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Sonntag Nk-205. 22. October 1843. ZWZ Deutsche Allgemeine Zeitung. ZMU «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» «---»Stick. LrmtLchland. * Von Ler Spree. Folgen der griechischen Vorgänge. 'München. Zusammenkunft des Fürsten v. Wallerstein mit dem Minister v. Abel. Der russische Gesandte. König Otto. Griechisches Parteiwesen, f Braunschweig. Vertagung der Stände. Der Zoll verein. Der Herzog schlägt die Errichtung einer ritterschastlichcn Cor poration ab. -Preußen. NBerlin. Der Leseverein der Studirendcn. Vefterreich. -flvien. Hr. v. Butenieff. Die Erzherzoge Rainer und Palatinus. Ruhe in Italien. Spanien. 'Paris. Audienz des holländischen Residenten. Lodtenamt für den Grafen Loreno. Der Prälat von Toledo denuncirt ein Buch. Heftige Journalpolemik. Saragossa. Barcelona. Die Eonsuln. Vroßvritannien. O'Connell im Repealverein. Die Kirchenunruhen in Schottland. Rebekka und ihre Töchter. Deficit. 'Havre. Was O'Connell thun wird. Frankreich. Eugen Sue. Fort auf Guinea. Miederlanbe. Die Thronrede bei Eröffnung der Generalstaaten. Griechenland. Kalergis und der russische Gesandte. 'Äthen. Ein druck der Vorgänge in den Provinzen. Verfahren der Minister. An kunft des Fürsten Maurokordatos. — Die Antwortsschreiben der Ge sandten. Serbien. 'Von Ler serbischen Grenze. Zwei neue Mitglieder des Staatsraths. Baron Lieven. Türkei. 'Konstantinopel. Abreise des Fürsten Maurokordatos. Me- tatas. Albanien. Bosnien. Ein griechischer Bischof auf Propaganda- reifen. Nachrichten von Griechenland, -s Konstantinopel. Marquis Lavatelle. Ibrahim-Pascha. Bosnien, Bulgarien, Albanien. T-Ue. Eröffnung des Congreffes- Haiti. Unterwerfung der Neger. Handel und Andufftrie. Magdeburg-Leipziger und Magdeburg- Halberstädter Eisenbahnfrequenz. «nkünbigungen. Deutsch la«». * Von der Spree, IS. Oct. Das Geschick des griechischen Staats beruhte seit dessen Entstehung vorzugsweise in den Händen der drei Schutzmächte; Griechenland kann also auch zunächst von ih nen eine angemessene Gestaltung seiner Zukunft erwarten. Frankreich und England waren in neuerer Zeit sehr geneigt, faktische Zustande anzuerkennen, ohne üuf die Ursachen oder die Art ihrer Entstehung besondere Rücksicht zu nehmen. Von diesen Mächten könnte man also vielleicht vorausfehen, daß sie auch diesen Aufstand als eine vollendete Lhatsache betrachten, ohne für jetzt der Folgen zu gedenken.' Diese Ansicht dürfte eine Stütze in dem Umstande finden, daß sie ihren Ein fluß in einem Staate mit konstitutionellen Formen für gesicherter halten werden, weil derselbe ihnen dadurch ähnlicher wird, und weil getheiltc Staatsgewalt fremder Einwirkung eine ungleich freiere Bewegung ver- stattrt. Daß der kaum beruhigte innere Parteigeist, der ungezügelte Ehrgeiz, der natürliche Hang zur Jntrigue, dann gleichfalls freies Spiel haben werden, möchte jener höher» Rücksichten wegen nicht in Betracht kommen. Scheint es doch fast, als ob die Repräsentanten jener beiden Schutzmächte im Interesse derselben zu handeln geglaubt haben, als sie durch die eigenthümliche Art ihrer Tätigkeit und Um thätigkeit versuchten, dem Aufstande den Schein der Billigung ihrer Machtgeber zu verleihen. Das Benehmen des Gesandten Rußlands ist nicht so leicht zu erklären. Auf den ersten Blick nämlich Hal Nuß- land ein dem obigen durchaus entgegengesetztes Interesse; denn wenn der 15. Sept, konstitutionelle Formen in Griechenland begründen sollte, so tritt der Einfluß Rußlands vielleicht für lange Zeit in den Hinter grund. Unter den vielen Vermuthungen, welche in öffentlichen Blät tern laut geworden sind, begegnet man zwar auch solchen, die Ruß land verdeckter«, weiter gehende Absichten zuschreiben. Das nicht leicht zu erklärende Benehmen des russischen Gesandten hat sie hervorgeru- fen; allein man war bisher so sehr daran gewöhnt, die Bestrebungen der russischen Regierung unter allen Umständen auf Erhaltung des streng monarchische» Princips gerichtet zu sehen, daß eS voreilig ftm würde, im vorliegenden'Fall eine so bedeutende Abweichung voN hie- sem Systeme zu vermuthen. ' 3ß denn aber jemals die Würbe des Königthums mehr gefähr det worden als durch die Vorgänge milchen? Wir erinnern «nS keiner früher» Begebenheit, welche damit zu vergleichen wäre. Man hat größere Reiche erschüttert gesehen; der Aufruhr eines