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«r. LS» 21. Jahrg. » Fernsprecher: Redaktion 32723 - Geschäst.stell« 32722 Postscheckkonto: Dresden Rr. 14791 SjjÜljVÜlk Donnerstag, H August 1922 Redaktion und Geschästosteller 1«. Holbrinstrak« 4« Volfsrelmna Mr Selbstabholer S »et Uebersendunn durch eim iluSblewen der Paptertte,«»»,»«„ »sw. erlischt und Leistung von Schadenersatz. Tagesschau Poincarö hat mit de Lasteyrie und den Mitgliedern der französische» Delegation am 15. August gegen Mittag Landen verlassen. Die Zahlung von 18 Millionen Goldmarl an die Entente ist am 15. August erfolgt. Die rheinisch-westfälische Privatindustrie hat beschlossen, in folge der »ngrhriiren Steigerung der Kosten für Baumaterialrn »nd Löhne einen Teil ihrer Industrie, und Wohnungsbauten einznstcücn. Tschechische Blatter beschäftigen sich mit einer bevorstehen den Demission der Regierung Benesch. NegierungSvrästdent Dr. Momm-Wirsbaden ist, wie di« Deutsche Tagespresse meldet, auf Befehl der interalliierten Rhein landkommission mit Wirkung vom 1«. August seines Amtes ent» hoben worden. Das Kohlcnamt brr Stadt Berlin hat an drei verschiedenen Stelle» GrohbrrlinS etwa 7888 Zentner Steinkohle im Werte von mehr als 1 Million Mark beschlagnahmt. Die beschlagnahmte Kohle wird unverzüglich den gemeinnützigen städtischen Anstalten zugcsührt werden. Bei Bergenfield im Staate New-Jersey (Norbam.) wurden auf einen Eisenbahnzug drei Bombe« geworfen. Die Fenster von drei Wagen wurden zertrümmert und etwa 12 Reisende verletzt. Die tiroler Bevölkerung ist wegen der steten Zunahme de» Fremdenverkehrs und über dir Preiserhöhungen beunruhigt und bereitet neue Maßnahmen zur Unterbindung des Fremdenver kehrs vor. Gregor der Große — Pius XI. Von Dr. Max Bierbaum, Nom Als Gregor der Grosze seine Predigten in den weiten Hallen von St. Peter vor den Römern hielt, war Stadt und Land ein Trümmerfeld. ' Die Prachtwerke des klassischen Alter tums ans dein Forum und auf den Höhen des Palatin waren am Zerfallen. Und die Ruinen aus Marmor und Ziegelsteinen waren zugleich ein Sinnbild des viel schrecklicheren politischen und wirtschaftlichen Ruins des römischen Weltreiches. In der Tiberstadt selbst wütete — man schrieb das Jahr 590 — Hunger «md Pest. Gregor sah das Elend und fühlte es, er rief das hungernde und fiebernde Volk nach St. Peter in die weiten fünfschiffigen Halle» Konstantins und entwarf erschütternde Bilder von den Strafgerichten Gottes. «Unser Herr — so klagte der römische Bischof — zeigt uns, welches Elend der ergrauenden Welt folgt. Demi von welchen Nebeln wird die Welt jetzt nicht niedergedrückt? Welches Mhgeschick seht uns nicht in Sorge? ... 'Die Städte sind zerstört, die Kastelle geschleift, die Aecker verwüstet, die Erde zur Einöde gemacht. In welchem Zustand aber Rom, einst die Herren der Welt, zurückgeblieben ist, erkennen wir nur zu gut: von unermeßlichem Schmerz, von Entvölkerung der Bürger, vom Sturm der Feinde, vom Schutt der Ruinen ist sie darnieder- gebougt. . .1" ' Aber derselbe Bischof, der die Römer mit dem Gedanken an Untergang, Tod und Gericht vertraut machte, sorgte — nach dem Urteil eines nichtkatholischcn Geschichtsschreibers — zugleich für ihre Lebensrettung. „Das Wohl der Stadt war seine erste Pflicht und die Zeit von solcher Art, daß sich der Bischof als ihren wahren Regenten betrachten mußte. In diesem schrecklichen Ruin gab es nur ein Asyl, die Kirche, »nd nur einen Helfer und Retter den Papst!" Er betrieb die Kornsendunge», suchte die zerstörten Wasserleitungen wieder instand zu sehen, und öffnete die Vorratskammern der kirchlichen Güter. Ein Konsul und zu gleich ei» Vater seines Volkes! „Mundus seneScit," die Welt wird greisenhaft. Und wie derum traten Päpste auf, um Rettung zu bringen und blühendes Jugcndlebcn vor dem Verfall zu bewahren. Man denke nur an den fünfzehnten