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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930426010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893042601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893042601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-04
- Tag 1893-04-26
-
Monat
1893-04
-
Jahr
1893
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Vezugs^prel» ß, tz« Hanptrxpeditton oder de» kn Stadt« d,,,rk and den Vororten errichteten Au»- destellen abgeholt: merleliäbrlich^ls.öO, täglicher Zustellung tos Morgen-Ausgabe. -an« » ü.SÜ. Durch dir Post bezöge» für TruNchlaod und Oesterreich: viertel,ädrlich L—. Direkte tägliche Knuzbondienduug int Lutlaud: monatlich 7chl>. TieMorgrn-Ausqad« rrschriut täglich'/,? lUt^ die didead-Ausgabe Wochentag- d Uhr. Krdarlion ««> Lr-edittoa: Aodanne-goste 8. Tie krvedittoa ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet voa früh 8 dt- Abend- 7 Uhr. /Males: Ltt, -le««» Tortim. «Alfred Hatz«)» Uaiversität-stratze I« Lauts Lösche. flathariaeastr. 1-, pari. und -Snigsplatz 7. <MM LlWblalt Anzeiger. Drgnn für Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd Geschäftsverkehr. Anzeigea«Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactionsstrich <4ge» spatten) ÜO-^, vor de» Kamiiiennachrichtro <6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifferajatz nach höherem Tarif. Vrtra-Vrilagkn (gefalzt), nur mit de« Morgen - Au«gabr . ohne Poslbesörderuu- 60-, mit Postdrsorderuug » 70.—. Annalimeschluß für Anzeigen: Adend-Au-gab«: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtag- früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stund« srüh«r. Anzeige» sind stet« an di« Erprstttan zu richten. Druck und Verlag von S. Polz ta Leipzig. ^°21V. Mittwoch dm 26. April 1893. 87. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekarmlmachuni. Dir haben beschlossen, da- Ranftschr »Stzchrn künftig Ranftschr INassr z» benennen, sowie der Straße 22 der Sellerhauser Bebauung-. Plans, nördlich der Wurzrner und südlich der Ttfendahiiftrafjr, de» Namen Annrn-Ttratzr, der Straße ^ de- Bebauungsplan» de« Herrn Haitisch in Leipzig- flnqer-Crottcndorf, voa der Zwritiauudorfcr Ltratzr nach Norden führend, den Namen Wörth-Straße, der Straße 8 desselben Bebauungsplanes, ebenfalls von der Zwei- muindorser Straße abzweiaend, den Namen Weißenburs-Ttratze beizulegen Leipzig, den 20. April 1893. Der Rath der Stadt Leipzig. I». 148Ü. vr. Georgi. iLichoriuS. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Räume bleibt die groß« Rath-stub« Rtontag, den 1. Mat d. 2»* geschlossen. Leipzig, den 24. April 1893. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. GrSffrl. Plah-Vtrpachluna. berliner Ltraße Rr. 38 D» an der Berliner Strotze Rr. 38 gelegene, der Stadb gemeinde gehörige und z. Zt. von Herrn Tteimiietzineisler Hermann Hempel pachiweiie benutzte Bauplatz von 978 gm FUchciigehalt, ,-doch mit A»»schlntz eines davon an der Südweslseite a>S Zu gang zur Parlhe für Zwecke der städtischen Verwaltung vorzu- dedaltenden 6 m breiten Streifen-, soll z»r Brittttzittlg als Werk- oder Lagrrpiatz vom 1. Juli dtcsrS Iahrrs an gegen dtcrtrl- jährtge itünsigung anderweit verpachtet werden. Tie Lervachlungsbedingunaen können auf dem Raihhailse, l. Singe, Zimmer Nr. 8, enigesehea werden. Daselbst werden au» Pachtaesuch« entgeoenaenommcn. Leipzig, den 1». April 1893. Der Rath der Stadt Leipzig. »ruml I». 