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Sonnabend Nr. 256. 13. September 1845. WM Deutfchc Allgemeine Zeitung. MM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» «eberbltck. Deutschland. ch Äus kranken. Die Kniebeugungsfrage. * Dresden. Ernennung des Präsidenten der II- Kammer. ss Äus Sachsen- Die Alt lutheraner. ch Stuttgart. Der Stistungsrath. Das PalaiS des Kron prinzen. Hr. v. Schlayer. "lllm Die Deutsch-Katholiken. Dekan Dirr. — Der Erzbischdf in Freiburg. — Badische Adressen nach Leipzig. — Deutsch-Katholiken in Hanau. "vom Thüringerwalde. Di-Festlichkeiten. Preußen. -c-Bertin- Der Verein gegen das Branntweintrinken. «Aus Schlesien. Mordthat. — Die Excesse in Tarnowitz- — Hr. Pelz. Defterreich. -I-Wien. Hr. v. Bülow-Cummerow über Oesterreich. Spanien. Die Steuererhebung. Die Eisenbahnen- Die Industrie in Bar celona. Santa Anna. Großbritannien. Das Morning Chronicle über die Befürchtung von Krieg. Das Uebungsgeschwader. Die Unglücksfälle auf Eisenbahnen. Die Westminsterbrücke. Hr. Papineau. Krankreich. Die französischen Prinzen in Tolosa. Don Carlos. Die Un tersuchung in Toulon. Da« Uebungsgeschwader. Paris. Tunis und Tripo lis- Paris- Baupläne. Belgien. Antwerpen. Die Königin Victoria. Schweden und Norwegen. Der König- Der Kronprinz. Stußland und Polen. Schuldisciplin. Türkei, k Konstantinopel Der Herzog von Montpensier. Schekib-Efendi- Personalnachrichten. iMiffenfchaft und «unst. * * Leipzig. Theater. Handel und Industrie. "Aus Schlesien. Die Acrnte. — Die Kar toffelkrankheit. "Leipzig. Börsenbericht. "Berlin. Postwesen. — Ber lin. Leipzig. Ankündigungen. Deutschland. - f Aus Franken. 8. Sept. Bekanntlich ist von römisch-katholischer Seite in Betreff der Kniebeugung des protestantischen Militairs vor dem Vcnerabile der Katholiken geltend gemacht worden, daß dieser Act lediglich ein militairischer sei und das Gewissen nicht zu beschweren ver möge, eine Cercmonie, die als Achtungsbezeigung nicht mehr Bedeutung habe als das früher gebräuchliche Commando „zum Gebet". Trotz deS Widerspruchs der Protestanten und der kräftigsten Widerlegung, daß die Knjebeugung nach katholischem Dogma nicht ein Act der Salutation, son dern der Adoration, daß diese aber als Anbetung der Kreatur nach prote stantischer Lehre Sünde sei, daß das Röthigen zu einer solchen Handlung den Zwang zur Theilnahmc an einer Sunde oder mindestens zu einer Heuchelei enthalte, daß der Act nicht bloS ein an sich militairischer sei, sondern auch die innere Seile des Glaubenslebens involvire, daß daher die Protestanten nach dem ihnen garantirten constitutioncllen Rechte nicht auwungen werden könnten, an dieser Cultushandlung des katholischen Militairs Theil zu nehmen, hat sich die allerhöchste, nach Vernehmung deS StaatSraths erlassene Entschließung vom 13. April d. I., welche die Beschwerde der beiden Gencralsynodcn in diesem Betreff als unbegründet zurückwies, hauptsächlich auf die beiden oben angeführten Gründe Gestützt, ohne auf die dawider voraebrachten Gcgcngründe die mindeste Rücksicht zu nehmen. Da nun Professor v. Moy in seinem vom 26. Mai datir- ten zweiten Sendschreiben an den Grafen Karl v. Giech von neuem jene Gründe geltend zu machen suchte, sowie auch die weitern, schon früher verfochtenen, daß es sich bei der Sache von der Erfüllung einer Pflicht gegen den König und nicht gegen Golt handle und daß es nicht darauf ankomme, was der Soldat, sich