Benedikt, der unermüglich für die Kinder Mit teleuropas gesammelt und durch seine ergreifenden Mahnungen das Mitleid der Satten »md Reichen aufgeweckt hat. Selbst ohne weltliche» Besitz und des Patriomoniums Petri beraubt, gab er mit vollen Hände»; offen und noch mehr vielleicht im Stillen. Pius XI. folgt seinen Spuren. Er hat von: Grabe des HI. Karl BorromäuS, jenes großen Apostels der Caritas, echte, tiefe Menschenliebe mit in die Prachträume des Vatikans ge bracht. Und täglich dringender, flehendlicher kommen jetzt die Hilferufe aus Osteuropa an sein Ohr. Was er bereits für das hungernde, sterbend« Rußland getan hat, ist durch die Presse längst bekannt geworden. Seine letzte Tat ist eine Schrift, die in diesen Tagen die vatikanische Druckerei verlassen hat. Klein und bescheiden an Umfang. Aber dafür nm so inhaltsschwerer. Ein bleibendes Doku-ment oberhirtlicher, christlicher Menschen liebe. > > ! ^ , TaS kleine Heft von 12 Setten trägt den Titel: Das päpst- Kche HilfSwerk für die ausgehungerten Kinder in Rußland und ist geschmückt mit dem Bilde der Gottesmutter von der immer währenden Hilfe, die auch in Rußland hohe Verehrung genießt. Es folgt auf der zweiten und dritten Sette eine prächtige Photo. .Sraphie des jetzigen hl. Vaters mit folgendem «utograph: «Allen, welche diese Seiten, die Boten des traurigsten Unglücks, lesen und Vst ilimöglstMil <stl krlilllting Berlin, 15. August. An de» Berliner amtlichen Stellen liegt anßer der bereits bekanntgcgebcnen Note der Reparation-- koinmissio» keinerlei Benachrichtigung der Entente vor, obwohl heute nicht nur die Reparationszahlung von 50 Millionen Gold mark. sondern auch die Ausgleichszahlungen i» Höhe von 2 Mil lionen Pfund Sterling, damit weitere rund 40 Millionen Gold mark. fällig sind. Der Matin läßt sich zrvar aus Berlin melden, die deutsche Regierung versüge über 2 Millionen Pfund Ster ling, um einem Versalltermin aus den Londoner Vereinbarungen vom 10. Juni 1921 begegnen zu können. Nach den Feststellun gen an zuständiger Stelle ist dies keineswegs der Fall. Die Reichsregievmig ist nur in der Lage, die in ihrem StundnngS- gesnch angegebenen Ausgleichszahlungen von 500 000 Pfund Sterling, also den vierten Teil der fälligen Ausgleichssumme zu leiste». Ausgleichsverfahren eine halbe Million Pfund nicht überschreiten s,Men Lus diesen Antra« ist der deutschen Regierung die Irwartete aemcii saine Entscheidung der alliierten Mächte bisher L «Ach- -«->»««. dEW. iw-er der französischen Negierung m der Note vom o. August gegebenen Zusage, auch für den Fall des Ausbleibens Gemeinsamen Entscheidung der allnerten Machte ihre ver- Glichen Verpflichtungen im Nahmen ihrer Leistungsfähigkeit Erfüllen Lte einen Gesamtbetrag von 580880 Pfund Ster, ling zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag ist dem britischen und dein französischen AuSgleich-amt. wc che sur d.e heute statt, findende Abrechnung im Kredit sind, nach dem Verhältnis ihrer Kreditsalen überwiesen. Nach dem heutigen Stande der Mark entspricht diese Lei. stung einem Betrage von 2,4 Milliarden Papiermark und stellt deshalb ein- ganz gewaltige finanzielle Kraftanstrengung dar, die in der Tat bis an die Grenze des für Deutschland nn gegen, wärtiacn Moment Erfüllbaren reicht. Erklärungen Polneares Poincarö hat gestern abend den Vertretern der Pariser Presse erklärt: Ich gbaube nicht, daß jemand die französische Delegation anklagen wird, daß sie es im Verlaufe der letzten zehntägigen Beratungen an Geduld habe fehlen lassen. Keiner unserer Vorschläge ist angenommen worden. Unser Recht in der Roparations frag e ist unantastbar. AIS wir im Nkal des vorigen Jahres den Zahlungsplan annahmen. hofften wir, kein weiteres Entgegenkommen mehr bezeugen zu müsse». Aber seit dieser Zeit hat sich Deutschland nicht nur dem Zahlungsplan« entzogen. Es hat auch den Beweis