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dieses Instrument — nicht nur eines der ge nialsten und auch der bekanntesten Werke des Meisters dar, sondern gehört zu den schön sten und bedeutendsten Schöpfungen dieser Gattung überhaupt. Das Klavier steht bei Schumann, dem Klavierkomponisten von stärk ster Eigenart, mit neuen, kühnen Klangkombi nationen und Wendungen zwar unbedingt im Mittelpunkt des Geschehens, ist dabei aber ganz in den Dienst der Kompositionsidee ge stellt und verzichtet — trotz schwierigster Auf gaben für den Solisten — vollkommen auf jede äußerliche Virtuosität und leere technische Brillanz. Gleichzeitig jedoch gelingt Schumann k seinem Klavierkonzert — im Gegensatz zu Wopin, dem einzigen Meister der Zeit, der ihm in der Gestaltung des Klavierparts seiner beiden Konzerte kongenial ist — auch eine großartige Verschmelzung von Klavier- und Orchesterklang, die Schaffung einer Einheit zwischen solistischem und sinfonischem Ele ment. „Tenor des Werkes ist die Sehnsucht und das Glück zweier liebender Menschen, von Schu mann selbst in seinem Kampf um Clara erlebt und nun, künstlerisch umgesetzt, allgemein gültig gestaltet. Das den ersten Satz bestim mende Hauptthema prägt in abgewandelter Form auch die Themen der übrigen Sätze. Es ist der Melodie der Florestan-Arie aus Beet hovens .Fidelio' (Beginn des 2. Aktes) eng ver wandt und verdeutlicht dadurch noch mehr, wie die diese Oper beherrschenden Themen der Gattentreue und des Freiheitskampfes — für Schumann der Kampf gegen alles Philister hafte, wie er sich im Programm seiner Davids- bündler manifestierte — auch sein entschiede nes Anliegen waren" (R. Bormann). Drängende Leidenschaft und Sehnsucht be stimmen den Charakter des 1. Satzes (Allegro Ifettuoso). Nach einer kraftvoll-energischen Anleitung durch das Klavier ertönt zuerst in den Bläsern, dann vom Solisten wiederholt, das schwärmerische Hauptthema, das in seinen Motiven als Leitgedanke des Werkes in allen Sätzen wiederkehrt. Darauf entwickeln sich in reizvollem Wechsel zwischen Orchester und Solisten nacheinander eine Reihe der verschie denartigsten Bilder und Stimmungen, wobei das Hauptthema mit seinen einzelnen Teilen, dem hier kein eigentliches zweites Thema ent gegengestellt wird, in wechselnder Beleuch tung, der Phantasie breitesten Spielraum ge bend, den Verlauf des Satzes beherrscht. Die Reprise hat ihren Abschluß und Höhepunkt in der breit angelegten, verinnerlichten Kadenz des Soloinstrumentes. Kraftvoll vorwärtsstür- mend wird der Satz danach abgeschlossen. Völlig entgegengesetzt erscheint der kurze 2. Satz (Intermezzo — Andantino grazioso), der durch die überaus poetische, graziöse Wieder gabe ruhiger, gelöster Empfindungen ge kennzeichnet wird. In feinem Dialogisieren zwi schen Klavier und Orchester über ein Thema, das dem Hauptthema des 1. Satzes entstammt, entfaltet sich ein anmutiges, subtiles Spiel. Der kantable Mittelteil des Intermezzos bringt ein ausdrucks- und gefühlvolles Thema, das zu erst von den Celli vorgetragen wird, wäh rend sich das Klavier in zarten Arabesken er geht. Auch das schwungvolle, frische Haupt thema des 1. Satzes gewonnen, und zwar dies- satzes (Allegro vivace) wurde aus dem Haupt thema des 1. Satzes gewonnen, und zwar dies mal durch eine rhythmische Verschiebung. Das