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WMM TmMüt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 22. Freitag, de» 28. Zannar 1881. "Waldenburg, 27. Januar 1881. Der Antrag Windthorst. Im preußischen Abgeordnetenhause kam am 26. d. der Antrag Windtyorst auf Straflosigkeit des Messe lesens und Sakramentespendens durch katholische Geistliche, die sich den Staatsgesetzen nicht unter worfen, zur Verhandlung. Windthorst sagte: Im Namen der ganzen katholischen Bevölkerung der Monarchie bitte ich zu Gunsten der Pfarreien, die jetzt verwaist sind, dies zu genehmigen, um den dringendsten Nothstand zu beseitigen. Seit Erlaß der Maigesetze sind Geld-, Gefängniß- rc. Strafen über Leute verhängt worden, deren einziges Verbrechen in der Spendung der heiligen Sakramente bestand. Erst neuerdings hat man eine ganze Compagnie Soldaten aufgeboten, um gegen einen Geistlichen einzuschreiten, der einem Sterbenden die heiligen Sakramente brachte — und das in einem Staate, der an der Spitze der Civilisation marschiren will. Für die Stempelung heiliger Handlungen zu Verbrechen, um damit poli tische Zwecke zu erreichen, dafür hat die parlamen tarische Sprache keine Bezeichnung. Im westfälischen Frieden ist allen Christen Deutschlands freie Re ligionsübung gewährleistet. Wir haben die Zusage der Könige Preußens, die bei der Einnahme der einzelnen Provinzen publicirl wurde, daß Gewissens freiheit und freie Religionsübung gewährleistet sei. Endlich ist beides durch die Verfassung garantirt. Durch das Bestrafen des MessclesenS und Sakra mentespendens werden die vom Throne aus gege benen Versprechungen verletzt. (Beifall, Widerspruch.) Ein Viertel aller Pfarreien ist erledigt, beinahe ein Viertel aller Geistlichen ist seit 1873 mit Tode ab gegangen. Es mären nicht so viel Todesfälle unter den Geistlichen vorgekommen, wenn dieselben nicht infolge des Nolhstandes ihre Kräfte übermäßig hätten anspannen müssen. (Heiterkeit.) Ich constalire vor dem Lande, daß bei dieser Behauptung die Herren auf der linken Seite des Hauses gelacht haben. Ich ersuche bei diesem Winterwetter den Minister, mit hinauszugehen nach dem Harz u. s. w., um sich von den Mühseligkeiten zu überzeugen, denen sich die Geistltchen unterwerfen müssen, um auch den entfernt Wohnenden die heiligen Sakramente spenden zu können. Man sagt: wenn man sich entschließen wolle, die in den Maigesetzen geforderte Anzeige pflicht zu erfüllen, dann wäre ja die ganze Schwie rigkeit beseitigt. Diese Forderung kommt mir vor, als wenn mich Einer überfällt und mir sagt, Du kannst leben, wenn Du selbst das Todesgifl nimmst. Man fordert, daß wir der Vernichtung des Katholizis mus zustimmen sollen. Man würde dann nicht Geistliche im kirchlichen Sinne, sondern im weltlichen Sinne haben; für solche Geistliche danke ich. Die weltliche Regierung hat jetzt große Ursache, mit der Kirche darin zu wetteifern, daß Religion und Sitte erhalten bleiben, wenn die Throne nicht schwan ken sollen. Cultusminister v. Putlkamer: Ich hatte erwar tet, daß der Antragsteller andere Gesichtspunkte an führen würde, als bei der vorjährigen Berathung. Ich glaube nicht, daß das Haus dem Anträge zu stimmen wird, und kann auf eine eingehende Dis kussion mit dem Antragsteller verzichten. Wir haben im vorigen Jahre dem Centrum die Milderungen der Maigesetze aufzwingen müssen. Der Nothstand ist in dem behaupt.ten Umfange nicht vorhanden; ich