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Sonntags-Ausgabe Berua sirrens: ,»«>«-1 «.n» In4 Ha»4 >edracht m»n«IIlch M. öoa. »KUeliadrllch M. kvv fiir Abholer »»»«Utch 7N. l.7S: dorch »»«er» ««wLrllaen ^llieleo In« Han« gebracht «onatllch M. »LL »larlel- 1»hrllch M.SLU: durch dl« Poft Innerhalb DeiUIchland« Gesamt-Anlaab« «»al '» Ai. rlerleliahrllch M. h.7ä; Moraen-A-Iaod, M. I 5a. Adend-Aa«g,de M. HM, Sonntagi-Anlgode Äl. UchO monatUch <au«schli»bllch PoftbefteUgrdahr). Kauptschriftleiter: Dr. Erich Lverth, Leipzig. 112. Jahrgang Anzeigenpreis: L'LN'L Ä'K? Anzelae» ». Behörde» I» a»tl- Teil dl« golonelzell« 80 Di. ». an«». Pi klein« Anzeleea dl« Kolonelzeli« 30 Pf, a,«»Lll« 3b Pf^ V»ichast«anjlli-n ml« Plahnorlchrlflen I» Preis« «rhdhi. Bella>«n: Delamianiiaa« M. 7.— da« Taulend aolichl. Postgeddhe. L>n,e ,»»«r 10 Pf. — Son» »nd Feftiog« lb Pf. ger»Ipr«ch.A»Ichi„«r.I4»i»r. I4^Ä »nd 14«*«. — P-ftIche<kkon«, Kchritlleitnng »nd V«lch<lfl4ft»ii«: 3oha»»i«gaft« Ar. 8» Verlag: Dr. Reinhold L To., Leipzig. 1V18 Nr. 10 Sonntaq. den S. Januar Hindenburg oder Kühlmann? Krise zwischen Heeresleitung und von Kithlmann (-) Berlin, 5. Januar. (Drahtbericht unserer Ber it n e r S ch r i f t l e i t u n g.) Zn politischen Kreisen erzählt man sich mit wachsender Bestimmtheit von einer Krise, in deren Mittelpunkt auf der einen Seite die Oberste Heereslei tung, aus der anderen Herr von Kühl mann steht. Die Oberste Heeresleitung, unter der in diesem Teil nicht General Hofmann, sondern in erster Reihe General Luden dorff zu verstehen ist, mit dem der Generalfeldmarschall von Hinden burg sich solidarisch erklärt hätte, mache Herrn von Kühlmann zum Borwurf, daß er aus der militäri chen Situation nicht das Mögliche und Wünschenswerte herauszu-olen willens sei und daß er diesen seinen Neigungen auch bei den Verhandlungen mit den Vertretern der bolschewistischen Rusten gefolgt sei. Die Dinge hätten sich nachgerade so zugespiht, daß für General Ludendorff vn- damit auch für Hindenburg die Frage sei: Wir, oder Herr von Kühlmann. Die Entscheidung deä Kaisers steht noch aus. Bisher hätte er sich nicht entschließen können, sich von Herrn von Kühlmann zu trennen und unter diesem Eindruck seien Hindenburg und Ludendorfs ins Hauptquartier abgereist. Es ist im Augenblick nicht möglich, das Gerücht auf alle Einzel- hetten hin zu prüfeir. An seinem Wahrheitskern wird nach un fern Erkundigungen kaum zu zweifeln sein, und damit ergibt sich allerdings eine überaus schwierige Situation, die schwierigste viel leicht, die wir im Verlauf der 3K bittern Jahre zu bezwingen ge habt haben. Es ist gar nicht zu leugnen, daß Herr von Kühl mann im einzelnen viel Geschick bewiesen hat und daß es ins besondere ihm gelungen ist sich einen starken Einfluß auf das Parlament zu sichern und damit zur Beruhigung der öffentlichen Meinung beizutragen. Auch nach außen hin hat Herr von Kühl mann es wohl verstanden, eine Atmosphäre zu schaffen, die lang sam zwar, aber doch die Ueberleitüng ln den Frieden vorzubereiten vermag. Aeber alledem aber steht die Gewißheit, daß das Deutsche Reich und das deutsche Volk, Monarchie und Staat es in diesem Augenblicke nicht zy erfragen vermöchten, wenn die gefeierten Heerführer, die doch nun einmal, und sicher mit Recht, das Vertrauen der Ration besitzen, die ihr als Symbol alles dessen gelten, was bisher auf militärischem Gebiete erreicht worden ist, aus ihren Aemtern scheiden. Wie aus diesem Dilemma ein Ausweg zu finden ist, misten wir im Augenblick noch nicht zu sogen. Nur den heißen Wunsch müssen wir äußern, daß es so oder so ihn zu finden gelinge, lieber alles andere sich auszu sprechen, ist die Stunde wohl noch nicht gekommen. Darüber kann freilich kaum