1493. ,kd 2 vr. Georgi. »rumblegel. t wird der am 19. Februar 1863 in Haßleben geboren« Handarbeiter »dann Wilhelm Leftger, welcher zur Fürlorge fllr feine hier der öffentlichen Armenpflege anheimgeiallene Familie anzuhaiten ist. Leipzig, am iS. April 18S3. Der Rath »er Stadt Leipzig. Armcnamt, Abth. N. >. kt. VII, Nr. 105». I. «. Res. vr. Polster. Mllr. Bekanntmachung. Die Leuchtkraft de» stäptische» Leuchtgases betrug in der Zeit vom 17. dis 23. April d. I. im ArganLbrenner bet 150 Litern sümdtichcm Lonsum das 18^isache der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von SO Millimeter Flaminendöde. TaS specifische Gewicht stellt sich im Mittel aus 0,442. Leipzig, am 24. April 1823. Le» Raths Depntattan zu den Gasanstalten. Bekanntmachung. Der Waldpflanzeuderkaus in de« ftidttsche« Revieren wird mit End« diese« Monat- geschloffen. Leipzig am 24. April 1893. Des Rath» Forstdeputattan. Bekanntmachung. Sannadend, de« 2S. April o., von Norm. 10 Uhr an soll Im Geschäftszimmer des Proviant-Amtes zu Leipzig, Plrlßenburg, Thurin- twus 2 Stock, eine Partie Raggentlrie, Artzrmrhl, basrrspreu, Lalzsacke, 2 Hauddruckspritzeu rc. öffentlich an den Meislbielenden gegen josorttg« Baarzahiung verstttaert werden. Leipzig, am 22. April 1823. königliche« Pravtanl-Amt Mein Austritt aus dem Jesuitenorden. «»» Graf Paul voa Hoeusbratch. (Schluß.) 2) Di« Unterdrückung der Individualität im religiös-asketische» Leben. Der Verfasser stellt nunmehr die „Tzercttien" dar. deren fortwährende Uebung die Individualität im religiös-asketischen Leben unterdrückte, und deren genau« Anwendung all der Höhe punkt echter Frömmigkeit überhaupt angesehen wird. Sr fährt daun fort: Hand in Hand mit den Exercitien geht als zweite« srbr energische» Mittel, dir individuelle Frömmigkeit durch die jesuitische zu ersetzen,dir sogenaunteGewissensrechenschast Wenn irgend etwa« zum Wesen des Jesuitenordens gehört so dieses; und wenn irgend etwas einen wirksamen Angrif aus religiöse Selbstständigkeit enthält, so gleichfalls diese-. Was ist die GewissenSreckenschaft? Wie wird sie geband habt? Kurz gesagt ist die GewissenSrechenschast die ruckhalt lose Aufdeckung de- Innern, die ber Untergebene seinem Obern oder dessen Stellvertreter zu mache» hat. Der fü»str Iesuitrn- qcneral, Aquaviva, hat rrne eigene Instruktion erlassen, wir uud worüber die GewissenSrechenschast abzulrgen ,st. Drei zehn Punkte sind es, welch« dort aufgezählt werden, und diese treizedn Punctr, die den Inhalt der Aewissen-rechen scbalt bilden, umfassen da« gesammte inner« Leben de« Menschen bis in seine äußersten Verzweigungen Regungen: Fehler und Sünden, Tugenden und gut» Werke. Neigungen und Wünsch«, Absicht« und Bestrebung»«, Wort«. Handlungen, Gedanken. Was dir Beichte ist, weiß ieder Katholik, wissen viel« Protestanten. Wie sehr sie eingretst in da« menschliche Innere, welche Anforderungen fle oft stellt au dir Selbstüberwindung braucht deshalb nicht erwähnt zu werden. Aber di« Beichte ist nicht« im vergleich zur jesuitischen