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«Wd. «. RebaNt« Vrr4de«-R«ft«P< v Meißner Gaffe L. Die Zeitung erschein» rt«s«i, Eounerst«- «ch «-«nahen» frßh. Udou»«»«t»- SSchsische NalsMU Prei-r ,ter1eIjLhri.«k1^0 von 9b Pfg. «statte« und durch unsere Hot«. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. AmtShauptmannschasten Dre-den-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrman« Müsse* in Dresden. znferste werden bi» Montag Mittwoch u. Freitag Mittag an gen omm« und kost«: dtetspaltZeilelSPfg. Unter Eingesandt: SO Pfg. Inseraten» Aaua-mestc-e«: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, HaascnsteiuLBogle^ Rudolf Mosie, G. L. Daube L E«. in Dre-den, Leipzig Hamburg, Berlin, Frankfurt a.M. u. s. w. Mr. 60. Sonnabend, den 2l. Mai 1887. 49. Jahrgang. Politische Wellschau. Deutsches Reich. In dem neuesten Hefte der Zeitschrift „DaS Finanzarchiv" finden wir einen in hohem Grade beachtenSwerthen Artikel, in welchem der Professor Schanz in Würzburg, eine von allen Seiten anerkannte Autorität auf dem Gebiete der VolkSwirthschaft, die neue Steuerpolitik deS Reiches einer eingehenden Be sprechung unterzieht. Der Verfasser wendet sich zu nächst gegen daS allzu straffe Anziehen der indirekten Steuerschraube, da hierdurch die arbeitenden Klaffen am Schwersten belastet würden. „ES will unS in hohem Grade inkonsequent erscheinen" — so führt Schanz u. A. auS — „wenn man durch Reformmaaßregeln auf social- pvlitischem Gebiete den Frieden mit den niederen Schichten der Bevölkerung herzustellen sucht, gleichzeitig aber auf finanziellem Gebiete die Brandfackel wieder in die Massen wirft. Man darf nicht vergessen, daß der bekannte socialdemokratische Führer, Lassalle, hierauf fußend, in wirksamster Weise für seine Ideen agitirt hat." Schanz empfiehlt sodann gegenüber der einseitigen Ausbildung deS indirekten Steuersystemes u. A. die Einführung einer Erbschaftssteuer, welche die Vorzüge der «direkten Steuer, nicht aber deren Mängel aufweise. Er berechnet, daß eine derartige Steuer leicht 23 Mil lionen Mark für Preußen allein ergeben könne. Weiter hin tadelt Schanz die Steuerreformbestrebungen, die darauf abzielen, durch die Reichssteuern Ueberschüffe für die Einzelstaaten zu erhalten und zwar in solcher Höhe, daß z. B. nicht nur daS preußische Deficit von 28 Millionen verschwindet, sondern daß auch noch Mittel übrig bleiben, um den Gemeinden die Grund» und Ge- biudesteuer entweder ganz oder doch zur Hälfte bebufS Entlastung ihres Budget- zu überlassen. DaS Finanz wesen der Einzelstaaten dürfte auf diese Weise nur noch eiaeo integrirenden Theil der ReichSfinanzen bilden, so daß die Bundesfürsten in volle Abhängigkeit vom Reiche gebracht würden. DaS kann weder vom Reichs- standpunkte, noch von dem der Einzelstaaten auS gebilligt werden. Bei den SelbstverwaltungSkörpern hat man eö stetS für ein richtiges Princip gehalten, sie bis zu einem gewissen Grade selbstständig zu machen und dies trifft auch bei den Einzelstaaten zu. Diese werden poli tische Nullen, wenn sie in ihrem Haushalte nicht mehr unabhängig bleiben, sondern betreffs Befriedigung ihrer finanziellen Bedürfnisse auf da- Reich angewiesen sind. Aber auch vom Standpunkte deS Reiches auS muß man ein derartiges System mißbilligen. DaS Reich ladet sich damit eine Aufgabe auf, welche die Verfassung ihm keineswegs zugedacht hat. SS