ein Zweifel sein, daß, wenn stht Herr von Kühlmann ginge, wir im Innern wie nach außen hin vor einer ganz neuen und einstweilen noch unübersehbaren Lage stünden. Den beiden Heerführern wird dann die Aufgabe und damit die Verantwortung zufallen, uns auf ihrem Wege außer zum Siege auch zum Frieden zu führen. Die „Norddeutsche Allgemeine* zum Zwischenfall von Brest-Litowsk D Dsrkin, 5. Januar. (Drabtberichl unserer B e ellner Cchrif! leikung.) Die .Nordd. Allg. Zig." äußert sich ln immerhin bemerkenLrocrler Weise zu der durch den Zwischenfall von Vrest-Litowsk geschaffenen Lage. Sie beschSftiot sich dabei oük dem, was die Regierung gestern und heule zu dieser Angelegenheit vor getragen hat. Sie schreibt: .In parlamentarischen Kreisen hak man di« Lage durchaus ruhig auf gefaßt. Selbstverständlich haben es sämtlich« Parteien des Reichs tages als ihre Pflicht befrachtet, durch ihre Vertreter den Gang der Erctgniffe aus nächster Nähe beobachten zu tasten und so starken An teil an ihre Entwicklung zu nehmen, wie es die augenblickliche diplo matische Lage nur irgendwie gestaltet. Es ist dabei aber keinerlei Nervosität zutage getreten, «nd offenbar hat niemand ernst haft daran g« acht, daß dieser Zwischenfall zur Veranlassung genommen werden kennte, innerhalb der Parteien des Reichstages eine veränderte Stellungnahme gegenüber der Hal tung der RelchSregierung in der augenblicklich wichtigen politischen Frage anzunehmcn. In ganz besonderem Maße gilt das von den lnzwisä»en andculunoZweise gestreiften Vcrmulnngen, der Haupt ausschuß des Reichstages fei über den Verlauf der Verhandlungen nicht ausreichend oder gar in einer Form unterrichtet worden, die dazu ver leiten könnte, die Aussicht auf das Ergebnis der Verhandlungen zu opti mistisch zu betrachten. Wäre der in so'cken Nudcn'ungen bcsindl'che Vorwurf begründet, so würde das auch nickt mehr und nicht weniger als auf eine Irreführung des Reichstages, und damit der ge samten Ocflcnllicl kcft oder aber au? den schweren Vorwurf hinauslauscn, daß dfe Absicht der gegncrischcn lln>crl,änblcr nicht rechtzeitig erkannt beziehungsweise falsch cmgcscht''stt wurde. In parlamentarischen Kreisen hat man vielmehr die Ucbrrzrugung, daß die Verhandlungen in Vrrst- Lilowsk beiderscits in dem Geiste geführt werden, dec von den Vertretern der deutschen Negierung anläßlich des Empfanges bei der Jahreswende gefordert worden ist und daß die russische Regierung erst nach der Ab reise ihrer Vertreter von Brcst-Lilowsl'. ihre Stellung geändert habe.' Aehn'ich weist auch die Der iner «V ö r s e n z e i t u n q" daraus hin, baß sich in Petersburg nach Rückkehr der Vevollmachtiolen aus Brest- Lttowsk ein starker Umschwung vollzogen hätte. Unseres Erachtens durchaus mit Recht. In dem anders gcarletcn Milieu von Peters burg hat «nun offenbar die Emp'indung gehabt, daß die Unterhändler zu weit gegangen wären und hat man die Dinge anfzuhallcn versucht. Nachdem nun Herr Trotzki sclbst an den Ort der Verhandlungen sich begeben hat, wird derselbe nachträgliche Korrekturen ja wohl nicht mehr ermöglichen können. Auch die .Börsenzeitung' wendet sich in harter und gerechter Entrüstung gegen den — wir gebrauchen sonst solche Aus drücke angern — schlechten, yndeutscheu Vorschlag des Herrn Bern hard, den vornehmsten denlschcn Unterhändler als Sühneopser für Herr« Bernhard zu schlachten. Was aber nicht hindert, daß der Voffisch« Verlagsdrrckkor in dem ihm eigenen wirren und grausen Stil auch heute abend noch die gleiche Forderung anmeidek. Der «Lokal-Anzeiger' schreibt, gewissermaßen als Epilog zu dem nunmehr abgeschlossenen Zwischenlall: Wir wollen nur noch der bestimmten Erwartung Ausdruck geben, daß nnsere Regiernng in der festen Haltung, die sie den neuen russischen Ansprüchen gegen über angenommen hat, auch weiterhin, verharren wird. Die allgemeine Stimmung, wie sie nach Bekaantlperdpn des ZwifchcufallS von Vrest- Litowsk zum Ausdruck gekommen ist. läßt gar keinen Zweifel darüber, patz die Geduld des deutschen Volkes so gut wie erschöpft ist. Dos Telegramm der Petersdvrger Regier««- Petersburg, Z. Januar. (P. T.