Gewissensrechrnschaft In der Beichte erblickt der Katholik «in Sakrament, d. h. rin, Anorknuna Gott«», diesem höchsten Wille» fügt erlich; di« j«sui- l.sch« Ga»,fsend,«ch»fch«ft tstemerttN »«schlich« v«r«i ' Boi der Beichte bilst über das Schwere der Selbstcröffnung das Bewußtsein hinweg, daß daS Bckennlniß begraben liegt unter dem Siegel des SacramentS, daß nie und unter keinen Umständen weder direct, noch indirect Gebrauch gemacht Werken darf von dent in der Beichte Anvcrtrautcn. Bei der csuitischen Gewissensrechrnschaft seblt nicht nur diese Gewähr, entern der Jesuit weiß, daß der Obere, dein er sich zu er öffnen hat, von dieser Eröffnung Gebrauch machen wird „zum Nutzen VcS Ordens"; daß also Beschästigung. Stellung. Verwendung vielfach abbängen wird von dem Inhalt einer GewisscnSeröjsnung. Bei der Beichte dal der Beichtende nur die Pflicht, die schweren Sünden zu bekennen, mehr verlangt also selbst Gott vo» seinem Geschöpfe nicht; i» der jesuitischen Gewissciisrechenschaft verlangt der Mensch, der zesuilische Obere, weit mehr von seinem Mitmenschen, dem Untergebenen: nicht nur Sünden, sondern, wie wir zeseben haben, Alle- muß dort ausgedeckt werden. Die Beichte ist für den katholische» Edriste» obligatorisch nur einmal im Jahr, und die jesuitische GewissenSrechenschast? Beim Beginne des Noviziats hat der Novize seinem Obern eine solche GewissenSreckenschaft über das ganze bisherige Leben christlich abzuloge». Alles, was nach katholischer Lehre schon längst in der Beickte getilgt und von Gott selbst vergeben und vergessen ist, die gcvoimstcn Sünden müssen hier dein jesuitischen Obern aufs diene offenbart werden! Ist diese erste große Ge- wissenSrechenschaft abgelegt, dann folgt während teS ganzen Noviziats von 8 zu 8 Tagen eine kleinere nnd jeden Monat wieder eine größere, so daß innerhalb zweier Jahre — so lange dauert da» Noviziat — der einzelne Novize plu» minus 104 olcher Gewisseiisrechcnsckasten abzulegen hat. Hat der Novize dann die einfachen OrdenSgelübdr abgelegt und ist er „Lchvlastiker" geworden, so ist die alle acht Tage abzu- legendc Rechenschaft für ihn zwar nicht mehr Borschrist, Wohl aber sehr empsehlenswerth, die monatliche GewisscnSrcchcn- chaft bleibt aber auch für ibn. Dazu kommt für zedeS Halb- >abr Noch je eine besondere Rechenschaft zur Zeit der schon erwähnten Gelübde-Erneuerungen und eine weitere bei den einmal jährlich statlfindendcn Visitationen der einzelnen OrdcnSbäuser durch den Provinzialobern. Bei dieser Zahl der GcwissenSrechrnschaslen bleibt eS für die Zeit des „Scholastik-US", welches selten weniger als zehn Iabre dauert. Im „Tertial" dann, teni dritten Noviziatsjahr nach BolEndung der Ausbildung, ist wieder di« gleiche Zahl von 'lenS- rechrnschastrn Borschrist, wie im eigentlichen Noviziat. Bom Schluß de- TertiatS bis zur Ablegung der letzte» Gelübde ist die halbjährliche GewissenSrechenschast obligatorisch; nach Ablegung dieser Gelübde bis zuni Lebensende die einmal jährlich dem Provinzialobern abziilegende. Außer diesen festen Bestimmungen für Ablegung der Ge wissenSrechciischaft enthält die Ordensregel den sehr beachten» wcrtbcn Zusatz: „und so oft eö dem Obern für gul scheint" Also jeder Obere hat daS Recht, von jedem seiner