ge liefert, daß es eine systematische Entwertung der Mark verfolgt. Andererseits hat Deutschland keine auSwär- tigen Schulden. Seine innere Schuld wird geringer in dem Maße, in dem die Mark fällt Mit einem Worte, Deutschland verfolgt mit Beharrlichkeit eine Politik, die eS ihm gestattet, vor den Augen Europas bankrott zu machen und so eine neue Herab setzung des Zahlungsplanes zn erlange». Unzweifelhaft ruiniert das Reich seinen Kredit. Aber cs bat die Alliierten, eine innere Anleihe zu begründen, die ihm seinen Kredit wiedergeben soll. Deutschland bat außerdem, daß die erste Kreditoperation, die man ihm ermögliche, ohne Zwang und ohne Pfand erfolge. Wenn nun diese Krcditaperation etiva 20 Milliarden Mark für die Re parationen ergeben sollte, so würde Deutschland annehmen, daß es genug bezahlt habe. Seine Lage würde also dann besser sein als die der siegreichen Nationen. ES würde alsdann den Staaten der Alliierten die Hegemonie in der Welt wieder abnehmen, welche die Alliierten ihm entrissen haben. Wir wollten alsdann, daß die ReparationSkonunission die beabsichtigten Verfehlungen Deutschlands feststellt. Aber wir wurden daran durch die von der englischen Negierung ergriffene Initiative gehindert. Diese erklärte, ohne uns vorher verständigt zu haben, es sei unerläß lich, das Moratorium zu bewilligen. Wir sind der Ansicht, daß diese Initiative freundschaftlich ist, daß sie aber die Entente in Gefahr gebracht hat. 1« Millionen Goldmark als Ansgleichszahlnng überwiese« W. T. B. Berlin, 15. August. Die deutsche Regierung hatte durch gleichlautende Noten vom 14. Juli an die Negierungen Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens den An trag gestellt, hinsichtlich ihrer Verpflichtungen aus dem Aus gleichsverfahren eine anderweitige Regelung zu treffen, »nd da bei zum Ausdruck gebracht, daß die monatlichen Zahlungen im Amerika und Poineare Paris, lS. August. (Berl. Lok.-Anz.) Der Nanyorkec Ver- treter des Daily Telegraf hatte eine Unterredung mit einer Per sönlichkeit, die dem amerikanischen Kabinett nahcsteht. Diese erklärte, daß Poincarö. wenn er so fortführt, den Platz des euro päischen Friedensstörers und Unruhestifters auf dem Kontinent einnchmen werde. Seine Politik sei eine Politik des Unrechtes und er solle es sich wohl überlegen, bevor ex den letzten Schritt ins Dunkle tue. Amerikas Ansichten über die Anleihe tu. Neuyork, 16. August. In amerikanischen Finanz- und politischen Kreisen wird der Fehlschlag der Londoner Konferenz tief bedauert, weil dadurch die für Amerikas Wohlfahrt ebenfalls nötige Wiederherstellung des Gleichgewichtes in Europa ver zögert werde. Die Geschäftsleute erkennen an, daß Deutschland zunächst in die Lage verseht werden müsse, den Markknrs wieder aufzubessern, ehe es an eine neue Besteuerung denken könne. Zu diesem Zwecke aber müsse Deutschland eine große äußere Anleihe erhalten, die es aber wiederum nicht ans Grund des heutigen Standes der Neparationsforderungcn ausnehmen könne. Das wisse Poincarö ebenso gut wie Lloyd George. Bedeutende finanzielle und wirtschaftliche Sachverständige sind der Ansicht, daß nrit einem Moratorium für die Barzahlungen des Jahres und der Abgabe von 26 Prozent auf die Ausfuhr, wie sie Lloyd George vorschiug, diese Anleihe wahrscheinlich zustande komme» könne. » Die Daily Telegraf über Bergmann tu. Paris, 16. August. Aus London wird berichtet: Daily Telegraf berichtet, Staatssekretär a. D. Bergmann habe aus Berlin ein Telegramm erhalten, worin mitgeteilt werde, der Reichskanzler sei außerstande, einer schärferen Finanzkontrolle als der mit dem Garantiekomitee vereinbarten zuzustiinmen. Für eine weitere Ausdehnung der Kontrolle seitens der Alliierten würde im Reichstag keine Zustimmung zu haben sein. Die letz, ten Abmachungen mit dem Garantiekomitee wurden vom Reichs tag nur unter der Bedingung