sprühende, fast tänzerisch anmutende Finale nimmt einen leidenschaftlich bewegten, farbi gen Verlauf und endet auch nach einer im wesentlichen vom Soloinstrument getragenen Schlußsteigerung in lebensbejahender, freu dig-weltzugewandter Haltung. Seine 3. Sinfonie F-Dur op. 90 schrieb Johannes Brahms 1883 in Wiesbaden und bei Aufenthalten im Taunus. In diesem Werk fand der Komponist die künstlerische Synthese aus den Erfahrungen, die er wäh rend der Arbeit an den beiden vorausgegan genen Großwerken gesammelt hatte. Zu Recht wurde die „Dritte" als die „Brahmsischste" be zeichnet, trägt sie doch am deutlichsten die Wesensmerkmale des Meisters: Herbheit und Innigkeit, die Liebe zum Volksliedhaften, kämpferischen Trotz ebenso wie den trösten den Charakter seiner Tonsprache. Sie ist ein Werk höchster menschlicher Reife, die äußer lich knappste der vier Brahms-Sinfonien über dies. Im Formalen waltet Klarheit und Über sichtlichkeit, obwohl die „Dritte" eine von der Tradition abweichende Eigentümlichkeit zeigt. Der Höhepunkt, die dramatische Entladung, liegt im Finale. In den drei vorausgehenden Sätzen werden gleichsam Kräfte gesammelt, wird die innere Dynamik aufgebaut, die sich dann im Schlußsatz stürmisch entfaltet. Es ist gesagt worden, daß der letzte Satz die eigent liche Durchführung der gesamten Sinfonie darstelle. Dennoch fand die Sinfonie bei der Urauffüh rung am 2. Dezember 1883 in Wien unter Hans Richter nicht sofort den verdienten An klang. Gegenüber Richard Heuberger, dem Wiener Kritiker und Komponisten, bekannte Brahms: „Es ist doch was Unangenehmes, wenn man so regelmäßig durchfällt, es macht einen trotz aller Grundsätze stutzig." Hinter solcher Ironie verbarg sich die Empfindlichkeit eines Meisters, der sich des Wertes seiner Ar beit durchaus bewußt war. Vielleicht dachte er auch an die verletzende Rezension des jungen Hugo Wolf im „Wiener Salonblatt", der als enthusiastischer Parteigänger Wagners die heftigsten Attacken gegen Brahms ritt, was uns heute unvorstellbar erscheinen will. Re spekt- und verständnislos urteilte er über die 3. Sinfonie: „Als Sinfonie des Dr. Johannes Brahms ist sie zum Teil ein tüchtiges, ver dienstliches Werk; als solche eines Beethoven Nr. 2 (Anspielung auf Hans von Bülows Bon mot, das die 1. Sinfonie von Brahms als die „Zehnte" von Beethoven bezeichnete) ist sie ganz und gar mißraten, weil man von einem Beethoven Nr. 2 alles abverlangen muß, was einem Dr. Johannes Brahms fehlt: Originali tät! Brahms ist ein Epigone Schumanns, Men delssohns. Er ist ein tüchtiger Musiker, der sich auf seinen Kontrapunkt versteht, dem zuwei len gute, mitunter vortreffliche, zuweilen schlechte, hie und da schon bekannte und häu fig gar keine Einfälle kommen . . . Die Führer der revolutionären Musikbewegung nach Beet hoven sind an unserem Sinfoniker spurlos vor übergegangen; er war oder stellte sich blind, als der erstaunten Menschheit die Augen vor dem strahlenden Genie Wagners auf- unJ übergingen . . . Brahms kommt wie ein ab geschiedener Geist wieder in die Heimat zu rück, wackelt die schwankende Treppe hinauf, dreht mit vieler Mühe den verrosteten Schlüs sel um . . . und sieht mit abwesendem Blick die Spinnweben ihren luftigen Bau betreiben und den Efeu zum trüben Fenster hineinstar ren." Brahms hat es