Unler- ebencn. wann er will und so oft er will, die Darlegung eines Innern in der oben skizzirtcn Genauigkeit zu verlangen! Man siebt, das ganze innere religiöse Leben der Jesuiten ist beherrscht in der wirksamsten und nmfassendsien Weise von dieser Institution der Gewissenörecheuschaft. Die Frage ist hier gestattet: wer in aller Welt giebt denn einem Menschen daS Recht — und Menschen sind doch die Iesuitenobern, war doch IgnatiuS von Loyola —, ein solche« Joch der Seele cinc- auderen Menschen aufzulegcn'? Ein Joch schwerer als die sacramentalc Beichte und obiie deren sacramentalc Wirkungen und ohne deren sakramentale Garantien! Aber, entgegnet man vielleicht, dem Jesuiten siebt eS ja frei, diese GewissenSrechenschast in der sacranientalen Beichte abzulegen. Mildert da» etwa die Härte dieses Joche»? Nein; denn ersten- wäre der Jesuit auch dann nicht frei in der Wahl de» Beichtvater«; er müßte eine solche Beichte seinen Oberen oblegen; zweiten« wäre rr gezwungen, in einer solchen Beichte vielmehr zu sagen, als nach göttlicher Vor schrift zur Beichte gehört. Die iiothwendige Materie der facrameittaleii Beichte bilden nämlich nur die schwere» Sünden; die pslichtmäßige Materie der GewissenSrechen schast aber begreift, wie wir oben gcscben babcn, das ganze Gebiet keS Seelenleben«. Dritten« wäre er ge lwuiigen, so und so oft de« Jahre« und zu ganz be tiinmten Zeiten zu beichten, während der Gebrauch des Beichtsacramentc« in Bezug auf da« wann? und wie oft? durchaus frei ist. Also auch bei der GewisscnSrechc» schast als Beichte bliebe der schärfste Zwang. Dazu kommt aber noch ein Weitere«. E« sieht allcrdiiig- in der Iesuitcuregel, daß die GcwisscnSrechenschaft in Form der Beichte abgelegt werden darf; aber die Praxis hat diese geschriebene Regel so gut wie beseitigt; thalsächlich geschickt und soll geschehen die Ablegung der GewissenSrechenschast nur außerhalb der Beichte. Und der Grund dafür ist au ^ der Hand liegend. Da« in der GewissenSrechenschast Anver- traute soll eben dem Obern zur Benutzung bei der Leilung deS Einzelnen und der Gesammtheit freigestellt sein; geschähe ober die Eröffnung in der sacranientalen Beichte, so wäre eine solche Benutzung ausgeschlossen. Eine höchst bezeichnende und in der Geschichte der religiösen Orden wohl einzig dastehend« Tbatsache diene zum Beweis Ter Iesuitengrneral Elandiu« Aquaviva stellte ol« zu bc folgenden Grundsatz auf, daß selbst wenn die GewissenSrcchen schast abgelegt worden sei in Form der sacramentalen Beichte, dennoch der Obere da« in dieser Beichte Milgetbeille in der angegebenen Weise benutzen dürfe, nur müsse diese Benutzung ohne Schädigung de- Ruse- de« Betreffenden ge schehen l Hier wurde also von Menschenhand da« von Gott sciuttn Sacrament aufgedrllckte Siegel zerbrochen z» Gunsten der — jesuitischen Gewissensrechenschaftü Niemand, auch Niemand innerhalb de« Jesuitenorden« wird leugnen, daß die GewissenSrechenschast mit zu den schwersten, drückendsten Pflichten gehört, die der Orden seinen Gliedern auferlegt. Aber, wird e« vvn dieser Seile beißen, diese Pflicht ist freiwillig übernommen, der Novize erfährt bei feinem Eintritt, wa< ihm bevorstebt; Lsier im Iakr wird ibm di« Verpflichtung zur GewiffenSrechenschast in