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Doigtliindi scher Anzeiger. NebemmstsechsziBer Jahrgang. HA Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht i» Plaue». Diese« vlett erscheint »ScheMtich drti« «l, und zwar Dienstag«, Donnerstag« und Lannadend«. Jährlicher Vbonne«ent«prel » Euch « t die Post, 1 Lhlr. 10 Ngr. — Anaoncen, die bi« Mittag« 12 Ubr eingehen, werden in die Ta^« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, jpa er eingehe finden in der nächstfolgenden Nummer Ausnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gehaltene ^orpue-Zeile berechnet. ISS Dienstag. 25 November 1856. Ueber das Sonntagsschulwesen. ES ist nun bereits ein Vierteljahrhundert verflossen, seit die sächsische Regierung nach dem Vorgänge anderer Länder im Interesse der Industrie und Gewerbe die Gründung der SonntagSschulen in Anregung gebracht und unter Zustimmung der Ständeversammlung sich entschlossen hat, weniger bemittelte Eommunen bei Unterhaltung derselben durch jährliche Beihülscn auS Staatskassen zu unterstützen. Jeder, welcher die Entwickelung und daS innere Leben dieser Anstalten in der Nähe zu beobachten Gelegenheit hatte, wird ctngestehen, daß dieselben zeither bei dem allergeringsten Kostenaufwande segensreich gewirkt haben. Gewiß würden sie noch weit Ersprießlicheres leisten, wenn die JnnungSmeister in ihrem eigenen Interesse sich mehr darum kümmerten, wenn man die ihrer Wirksamkeit eutgegen- ftehenden Hemmnisse beseitigen und besonders auch den Besuch derselben nicht der Willkühr überlassen, sondern auf gesetzlichem Wege ordnen und regeln wollte. Wie man vernimmt, beabsichtigt auch daö K. Ministerium deS Innern, hierauf abzweckcnde Bestimmungen in die künftige Gewerbe ordnung aufzunehmen. Die Sountagsschulen hatten, wie jede neue Erscheinung, gleich anfangs nicht nur ihre Freunde und Beförderer, sondern auch ihre Widersacher und Ankläger. Indeß fanden damals überall die einzelnen gegnerischen Stim men, weder bei den Regierungen und Volksvertretern, noch bei den Local behörden Gehör, und selbst einsichtsvolle Lehrer der Kirche nahmen die Sonntagsschulen in Schutz, beteiligten sich bei dem Unterrichte und der Beaufsichtigung und zeigten dadurch factisch, daß sie weit entfernt waren, ihnen den Vorwurf der Unkirchlichkeit zu machen. Um so auffälliger ist cS, daß man in neuerer Zeit hie und da die SonntagSschulen, nachdem sie sich einen längeren Zeitraum hindurch bereits trefflich bewährt haben, von Neuem durch Wort und Schrift mit geschlossenem und offenem Visier augreift und begeifert. Freilich thun dies zunächst nur blinde Eiferer, die Anhänger und Stimmführer einer finstern, rigoristischen Partei; allein cS lassen sich doch hie und da auch Männer im gegneri schen Sinne vernehmen, denen man spnst kein befangenes Urthcil zutraut, die sogar selbst bei manchen Anlässen einer freieren Ansicht in kirchlichen ' und weltlichen Dingen sich rühmen. Man hat geradezu die Behauptung ausgesprochen, daß die SonntagSschulen nicht nur den Gottesdienst und die neuerdings wieder ««geordneten kirchlichen Catechisationen mit der erwachsenen Ingend beiderlei Geschlechts beeinträchtigen, sondern an und für sich überflüssig erscheinen, weil die wohleingerichteten Elementar- und Bürgerschulen, besonders aber die Real- und technischen Lehranstalten eine mehr als ausreichende Gelegenheit zur wissenschaftlichen Befähigung für den praktischen Beruf gewähren. Diejenigen, welche mit diesen Kindern der Neuzeit säuberlicher verfahren wollen, schlagen im Interesse deö Kir chenbesuchs vor, den Sonntagsschulunterricht zum Theil auf die Abend stunden deS Sonntags oder ganz und gar auf die Abendstundcu der Wochentage zu verlegen. Wir unsers OrtS können weder derartige Befürchtungen theilcn, noch solchen Vorschlägen das Wort reden und müssen uns gerade in diesem Blatte um so mehr hierüber auSsprechen, weil dem Vernehmen nach eben jetzt, wenn auch nicht über die Aufhebung der hiesigen Sonntagsschule, doch über