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LS. Januar I88S. Freitag «u», «iräiiiuM DnWt Mgmtim Ztitmg gegeden. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetzl» NE'16. , .n,dt ! > ^jn<ertton»gebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Zu beuchen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Ärpediiion in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Wueia für da« Biertel- Mr 1'/, Thlr.; jede rin. zolne Nummer 2 Ngr. Zwischen Krieg und Frieden. A Lechzia, 18. Ian. Von bekannter Seite wirb in diesem Augenblick tie Friedensliebe de- Kaisers Nikolaus besonders gerühmt; allein man thut Pvel daran, den Beweis aus dem Jahre 1848 zu nehmen, wo „das fieber kranke Europa einem kriegS- und beutelustigen Nachbar offcngelegen" habe; man vergißt, daß «in Krieg mit dem Osten damals namentlich Deutschland in stolzer Machtentfaltung nach außen die innere Ruhe sofort wiedergege- ben und der Reform ohne Urberstürzung Platz geschafft haben würde. Nuß- land, sagen die Freunde desselben weiter, bezweckte mit der Sendung des Fürsten Mentschikow nach Konstantinopel durchaus keinen Krieg, denn es war, wie ganz bekannt, auf keinen Feldzug vorbereitet. Aber, haben wir chinzuzusetzen, eS wollte seinem Ziele am Bosporus durch Verstärkung und Befestigung seines Einflusses auf die Christen der Lürkti unvermerkt und sicher Um einige Schritte nähertommen. Da Krieg daraus entstand, durften -io Kriegsrüstuugen einem Staat wie Rußland nicht allzu viel Zeit kosten. Kais« Nikolaus« nahm allerdings die ersten Vorschläge der Wiener Confe- r«nz an, jedoch darf nicht verschwiegen werden, daß Graf Nesselrode diesel ben derart iuterpretirte, daß die »«mittelnden Mächte dem Divan die An- nähme der Punktation nicht ferner empfehlen konnten. Als Preußen ernst- licht Vorstellungen hinsichtlich der besetzten Donaufürstenthümer machte, gingen die Russen Unleugbar hinter den Pruth zurück, allein geschah dies ohne all«! Rücksicht darauf, daß die Oesterreicher bereits mit großer Heeres- macht Vie Flanke des Fürsten Gortschakow bedrohten? AlS Oesterreich Be denke» wegen einer neuen russischen Invasion in die Moldau und Walachei «hob, erklärte der Zar freilich, sich auf die Defensive beschränken zu wollen; allein unter Anderm lag der Grund auch darin, daß die Jahreszeit die Communication in Bessarabien unterbrach und die Landung auf der Tauri schen Halbinsel die russischen Streitkräfte bereits auf einem ,andern Schau- Platze in Anspruch nahm. Jetzt endlich hat Kaiser Nikolaus die bekannten vi« Unterlagen der Kriedensunkerhandlung genehmigt; allein damit sind noch keineswegs die Consequenzen angenommen, und es bleibt nur die Ge schicklichkeit der Diplomatie von Petersburg anzucrkennen, welche Alles auf- bietet, um die Folgen des Bündnisses vom 2. Dec. abzuwcnden und Oester reich wie Preußen von der Theilnahme am Kriege abzuhalten. Wir er fahren aus der Krim, wie furchtbar die verbündeten Armeen durch den Winter leiden, und hören nichts über das Wohlbefinden der Russen, welche die Landenge von Perekop pasfirtcn oder auf dieselbe zurücken. Sollten nicht ihre Zustände ebenfalls ein Grund für die Nachgiebigkeit sein? Aber gut, die Geneigtheit des Zar zu unterhandeln liegt vor; nur steht das Vorgehen der Russen in die Dobrudscha damit im Widerspruch, und daß von keinem Waffenstillstände die Rede war, bleibt räthsclhaft. Die Ope rationen vor Sewastopol nehmen ihren Fortgang, indessen darf man darauf gefaßt sein, daß auch die Westmächte von den Federungen, welche nicht einmal die Regierungen, sondern nur die englische und französische Presse erhoben, beträchtlich nachlassen werden. Die