Erinnerung gebracht; ist ,bm diese Pflicht zu schwer, so kann er str gebe» Dies« Einwendung ist ihrem Wortlaut nach der Wahrbrit enttpreLenp. Ja, der Novize wird mehrmals aus die Ge wissrnsrrchrnschafl hingewiesen; aber von der drückenden ^ w«r« dieser Einrichluag hat u»t«r hundert Navlzrn viel leicht nur einer eine — ick sage nicht Kenulniß, sondern Ahnung. Daö jugendliche Alter de« Novizen, die erste Begeisterung, mit der er Alles rrsaßl, wa« zum OidcnSlebe» gebört, lassen da-Sckwere febr in denHiiitergriiiid treten. Dazu kommt, daß der öslerc Hinweis auf die GewiffeuSrechenschast in einem gescbäsl«- mäßigen Vorlesen der betreffenden Verordnungen bcstebt. Da« dort sich ganz leicht an, erst dir Handhabung dieser Verordnungen, die Praxi«, läßt unter den Worlcn da- Iock> bervorlrete». Neben solchen Eingriffen in die religiöse Selbstständigkeit >nd die übrigen gleichfalls ;»m Sustcm gehörigen kaum »och erwä!'»e»Swerlk: ES ist dem Jesuiten vorgeschriebe«, wie oft er die Sacrameiitc zu empsangeu hat, die Freiheit im Ge brauch dieser Gnadciimittet ist ihm entzogen; der Jesuit ist nicht frei in der Wahl seine« Beichtvaters, nur nnier einer bestiiiimlcn, beschränkten Anzahl darf er wählen: sind Orden«- genossen von ihm Vorbauten, nnd wenn auch nur ein einziger, so m»ß er bei diesen, beichten, darf nicht dazu einen Welt- oder fremde» OrdciiSpriester benutzen: bat er aber einmal einem andern Priester gebeichtet, so soll er bei seiner Rückkehr in« OrtenSha»« diese Beichte seinem gewöhnlichen Beichtvater wiederholen. E» ist die« auch eine Verordnung, die den Zweck bat, da« Gewissen de« Einzelnen jederzeit, selbst wenn er äußerlich dem OrdcnScinfluß entzogen ist, doch in der Hand zu bel,alten. Aber eS ist eine Verordnung, die durch nicht« zu rechtfertigen ist: Ter Inhalt einer giltig abgelegten und durch die Absolution eine» approbirten Priester« avgr- 'chlossencn Beichte ist, al« ob er nicht mebr rxislirte, und kein Mensch und keine Menschengewalt hat da« Recht, zur Wiederholung diese« Inhaltes zu zwingen. Diese Vor- chriskcn, angefanzen von der GewissenSrechenschast bi« zu der an letzter Stelle erwähnten, haben alle den Zweck, da« In nere be- Einzelnen, seine Denk- und GesinnungSweis: genau kennen zu lernen und fortwährend unter Eoutrole zu erhallen, und dazu sind sie ja auch in hervorragender Weise geeignet. Aber sind sie in sich gerechtfertigt, darf al« Regel, als Svstem verlangt werden, daß rin Mensch einem anderen Menschen sein Innere« derartid ausdecke? Ich will als Antwort auf diese Frage nur Hinweisen aus dir Thatsachc, daß selbst Gott, der höchste Herr und Schöpfer» von seinem Geschöpf, dem Menschen, da- nicht verlangt. Er »at — nach katholischer Lehre — auch «ine Einrichtung ge troffen für dir Erschließung de« Innern, für die Leilung der Gewissen; eS ist die Beichte. Aber welch ein Unterschied zwischen Beichte und GewissenSrechenschast! Oben wurde er ciwn bervorgehoben, und dieselbe Frage, wie oben, sei auch >ier widcrbolt: Wer giebt einem Menschen daS Recht, von einem Mitmenschen mebr und Schwerere« zu verlangen, al« Gott von seinem Geschöpf verlangt?? 