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WnlmM Tageblatt und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstattön, die Expedition und die Colporteurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Sonntag, den 1. Februar 188«. Bekanntmachung. Die für die bevorstehende Reichstagswahl aufgestellte Wählerliste für die Stadt Waldenburg, welche einschließlich der exemten in der Stadt flur gelegenen Grundstücke der Herrschaft Waldenhurg einen einzigen Wahlbe zirk bildet, liegt vom 30. dieses Monats an zu Jedermanns Einsicht in der hiesigen Rathsexpedition aus. Unter Bezugnahme auf Z 8 des Wahlgesetzes für den Reichstag vom 31. Mai 1869 und ß 3 des zur Ausführung dieses Gesetzes unterm 28. Mai 1870 erlassenen Reglements wird solches hierdurch bekannt gemacht und beson ders darauf hingewiesen, daß etwaige Einsprachen gegen diese Liste binnen 8 Tagen nach Beginn der Auslegung bei dem unterzeichneten Stadtrath anzu bringen sind und daß nur diejenigen zur Theilnahme an der Wahl berechtigt sind, welche in der Wählerliste verzeichnet stehen. Waldenburg, nm 26. Januar 1880. Der Stadtrath. Cunrady. Die den 1. Februar d. I. fällige Grundsteuer — zwei Pfennige von jeder Einheit — ist längstens bis zum 10. gedachten Monats zu bezahlen. Stadtsteuer-Oinnahme Waldenburg, am 30. Januar 1810. "Waldenburg, 31. Januar 1880. Befürchtungen. Als sich Fürst Bismarck zu persönlichen Verhand lungen in Wien genöthigt sah, war man sich einig, daß irgend welche bedrohliche Wolken am politischen Himmel aufgetaucht sein mußten, gegen die es galt, Vorsichtsmaßregeln zu treffen, um dem drohen den Unwetter zu begegnen. Seitdem scheint sich das Unwetter etwas verzogen zu haben, nur die Berichte von Truppenansammlungen russischerseits nach der deutschen Grenze zu konnten noch ein wenig beunruhigen. Allein in den letzten Tagen haben wieder Vor gänge stattgefunden, denen eine große politische Be deutung beigelegt werden muß. Zunächst ist da die plötzliche Ankunft des Fürsten Bismarck in Ber lin, seine Conferenz mit dem Kronprinzen, der im Begriff stand, nach Italien abzureisen, und der gerade wegen der Conferenz die Abreise um einen Tag verschob, weiter ist eine Bedeutung auf die Audienz des Hrn. v. Bleichröder beim Reichskanzler zu legen, bei welcher es sich doch nur um die eventuelle Beschaffung ansehnlicher Geldmittel han deln konnte. Und nicht zum wenigsten Anlaß zu politischen Conjuncturen bietet die neue deutsche Militärvorlage. Die „National-Ztg." hat in Rücksicht auf die Motive zur Militärvorlage die Beziehungen Deutsch lands zu Rußland und Oesterreich-Ungarn einer eingehenden Erörterung unterworfen, in welcher sie sagt: „Was das Drei-Kaiser-Bündniß gesprengt hat, ist nicht die Politik des Fürsten Bismarck oder die des Grafen Andraffy; es war die Thatsache, daß im Frieden von San Stefano an die Stelle des Staaten-Jnteresies das Interesse eines Prin cipes gesetzt würbe, das der slavischen Weltmonarchie, und die Bedeutung, welche die Vertreter dieser Politik in der Leitung der russischen Angelegen heiten zu erhalten wußlen. Die Spitze eines sol chen panslavistischen Principes richtet sich, das ist von vornherein klar, in erster Linie gegen Oesterreich. Die slavische Frage vom russischen Standpunkt aus aufwerfen, heißt die österreichische Frage nuf- werfen und sie gegen den Bestand Oesterreichs lösen. Es wäre ja eine doppelte Politik Deutsch lands dem gegenüber neben der Politik des unbe dingten Widerstandes denkbar. Man konnte sich einfach auf Geschehenlassen beschränken, den Wechsel, den Rußland auf Deutschlands Beistand gezogen hat, durch ein neutrales Zusehen prolongiren und nochmals prolongiren. Um diesen Preis wäre heute wie gestern die russische Freundschaft zu kitten. Oder man konnte der panslavistischen eine panger manistische Politik an die Seite setzen, Italien mit der panitalienischen Idee in den Bund aufnehmen und nach diesen Gesichtspunkten die Welthändel führen." Welche Entscheidung Deutschland ge troffen, darüber hat Fürst Bismarck die Welt nicht lange im Zweifel gelaffen. „Die Reise des Fürsten Bismarck nach Wien," fährt die „Nat.