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VoiglliinWier Anzeiger. Amtsblatt für die Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. NeunundsectMMr Jahrgang. Verantwortliche Ned action, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. LS L M»,, IMS. Dienstag. Plauen. Wir machen unsere Leser ausmerksam, daß die alten sächsischen Caffenbillets nur bis zum 1 April d I in den königlichen Cafsen angenommen werden Dieses vlatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher AbonnementSprei-, auch bet Beziehung die Pp». 1 Lhlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Mittags 12 Ubr eingehen, werden in die LagS darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Ann»«»!, finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene HorpuS-Zeile berechnet. Rundschau. Wir muffen unS wieder einmal draußen in der Welt umsehen, wenn wir nicht, wie die Russen, zwölf Tage und noch länger hinter Natur- und Weltereignissen zurückbleiben wollen. Nun, waS den Winter betrifft, der von Weihnacht bis Fabian Sebastian gar nicht ins Geschicke kommen wollte, so hat er sich seitdem recht ernsthaft eingestellt, und der malitiöse „kleine Horn," wie so häufig, das gehörig nachgeholt, was der große versäumt hatte. Wir haben ein Stück Spätwinter, und wenn dieser ziem lich anhaltend bereits bis zu 15 und 20° R. Kälte sich verflieg und viel leicht ein tüchtiges Stück in den März hinein noch anhält, so finden wir daS gar nicht außer der Ordnung, wenngleich immerhin sehr empfindlich für Holz- und Koklcnbedars. Doch tröstet uns die Erfahrung, daß bal dige, zeitige Frühjahre in unserem Voigtlande ost schon insofcrne schädlich wirkten, als sie die Blüthen hervorlockten und diese hinterher von Spät frösten an Obst und Getreide vernichtet wurden. Aber — wunderbarer Welse! — auS warmen, sehr warmen Gegen den tönt Heuer ein Klaggeschrei über die Tyrannei des dießjährigen Wln- terS, das nur zu begründet ist. Zn Neapel, etwa 150 Meilen in gerader Linie nach Mittag zu von uns gelegen, wo man die Kälte kaum dem Namen nach kennt, aus Sicilien, noch südlicher und warmer gelegen, in welchen Ländern an einen Ösen, eine Holzdiele — sie haben dort nur Estrich oder steinerne Fußböden — an wohl schließende Thüren und Fenster nicht zu denken ist, wo der Cactus als Gartenzaun bient, Salbey, Zimmct- rosen und Rosmarin als Unkraut aus Lehden wächst, wie bei uns Disteln rc., wo die schönsten Südfrüchte, als der Oelbaum, die Citronen, Pomeranzen, Granatäpfel, Mandeln, Felgen ic. Jahr aus und ein im Freien ohne jeden Schutz wachsen — sind die Springbrunnen eingefroren, in Sicilien «st mächtig viel Schnee gefallen! Wie mögen da die Neapolitaner und Sici- lianer, deren Kleidung großentheils nur in einem Strohhute, baumwolle nem Hemde und dergleichen Beinkleidern besteht, erbärmlich gezittert und gefroren haben! Noch schlimmer lautet das Lamento über den furchtbar strengen Win ter, zumal den Februar, aus Constantinopel, das ziemlich eben so warm liegt, wie Neapel. DaS „goldene Horn," d. h. der Hafen von Constan- tinopel, ist zu seinem obcrn Theile zugefroren. Schaaren von Wölfen (wahrscheinlich aus dem Balkan) treiben sich in der unmittelbarsten Nähe der Hauptstadt umher und holen unter Menschen Md Vieh zahlreiche I Opfer. Mehrere Häuser in Constantinopel sind untüd, der ungewohnten Schneelast cingestürzt, selbst der Sultan ist in seinem Palaste ein geschneit! Die Schneemasscn unterbrechen die Verbindung nach außen, und in der Stadt und den Vorstädten ist die Passage vielfach un möglich geworden. Da giebt'S Noth, denn die Morgenländer sind an solche Kälte