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265 Mittwoch, de» 13^ November. 1878. HrMb.-AoLsfreimd. A mtSblatt für die königlichen und städtischen Behörden in Aue, Grünhain, Hartenstein, Johanngeorgenstadt, Lößnitz, Neustädtel, Schneeberg, Schwarzenberg und Wildenfels. Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. — Preis vierteljährlich 1 Mark 80 Pfennige — Jnsertionsgebühren: die gespaltene Zeile 10 Pfennige, die zweispaltige Zeile amtlicher Inserate 25 Pfennige. — JnsertionSannahnie für die »m Abende erscheinende Nummer hi» Vormittag« 10 Uhr. Bekanntmachung. Gemäß Verordnung des Königlichen Ministeriums der Justiz vom 29. October d. I. soll vom 1. Januar 1879 an die bisher von dem Fürstlich Schönburgschen Gc- richtSamte Lichtenstein über das Dorf Neudörfel bei OrtmanuSdorf Schönburgschen An theils und die von dem Fürstlich Schönburgschen GerichtSamte Hartenstein über die Ortschaften Härtensdorf Neudörfel bei Wildenfels Ortmannsdorf Schöna» Schönburgschen Antheils ausgeübte Gerichtsbarkeit dem unterzeichneten GerichtSamte überwiesen werden. Es wird dicß mit dem Hinzufügen bekannt gemacht, daß in sämmtlichcn be züglich der Gerichtsbcfohlencn in den obengenannten Ortsantheilcn bei de» vorgenann ten Gerichtsämtern anhängigen oder noch anhängig werdenden Rechtssachen, welche am 1. Januar 1879 noch nicht beendigt sind, die Betheiligteu von dieser Zeit an, Dasje nige was ihnen bei den vorgenannten Gerichtsämtern zu thun obgelegen, bei dem Ge- »tchtsamte Lvttdcnfels zu verrichten, daselbst auch die von den vorgenannten Ge richtsämtern etwa «»beräumten Termine abzuwarten und «»gefangene Verfahren fort- zustellen und zu beendigen haben und zwar Alles zu Vermeidung derjenigen Nachtheile, welche ihnen in den ergangenen Ladungen oder sonstigen Erlassen der obengenannten GerichtSämter angedroht worden sind, oder unmittelbar kraft der Gesetze eintreten. Wildenfels, am 5. November 1878. Das Königliche Gerichtsamt das. Geißler. Bekanntmachung. Von dem unterzeichneten Gerichtsamte soll den 18 Deeembev 1878 das dem Tuchmacher Gustav Adolph Bonitz hier gehörige, ohne Berücksichtigung der Oblasten am 25. September d. I. auf 8520 Mark — Pf. gewürdcrte Hausgrundstück, Nr. 279 des Brandkatasters und Fol. 38 des Grund- und HhpothekenbuchS für Lößnitz, nothwcndigerwcise an Amtsstelle versteigert werden, waö unter Bezugnahme auf den am GerichtSbrete unv im Nathskcller zu Lößnitz aushängcnden Anschlag hiermit bekannt gemacht wird. Lößnitz, am 5. October 1878. Fürstlich Schönburg'sches Gerichtsamt. Herrmann. (1-2) Tanesgeschichte. Dos mächtige Nutztand in der bitterste» Gerdtiemme Krieg führen kostet Geld. Lange Kriege kosten viel Gelb. Wo aber auch Tausende von Blutegeln an den Millionen saugen, die zur Verpflegung und Verprovianti- rung der großen Hccrcsmassen bestimmt sinv, wie daö in Rußland indem letzter» Türkenkrieg der Fall war, da ent steht gar bald Ebbe in dem Staatsscckel. Das erfährt jetzt Rußland zu seinem großen Schrecken. Aus der pe kuniär ganz ruinirten Türkei konnte das siegreiche Ruß land keine Eontributioncn hcrauSschlagen, und so hat es seit zwei Jahren einen großen Pump nach dem andern angelegt, bald einen inner», bald einen äußern. Der lei dige Krieg hat aber einen nach dem andern verschlungen und so fehlt es jetzt schon wieder in den russischen Staats kassen am „Besten." In allen Kassen eine trostlose Leere. Ein neuer großer Pump von 250 Mill. Rubel soll die Kassen auf eine kurze Zeit nothdürftig wieder füllen. Bereits in der zweiten Hälfte des Oktober haben wir unseren Lesern mitgetheilt, daß der russische Finanz minister Greigh sich in Deutschland und Frankreich auf der „Geldsuche" befinde. In Berlin aber klopsteer bei allen großen Bankhäusern an. Auch nicht eines fand sich geneigt, mit Rußland ein Geldgeschäft zu machen, denn der Stand der russischen Staatsfinanzen und die augen blickliche allgemeine Lage Rußlands war für die Berliner Geldgrößen durchaus nicht einladend, so gern sie auch sonst auf derartige