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Erscheint wöchentlich drei Mal nnd zwur Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittags. Abonnementspreis betragt vierteljährlich 1 Mark 20 Pf. priennmeranäu. MMer Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stadtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 23. Sonnabend, den 21. Februar L88V. 5. Jahrg. Der Mord im WintcrMlais. Nicht auf deni Kaiser allein, auf seine ganze Familie, soweit sie um ihn versammelt war, war es bei diesem Mordplan abgesehen. Das Speisezimmer, in welchem die Verschwörer die kaiserliche Familie zn jener Tageszeit beim Diner vermutheteten, mar das Objekt, auf welches es abgesehen war. welche Beschädigungen an diesem Speise zimmer verursacht wurden, ist noch nicht klar. Neuere Nachrichten bezeichnen 8 Alaun als getödtet, 45 als verwundet, während oer erste Bericht von 35 Verletzten, davon 5 bereits Gestorbenen sprach. Die kaiserliche Familie war noch nicht versammelt in Folge einer zufälligen Verspätung — so drückte sich die erste telegraphische De pesche aus. Wir nehmen jedoch nock etwas anderes aus diesem Vor gang, als daß ein Zufall gewaltet hat. Viele schreckliche und wohl überlegte Mordpläne sind auf das Leben des Kaisers Alexander ge richtet gewesen, keiner ist geglückt, immer hat sich der eine oder der andere „Zufall" dazwischen geschoben. Wir erkennen den Finger Gottes, welcher die Schicksale der Individuen und Völker leitet und welcher spricht: Ties soll sein und dies soll nicht sein. Schon vor mehreren Tagen brachte das Pariser Communarden- hlatt „La Lanterne" ausführliche Beschreibungen über die Versuche, die gemacht wurde», um Explosivstoffe in den Winterpalast hinein zubringen. Nach diesen Nachrichten wurden in den ersten Februartagen zwei als Schornsteinfeger verkleidete Individuen seftgenommen, welche sich in das kaiserliche Palais eingeschlichen hatten, um in die Kamine der kaiserlichen Wohngemächer Pulver zu legen. Wenige Tage darauf fuhr ein beladener Wagen in einen der Hofräume des Palastes; der Kutscher verließ die Pferde und verschwand. Durch irgend einen Zu fall erschien der Wagen einein Diener verdächtig. Alan untersuchte , und sand eine Quantität Pulver, Dynamit und eine angczündete z Lunte. Einige Minuten später — und der Winterpalast hätte auf gehört gehabt zu existiren. Am Abend eines der vorhergehenden Tage hatte mau einen Alaun arretirt, welcher im Kostüm eines ge wöhnlichen Bauern des Palais umstrich. In einem Sacke, den er auf seinem Nücke» trug, fand ma» fünf Flasche» mit Nitroglycerin. Dieselbe» hatte» wahrscheinlich den Zweck, unter die Fenster des Kaisers gelegt zu werden, deren Explosion die furchtbarste Verheer ung angerichtet hätte. Bei dem Verhör gab der Verhaftete an, er sei von dem Inhalte der Flaschen nicht unterrichtet und in der Gro- ßen-Morskaja von einem ihm unbekannten Herrn beauftragt worden, dieselben nach der Straße Wassili-Ostrom zu bringen. — Der Mordplan gegen Kaiser Alexander ist in dem Augenblick vollzogen worden, da die todtkranke Kaiserin zurückgekebrt war, da für den Kaiser die Feier seines fünfnndzwanzigjährigen Negierungs jubiläums bevorsteht. Den Besuch fremder Fürsten, eines preußischen Prinzen, eines österreichischen Erzherzogs hat sich Kaiser Alexander verbeten. Wir misten nicht, wie weit der Gedanke in ihm mitgemirkt hat, daß es ihn: ja unmöglich gemacht sei, seinen fürstlichen Gästen im eigenen Palast die vollständige Sicherheit zu verbürgen. Mit der innigsten Theilnahme steht die Bevölkerung Deutschlands dem Kaiser Alexander bei diesem Schlag gegenüber; die persönlichen Eigenschaften dieses Fürsten sichern ihm auch bei Verschiebung der politischen Lage die vollste Sympathie. Mit Entsetzen und Abscheu aber schaut man auf jene finstere Verschwörung, welche Nußland durch die wildesten Verbrechen in die Civilisation Westcneuropas einznführen unternimmt. Welche politische Folgen sich an jene That für die russischen, für die internationalen Verhältnisse knüpfen mögen, wird wohl Niemand im Augenblick zu bestimmen