gar nicht gewöhnt, seit 1812 war kein solcher Winter in Constantinopel, daher leiden alle unbeschreiblich und cS ist kein Wunder, daß viele erfrieren. DaS Hauptelend besteht darin, daß sie dort, wie in Neapel nicht auf Kälte eingerichtet, nicht wie wir mit Betten, warmen Kleidern und Stuben und Oesen ihr zu begegnen im Stande sind. Zwei und cin halbes Pfund Holzkohlen (eine Okka), die vor zwei Monate» noch acht Pfennige kosteten, werden jetzt (7. Febr.) in Constantinopel mit 15 Ngr. bezahlt! Und doch sind nicht genug zn haben! Nun haben fie dort zur Erwärmung ihrer Zimmer nur tragbare Kohlenroste, etwa wie die Löthöfchen unserer Klempner — ci, mit denen werden sie ihre stein- oder lehmgedielten Stuben recht auswärmen können! O ihr armen Türken und Christen! Dazu sind die Schafheerden, die dort, wie alles Vieh, Jahr auS und e«n im Freien bleiben und weiden, großentheils durch Schnee, Kälte und Wölfe zu Grunde gegangen, so daß ein einziger Haupt lieferant für Schlachtvieh ln Constantinopel 80,000 Stück Schafe verloren hat. Der Sultan tbut sein Möglichstes, der Noth zu steuern, es will aber nicht reichen. Dürfen wir unS da über unsere Kälte, trotzdem sie der Armulh viele Noth macht, beklagen? Doch diese Wintertrübsal, die ihnen ohncdieß fast nur alle Jubeljahre einmal kommt, wird für Neapolitaner und ConstanNnopolitaner vorüder- gehen, ist wahrscheinlich jetzt schon vorbei; aber in und zwischen zwei großen europäischen Völkern scheint, trotz des herannahenden Frühlings, eine Er kältung einzutreten, die von großer Bedeutung werden kann. Der Mord- veisuch vom 14. Jan. hat Louis Napoleon zu außerordentlichen Sicher- heitSmaßrcgeln sür sich, seine Familie und Regierung veranlaßt. Seitdem die fünf großen Commando'S in Frankreich eingerichtet sind, steht Land und Volk so gut wie unter dem KriegSgesetze, und dieses ist bekanntlich furchtbar streng. Dazu ist daö beim französischen Landtage beantragte und durchgegangene „Sicherheilsgesetz" von der Art, daß es jeden, selbst den friedlichsten und ruhigsten Bürger der Willkür der Polizei preiszngeben geeignet erscheint, zumal wenn man bedenkt, daß der übertriebene Eifer vieler Beamten noch weiter gehen dürfte, als eö Gesetz und Regierung will. Diese Maßregeln mögen nun nothwendig sein in deni von Parteien zerrissenen Laude und Volke, Louis Napoleon mag gar nicht anders ge konnt haben, als solche strenge Maßregeln zu treffen, solche außerordentliche Gtfitze zu erlassen, wenn er sich und seine Regierung aufrecht erhalten, — so machen doch, allen Nachrichten zufolge, eben diese Gesetze und Maß regeln im französischen Volke böseS Blut, und die Erkältung, die gegen die Negierung eintrltt, öffnet eine düstere Aussicht. Jst'ö sein Verhäng- niß, welches den so staatsklugen und umsichtigen Kaiser der Franzosen zwingt, daß er solche Maßregeln ergreifen muß? Gleichzeitig gehen jenseits deS Kanals, in England, auf dem engli schen Landtage ebenfalls bedenkliche Dinge vor, die aus eine ziemliche Erkältung zwischen den zeithcr scheinbar so warm befreundeten Briten und Franzosen lnndeutet und möglicher Weise von wichtigen Folgen werden kann. Zur Verständmß unserer Leser müssen wir Folgendes vorausschlcken. Gleich nach dem Mordversuche vom 14. Jan. donnerten die Zuschriften des franz. Mllitairs an den Kaiser und das amtliche franz. Blatt, der Moniteur, mächtig gegen England loS, daß eS solche Mörder und Ver schwörer beherberge und verlangten von England, eS sollte Gesetze geben, daß solche Banditen in England keinen Aufenthalt mehr fänden. Schon dich verdroß die stolzen Engländer. Jetzt aber kam auch noch der franz.