ist überhaupt nicht seine Sache, die Finanzen der Einzelstaaten zu besorgen. Läßt eS sich darauf ein, dann übernimmt eS die Ver ¬ pflichtung, die Ueberschüffe dauernd in gewisser Höhe zu erhalten, was bei dem schwankenden Charakter der in direkten Abgaben und bei dem Wachsen der ReichSbedürf- niffe eine schwierige Aufgabe sein dürfte. Ja, eS kann nicht auSbleiben, daß man bei jedem Deficit, welches sich in dem Budget eines EinzelstaateS herausstellt, gewiffer- maaßen daS Reich dafür verantwortlich macht und von diesem verlangt, daß eS helfend einspringt. ES ist ferner zu bedenken, daß die Stellung der Einzelstaaten gegenüber der beabsichtigten Steuerreform eine sehr verschiedene sein dürfte. In Preußen werde« diese Maaßregeln einer Noth lage abhelfen, in anderen Staaten dürften sie zu einem theilweisen Nachlasse der direkten Steuern führen, in wieder anderen aber werden sie, wie Schanz befürchtet, eine Unsumme von vermeintlichen und wirklichen Bedürfnissen wachrufen; man wird, wie nach dem Milliardensegen, in der Fülle der Geldmittel schwelgen; denn die Prüfung deS Bedürfnisses pflegt um so larer zu sein, je weniger Sorge die Beschaffung der Mittel bereitet. Schanz schließt seine bemerkenSwerthen Erörterungen mit folgenden Worten: „Ich mag die Sache ansehen, wie ich will, der Eindruck, daß die jetzige Steuerreform niemals zum gewünschten Ziele führen wird, will sich nicht verwischen." Neueren Nachrichten zufolge hat man an maaß- gebender Stelle sich entschlossen, dem Reichstage im Laufe dieser Session keine Vorlage, betreffend die Re form der Verwaltung Glsaß-Lothringen-, mehr zugehen zu lassen. Die Reichsregierung dürfte dabei von der Erkenntniß geleitet werden, daß der Reichstag ohnehin noch eine große ArbeitSmenge zu bewältigen hat. — In Markirch hat die durch Beschluß deS Polizeipräsidiums zu Kolmar erfolgte Ausweisung deS Inhaber- eine- der größten Appretur - Etablissement- , A. Baumgartner, große- Aufsehen erregt. Der Reichstag überwies in seiner Sitzung am Mittwoch einige von verschiedenen Thierschutzvereine« eingegangene Petitionen, betreffend die Beseitigung der Thierquälerei beim Tödten deS Schlachtviehes, der Regierung zur Erwägung, nahm aber ausdrücklich die, jenigen Beschwerden, welche sich gegen die bei den Juden übliche Art deS Schlachtens wenden, davon auS. Namentlich der nationalliberale Abg. Miquel erklärte sich ganz entschieden dagegen, daß die JSraeliten in ihren religiösen Gebräuchen gestört würden, zumal nach den Gutachten verschiedener Sachverständiger in dem Schlachten deS DieheS nach jüdischem RituS durchaus keine Thierquälerei zu erblicken sei. Alle diejenigen — so schreibt man von osficiöser Sette auS Berlin — welche eine für die Reichsfinanzen er giebige Reform der Branntweinsbesteuerung schon seit Jahren als eine Nothwendigkeit betrachten, werden mit Befriedigung wahrnehmea, daß die diesbezüglichen Verhandlungen in der ReichStagSkommission einen glatten Verlauf nehmen. DieS wäre selbstverständlich nicht möglich, wenn nicht vorher zwischen der Re gierung und den maaßgebenden Parteien im Parlamente Vorbesprechungen stattgefunden hätten, bet deren vertrau lichem Charakter rückhaltslose Offenheit obwalten konnte. Auch die Gegner scheinen nicht mehr daran zu zweifeln, daß die BranatweinSsteuervorlage noch in dieser Session Gesetzeskraft erhalten wird. Bezüglich der