3) Die Unterdrückung der wissenschaftlichen Ind ividualität. Wie die wissenschcistliche Individualität de« Jesuiten unter druckt wird, zeigt die Methode der wtsseaschastltche» Aus bildung: Al« Grundsatz gilt zunächst auch hier: strengste Ueber wackiung, gebundene Marschroute. Brrhältnißmäßig am meisten Freiheit ist bei de» philologischen und mathe matischen Studien gestattet; dort ist ja durch den Stoff selbst eine starte individuelle Selbstständigkeit auSgeschlosseil. Vielleicht liegt gerade hierin, d. h. in dem Fehlen der Scha blone. der Grund, daß der Jesuitenorden auf dem Gebiete der Mathematik und dir ihr verwandten Astronomie wahr haft Hervorragende« geleistet bat und noch leistet. Um so stärker tritt die Schablone dafür in der wissenschaftlichen Domäne de« Jesuitenorden«: Philosophie, Theologie, Literatur, zu Tage. Bei allem Scharfsinn, der sich in den einzelnen Werken geltend macht, bei dem Fleiß, der oft minutiösen Genauigkeit herrscht eine unverkennbare Einförmigkeit in Auslassung nnd Stil, fehlt die Originalität, das individuelle Gepräge. Es ist — so hart auch der Ausdruck klingt — Dutzendwaare; sein säuberlich auSgesllhrt, aber auf der Maschine gcsertigt. Es sind zlimeist nicht lebeiiswarme Gr stallungcn, die uu« au« jesuitischen Büchern entgegeiitreten, welche mit uiiS sprechen, uns «»regen, uns fvrtreißen, sondern eS sind nach festen Mustern zugeschnillene Formen, schön, gefällig nach allen Regeln der -tunst, aber ohne lebendigen und lebenspendenden Geist. Gerade so nämlich, wie bei ber religiösen Ausbildung de« Jesuiten wird auch bei seiner wissenschaftlichen Formirung jeder fremde Einfluß, jedes srische Weben von außen sorg fällig ferngehalten. Geistesproducle nickt jesnitischer Autoren werden dem studirenden Jesuiten nur in scbr beschränktem Maße zugänglich, und nie nach eigener freier Wahl, sondern stet« nach der Wahl derer, welche die Studien leite». Die sachwiffruschaftlicke periodische Literatur, in welcher so reckt eigentlich da« Geistesleben der Gegenwart pnlsirt, wodurch der Eontact bergestell» wird mit den wissenschaftlichen Strömungen unserer Zeit, bleibt dem slndircnken Jesuiten principiell verschlossen. Wa« er davon zu scken bekommt, sind entweder wiederum nur jesuitische Zeitschriften oder solche, die in keiner Weise al« sachwissrnschastlichc bezeichnet werden können So geschieht eS, daß »ach siebenjährigem Studii»» der junge Jesuit seine Ausbildung beschließt, ausgerüstet mit aller philosophisch - theologische» Spitzfindigkeit vergangen»« Jahr bunkerte, den -stopf erfüllt mit den Namen längst todlcr Systeme und ohne Einfluß gebliebener Gelehrten des Mittel alter«, aber in fast völliger Unwissenheit über die Geiste« kämpse der Gegenwart, Uber die actticllen wissenschaftlichen Richtungen, dir er zum großen Ibril weder in ihren Trägern, noch auch in ihren Producten auch uur dem Namen nach kennt. Will er dann selbst lehrend oder schrislstellernd eingrcifen in da« wissenschaftliche Getriebe der Jetztzeit, so muß er da- Studium aufs Neue beginnen: und weil sein Geist einmal formirt ist, weil er die wissenschaftliche Schablone fertig im Kopse trägt, so wird in den seltensten Fällen diese nachträgliche Beschäftigung mit den modernen wissenschaftlichen Strömungen zu einem innere» Erfassen und einer individuellen Durcharbeitung derselben sondern sie bleibt