genehmigt, daß damit die Auge» legenheit erledigt wäre. sich bewegen lassen, von Mitleid gegen das ungeheure Heer von verhungernden Kindern und ihnen nach dein Maß ihrer eigenen Mittel zn Hilfe kommen werden, segnen wir von Herze», indem wir Gott bitten, er möge, wie es sicherlich sein wird, ihrer Liebe ein reicher Vergelter sein." Der eigentliche Text der Werbe- schrift beginnt in Vonrehmer Pietät mit den Worten, die Papst Bonedikt in seinem Briefe vom 5. August 1921 an Kardinal Gasparri zugunsten der russischen Hungersnot richtete, und geht dann zu einer kurzen, eindrucksvollen Schilderung des Kinder- elendcs über. Die wenigen Zeilen, die niemand ohne Ergriffen, heit lesen wird, erhalten eine furchtbare Illustration durch sechs Bilder, auf denen bis zum Skelett abgemagerte und sterbende Kinder dem Leser entgogentreten. Eine brutale Wirklichkeit! Eine der GoitcSgcißeln des 20. Jahrhunderts! Zum Schluß wird über die päpstliche Abordnung berichtet, die jetzt bereits mit Hilfsmitteln in Rußland angekommen ist. Ihr Zweck ist, wie nochmals mit besonderem Nachdruck betont wird, „ohne politische oder konfessionelle Vorurteile auf direkte und sichere Weise die brüderlichen Gaben den armen Verhungern, den auszutcilen, vor allem den unschuldigen Kindern. Oder haben nicht die Unschuldigen ein größeres Recht auf Mitleid und Hilfe?" - - - > Auf der Rückseite des Heftumschlagez wird ausdrücklich be- merkt, daß alle Gaben direkt an S. Heiligkeit Papst Pius XI.. Ron,. Vaticano, geschickt werden mögen. An der christlichen Welt ist es nun zu zeigen, ob sie inmitten der eigenen Not und Misere noch offene Herzen und Hände für fremdes Elend hat, und dabei die Frage der Schuld am Elend großmütig zurückzustcllen ver mag. Wie sagte doch Gregor, der Bischof von Rom vor den nie» dergcbsngten Römern in St. Peter: «Wer noch an Christus glaubt, aber der Habsucht nachgeht, der verachtet es Jesus zu folgen, an den er glaubt." ' " " " . K. K. Deutsches Reich Berlin, 16. August. Am gestrigen Mittag 12 Uhr wurde in einer Chefbesprcchung die durch die Londoner Entscheidung gegebene Lage, in erster Linie das NeparationSprobleiu be sprochen. Die durch den Abbruch der Londoner Konferenz ge schaffene politische Lage wird als äußerst kritisch betrachtet; es machen sich pessimistische Stimmen geltend, die den weiteren Ber. fall als unaufhaltsam halte». Das Steigen des Dollars aus 1088 illustriert am sichtbarsten die Lage. Die Erschöpfung Deutschlands durch die Devisen zahlungen Berlin, 15. August. Die Rcichsregierung hat heute die in ihrem Stundungsgesuch in der Angelegenheit der Ausglc.chs. Zahlungen als mögliche Höchstleistung angegebene Summe von einer halben Million Pfund Sterling, also den vierten Teil der fällige» Summe, bezahlt. ES wird aber hcrvorgclioben, das, ihr die Aufbringung brr erforderlichen Devisriim «lei unter nnglanb. l,ch verschlechterten Verhältnissen nur mit der denkbar größten Mühe möglich war. Der Anschlag gegen Scheidemann aufgeklärt .Kassel, 15. August. Die in Kosel festgenommenen Ange. schuldigten Hustert und Oehlschläger legten ein umfassendes Ge ständnis ab. Danach führten die beiden die Tat nach vorheriger Verabredung gemeinsam aus. Als sie am Pfingstsonntagnach- mrttag den Oberbürgermeister in die Straßenbahn steigen sahen, folgten sie ihm während des ganzen Weges von Wilhclmshöhe ^ Wald. Oehlschläger trug in einem Blechbehälter die Blausanrespritzc. außerdem führten sie eine Mchrladepistole mit sich. Auf dem einsamen Wege nach Möllcrsruh hielt Oehlschläger den Zeitpunkt für gekommen und übergab die Spritze Hustert mit den Worten: Nun machst Hustert spritzte dann dein Obcrbürger- meister Blausäure ins Gesicht. Oehlschläger hielt sich in un- mittelbarer Nähe auf. Als er den Oberbürgermeister fallen sah. ^ 'h" /ur erledigt. Beide bestreiten, in Kassel Mitwisser gehabt zu haben. ' ^