Hugo Wolf auf seine Wei se vergolten, als er sich später einmal über dessen Kritikertätigkeit äußerte: „Damals ha ben wir viel über den närrischen Davidsbünd- ler gelacht, wenn ich seine Kritiken, die ich Tag und Nacht bei mir trug, zum besten gab. Aber damals haben wir nur die Aufsätze ge kannt — heute weiß man, daß er ein ernster Mensch war, der Ernstes gewollt hat, und die Hauptsache ist schließlich doch der Ernst, wenn auch Spaßhaftes dabei herauskommt." Der erste Satz (Allegro con brio) beginnt mit einem Motto-Motiv, das im ganzen Werk an wichtigen Punkten der Entwicklung eingreift. Aus dem dritten Takt geht das weitgeschwun- Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dipl.-phil. Sabine Grosse/Renate Wittig Die Einführung in das Orchesterwerk „Der gefesselte Orpheus" von Siegfried Köhler schrieb Dr. Friedbert Streller Spielzeit 1979/80 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-89-79 EVP: 0,25 M gene, kraftvolle Hauptthema hervor, voll lei denschaftlichem Ausdruckscharakter, voll her ber Wendungen. Diesem männlichen Gedan ken folgt eine der wundersamsten Eingebun gen des Melodikers Brahms, das zweite The ma, das von der Klarinette vorgesungen wird. Nach heroischen, aber auch besinnlichen Aus einandersetzungen verklingt der Satz piano. Die frische, würzige Herbheit dieses Allegro ist zuweilen mit einer Bergwanderung durch den Hochwald verglichen worden. Im schlichten C-Dur des Andante-Satzes klingt es wie eine Volksweise auf. Variationen, in schlichtester Faktur, schließen sich an. Ein trauermarschähnlicher Seitengedanke in d^k Klarinette wendet die Stimmung ins MelOW cholische. Auch später taucht er noch einmal auf. Mit schmerzvoll-chromatischen Gängen schließt der Satz. Einen eigenartigen Intermezzocharakter besitzt der dritte Satz (Poco Allegretto). Die Violon celli beginnen mit einer weitgesponnenen, sehnsuchtsvollen Melodie, danach duettieren Violinen und Celli. Im Mittelteil (quasi Trio) wechselt satte Streichermusik mit tänzerischen Bläserrhythmen. Das Horn bringt die Anfangs melodie. Die Grundhaltung des Ganzen wird von einer gewissen tänzerischen Schwermut bestimmt. Den bedeutendsten Satz der Sinfonie stellt, wie schon angedeutet, das Finale (Allegro) dar, das im drohenden Unisono des f-Moll- Themas einsetzt, um rasch den ersten heftigen Steigerungen und Entladungen zuzustreben. Verschiedenste Motive werden miteinander verkoppelt. Auch das trauermarschähnliche Thema aus dem langsamen Satz erscheint wieder. Nachdem sich erregte Balladenstimmung ausgebreitet hat, ertönt ein jubelnd sich auf schwingendes, befreiendes Hornmotiv in Trio- len, das vom ganzen Orchester aufgenommen wird. In trotziger Kampfesstimmung bei sterhafter Kontrapunktik, mit der die Them^F miteinander verknüpft werden, geht die Ent wicklung bis zur Reprise. Dann aber tritt eine lyrische Beruhigung der Stimmung ein, bei Tempoverbreiterung wird ungebrochenes F- Dur erreicht. Das Motto-Motiv und das ins Sanfte gewendete Hauptthema des ersten Satzes haben das letzte Wort. Pianissimo, träumerisch klingt die Sinfonie aus. Doch nicht Resignation, sondern Tröstenwollen ist das Fazit des Werkes, das durch die Schlichtheit seiner Sprache und Mittel so nachhaltige Wir kung erzielt. Dr. habil. Dieter Härtwig 5. PHILHARMONISCHES KONZERT 1979/80