-A.) Der Vorsitzende der FrledezrLdelegation, Genoss« Joffe, hat gestern an die Vorsitzenden der Vertrekuagea von Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei folgendes Telegramm gesandt: .Die Regierung der russischen Republik sieht eS als dringlich an, dl« weiteren FriedeaSverhandlongen auf neutralem Gebiete zu führen und schlägt ihre Verlegung nach Stockholm vor. Die rassische Delegation erwartet dl« Antwort hieraus ln Petersburg. Mas den Vorschlag der deutschen und österreich ungarischen Delegation vom 28. Dezember, wenigstenj in der Fassung d.r beiden ersten Punkte anb langt, so sieht die Regierung der russischen Republik als geschäftsführender Hauptausschuß der Sowsels in voller Ucbcrelastimmung mik der von unserer Friebensdelegalion ausgedrkkck'ea Meinung diesen Vorschlag als dem Grundsatz der freien Selbstbestimmung der Völker widersprechend an, selbst in der eingeschränkten Form der Anlworterklärung des Vier bandes. Der Vorsitzende der FricdenSdelegalion. Joffe.' Auf dieses Telegramm aus Petersburg hin hak zweifellos Graf von Herlling vorgestern im Hauptausschuß des Reichstages seine bekannten Erklärungen abgegeben. Infolge der gestrigen Meldung Trotzkis, nach Brest-Litowsk zu kommen, ist dieses Telegramm natürlich überholt. Artilleriekämpfe an der Westfront Berlin, S. Januar, abends. (Amtlich.) Von den Kriegsschauplätzen nichts Neues. ch ch ch vtd. Berlin, 8. Januar. (Drahkbericht.) Bei klarem Wetter verstärkte sich in Flandern am 4. Januar daS feindliche ArÜllerieseuer, mit besonderem Nachdruck auf die Gegend von PaS- schendael«, und hielt bis zum Einbruch der Dunkelheil an. Zwischen Becelaere und Gheluvelt blieb es auch nachts rege. Oefllich Zonaebecke Hollen wir Gefangene aus den feindliche« Gräben. Die Ftiegerläligkcit sowohl in Flandern wie im Arlois war äußerst rege. Auch ln Gegend Cambrai wurde vom Nachmittage ab das feind liche Feuer an mehreren Stellen der Front lebhafter, lieber das verschneite und vereiste Trichtergeländ« hinweg drangen unser« Stoß trupps ln die englischen Gräben «in, brachen mit Handgranate and blanker Waffe jede« feindlichen Widerstand and kehrten mik 14 Eng ländern und wichtigen Erkundvngsergebniflrn zurück. Zwischen Maas und Mosel nahm von Mittag ab das feind liche Artillerie- «nd Minenfeuer zu. Eine starke feindlich« Patrouille, die südwestlich von St. Mihiel im Kahn über di« Maas zu fetze« ver suchte, wurde durch Feuer vertrieben. Auch cm diesem Frontteil herrschte lebhafter Flagbetrieb. 22000 Tonnen! nftd. Berlin, S. Januar. (Amtlich.) Kühnes dranfgehen m»- serer A-Boole bei schärfster feindlicher Gegenwehr hak unseren Feinden wiederum van Verlast von 2 20 VS Br.-R.-To. ein- getrogen. Drei große Dampfer fiele» de» Torpedos im Aermel- kanal zum Opfer. Eins der Schiffe war ei« tiefdeladener, ost- wärtssteoernder großer Tankdampfer; er sank binnen 4V Sekunde». Von den übrige« Schiffe« konale eins als der bewaffnete englische Daawfer .Pol Vorth" (314 Tonnen) fest gestellt werden. DaS Schifi war mV wertvoller Eisenerz- und PpoSphatladung nach England besttmml. Der Chef bet AdmiralstaLet der Marin«. MimchWe 8ezmreM«lion m Portugal? Basel, 5. Januar. (Eigener Drahkbericht.) Hcwas gibt eine aus Madrid an den Pariser .Temps" gerichtete Nach richt wieder, worin es heißt, in den portugiesischen monarchistischen Kreisen