beim Vollzüge der Befehle seiner Obern denke rc., so muß es nun, in besonderer Rücksicht auf die angegebene al lerhöchste Entschließung, mit Dank anerkannt werden, daß eine neuerlich in Nürnberg erschienene Schrift: „Beleuchtung des zweiten Sendschreibens vom Professor v. Moy an den Grafen Karl v. Giech", es übernahm, die Acten dieses Streites auf gründliche, völlig erschöpfende Weise zum Schlüsse zu führen. Der dem Publicum anheimgcstellte Spruch, wo er nicht be reits längst: gefällt ist, wird nicht lange auf sich warten lassen. Bemer- kenSwerth ist aber dir gegenwärtige Stand der Sache. In allen den Fäl len, wo . die Elevation des Sanctissimum nach dem CultuS der Katholiken, sonach also auch die Kniebeugung, ein gebotener, nothwcndiger Act ist, bei der Messe und der Frohnleichnamsfeierlichkeit, sind jetzt durch die suc- cefsivc erlassenen allerhöchsten Entschließungen die Protestanten von der Theilnahme befreit. Es ist also jetzt die Behauptung der römischen Par tei, daß die Kniebcugungsordre nicht zurückgenommen werden könnet weil dies ein Eingriff in daS Gewissen der Katholiken sei und beim Militair kein Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten gemacht werden könnt, auf faktischem Wege widerlegt? -Die noch bestehenden Fälle sind nicht nothwendig gebotene, sondern arbitraire willkürliche Acte der katho lischen Priester: das offene Tragen des Venerabile auf der Straße, das Begehren einer militainschen Ehrenwache und die damit verknüpfte SegenS spendung. Diese Fälle sind so wenig nothwendige, daß sie in paritätischen oder protestantischen Städten gar niemals verkommen, sondern nur in ganz oder überwiegend katholischen Städten, wo sich überall auch Prote stanten unter dem Militair befinden; in jenen nämlich wird das Venera bile vom Priester auf der Straße in einer Kapsel unter dem Mantel auf der Brust getragen. Gestützt auf die Bestimmung der Verfassungs urkunde, daß es der weltlichen Staatspolizei zukomme, soweit es die Er haltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zwischen verschiedenen Re- ligionspartcien erfodcrt, Vorschriften für äußere Handlungen, die nur zu fälligen Bezug zum kirchlichen Zwecke haben, zu geben, vertrauen wir der Einsicht und Gerechtigkeit unserer Regierung, daß die Protestanten BaiernS in dieser Sache nicht dem blos arbitrairen Belieben römischer Priester preisgegeben bleiben, vielmehr dieser letzte Rest der Gcwissensverlehung der Protestanten, somit auch das Princip endlich schwinden werde, wenn gleich die allerhöchste Entschließung vom 13. April die Beschwerde der Generalsynodcn als ganz unbegründet zurückgewicsen hat. -i- Dresden, II. Sept. Soeben wird bekannt, daß der König von den vorgeschlagenen Candidaten für die Stellen des Präsidenten und Vicepräsidenten derII. Kammer (Nr. 255) denAbg. Br'aun zum Prä sidenten und den Abg. Eisen stuck zum Vicepräsidcnten ernannt hat. * Aus Sachsen, 9. Sept. Gewiß mit Recht hat die von der preußischen Regierung rückfichtlich der sogenannten Altlutheraner ge troffene Maßregel (Nr. 233) allgemeine Billigung gefunden. Doch scheint man das Verhaltniß derselben nicht richtig zu erkennen, wenn man darin eine besondere Vergünstigung erblickt und weitere Folgerungen daraus ab leitet. Bekanntlich hatte auch in Preußen die Kirche der lutherischen Con- fession neben der der Reformirten schon längst die Rechte einer völkcr- und staatsrechtlich anerkannten