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MdmfferTageblati Fernsprecher Wilsdruff Ar. 6 Wochenblatt fÜs WilsdkUff UNd llMgegMd Postscheckkonto Leipzig 28614 Dieses Blast enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Gtadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 223. Sonntag den 26. September 1920. 79. Jahrgang. Amtlicher Teil FeLtverteilung. Auf den Abschnitt 8. der Lanbesfettkarte werden auf die Zeit vom 27. September bis 3. Oktober 1920 50 § Butter ausgegeben. , Die KrankenbutterkartLN werden gleichfalls mit 50 § Butter beliefert. Meißen, am 24. September 1920. Nr. 1101 II 0. Kommunalverband Meißen-Land. Kleine Zeitung für eilige Leser, * Am 24. September gegen Abend fand in Brüssel die erste Sitzung der internationalen Finanzkonferenz statt, an der die deutschen Vertreter teilnahmen. * An Deutschland erging eine Einladung zu einer Völker- bundausschuMtzung in Paris, die sich mit Verkehrsfragen be- jasien ioll. Deutschland nahm die Einladung an. * Der italienische Metallarbeiterverband vat mit 123 gegen 10 Stimmen eine Entschließung angenommen, in der er das mit den Industriellen zustandeaekommene Abkommen ge nehmigt und in der der Verband dem Verwaltungsrat das Vertrauen ausspricht. * Der russische Armesführer Budienny soll schwer ver wundet sein. ' Die Berechnung eines Durchschnittssatzes beim Steuer abzug ist nach dem 30. September nicht mehr gestattet. ' Die Hochschule für Politik soll Ende Oktober in Berlin eröffnet werden. * General Le Rond soll mit neuen Anweisungen nach Ober- soHien zurückkehren. ArKsikMsußpsiichi. Die neuen Ideen, die heutzutage in Politik und Wirk? übaft aufschießen wie Pilze nach warmem Sommerregen, bab^n zumeist die angenehme Eigenschaft, zum mehr oder weniger alten Besitzstand unserer öffentlichen Gedankenwelt zu gehören. Das gilt auch von der allgeinenen Arbeits- diensipflicht, mit der unser Reichswirtschastsministerium sich gegenwärtig beschäftigt, als einem der vielen Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Man weiß, daß Minister Dr. Scholz schon seit Jahr und Tag für diesen Gedanken eingetreten ist, ohne bis jetzt Gelegenheit gehabt zu Haden, für seine Durchführung mehr als Wort und Feder einzufetzen. Jetzt sitzt er auf einem Posten, der ihm eine weitgehende Einflußnahme auf die praktische Verwirklichung sozialer Ideen gestattet, aber selbstverständlich ist er nichts weniger als Alleinherrscher in dem weit verzweigten Gebiete seines Ressorts. Der nächste Berg, den er zu erklimmen hat, ist das Reichskabinett, dann kommt der Reichsrat, danach der Reichstag — unzerechnet die unzähligen Ver bände, Ausschüsse, Beiräte und Organisationen aller Art, die heutzutage gehört werden müssen, ehe für eine alte Frage eine sozusagen neue Lösung gefunden werden kann. Also, für heute und morgen ist noch nichts zu besorgen. Doch kann es immerhin nichts schaden, sich mit Len Über legungen, von denen Herr Dr. Scholz geleitet wird, näher zu befassen. Ermutigend ist die Tatsache, Latz Bulgarien, durch den Ausgang des Weltkrieges in seinen ganzen Existenzbedingungen gleichfalls schwer getroffen, frisch zur Tat geschritten ist. Es hat die allgemeine Arbeitspflicht von einjähriger Dauer für erwachsene Knaben, von halbjähriger Dauer für erwachsene Mädchen bereits eingeführt und hand habt die erlassenen Bestimmungen, so viel hier darüber be kannt geworden ist, mit aller Schärfe und Entschlossenheit, t Für die