laufen Gerüchte um, ExkönigManuel habe, um alle monarchistischen Gruppen zu einigen, auf die Krone verzichtet, und zwar zugunsten des Enkels von Don Miguel von Draganza, deS Prinzen von Oporto, der sich gegenwärtig in Oesterreich befindet. Die ausgewanderten portugiesischen Mon archisten kehren nach Portugal zurück, während alle Demokraten der Eostapartei in Madrid zusammenströmen. Sie versichern, daß in Portugal eine Monarch! st ischeBewegung vorbereitet werde. An verschiedenen Punkten seien Verhaftungen von Re publikanern vorgenommen worden. Die russischen Soldaten wollen nicht mehr Kämpfen Rotterdam, 4. Iauuar. (Drahtbericht.) Rach dem .Nleuwe Rotlerdamsche Eoaraut' meldet der Petersburger Korrespondent deS «Daily Telegraph": Es ist Tatsache, dah die Bolschewik! i«tzt zu geben, daß die Unterhandlungen von Brest-Litowsk mißglückt find und dah di« deutsch«» Vorschläge keine Grundlage bilden, auf der Ruh- l-ud Frieden schließen könnte. Als aber Kamenew im Sowjet mit- teilte, dah di« Bedingungen ««annehmbar seien, standen die Vertreter dec verschiedene« Armee» auf und erklärten, daß die So'daten nicht Kämpfen würden »nd es auch nicht tun könnten. > Eine neue Botschaft Wi sons in Sicht Basel, 8. Iauuar. (Elgeuer Drahtkerlckt.) Dl« .Ratloual- elluna erfährt, dah dieser Tage «tu« Bat,chatt des Präfideuteu Wilson über di« Friedensfrag« erscheinen wird. Die neue Wendung lieber die Wendung der Dinge in Brest-Litowsk sind wir bis zur Stunde noch nicht genügend aufgeklärt, um darüber ab schließend urteilen zu können. Es scheint auf beiden Seiten aller lei hinter den Kul.ssen vorgegongen zu sein. Jedenfalls hat die deutsche Regierung die Einwände der russischen Regierung gegen Brest-Litowsk als Verhandlungsort und gegen die deutsche Auf fassung des So bsibestinimungSrechkes der Randvölker unmittel bar aus Petersburg erfahren, noch bevor unsere Bevollmächtigten wieder in Brest-Litowsk angckommen waren. Ob von unserer Seite eonrfallS neue Eröffnungen in der zehntägigen Pause direkt von Berlin nach Petersburg vorangcgangcn waren, darüber wissen wir nichts. Jedenfalls scheint in dem sachlichen Haupt punkt, eben in der Frone des SelbstbestiminungSrechtes nichts der gleichen geschehen zu sein, sonst wäre die Erklärung, die der Kanzler ges.ern un Hauptauäschuße abgcben ließ, nicht möglich ge wesen. Die Auffassung unserer Regierung dürfte sich also seit dem Tage, da der letzte Bericht über die Verhandlungen ausgegeben wurde, nicht geändert haben. In dieser Meinung lassen wir uns auch nicht beirren durch gewisse Andeutungen, die wir in alldeutschen Blättern finden, und die sich auf die letzte Anwesenheit sehr hoher Militärs in Berlin ni'd auf ihre Teilnahme an dem Kronrat zu beziehen scheinen. So lesen wir in der .Deutschen Zeitung": .Es ist festzuskellen, daß nicht nur unbestritten an erkannte Führer Deutschlands, sondern auch darüber hinaus weite maßgebende Regierungskreise durch das in Brest- Litowsk verkündete Czernin-Kühlmannsche allgemeine Derzicht- fricdenScmgcbot in peinlichster Weise überrascht worden sind.. Die Parteiführer wären danach ebenso überrumpelt worden, wie un - bestritten anerkannte Führer Deutschlands." Wer mit diesen Führern gemeint ist, bedarf keines weiteren Wortes. Die Folgerung, die aus solchen Andeutungen zu ziehen wäre, könnte natürlich nur lauten, daß jene Männer aus ihrer .peinlichsten Ueberraschung" kein Hehl gemacht und ihre ab weichende Meinung geltend gemacht haben werden. Diese Ver mutung wäre begründet, wenn jene Anspielungen mehr als Be hauptung und Gerede wären. Jedenfalls möchten wir uns nach wie vor von der auf geregten Konjektüralpolitik fernhalten, die ein Teil der Berliner Presse auch bei dieser Gelegenheit wieder