Geldgeschäfte eingehen, weil doch stets „einige Pfennige" Gewinn dabei herausspringen. Ruß lands Finanzminister, eingedenk des alten Sprüchwor- tes: „Auf einen Hieb fällt kein Bauur" besann sich nun kurz und dampfte gen Paris. Dort es „Moos" in Hülle und Fülle, mochte Herr Greigh denken. Doch — „Hof fen und Harren macht Manchen zum Narren!" denn auch die französischen Geldfürsten blieben dem russischen Finanzminister gegenüber „zugeknöpft" bis aus den ober sten Rockknopf. Die neusten Zeitungen melden nämlich: „Ein kläg liches Fiasko (will sagen: eine große Niederlage,) hat der Finanzminister des Zarö, Herr Greigh, bei seiner Suche nach einem Anlehen erfahren. Greigh hat am Sonnabend Berlin passirt, nm nach Petersburg zurückzukehren. Er gab sich die eifrigste Mühe, um die Erfolglosigkeit sei ner Reise zu vertuschen, und erklärte wiederholt, es sei gar nicht sein Zweck gewesen, in Paris eine An leihe abzuschlicßcn; er hatte sich blos über die Stim mung des europäischen Geldmarktes bezüglich der russi schen Finanzen informircn wollen, doch giebt es Wenige, welche dieser VcrlegcnhcitS-Motivirnng Glauben schenken. Man will vielmehr wissen, Laß Greigh in Paris sich sehr bereit zeigte, auch unter harten Bedingungen eine Anleihe bzuschließen. Nur habe man in Petersburg, als diese Bedingungen daselbst bekannt wurden, geglaubt, die An- zelegenheit noch einmal reiflich prüfen zu müssen, ehe nan eine Entscheidung treffe. Bis Mitte Dccember, wo er Etat für 1879 fertiggestellt sein muß, hat man sozu- agcn noch eine Galgenfrist, und das traurige Zugcsländ- niß, daß Rußland seinen Kredit im AuSlanvc nur unter enormen Opfern aufrcchthaltcn halten könne, kommt am Ende «nch dann noch zu recht. Vorläufig nimmt aber die russische Presse den Mund noch so voll, daß man mei nen könnte, es sei Rußland eine Kleinigkeit selbst eine An leihe von vier- und fünfhundert Millionen Rubel aufzu nehmen, wenn man nur — wollte und cS brauchte. Je denfalls klingt es aber bald anders. Die Entwickelung de« materiellen Ver hältnisse in England. ES ist keine Frage, England, hat als Land der in dustriellen und kapitalistischen Ücbermacht seine» Höhe punkt überschritten. Der Rückgang macht sich von allen Seiten bemerklich, und die Consequenzcn bezüglich der Wcltmachtstellung Großbritanniens werden nicht ansblci- bcn. Die rückläufige Bewegung im Gesammthandel des Landes, und zwar gleichmäßig in der Einfuhr wie in der Ausfuhr, zeigte sich auch in den verflossenen 3 Quartalen Les laufenden Jahres als eine constante und unaufhalt same. Fast nur die Getreide- und Fleischcinfuhr vom Auslande ist in starkem Wachsthum begriffen: und auch das ist sehr bedenklich, denn England ist bereits für mehr als die Hälfte seines GctreidebedarfcS vom Auslande ab hängig. — Selbst die Einfuhr von Rohbaumwolle, Flachs, Hanf und Wolle sind im laufenden Jahre geringer als in der gleichen Periode des Vorjahres, und zugleich ist der Import ausländischer Jndustricartikel nach England in ständiger Zuname begriffen. Während z. B. unsere Papierhändler den Stempel „Bath" auf dem deutschen Briefpapier noch immer nicht ganz glauben entbehren zu können, wird in England heute bereits bedeutend mehr Papier vom Auslande eingeführt, als von England in's Ausland geht. Sogar in Eisen- und Stahlwaaren, in Wollgarn u. s. w. ist die Einfuhr nach England bereits eine ganz bedeutende. Unter diesen Verhältnissen dürfte der Zeitpunkt nicht so ganz ferne sein, wo auch in Eng land die Fabrikanten daran denken werden, eine Schutz- zollbcwcgnng auf die Beine zu bringen. Die Anfänge ei ner solchen Tendenz haben sich bereits bemerklich gemacht. Mit dem Rücktritt aus dem industriellen und kom merziellen Gebiet geht eine beachtcnSwerthe Bewegung auf dem Gebiete des Geld- und ArbcitSmarktes Hand in Hand. Die gewaltige Eapitalmacht Englands stemmt sich mit aller Kraft gegen die Eonscquenzen der nun schon seit 1875 andauernden und zunehmenden Ealaät.mit Den in Bcdrängniß gcrathenden Firmen des Handels und der Industrie wird, namentlich