bin genau orientirt über die Verhältnisse in den katholischen Kreisen. Im ganzen giebt es in Preu ßen 4604 katholische Pfarreien mit 8,800,000 Seelen; davon sind 1103 Pfarreien mit 2,085,000 Seelen nicht ordnungsmäßig besetzt. Aber von diesen letz teren haben 935 Pfarreien mit 1,900,000 Seelen durch den Artikel 5 des vorjährigen Gesetzes, das ohne Mithilfe des Centrums zu Stande kam, regel mäßige Versorgung erhalten Regelmäßig versorgt sind nicht 3 Proc. der Pfarreien und 2 Proc. der katholischen Bevölkerung. Wenn der gegenwärtige Zustand fortdauert, so wird sich dieses Bild aller dings wesentlich trüben. Das Mittel liegt aber nicht im beständigen Sturmlauf gegen die Gesetze. (Beifall, Zischen im Centrum.) v. Bennigsen: Wir haben den Kampf nicht schon Jahre lang geführt, um jetzt, so nahe dem Ziele, nachzugeben, wo man selbst in Nom zum Frieden geneigt, trotz der großen dort herrschenden Erbitterung wegen eines evangelischen Kaiserthums in Deutschland. (Beifall, Widerspruch, lebhaftes Zischen.) v. Schorlemer-Alst erklärt letztere Behauptung als eine historische Unwahrheit. (Beifall, Wider spruch.) Der Minister sagt, man solle sich nach Rom wenden, es wäre eine Felonie, wenn wir uns jetzt an den Papst mit der Bitte wenden wollten: Zerschlage du selbst die Organisation der Kirche. Für Artikel 5 des Juli-Gesetzes hat das Centrum gestimmi, es hat also Theil an den daraus entstan denen Erleichterungen; hätte das Gesetz nur jenen Artilel enthalten, so würden wir ohne Weiteres da für gestimmt haben. Man verlangte aber von uns als Entgelt für die gebotene Milderung politische Knechtschaft. Nicht der Cultusminister — der Reichs kanzler trägt die Schuld an der Fortdauer des Kampfes. Man sagt die Judenverfolgung sei eine Schmach für die deutsche Nation; er sehe keine solche Verfolgung, aber er sage, die Kathokikenverfolgung ist eine Schmach für Deutschland! v. Helldorf (fortschr.) ist für den Antrag. Die getroffenen Polizeimaßregeln haben keinen Erfolg ge habt. Es sei für einen liberalen Mann schwer, für den Katholicismus Toleranz zu predigen, der nie Toleranz kannte. Holtz (cons.) gegen den Antrag, obgleich die darin ausgesprochene Forderung als selbstverständlich erscheine. v. Stablewski führt eine Anzahl von Bei spielen für „Priesterhetzen" in den polnischen Landes theilen an. In Fraüstadt habe ein Monstreprozeß mit 120 Zeugen gegen einen Geistlichen stattge funden, dessen Verbrechen im Lesen einer stillen Messe in Gegenwart einer Person bestanden. Der in Preußen bestehende Gewissenszwang sei einzig in der Welt; selbst in Rußland sei er beseitigt. Virchow: Die Kurie giebt nie nach; man muß ein auf dem allgemeinen Rechtsboden basirtes Kirchenrechl schaffen. Ec wünschte, man hätte über haupt keinen Cultus-Minister, sondern nur einen confessionslosen Justiz-Minister. Windthorst: Jacoby aus Königsberg hat mir einmal gesagt: Sie glauben nicht, was dazu ge hört, bevor die Wahrheit zum Durchbruch komme. Mein Antrag wird so oft kommen, als es die Ge schäftsordnung gestattet. Wenn Sie denken, er sei nur zu Agitationszwecken gestellt, so nehmen Sie ihn doch an. Durch den Culturkampf werde man ein zweites Irland schaffen. Es gebe kein evange lisches Kaiserthum, sondern einen ehrwürdigen Kaiser evangelischer Confessio». Der Gadanke eines deutschen Kaiserthums ging aus den Reihen des Centrums, von Peter Reichensperger aus. (Zuruf: Nationalverein!) Der Nationalverein