eine Abänderung ihres zeitherigcn Lehrplans oder über eure etwaige Verlegung der Lehrstunden Berathungen gepflogen werden. Bei der von der Maurerloge Balduin zur Linde schon im Jahre 1816 gegrün deten SonntagSschule in Leipzig hat man neuerdings, um daS kirchliche Bedenken zu beseitigen, einen besonder« Religionslehrer für diese Anstalt angestellt, und in gleicher Absicht hat man auch in Dresden eine eigene religiöse Erbauung für die SonniagSschulen angeordnet, ohne in der Unter richtszeit selbst, die dort sogar den Vormittags- und NachmittagSgotteS- dienst eiuschließen soll, irgend eine das Wirken dieser Anstalten beschrän kende Abänderung zu treffen. Eine ähnliche Einrichtung würde, wenn kein anderer Ausweg übrig bleiben sollte, auch in Plauen getroffen werden können, ohne daß man deßhalb genöthiget sein dürfte, den Lehrplan zn beschneiden und die Lehrstunden in die Abendzeit zu verlegen, ein Ver fahren, welches offenbar die Frequenz und selbst das Bestehen der Anstalt in Frage stellen würde. Hat die oberste Aufsichtsbehörde in den genann ten Städten ihre Genehmigung ertheilt, so wird dies voraussichtlich auch hier geschehen. Ja, was noch mehr ist, wir können eine besondere Er- banuugSstunde nicht einmal für nöthig erachten, weil hier alle SonntagS- schüler ohne Ausnahme den ganzen VormittagSgotteSdienst besuchen kön nen, und, wie man vernimmt, in der Regel auch besuchen. Mithin ist schon aus diesem Grunde für das religiöse Bedürfniß hier besser gesorgt, als dies durch eine Erbauungsstundo geschehen kann. Was den Rach- mittagsgotteSdienst anlangt, so würde derselbe sicherlich nicht zahlreicher besucht werden, wenn man auch die Nachmittagslehrstunden von 1 bis 3 Uhr in eine andere Zeit verlegte, da nun einmal die Gesellen und Lehr linge den einmaligen Kirchenbesuch für ausreichend zu halten scheinen, da ferner auch, wie die Erfahrung lehrt, für die wieder angeordneten kirch lichen Catechisationen keine Empfänglichkeit vorhanden ist, was man daran- abuehmen kann, daß weder die weibliche Jugend, noch die übrigen Gesellen und Lehrlinge, von denen die durchschnittlich nur auö 300 Köpfen bestehen den Sonntagöschüler noch nicht den fünften Theil ausmachen, bei dem CatechismuSexamen sich betheiligen. Hierzu kommt, daß nur ein verhält- nißmäßig sehr geringer Theil die Nachmittagslehrstunden der SonntagS schule besucht, und daß außerdem noch der Lehrstundenplan so geordnet ist, daß selbst diesen Schülern theils im Sommer, theils im Winter ein sechSmonatlicher Bejuch des RachmittagsgotteSdiensteS ermöglichet wird, zn geschweige», daß jeder Schüler auf Verlangen von der einen oder andern Lehrstunde dispensirt zu werden pflegt. Wenn man daher ohne Ausnahme den SonntagSschulen, nm sie sobald wie möglich über Bord zu werfen, den Vorwurf macht, daß sie deu Kirchendesuch hindern und der Unkirchlichkeit Vorschub leisten, so thut man wenigstens der hiesigen Anstalt sehr un recht. Der verewigte Superint. Herr vr. Fiedler, der bekanntlich da- kirchliche Interesse stets in den Vordergrund stellte, hat nicht nnr bei der Gründung der hiesigen Sonntagsschule sich bctheiliget, die Unterricht-L zeit selbst festgesetzt und der Anstalt mehrere Jahre hindurch als Vorstand seine Thätigkeit gewidmet, sondern ihr auch nach Niederlegung seiner Function stets eine warme Theilnahme geschenkt, weil er durch Er fahrung sich überzeugt hatte, daß die Sonntagsschule nicht nur die Roh heit banne, sondern auch Geist und Herz bilde und für den Samen deS Wahren, Schönen und Guten, mithin auch für kirchliche Belehrung «nd Erbauung empfänglich mache. Und so ist cs in der That! Daher besuchen denn auch die hiesigen Sonntagsschüler, so weit ihre häuslichen Verhält nisse es gestatten, in der Regel den VormittagSgotteSdienst und mehrere von Zelt zu Zeit auch den Nachmittagsgottesdienst. Wir sind daher auch überzeugt, daß die städtische Behörde gegen jede die Entwickelung und Wirksamkeit der Sonntagsschule beeinträchtigende uni darum auch da-