seitens der Direktoren der auf Acticn fundirlcn Geldinstitute reichlich Hilfe gewährt in der Hoffnung, daß die so entstehenden Verbindlichkeiten bei sich bessernder Lonjunctur wieder beglichen werden. Da die Conjunctur aber umgekehrt immer schlechter wird, so wird der Kampf der Geldinstitute mit derselben immer schwieriger. Die Katastrophe der City of Glasgow Bank war wohl nur eine Vorläuferin weiterer Rückgänge auf dem in Rede stehenden Gebiete. Nur mit großer Mühe mag es für jetzt gelungen sein, weitere Folgen der gedach ten Katastrophe vorläufig etwas zu stauen. —Parallel mit diesen Strömungen geht natürlich auf industriellem Ge biete das Bemühen, die Löhne immer mehr hcrabzudrü- ckcn und herunterzuschrmtben. Seit der Katastrophe der , GlaSgow-Bank ist diese Bewegung eine ganz allgemeine. Allein in dieser Woche sind eine Menge Industrien von dieser Maßregel betroffen worden. In der Regel fügen sich die Arbeiter geduldig. In einzelnen Fällen machen sie Strike, in welchem sie so lange ausharren, bis der Hunger sie zwingt, nachzuzcben. Dies ist sogar schon et was so Gewöhnliches, daß man auch in den Fällen, wo über zehntausend Arbeiter die Arbeit eingestellt haben, davon keine Notiz nehmen kann. ES liegt jedoch auf der Hand, daß auch hier einmal eine Grenze erreicht werden wird, wo die Gemüthlichkeit aufhört und die Dinge in England plötzlich ein sehr ernstes Gesicht bekommm kön nen. Alsdann wird England am entschiedensten Wende punkte seiner Weltmacht- und Wcltmarktstellung angelangt sein. Aeußcrst verhängnißvoll könnten für Englands Han del, Industrie und Finanzwirthschaft jene Eventualitäten werden, welche sich in Ccntralasicn vorbcreiten. Bestätigt sich die neuere Nachricht, daß Schir Ali «ngrifföwcise gegen Indien vorgehen wolle, so ist zu vcrmuthen, daß er ein Einvcrständniß mit dem eingeborenen indischen Für sten «»geknüpft hat und daß der Beginn des Krieges das Signal zn einen: Aufstande gegen die englische Herrschaft in Indien sein würde. — Das könnte für England ver- hängnißvoll werden. Zur Lehrltngsfrage. Unter allen modernen socialen Uebeln ist vielleicht das allcrschlimmste die Verwahrlosung der Handwerks- Lehrlinge, in denen bisher die zahlreichsten Rekruten der Socialvcmokratie aufwuchsen. Gerade diejenigen Gcwerb- treibendcn, welche sich am besten zu Lehrherrn eignen würden, haben meistenthcilü alle Lust verloren, sich mit den unbändig gewordenen, nichtsnutzigen Jungen herum zuplagen. Sie wissen recht gut, wie heilsam ein strenger Lehrvertrag den übermüthigen Bürschchen wäre, verzichten aber aus nicht ganz unberechtigten Selbsterhaltungstriebe lieber ganz darauf und nehmen statt eigentlichen Lehr lingen nur noch „jugendliche Arbeiter", die sie »ach den erste» Bubenstreichen für immer aus der Werkstatt jagen können. Diese Abwendung des Meisters vom Lehrling wird noch weiter um sich greifen, sobald man das einge- risscne Uebel ungestört fortwuchcrn läßt. Zugleich wird cs naturgemäß eine Abwendung aller gewissenhaften um sichtigen Eltern und aller edler angelegten, strebsameren Knaben vom Handwerkerstande zu Folge haben, und so mit der Zeit dessen Wurzel ganz verdorren lassen. Glücklicherweise ist das Uebel ei» solches, welches ein unmittelbares wirksames Handanlegcn zuläßt. Wir haben dabei nicht die Wiederherstellung der Zünfte im Sinne, wohl aber ein zweckmäßig ineinandergrcifendes Zusammenwirken aller Derjenigen, denen das Wohl der Lehrlinge am Herzen liegt, bchnfs einer fortlaufenden, sorgsamen Beaufsichtigung und Führung dieses wichtigen Theils unserer Jugend. Von dem Augenblicke an, da der Knabe confirmirt worden ist, bez. die Schule verlassen hat, muß die Gesellschaft durch wachsame geeignete Or gane eine schützende Hand über ihn halten. Zunächst handelt cS sich um einen gntcn Lchrherrn, oder, wenn es damit wirklich immer rarer werden sollte, nun so müssen Lehrwerkstätten, wie in Oesterreich und Belgien, ins Leben gerufen werden. Dann bedarf eö eines wohl überlegten sichernden Lehrvertrages und im Falle ent-