-Ztg." fort, „hatte den Beweis geliefert, daß Deutschland die Politik des Friedens und des Rechtes jeder anderen vorzieht. Deutschland hat mit nahezu einstimmigem Beifall den Entschluß des Reichskanzlers gebilligt, den Widerstand gegen den Panslavismus unge säumt aufzunehmeu, sobald letzterer sich als active Macht zeigte; die Politik, den Kopf in den Sand zu stecken, wäre die kläglichste, schlechteste von allen und Deutschlands unwürdig gewesen." *Waldenvurg, 31. Januar 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Abreise des Kronprinzen von Berlin er folgte am 29. d. früh 9 Uhr. Zur Verwunderung des Publikums stieg aus demselben Wagen, in wel chem der Kronprinz nach dem Bahn' of gefahren war, auch der italienische Botschafter, Graf de Launy, aus, welcher sich schon früh ins kronprinzliche Palais be geben hatte. Hieraus geht hervor, daß die Reise des Kronprinzen einen stark politisch gefärben Hin tergrund hat, worauf auch die ziemlich ausgedehnten Conferenzen zwischen dem Kaiser, dem Kronprinzen und dem Reichskanzler zurückzuführen sind. Die Ankunft des Kronprinzen in Genua, der letzten Eisen bahnstation vor Pegli, erfolgt am 1. Februar 11 Uhr 45 Minuten vormittags. Der Vicepräsident des Staatsministeriums Graf zu Stolberg-Wernigerode hatte seiner Zeit die Auf gabe, den Kaiser zur Genehmigung dessen zu veran lassen, was kurze Zeit vorher zwischen dem deutschen Reichskanzler und dem Grafen Andraffy in Wien vereinbart worden war. Seit jenen Wiener Tagen hat weder der Kaiser noch der Kronprinz den Reichskanzler persönlich gesprochen und es war umsomehr bei der jetzigen Rückkehr Bismarcks nach Berlin ein Meinungsaus'ausch geboten, als, wie ver lautet, der Kronprinz während seines demnächstigen Aufenthaltes in Pegli dem Könige von Italien einen Besuch abzustatten gedenkt. Es mögen besondere Instructionen noch nolhwendig gewesen sein, wodurch die Abreise des Kronprinzen einen kleinen Aufschub erlitten hat. Wie auswärtigen Blättern geschrieben wird, ist nicht nur Brausteuer, Börsen-, Quittungs- und Jn- seratensteuer, sondern auch eine Wehrsteuer ernst lich geplont. Bezüglich der letzteren scheine man auf den Versuch zurückgreifen zu wollen, der bereits vor etlichen Jahren in gleicher Richtung gemacht wurde und bereits im Bundesrathe scheiterte. Da mals sollte jeder Berechtigungsschein zum einjährig freiwilligen Dienst mit 20 Alk. und jede sonstige Befreiung vom Dienst, soweit sie nicht auf Grund körperlicher Gebrechen erfolgte, mit derselben Summe besteuert werden. Zunächst wird der Entwurf einer Börsensteuer an den Bundesrath gelangen. Die Brausteuer, im Wesentlichen dem vorjährigen Entwurfs entsprechend, soll einen Ertrag von 8—9 ; Millionen erzielen. ; Die hessische zweite Kammer genehmigte am 30. l Januar den Verkauf des hessischen Antheils der ° Main-Weser-Bahn an die preußische Regierung mit 24 gegen 14 Stimmen. Der Finanzausschuß ! der zweiten Kammer beantragte bezüglich der Errich- tung einer stehenden Brücke zwischen Mainz und , Kastel, daß die Kammer dem vorgelegten Gesetzent wurf ihre Zustimmung ertheile unter der Beschrän kung, daß die Bausumme, 3,600,000 Mark, unter keinen Umständen überschritten werden darf und die Regierung sich deshalb vor Beginn des Baues zu sichern hat, sowie, daß erhebliche Ausgaben für for- tificatorische Anlagen, außer den im Voranschlag vorgesehenen, nicht bestritten werden dürfen, solche vielmehr dem Reiche zur Deckung überlassen werden müssen. Oesterreich. In Oesterreich ist eine Ministerkrisis ausgebro chen. Das Ministerium Tasffe wird wahrscheinlich im föderalistischen, d. h im reactionären und deutsch feindlichen Sinne umgebildet werden. Die Minister v. Stremayr, v. Horst, Korb v. Wsidenheim und der Leiter des Finanzministeriums Chertek, d. h. alle aus der deutsch-liberalen Verfaffungspartei hervorge gangenen oder derselben nahestehenden Cabinetsmit- glieder, werden wohl aus dem Cabinet austreten und durch Männer derslavisch-reactionär-clericalen Mehr heit ersetzt werden. Der Ministerpräsident Graf Taaffe wollte ein aus gemäßigten Elementen aller Parteien zusammengesetztes Coalitionsministerium bil den; er sorgte zunächst dafür, daß die Verfassungs- parlei ihre Mehrheit einbüßte und daß deren slavisch- clericale Gegner eine kleine Majorität erhielten. Aber die Verbindung der Gemäßigten aus den beiden - Lagern hat sich als unmöglich herausgestellt, und l jetzt verlangen die Slaven und Feudalen ein ihnen ! genehmes gleichartiges Cabinet. Rußland. Stach einer Petersburger Meldung der „National- Zeilung" hat dort das neue deutsche Militärgesetz einen geradezu verblüffenden Eindruck hervor gebracht. Türkei. In Adrianopel herrschen zur Zeit furchtbarer Nothstand und große Sterblichkeit, insbesondere unter den Flüchtlingen. Fünfzehn derselben erlagen an einem Tage dem Hunger. In dem Munde der Leichen fand man Stücke Holzes, mit denen die Un glücklichen ihren Hunger zu stillen versucht hatten. Die Hungersnoth in Wan und Bajasid greift um sich. In Philippopel sind 7000 Flüchtlinge ver sammelt; die Consuln können nur ein Drittel dieser Zahl unterstützen. Die Noth in den Dörfern in der Nachbarschaft von Philippopel ist ebenfalls sehr groß.