Zuckersteuer- vorlage steht eine noch weit schnellere Erledigung zu er warten ; dieser Gegenstand ist nicht so verwickelt und wird nicht von so vielen Interessen durchkreuzt, wie die neue BranntweinSbesteuerung und eS schrumpfen die Haupt streitpunkte auf verhältnißmäßig wenige Fragen zu sammen. ES erscheint nützlich, bei dies" Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, daß die von einigen im Allgemeinen der nationalliberalen Richtung folgenden Zeitungen an der Zuckersteuervorlage geübte absprechende Kritik nicht al- Anschauung der nationalliberaleu Partei aufgefaß werden darf. Innerhalb dieser Fraktion haben nemlich noch keinerlei Vorberathungen über den neuen Gesetzentwurf stattgefunden, was sich schon einfach kar-v erklärt, daß die Vorlage zur Zeit noch den BuodeSrath beschäftigt, dem Reichstage also noch gar nicht zugegangen ist. Auf jeden Fall — dessen darf man schon jetzt ver sichert sein — wird dir ReichStagSsesfion einen befrie digenden Abschluß erhalten, indem eS gelingen dürfte, neben der militärischen Sicherung de- Reiche- und hoffentlich auch deS europäischen Friede»- die festen Grundlagen der Steuerreform zu legen, welche die finanzielle Zukunft de- Reiche- sichern. Für diejenigen Innungen, welche ihre durch da- ReichSgesetz vom 18. Juli 1881 vorgeschriebene Re organisation bisher nicht bewirkt haben, ist, wie ge meldet wird, als Endtermin, bi- za welchem sie ihre abgeänderten Statuten eiuzureichen haben, der 1. Sep tember d. I. festgesetzt worden. AlSdann sollen nach § 3 deS genannten Gesetze- nicht reorganisirte Innungen geschloff« werden und wird man mit ihrem Vermögen nach § 94 der Gewerbeordnung verfahren. Die Zahl der hierbei in Betracht kommenden Innungen dürfte nicht gering sein. Den in Metz garnisonirenden Truppen ist auf - Strengste anbefohlen worden, jede Berührung der frau zösischea Grenze mit peinlichster Sorgfalt zu vermeiden. Officiere wie Mannschaften pflegen nemlich an dienst freien Tagen in größeren oder kleineren Trupp- die umliegenden Schlachtfelder zu besuchen und bei einer solchen Gelegenheit ist die unfreiwillige Überschreitung der Grenze um so leichter möglich, al- dieselbe stellen weise in ganz unregelmäßigen Linien verläuft und oft- Feuilleton. In geheimer Mission. Novell« au« den letzten Zeiten der französischen Direktorial - Regierung. <7. Fortsetzung.) Ohne sich eine kurze Ruhepause zu gönnen, stellte er sofort die eifrigsten Nachforschungen an, aber kein Mensch vermochte ihm Auskunft über den merkwürdigen Reiter zu geben. Sein Kopf brannte in fieberischer Gluth; weder deS geringsten Versprechens, noch einer leisen irgend wie zu verwerthenden Andeutung hatte fich der Reiter de- arabischen Rosse- schuldig gemacht; sogar sein Mienenspiel hatte dieser zu bewachen verstanden. Der Unbekannte machte seinen Unwillen in einem derben Fluche Luft. Mit TituS konnte er am Abende dieses für ihn verlorenen Tage- auSrufen: Diem peräiäi! Kapitän Reymvnd blieb die gauze Nacht hindurch i» Sattel. ES mochte in der neunten Stunde deS Morgens sein, als er in die Hauptstadt der schönen Provinz Touraine in da- altersgraue sagenumwobene Tour eintritt. Bor einem der feinsten Hotel- stieg er vom Rosse, wie ein Kavalier, der sein in der Umgegend ge legene- Landgut für einige Stunden verlassen hat, um fich den städtischen Zerstreuungen zu widmen. Ungefähr drei Stunden