Kirche. Im Jahr 1818 suchte die preußi sche Regierung eine äußere Vereinigung beider Kirchen, die Union, zu be wirken. Sie ließ eine Agende, welche für beide Confessionen dienen könne, bearbeiten; sie vermied es jedoch, einen geschlichen Zwang eintreten zu lassen; sie empfahl die Union sowie die Annahme der Agende nur und stellte sie lediglich in die freie Entschließung der einzelnen Gemeinden. Nach und nach nahmen fast alle die Union und Agende an; nur wenige blieben übrig, welche sich anzuschließen verweigerten. So viel dem Ein sender bekannt, haben sie dermalen wenigstens auch die Agende angenom men, und besteht der einzige Grund, warum sie der Union nicht beltreten, lediglich darin, daß sie sich nicht Kirchcnbehörden unterwerfen wollen, welche ohne Rücksicht auf ihre Confessio» zugleich oder allein aus Refor mirten zusammengesetzt sind. Dies ist das Verhältniß der sogenannten Altlutheraner in Preußen. Die Benennung ist eine rein kirchenrcchtliche zur Unterscheidung von der unirtcn Kirche und hat übrigens mit einer et- wanigen Richtung der orthodoxen Partei, welche ebcnsowol Glieder der unirten Kirche zahlt, nichts gemein. Dieses Verhältniß scheint auch durch die Worte in der Cabinetsordre, daß sie sich getrennt halten (nicht getrennt haben), angedeutet. Ergibt sich hieraus, daß die sogenannten Altluthcraner in Preußen ganz auf demselben Völker- und staatsrechtlich anerkannten RechtSboden stehen wie die Glieder der lutherischen Confession in allen denjenigen Staaten, in welchen eine Union zwischen der reformirten und lutherischen Confession nicht durchgeführt ist, so war cs auch nur ein Act der Gerechtigkeit der preußischen Regierung, ihnen die Anerkennung nicht länger vvrzuenthalten. Ja, man möchte hiernach, und da die Union durch kein Gesetz, durch keinen Zwang herbcigeführt werden sollte, viel mehr die Frage aufwerfen können: ob cS einer Anerkennung erst noch >cdurftc? und warum ihnen nicht auch die Errichtung von Kirchen ge- tattet sei? f Stuttgart, 7. Sept. In Bezug auf die vor einigen Tagen mitgetheilte Nachricht, daß der Stistungsrath der hiesigen Deutsch-Ka tholiken zum Zwecke des bevorstehenden Concils die St.-LeonhardSkirche überlassen habe (Nr. 253), erfahre ich nachträglich, daß der Beschluß nicht ohne heftige Kämpfe gefaßt worden ist. Die im Stiftungsrathe ihenden Laien waren alle für die Ueberlassung einer Kirche, die Herren Geistlichen aber, mit Ausnahme Gustav Schwab's und des DiakonuS Hei- gelin, dagegen. DiakonuS Dettinger bestritt sogar überhaupt die Compe- cnz des Stiftungsrathes in dieser Sache, und dieselbe nahm bereits, da ich auch die andern evangelischen Geistlichen auf seine Seite schlugen, ine für die Deutsch-Katholiken ungünstige Wendung, dis es der feurigen Beredtsamkeit des Stadtraths Murschel, eines unserer freisinnigsten Bur ger, gelang, in Verbindung mit Gustav Schwab die Mehrzahl der Stim men für den Antrag zu gewinnen. Gustav Schwab ist Pfarrer der St.- Leonhardskirchc, und deshalb fiel sein Ausspruch vorzugsweise ins Ge wicht. Uebrigcns soll sich der Beschluß nur auf die gottesdienstliche Feier, nicht auch auf die weitern Berathunaen und Versammlungen der Deutsch katholiken beziehen. — Mit dem Abbruch der Häuser, an deren Stelle das neue Pa la iS des Kronprinzen kommen soll, ist bereits seit acht Tagen begonnen. — Der Minister des Innern, Hr. v. Schlayer, ist vor einigen Tagen in die Schweiz abgereist.