versuchen. Tagesgeschichte. Deutschland. Der Kaiser hat die Kunde von dem neuen Attentat auf den russischen Kaiser morgens aus einer direeten Meld ¬ ung des russischen Kaisers erhalten, unmittelbar, nachdem er sich aus de», Schlummer erhöbe». Der greise Kaiser Wilhelm hat Thränen bei dieser Nachricht vergasten. Er stützte den Kopf in die Hände, dachte lange nach und schrieb dann, noch immer thränenden Äuges, mit eigener Hand ein Telegramm an seinen Neffen, den Czaren, in dem er diesen zu seiner Errettung beglückwünschte. — Der Reichs kanzler wurde noch in der Nacht nach vier Uhr durch ein Staats telegramm der deutschen Botschaft in Petersburg geweckt, das ihm die Nachricht von dem Attentate überbrachte. — Der Reichstag schritt an, Mittwoch zu der ersten Berathung des Neichshaushalts-Etats, welche durch den Staatssekretär des Reichs schatzamts Scholz durch eine Erläuterung der Hauptziffern des Etats eingeleitet wurde. Der Redner warf zunächst einen Blick auf die finanziellen Ergebnisse des laufenden Etatsjahres, die er insofern als günstig schilderte, als die Mindereinnahmen einzelner Verwaltungs zweige durch erhebliche Ausgabeersparnisse reichlich ausgeglichen seien, so daß man erwarten dürfe, daß das Jahr mit einem erheblichen Ueberschuß abschließen würde, um so mehr, als die Mehreinnahme aus den Zöllen und Verbrauchssteuern allein sich auf 24,239,000 Al. beziffere. Oesterreich-Ungarn. Der Minsterpräsident Graf Taafe stellte dem Abgeordnetenhause den neuen Cultusminister v. Eybesfeld und den neuen Finanzminister Kriegsatt vor und beantwortete sodann die vom Abg. Menger und Gen. eingebrachte Interpellation, betref fend die Eingabe der böhmischen Bischöfe wegen der Schule, indem er ausführte, daß die Negierung es als ihre Pflicht ansehe, wo sie Verbesserungen des Bestehenden auf Grund von ihr gemachter Er fahrungen für nothwenvig erachte, solche in, administrativen und legislativen Wege zur Geltung zu bringen, sie werde jedoch unter allen Umständen ihre Pflicht, den bestehenden Gesetzen Achtung zu verschaffen, innerhalb ihres verfassungsmäßigen Wirkungskreises zu entsprechen wissen. Italien. Nicht allein in den sogenannten „maßgebenden" poli tischen Kreisen, sondern bei allen intelligenten und vaterlandsliebenden Italienern werden zwei Thatsachen zunächst getrennt der gründlichsten Erwägung unterzogen und dann in ihrem Zusammenhänge nach der wahrscheinlichen Tragweite geschätzt. Die eine Thatsachc ist der Be such der oppositionellen, also zu der rechten Seite des Parlaments gehörigen Deputaten Minghetti und Vonghi bei dem deutschen Kron prinzen in Pegli, die andere umfaßt das Bemühen der österreichischen Blätter, Italien durch freundliches Zureden für eine aufrichtige Nach barschaft zu gewinnen. Wenn Minghetti und Bonghi geil Pegli wandern, so bekräftigen sie damit die Umwandlung ihrer früher stark nach Frankreich hinneigenden Gesinnung und zeigen, daß ihr Wieder erscheinen auf den Minister-Fauteuils nicht mehr als gleichbedeutend mit einer Niederlage der italienischen Sympathien für Deutschland erachtet werde» kömcke. Andererseits wird sehr wohl erwogen, daß die Männer der Rechten wegen der in Aegypten und im Mittelmeer stattgehabten Vorfälle ebenso schlecht auf Frankreich zu sprechen sein dürften, wie die Anhänger der Regierungspartei nnd daß jene wie diese die weitreichende Bedeutung des österreichisch-deutschen Einver nehmens richtig erfaßt haben. Spanien. Wiederum ist das Land durch den Ueberfall eines Eiscnbahnzuges in große Bestürzung versetzt worden. Der von An dalusien nach Madrid gehende Zug, welcher eine Summe von 40,000 Pesetas unter der Obhut eines Lieutenants und vier Gendarmen mit sich führte, wurde zwischen Alcazar und Argamasilla von 16 Briganten angcfallen. Die Räuber hatten an dieser Stelle die Schienen aufgerissen und dieselben quer über die Bahn gelegt. Unter den Passagieren befand sich Marschall Serrano, welcher unter Bei stand des Lieutenants und der Gendarmen ein Feuer gegen die Briganten eröffnete, die sich infolge dessen zur Flucht wandten. Ein