weißes, zierliches Morgen häubchen gab der fleißigen Schaffnerin einen haus fraulichen Anstrich, in dem ihr Mädchengesicht desto lieblicher erschien. So vertieft, bemerkte sie nicht, daß der Kranke den Kopf gewandt und die halb geöffneten Augen auf ihr ruhen ließ Müde, als umfinge ihn noch ein Traum, folgten seine Blicke ihren vorsichtig jedes Geräusch ver meidenden Bewegungen. Nun hatte sie sich während ihrer Arbeit dem Lager immer mehr genähert und sah endlich, vor diesem knieend, empor. „Ingeborg!" flüsterte er da, und ein Lächeln voll ungläubiger, träumerischer Seligkeit durchleuchtete sein blasses Antlitz, „bist Du'S?" Und er streckte mühsam beide -Hände nach ihr aus. Sie war auf ihre Füße emporgeschnellt. Unbe zwingliche Rührung zitterte durch ihre Brust und treten, daß Belgien, so kurz seine Küste auch ist, doch über seeische Beziehungen sich eröffnen müsse. Ein Staat, der einen Hafen wie Äntwerpen und eine so blühende Industrie besitzt, ist in der That berufen, eine Rolle auch jenseits der Meere zu spielen. König Leopold übernahm es, auf eigene Faust seinem Vaterlande einen großen Kolonialbesitz zu erwerben. Er machte Brüssel gleichsam zum Mittelpunkte der Thätigkeit zur Er forschung des dunklen Weltteiles, indem er eine internationale Gesellschaft zu diesem Zwecke gründete, und er hatte den Mut, das von Stanley entdeckte Kongogebiet, das die Berliner Kongokonferenz in die Reihe der Staaten stellte, unter seine Souveränität zu bringen. Was Belgien nicht zu thun wagte, wagte er, der König allein. Mit seinen persönlichen Geldmitteln legte er den Grund zum Kongostaate und hielt ihn aufrecht, und erst im Laufe der letzten Wochen ist der Beschluß gefaßt worden, der die Übernahme der Kolonie durch das Königreich selbst nach dem der- einstigen Ableben des königlichen Gründers sichert. Vielleicht wird erst ein künftiges Geschlecht ganz die Größe des Geschenkes ermessen, das Leopold II. unter unendlichen Sorgen und mit schweren Opfern heran gedeihen läßt und seinen: Lande darbringt. Als Mehrer des Reiches wird ihm die Zukunft Denkmäler setzen und ihn, wenn einmal das große afrikanische Land die reichen Früchte tragen wird, zu denen er die Saat gestreut hat, feiern, wie die Portugiesen ihren Heinrich den Seefahrer. Seit sechzig Jahren steht nun Belgien als König reich auf eigenen Füßen, eines der betriebsamsten Länder Europas, eine industrielle Großmacht und zu gleich ein Sammelplatz und Museum einstiger und eine Heimstätte zeitgenössischer Kunst. Allerdings fehlt es im Lande nicht an heftigen Parteikämpfen, die durch den Hinzutritt der sozialen Bewegung noch ver mehrt und verschärft worden sind. Aber gerade im Hinblicke auf diese Kämpfe werden es die Belgier als einen Segen empfinden, daß an ihrer Spitze ein König tum steht, welches ausgleichend wirken und in Augen blicken ernster innerer Gefahr mit einem entscheidenden Worte hervortreten kann. Das Kapital an Liebe und Verehrung, welches für den König sich angesammelt hat im Laufe der 25 Jahre und das er auch schon als Erbschaft seines Vaters überkommen hat, ist ein Schatz, der dem Lande selbst zu gute kommt und aus dein es zum Besten des Volkes in schweren Mummten schöpfen kann. Es ist bezeichnend, daß, als Belgien seine Unabhängigkeit schuf, die erdrückende Mehrheit des Landes, obwohl es sozusagen noch heiß aus der Revolution kam, sich für die monarchische Regieruugs form aussprach. Dieses Glaubensbekenntnis, welches damals abgegeben wurde, hat sich seither unter zwei hervorragenden Fürsten noch vertieft, und die belgische Dynastie ist, vereinzelten Agitationen zum Trotz, fest gewurzelt, als wäre sie seit Jahrhunderte:: mit dem Lande verwachsen. Sie hat sich in dcr Vorstellung des Volkes identifiziert mit der Unabhängigkeit des Landes, und so ist es allerdings von tieferer Bede:: tung, daß das dynastische Fest und das Unabhängig keitsfest an denselben Tagen gefeiert werden, als etwas eng Zusammengehöriges. Es hat auch seine Bedeu tung, daß die Erinnerung an Leopold I. sich mit den Kundgebungen für Leopold II. vereinigt, denn in der That sind beide Regierungen von demselben Geiste er füllt, sind Vater und Sohn als edle, weise und hoch gebildete Monarchen den: Laude in gleicher Weise teuer. Tagesgeschichte. Dresden, 2l. Juli. Se. großherzogliche Hoheit Prinz Maximilian von Baden ist gestern abend 7 Uhr 33 Minuten nach Berlin zurückgereist. schnürte ihr die Kehle zu. Voll Verwirrung tauchte sie ihre Finger, die von der niederen Arbeit beschmutzt waren, in eine Schale mit Wasser, trocknete sie lang sam und reichte sie ihm zögernd hinüber. Herzhaft biß sie die Zähne zusammen. Die plötzliche Freude erschütterte ihre Standhaftigkeit mehr, als Angst und Qual vermocht. „Ich bin's!" flüsterte sie und wollte sich abwenden, „doch schlaf, schlaf!" Aber sein durchdringendes Auge, das der Tod, der so nahe an ihm vorübergegangen, in fremden, geheim nisvollen Glanz getaucht, hing mit verzehrender Frage an ihr „Und bleibst Du nun bei mir, Ingeborg? Immer?" kam es leise und dringend von seinen Lippen. Sie nickte, unfähig zu sprechen, und die Bewegung durchzuckte ihr Gesicht. Doch da sie sah, wie himm lische Heiterkeit auf das welke Antlitz des Geliebten den Schein neuaufblühender Jugend zeichnete, konnte die starke Ingeborg nicht an sich halten. Die lange zurückgedrängten Fluten stürzten aus ihren Augen, sie benetzten seine Hand, auf die sie ihre Lippen in heißen Küssen preßte. Sie stammelte DankeSworte, Selbst anklagen, Gelübde, die für ihn den Himmel bedeuteten. Er wollte sie emporziehen, aber die Bewegung erpreßte ihm ein schmerzliches Stöhnen. Da besann sie sich, an wie dünnen Fäden sein kaum gerettetes Leben hing. Gefaßt stand sie auf, küßte ruhig seine Stirn und setzte sich dann auf den Rand des Bettes, seine Hände fest in den ihren haltend. Nun ruhten ihre Augen lange ineinander und sprachen aus, was die Lippen nicht sagen dursten. „Mache Licht!" bat er nach einer Weile, „daß ich
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