getrieben hat. Die .Vossische Zeitung" z. B. ging gestern morgen so weit, die so« fortige Abberufung deS Herrn von Küklmann nicht allein aus Brest-Litowsk, sondern auch aus seinem Amte als Staatssekretär zu fordern. Wenn Herr von Kühlmann nicht größere Ruhe hätte, als der Schreiber der sensationellen Leitaufsäße der «Vossischen Zeitung", dann wäre das Verlangen allenfalls berechtigt gewesen. So aber konnte jeder, der von der Persönlichkeit und der Politik des Staatssekretärs auch nur eine ungefähre Kenntnis Halle, sich sagen, daß, wenn eine schädliche Schwankung in der deutschen Politik stattgefunden habe, wie die .Vossische Zeitung" annimmt — nämlich eine Schwankung von weitgehendem Entgegenkommen zu in Wahrheit weitgehenden Forderungen —, diese Schwankung nicht auf das Konto deS Herrn von Kühlmann käme, sondern aus anderen Einflüssen zu erklären wäre. WaS auf der anderen Seite hinter den Kulissen vorgegangen sein mag, darüber wissen wir natürlich gar nichts Bestimmtes. Selbst für die unbedingt anzunehmende Wühlarbeit der West entente läßt sich ein tatsächlicher Anhalt bisher noch nicht auf zeigen. Die Meldung, daß der Stockholmer Vertreter der Bol schewik! der englischen Arbeiterpartei eine Vertagung der Fricdensverhandlungen bis nach Abschluß eines internationalen Sozialistenkongresses zugesagt hätte, ist nicht bestätigt, auch nicht bestritten worden. Die Auffassung, daß unsere eigene Haltung in Brest-Litowsk den Eindruck der Schwäche und die Russen über mütig gemacht habe, keilen wir nicht. Schon die Tatsache, daß die genau entgegengesetzte Auslegung unseres Auftretens in deutschen Blättern, die, wie eben die .Vossische Zeitung", bisher stets eine .starke" Politik zu vertreten meinten, möglich war, beweist, daß jenes Gerede von dem Eindruck der Schwäche willkürlich ist. Dieses Argument ist auch allmählich reichlich abgenutzt, und man muh die geistige Genügsamkeit bestaunen, die immer wieder alle Wendungen der KriegSpolitik mit dieser ärmlichen Erwägung er klären zu können glaubt. Erst die weitere Haltung der russischen Regierung kann vollen Aufschluß darüber geben, waS in den Tagen vor dem 4. Januar drüben vorgegangen ist, ob die Entschiedenheit, zu einem schnellen Frieden zu kommen, ernstlich geschwankt hat, oder ob eS sich nur um den Versuch gedreht hat, in einzelnen Bedingungen mehr durchzudrücken. Wenn Trotzki jetzt mit einer höflichen Begrün dung nach Brest-Litowsk fährt, so handelt es sich dabei natürlich nicht nur um Höflichkeit gegen die Unterhändler der Mittelmächte, sondern auch um Rücksichten aus Strömungen im eigenen Lande. Die Regierung drüben kann eS doch kaum wogen, um einiger teils unwichtiger, teils nicht weitgehender Meinungsverschiedenheiten willen die Verhandlnngen selber zu gefährden. Natürlich ist auch dem russischen Volke bekannt geworden, daß die deutsche Regie rung grundsätzlich auch zu einer Annäherung an die russischen Wünsch nach einer neuen und auf breiterer Grundlage statt findenden Volksabstimmung der Randvölker bereit ist. Vielleicht kann man auch neue deirtfche Vorschläge bezüglich der OrtSver- legung in gewissen Erwägungen erblicken, die aestern die .Ger mania" onstellte, indem sie selbstverständlich die Mahl Stockholms nach wie vor als unmöglich bezeichnete, dann aber fortfuhr: .Etwas änderet könnte eS sein, wenn die Russen auf den Ge danken kämen, eine gewisse Anerkennung und Gleichberechtigung läge für sie darin, wenn die Verhandlungen statt nur hinter den DierbundSiinien, auch einmal hinter den russischen Schützengräben fiattfinden. Wenn st« aus solche Aeußerlichkeiten Wert legen sollten, so könnte man eine Berücksichtigung vielleicht in Er- wägung ziehen. Solange nicht Gründe wie gegen Stockholm vor*