ist ein vagabondirender Verein! (Heiterkeit.) Der katholische König von Baiern ist es gewesen, der die Kaiserkrone anbot. Der Kulturkampf ist von Professoren oder Professorengenossen ausgebrütet. Dis jetzige Regierung von China und Japan sei in religiöser Beziehung liberaler als die preußische. Die Fortsetzung der Berathung erfolgt am 27. d. "Waldenburg, 27. Januar 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. In parlamentarischen Kreisen wird versichert, daß der Reichskanzler den Statthalter Freiherrn v. Manteuffel, der bei ihm dinirte, beglückwünscht hat ob der großen moralischen Erfolge, welche der selbe in Elsaß-Lothringen durch seine Regierung in so kurzer Zeit erzielt hat. Im Bundesrath wird heute Donnerstag das Ge setz über Bestrafung der Trunksucht berathen. Der Volkswirthschaftsrath soll heute am 27. d. durch Bismarck eröffnet werden. Der erste Ge genstand der Berathung ist das Unfallversiche rungsgesetz und das Gesetz über Vie Innungen. Das letztere hat bereits die Genehmigung des Kai sers zur Vorlegung an den Bundesrath erlangt. Der „N. Pr. Ztg." zufolge ist die Stimmung in Bezug auf das Unfallversicherungsgesetz im Bundesralhe eine sehr günstige. Besonders wird vielseitig mit Freuden begrüßt, daß die Regierung endlich entschlossen ist, einen positiven Schritt in der Arbeitergesetzgebung zü thun. Die Handwerker und Arbeiter, welche dem Volks wirthschaftsrath angehören, erhalten 15 Mk. Diäten und freie Fahrt in zweiter Wagenklasse. Die „Kreuzzeitung" bestätigt, daß der Chef der handelspolitischen Abtheilung des auswärtigen Amtes, Philippsborn, dessen bureaukratischeNeigungen dem Reichskanzler zuwider sind, sich pensioniren läßt. Die „Germania" schreibt als Organ des Cen trums: „Es ist schon wiederholt nachgewiesen, daß die von Preußen geforderte Anzeigepflicht noch keiner Regierung zugestanden worden ist. Was die Maigesetze verlangen, ist exorbitant und einzig. Es bedeutet für die Kirche die volle Unterwerfung ihrer Diener und ihrer Institutionen unter den Staat und den Verzicht auf die erhabene Mission, die ihr von ihrem Stifter geworden ist. Diesen Be- Officiös wird darauf aufmerksam gemacht, daß bei der Zollverwaltung der Vereinigten Staa ten von Nordamerika ein besonderes und wohl begründetes Mißtrauen gegen deutsche Importeurs gehegt wird und es deshalb für den gejammten deutschen Ausfuhrhandel eine Pflicht der Selbster haltung ist, in allen betheiligten Kreisen energisch darauf hinzuwirken, daß einem solchen Mißtrauen jede thatsächliche Grundlage entzogen werde, da auf Grund von Erfahrungen neuerer Zeit Umgehungen der Zollgesetze vorgekommen sind, welche eine ver schärfte Aufsicht der dortigen Zollbehörden hervorge rufen haben. Die Zollstrafen von Nordamerika sind aber so hoch, daß sie in keinem Verhältniß zu dem möglichen Erfolg der Umgehung stehen. Die unmittelbaren Beiträge der preußischen Staatskasse zu den Kosten der Volkszählung betragen 675,000 Mk., d. i. etwas über 2 Pfg. pro Kopf, während in Belgien etwa 8, in Großbritannien 16 und in den Vereinigten Staaten von Nord amerika gar 25 Pfg. pro Kopf zu gleichem Zwecke erforderlich sind. Nahezu die Hälfte der Kosten in Preußen, ca. 300,000 Mark, werden für. vie Be schaffung und Versendung der von Engel zuerst eingeführten, ungemein zweckmäßigen Zählzettel ver wendet, welche unmittelbar nach beendeter Zählung von ca. 5 — 6000 Packeten mit einem Gesammtge-