Kriegslast hat sich bereits etwas abgekühlt. Schweden mag Finnland nicht erwerben, weil es keine Flotte hat, dasselbe zu behaupten, oder weil die Herstellung und Erhaltung einer hinreichenden Seemacht mehr kosten würde, als die Ostküste des Bottnischen Meerbusens einträgt. Preußen kann keinen Zuwachs an der Weichsel wün schen, um die polnische Opposition seines Landtags zu verstärken, und trägt Scheu, die von England söwol wie Rußland beigelegte dänische Frage aufs neue in das Spiel zu ziehen. Oesterreich kann hoffen, seine nächsten Ansprüche auch ohne Theilnahme am Kampfe befriedigt zu sehen. Zwar erreicht es nicht viel, wenn es das Protectorat über die Fürstenthümer mit den übri- gen Mächten gemeinsam auszuüben und den freien Verkehr auf der Donau namentlich mit England zu theilen haben wird; doch würde wenigstens ein Anfang gemacht sein, aus der passiven Stellung, welche Fürst Metternich begründete, emporzukommen. In England überbieten die Friedcnsposaunen bereits die Lärmtrommeln; man verzichtet schon auf die Schleifung Sewa stopols und hat dafür das schöne Wort erfunden, Trcbisonde, Sinope und Konstantinopel selbst in drei Sewastopol umzuwandeln. Nur Ludwig Na poleon und der Constitutionnel sind etwas zurückhaltend, weil dort, wo der Krieg eigentlich Angelegenheit des neuen, nicht recht anerkannten Thronin habers war, mit der Ankunft des Stephansordens in den Tuilcrien und mit der Bevorzugung der französischen Kriegsgefangenen vor den englischen von Seiten der Russen der Grund zur Unversöhnlichkeit weggefallen ist. .Sardinien allein beweist Kriegscifer, weil die englischen Subsidien den be drängten Finanzen des Staats zu Hülfe zu kommen versprechen. Für den Augenblick ist es also fraglich geworden, ob der Krieg energisch fortgesetzt werden und ob er ei» bedeutendes Resultat liefern wird. Seien wir froh, wenn Rußland einen kleinen Denkzettel für seine Uebergriffc erhält; der größere wird wahrscheinlich der Zukunft Vorbehalten bleiben, und Deutsch land darf auch ferner von dieser Seite auf Protection rechnen. ! Deutschland. Preußen. N Berlin, 17- Jan. Eine Militärconvention in folge des Dccembcrvertrags mit der Feststellung des eventuellen Durchmar- sches französsichcr Truppen durch Oesterreich ist durch die angebliche Frie- denswendung nicht ausgeschlossen, und wer von einem abermaligen Um schwung der Verhältnisse nicht überrascht sein will, thut wohl, diesen Punkt inmitten des Wirrwarrs der Nachrichten nicht zu übersehen. — Wenn es Preußens Würde verbietet, wie die officiöse Version lautet, dem December- ver trag beizulreten, so verhindert nichts, wie Sardinien den Deccmbervertrag und Ocsterrrrich beiseite zu lassen und sich activ an der westlichen Allianz vom 10. April 1854 zu betheiligen. Aber Preußen wird Allem, was ge- schieht, je mehr und mehr entfremdet. Die jetzt veröffentlichte diesseitige Depesche vom 4. Aug. ist in dieser Beziehung orientircnd. Seit jener Zeit ist das Sichabsondern Preußens ziemlich klar zu verfolgen. Seine Betp- nung der deutschen Interessen und seine Neigung, nur die Friedensplane im Auge zu behalten, entzogen ihm die unmittelbar gute Stellung gegen den Westen, dessen direkte Mitlheilungen der vollzogenen Acte seit jener Zeit aufhörten. Sollen doch schon die vier Augustpunkte damals mehr vorge lesen als in der früher üblichen Weise dircct communicirt worden sein. Noch schärfer trat dies am 2. Dec. hervor. Am 5. Jan, protestiere Preußen schon nahezu gegen die Beeinträchtigung seiner Großmachtstellung, und es wird den Officiöscn erlaubt zu schreiben, ein beharrliches Aus schließen Preußens würde nur Rußland stärken können. — Die