ein äußere« Berühren: aus da« nach be stimmter Form zuzrschnittrne alte Kleid wird hier und dort eia neuer Lappe» moderner Wissenschaft aufgenäht. Zn einer Verschmelzung, zum Guß einer neuen origincll- iiidwidualislischen Form tommt eS nicht. Will der siudirendr Jesuit etwas lesen, durch Kenntnis! »ahme vo» Wirken anderer Richtung seinen Geist anrcgc», beleben, befruchte» lassen, so steht ihm nicht — auch wenn er ein gereister Mann ist — wie anderen Gelehrten die Bibliothek zur freien Verfügung, sondern er hat sich an seine Oberen zu wenden, und nach ihrem Gutdünken wird sei» Wunsch erfüllt oder nicht. Daß dabei sehr ost eine eng herzige Auslassung waltet, liegt auf der Hand Nicht Ieder bar wissenschaftlichen Trieb, noch auch Kennlniß der Bedürf nisse der Zeit. Sv kommt e« denn ost, daß Leute, welche clbst sebr wenig wissenschaftlichen Trieb besitzen, oder deren Wissenschaft nur die Vergangenheit kennt und über die Gegenwart sich in gröbster Uiikenntniß befindet, zu Gericht itze» Uder die geistigen Bedürfnisse, den geistigen Hunger trrbsainer, hochbegabter Geister, und wenn sie überhaupt eine twa« außergewöhnliche Nahrung gewähren, reichen sie eine ölche dar, welche dein einmal in die Wege geleiteten traditionellen EntwicklilngS-Proccß nur ja nicht eine andere, etwas selbständigere Richtung verleibt. Daß diese fast bcrmelnche Abgeschlossenheit von allen remdartigen Einsiiissen dem Studium Eoncentration verleiht, ist gewiß. Doch diese Eoncentration geschieht aus Kosten der Individualität, der Selbstständigkeit, ja ans Kosten der geistigen Spannkraft: da« ewige wissenschaftliche Einerlei nach Inhalt und Form hemmt den eigenen Flug, bricht die Kraft; allniälig läßt man nach, selbstständig zu forschen, eigene, unbetretene Wege zu gehen: man tritt in« Gleise. I» der Reprvdnctivn und Repristination leistet der Jesuit Vorzügliche-, dafür ist sein Geist meisterhaft geschult; für eigenes Streben und eigenen Flug ist die seiner Persönlichkeit durch jahrelange Hammrrschläge von fremder Hand aus geschmiedete GeisieSrüstung zu starr und schwer. Zu all diesem kommt^noch rin Weitere-, welche« die NivelliruiigSarbeit vollendet und wie mit eisernem Griff individualistisch-wissenschaftliche Triebe im Keime erstickt. Da ist die Ernsur. Vom Beginn der Studienzeit an tritt sie in Tbaligkeit, begleitet den studirenden Jesuiten durch die Jahre seiner Ausbildung hindurch und hält nach ihrer Vollendung über seine wissenschaftliche oder überhaupt schriftstellerische Thätig- keil strengst« Wacht Der Schluß diese« Abschnitte« lautet: So ist die ganze Individualität >de« Menschen, in ihrer dreifachen Richtung, sdurch die Einrichtungen innerhalb de« Jesuitenorden« ersaßt und beherrscht. Eine Einrichtung, dir alle anderen begleitet und unterstützt, ist noch zu erwähnen: e« ist die Uebrrwackung de« Einzelnen und die Berichterstattung über ihn an dir Oberen de« Orden«. Wohl nirgendwo ist diese- Uebrrwachung«- und Bericht- erstalluiigSsystem au-gedebntrr und einflußreicher al- ,in Jesuitenorden. Es ist nicht, wie man eS oft betitelt, «in System hinterlistiger Spionage, einzelne Ebaraktere mögen zur Spionage sich fortrrißen lassen, allein der Orden al« solcher verurlbrilt die«. Aber da- jesuitische