von der Stadt Tour- ent fernt erhob sich am linken Ufer der Loire, von einem Prächtigen Irrgarten umgeben, ei« große-, geräumige- Schloß, dessen architektonische Konstruktionsweise auf die Epoche Ludwig- XIII. hindeutete. DaS Eisengitler der Pforte, welche den Eintritt in daS Schloß hinderte oder vermittelte, war vor langer Zeit mit einer goldenen Wappenkrone verziert gewesen; noch hielten ihre geringe« Urberreste, wie um dem Zahne der Zeit Troy zu bieten, die eisernen Stäbe dieser Eingangspforte fest umklammert. An einem geöffneten Fenster de- großen SaaleS im Erdgeschosse, welcher eine entzückende Aussicht auf die stolzen Baumgruppen deS GartenS bot, saß ein ältlicher Herr vor einem Tischchen. Einige in Gold gefaßte Bücher und ein Schachbret mit aufgestellten Figuren lagen darauf. Der GreiS stieß einen Seufzer aus und langte nach dem ihm zunächst liegenden Buche, daS er einige Zeit anscheinend planlos durchblätterte, bi- eine Stelle desselben seine Aufmerksamkeit zu fesseln schien. ES war der Besitzer de- Schlöffe-, der ehemalige MarquiS von Rencey. Der Er-Marqui- mochte, waS da- Alter anbelangte, die Sechzig bereit- überschritten haben. Seine Kleidung trug bei aller Kostbarkeit d«S Stoffe- den Anstrich deS Altväterischen und wer die blaffen, eingefallenen Züge, da- peinlich frisirte und gepuderte Haar, die energischen Linien der Adlernase, die engen Hüften und die dünnen, von den elegantesten Spitzenmanschetten umhüllten Hände näher betrachtete, der mochte darauf schwören, daß der MarquiS in seinen jüngeren Tagen al- einer jener Kavaliere aufgetreten war, welche vier Wintermonate in Versailles zubrachten und den übrigbleibevden Theil de- Jahre- darauf verwandten, auf ihren Gütern zu jagen, ihre Felder zu bestellen, überhaupt auS ihren Besitzungen ein tüchtige- Kapital herauSzuschlagen, um während der Monate deS nächsten Winter- in Versailles den Pomp entfalten zu können, mit dem man nothwendig auftreten mußte, um der alten Ehre seine- Namen- keine Schande zu machen. Wenn man diesen am Fenster sitzenden ältlichen Herrn genauer iu'S Auge faßte, konnte Einem ein gewisser unbestimmbarer Ausdruck in seinen Augen nicht ent gehen. Ohne Rast und ohne Ruhe rollten sie oft stundenlang in ihren Höhlen umher, bi- sie endlich an einem Gegenstände haften blieben und denselben dann wohl ebenso lange anstarrten. Die Schreckensherrschaft hatte die Geisteskräfte de alten MarquiS von Rencey lahm gelegt. ES gab wohl Zeiten, die ihm eine freie Herrschaft über seine Sinne verstatteten, aber nur zu oft ging sein Irrsinn in die leidenschaftlichen AuSbrüche einer grenzenlosen Tob sucht über. Sine junge, schöne Dame trat über die Schwelle deS SaaleS, sie entledigte sich ihre- StrohhuteS, der bisher daS reizende Lockenköpfchen neidisch verhüllt hatte, legte ihn auf einem Marmortischchen nieder und trat schüchtern dem ältlichen Herrn zur Seite. ES war Helene von Rencey, die Tochter d,S Er- MarquiS, sein einzige- Kind. Sie hatte früher einen Bruder gehabt, aber im Jahre 1792 war dieser auS dem Leben geschieden. Helene stand in dem jugendlichen Alter von drei- undzwaazig Jahren. Ein freudlose- Schicksal hatte sie dazu verdammt, die schönste Zeit ihrer Jugend auf dem väterlichen Schlosse vertrauern zu müssen, diesem weltabgeschiedenen Asyle, bi- zu welchem sich wohl die brandende« Wogen der Revolution verschlagen hatte»