zügellosen Heeres hat mehr als ein Mal den russischen Thron wanken gemacht» die Erhebung der Mehrzahl eines ganzen Volks hat das Julikönjg- thum geschaffen. Allein so vornehm ist der Aufstand in Athen nicht, obgleich man ihm eine Wichtigkeit hat beilegen wollen, welche er in dieser Hinsicht keineswegs hat. Zergliedert man die dortigen Vorgänge, so erblickt man nur zwei untergeordnete rebellische Militairanführer, welche, durch die Umstände begünstigt, mit einigen Hundert Genossen ihren König in seinem Schlosse belagern und dem von fast allen seinen Rathen und Dienern im Augenblicke der Gefahr verlassenen Monar chen Versprechungen abtrotzen, die derselbe vielleicht gar nicht im Stande ist zu erfüllen. Auch Das ist schon vorgekommcn; aber ein Ereigniß ohne Beispiel dürste sein, daß die Vertreter der befreundeten und Schutzmächte, anstatt der Gefahr sich entgegen zu stemmen, anstatt mit dem Mantel ihrer Unverletzlichkeit den gefährdeten Thron zu um geben: durch ihr unerklärliches Benehmen dessen Fall beschleunigen. Konnten sie denn vergessen, wie schwer es ist, dem auf solche Weise gemishaiidelten Königthume den frühem Zauber und Glanz wiederzu geben! Die Krone kann Nachgiebigkeit zeigen, sie kann den Ereig nissen sich fügen, wenn die Ehre gerettet und die Majestät gewahrt wird; allein sie darf nimmer in Len Fall kommen, der rohen Ge walt zu unterliegen. Hat der Aufstand der jetzigen Palikarenfüh- rer den Schein des Rechts erlangt, so kann mit gleichem Rechte je der folgende Haufen ein Anderes und ein Mehres verlangen. Wer wird den zweiten Parteiführer verurtheilen dürfen, wenn er Das versucht, was dem ersten gelungen ist; und gelingt es ihm, die jetzt siegreichen Ausrührer zu stürzen, würde er nicht mit gleichem Rechte die Lobsprüche und Ehrenzeichen in Anspruch nehmen können, welche .Jene erzwangen? In dieses Labyrinth haben die Gesandten der befreundeten und Schutzmächte den König Otto durch ihren Rath geworfen. Sie waren vielleicht in dem Wahne, seine Person ei ner augenblicklichen Gefahr zu entziehen, allein sie haben ihn und seinen Thron einer dauernden Gefahr bloßgestellt; sie haben daö An sehen ihrer Machtgeber auf die empfindlichste Weise verletzt; sie haben Ler Ehre Ler Diplomatie eine schwere Kränkung zugefügt. Glaubten sie, daß ein nacktes Schwert über dem Haupte des jungen Königs schwebte, so haben sie es wahrlich nicht entfernt, indem sie das König- thum seines besten Schutzes, seiner Würde, der Achtung dcS Volks entkleiden halfen. Ein griechisches Parlament verdeckt den durchlöcher ten Königsmantel nicht; eine griechische PairSkammer wird die auf dem Haupte des Königs wankend gemachte Krone nicht wieder befe stigen. Wie aber ist dem Königlhum in Griechenland die Würde, das Ansehen wieder zu verleihen, welche der Aufstand am 15. Sept, ihm genommen hat? Anscheinend nur dadurch- daß man den frühem Stand der Dinge wieder herstcllt, daß Man die ungesetzliche Herrschaft einer kleinen Schar von Soldatenanführern beseitigt, der Herrschaft des Rechts wieder Geltung verschafft. Oder will man warten, bis die Leiter des Aufstandes, die schwachen Bande Ler Eintracht zerreißend, sich unter einander bekriegen? Will man zugeben, daß der Bürger kampf die jungen Schöpfungen des Friedend wieder vernichtet? Man wähne nicht, daß das Ereigniß vollendet, daß die Revolution gemacht ist. In einem alten, großen Staate zwar sind fast immer die Ord nung und Ruhe liebenden Bürger in so bedeutender Ueberzahl vor handen, daß eine gewaltsame Veränderung bestehender Zustände in ih ren blutigen Spuren bald verwischt ist. Nicht so in einem jungen, kleinen Staate, dessen Bewohner noch vor 15 Jahren in Anarchie lebten, dessen Bewohner damals zum größten Theile die Zügellosigkeit mit der Freiheit für gleichbedeutend hielten, dessen Bewohner, ihren bürgerlichen Verhältnissen und ihrer Lebensweise nach, noch keineswegs Gewähr für die ungestörte Herrschaft des Gesetze- darbitten, sei dieses Gesetz Mit oder ohne Reichsständc erlassen. In jedem monarchischen Staate muß die Krone unverletzlich sein, muß daö Staatsoberhaupt von dein Zauber der Majestät umgeben blttbbn, muß das Königthum unberührt bleiben von der Demüthigung deö Zwangs. Dem Gesetz ist auch der Herrscher untergeben, und indem er dem Gesetze de» Platz Übet sich anerkennt, erhöht er sich selbst in den Augen der Menge.