UcberwachungS- system dringt in alle Verhältnisse ber OrdenSgtieber ein, und wa« die übrigen Mittel an der Individualität noch unver sehrt und frisch gelassen haben, da« wird durch diese« Mittel auch nivellirt. Nicht al« ob die Berichterstattung für den Ein zelnen sich äußerlich besonders süblbar, beengend wirksam machte, aber da« Bewußtsein, daß den Oberen über Alles Berichk erstattet wird, wirkt läbmend auf dir individualistische Ent wickelung: man giebt sich vielfach nicht so, wir man innerlich ist, man spricht nicht so, wie man denkt, man nimmt Rück sichten hier und Rücksichten dort und allmätig geht dir Selbst ständigkeit de« Handeln-, de« Sprechen«, selbst de- Denkens rn einem guten Theil verloren. Die Wirkung der stummen Eonduilenlisten, die von Zeit zu Zeit dem Gcneralobern de« Ordens einaesandt werden, macht sich auch bei dem selbst ständigsten Charakter geltend. Der Irsntttsmu» «utrrdrückt, ja sts ,« einem ne»issen Gradr, nernichtrt da« brrrchtipte Rattonalttät»>rsützl, de» derechttqten Patriot«»,»»». Die alte heidnische Welt sah in allen fremden Natio nalitäten nur Feinde und Barbaren, welche am besten ganz vernichtet würden. Diesen falschen Patrioti-mu- hat daS Edristenlbum beseitigt; denn nach ihm sind alle Menschen die Kinder eine« Gotte«, berufen zur selben Erbschaft, erlöst durch denselben Erlöser. Der wabre Patriotismus und da« wahre NationalitätS- gesühl bleibt aber auch im Ebristrnthum voll und ganz be stehen: dir treue, hi «geben de Lie be zum a ngesta »i »> i c» Vaterland. Sie gebört zur Natur de« Menschen und ist somit von Gott selbst in« Herz gelegt. Bleibt dieser Patriotismus auch innerhalb de« IesuitiS- mu« bestehen? Nein. Keineswegs will ich behaupten, daß seine Unterdrückung im IesuitiSmu« eigentlich be absichtigt ist: aber sie folgt mit Nothwentigkeit auS dem ganzen System; und das nickt etwa, weil der Iesuitto »ins al« apostolisch angelegte- System die Welt umspaniit, bei allen Völkern, allen Nationen wirken und arbeite» will — das tbut ja auch i» noch viel höherem Maße da« Ebrislen- Ihiim selbst —sondern weil die« System binarbeitel auf Nivelliriiiig der Gesinnung, weil e« allmätig aber sicher Glcickmüthigleil unk Gleickgiltigkeit in Bezug auf Wohnort, Sprache und politische Institutionen hervorrust: Europa oder Asien, Deutsch oder Französisch, Republik oder Monarchie, das ist, knztzuncllls iiuz>z«»ueuckiii, ein und dasselbe, gleichwerthig. Der Jesuit wird so erzogen, daß er sich in all diese» Grund- versckickcnbeitcn gleichmäßig wohl und zu Hanse fühlt. Schon allein, wenn man den Orden als Ganze« auffaßt, als da«, wa» er sein soll: ein Organi«mu» von gleichem Leben, gleichem Fühlen, gleichem Denken beherrscht, wird klar, daß von Pflege oder überhaupt nur von Erballung de« Patriotismus nicht die Rede sein kann. Wenn Deutsche und Franzosen. Engländer und Rüsten, Polen, Spanier, Italiener, Amerikaner, Schwede», Dänen. Ungarn. Japaner und Eblnesen von der gleichen Gesinnung durchströmt werten sollen, dann muß da« Besondere, da« Ementbümliche, wa« >,de einzelne dieser Nationen besitzt, in Weg'all kommen und gerade i« Eigentbümlichen, im Besonderen liegt d-r Schwerpunkt das Patriotismus.
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