früher aus- gedrückten Zweifel an der Unterzeichnung des angeblichen, auf Italien bezüg lichen französisch-österreichischen Vertrags werden durch das officiöse französische Dementi bestätigt. Dieses geht nur zu weit, indem es die Unterhandlungen in Abrede stellt. Unterhandlungen haben allerdings stattgefunden, und der Abschluß des Vertrags, wenn der Decembertractat zu einem Offensivbünd- niß würde, galt in den bestunterrichteten diplomatischen Kreisen für so gut wie gesickert. Es klingt auch wunderbar, daß Lord I. Russell erst nach Paris reisen mußte, damit das englische Ministerium und durch das Mini sterium der Globe erfahre, was an der Sache eigentlich sei. Englands Einverständniß mit dem Vertrage ward aber gleich anfangs als zweifelhaft bezeichnet, und insofern mag Lord I. Russell'S Anwesenheit wsl nicht zur Förderung desselben beigetragen haben. Aber abgesehen davon ist zu be- achten, daß das Dementi der von Wien aus mit vieler Bestimmtheit, sogar auf telegraphischem Wege gemeldeten Nachricht erst dann auftritt, als zu gleicher Zeit der bevorstehende Abschluß der sardinischen Allianz gemeldet wird. Die beiden Unterhandlungen hielten sich augenscheinlich im Schach. Sardiniens Eintritt in die Allianz mit dem Westen sichert Oesterreich so gut in Italien, wie Belgien selbst ohne sich am Kriege zu betheiligen in der französisch-englischen Allianz Schutz findet. Die sardinische Allianz ist die thatsächliche Garantie des österreichischen Besitzstandes in Italien. ? Berlin, 17. Jan. Wie aus Allem hcrvorzugehen scheint, ist an ei nen baldigen Beitritt Preußens zum Decembervcrtrage nicht zu den ken. In den hervorragenden und maßgebenden hiesigen Kreisen gibt sich, wie man andeuten hört, wenig Geneigtheit kund, die von Preußen bis- jetzt eingenommene Stellung aufzugeben und eine andere als die bisherige ZögerungSpolitik eintrcten zu lassen. — Die in diesen Tagen hier erschie nene Schrift: „Die Jsolirung", auf welche wir schon hinwicsen (Nr. 14), macht wegen ihrer offenen und unumwundenen Vertheidigung der Jsoli- rung Preußens in den hiesigen politischen Kreisen großes Aufsehen. Da diese Schrift mit den Anschauungen vieler dieser Kreise im vollen Gegen satz steht, so dürfte dieselbe zweifelsohne auf bedeutenden Widerspruch sto ßen. Zur nähern Bezeichnung des Inhalts der Schrift theilen wir folgende Stellen aus derselben mit: „Ein Ausscheiden Preußens aus dem europäi schen Concert der wiener Frühjahrsprotokolle von 1854 oder vielmehr ein Hcrausdrängen Preußens daraus durch die Mächte der Tripleallianz, macht eben dem europäischen Concert ein Ende und scheidet Europa in zwei, wenn auch ungleiche kriegführende Hälften. Die große Katastrophe wäre dann da; Preußen hätte sie nicht herbcigeführt, es würde aber den Kampf um die eigene und um die Existenz Deutschlands zu kämpfen haben. Mit die ser verhängnißvollen Eventualität sinkt die orientalische Frage in den Hin tergrund. Die Mächte der Tripleallianz, besonders Oesterreich, haben sie kaum weniger zu fürchten als Preußen, und es wird für sie darin eine vollwichtige Nöthigung dazu liegen, diesen Staat eine, der Eigenthümlickkeit der eigenen Verhältnisse und Interessen angemessene selbständige Stellung neben ihnen nehmen zu lassen. Will man eine solche Stellung Jsolirung nennen, so haben wir nichts dagegen. Der Nacktheit, der für Preußen daraus erwächst, daß cs z. D. von der ofsiciellcn Bcthciligung an den Frie densverhandlungen oder ähnlichen Besprechungen auf Grund des Prälimi- narverlragö vom 2. Dec. in Wien ausgeschlossen bleibt, ist nicht hock an zuschlagen, und wen» auch im Publicum, so wird man sich doch schwerlich