Nachahmung dieses Beispiels spricht in erster Reihe die Notwendigkeit verstärkter sittlicher Erziehung unserer ! Jugend. Gerade in den Jahren, in denen unsere Jugend dieser bedarf, entbehrt sie heute jede Aussicht. Es ist infolge des Krieges ein Geschlecht herangewachsen, das sofort von der Schule in die Fabriken adwanderte und einer Zucht losigkeit überantwortet wurde, die sich in unserem öffentlichen Leben schwer genug fühlbar macht. Was also wäre wohl nötiger und verdienstlicher als sie, bevor ihr Gewicht sich auf dem Markte des öffentlichen Lebens zur Geltung bringen kann, noch einmal in eine Schule der Pflicht, der Pflicht im Dienste der Allgemeinheit zu nehmen. Der Gedanke eines weiblichen Dienstjahres ist schon vor dem Kriege und besonders während der Kriegs- iahre von den verschiedensten Seiten lebhaft ver fochten morden. Jetzt kann er natürlich nicht mehr aus das weibliche Geschlecht beschränkt bleiben, weil die Militärpflicht Ar Deutschland wenigstens der Vergangenheit angehört. Die Arbeit würde staatlich zu organisieren und in der Industrie ebenso wie in der Landwirtschaft, im Handwerk wie im Haushalt zu leisten sein. Selbstverständlich würde auch neben ihr möglichste Förderung des geistigen und sittlichen h^rtnhrittes der Jugend einhergehen, und die Kosten dieses kolossalen Erziehung^ wertes würden, trotzdem es zum Teil mit produktiver Arbeit verbunden wäre, ungezählte Auktionen erfordern. Aber ein Kapital, das der Gesundung unserer Jugend dienen soll, kann in keinem Falle verloren sein, während sich wohl begreifen läßt, daß die Unsummen, die seit Jahr und Tag für unproduktive Formen der Albeitsiosenfürsorge ausgegeben werden, jedes Kabinetts- Mitglied mit großer Unruhe erfüllen muß. In der Tat will Herr Dr. Scholz das etwas stachlige Problem innerhalb pes weiten Rahmens der Bekämpfung der Erwerbslosigkeit in Angriff nehmen. Wahl in der Hoffnung, datz es so eher vorwärts zu schieben sein wird, als wenn es für sich allein behandelt würbe. Aber er zweifelt gewiß leinen Augenblick daran, daß auch so starke Widerstände nicht ausblsiben werden. Für die Auferlegung neuer Pflichten sind die gegenwärtigen Zeitläufte nicht gerade sonderlich günstig, und man weiß zur Genüge, wie rasch das Schlagwort, datz neue Ausnahmegesetze im Werke seien, in den politischen Tageskampf hineingeworfen wird. Man hat auch nicht den Eindruck, datz die heutigen Staatsmänner die Entschlußkraft besitzen, das, was sie für richtig und für nötig halten, unter allen Umständen zu tun, auch aus dis Gefahr hin, den Stier, der sich ihnen dabet entgegenstellen könnte, rücksichtslos bei den Hörnern zu packen. Herr Dr. Scholz läßt auch bereits erklären, daß dieser ganze Plan zunächst nur von ihm für sehr erwägenswert gehalten werde, datz aber das Kabinett und die Gesamt- regierung in keiner Weise damit befaßt worden sei. Das sagt wohl genug. Bis auf weiteres werden uns sicherlich ungleich aktuellere Dinge noch ausreichend zu beschäftigen haben. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gehört aller dings mit dazu, aber ehe man auf diesem Gebiete von Worten zu Taten fortschreiten wird, dürfte noch manche Kabinettskrisis über uns hinweggehen. Präsident Millsrsnd. Fortsetzung der bisherigen Gewaltpolitik. Die letzten Tage hatten bereits keinem Zweifel mehr Naum gegeben an der Sicherheit des Wahlsieges für den bisherigen Ministerpräsidenten der französischen Republik. Misierand wurde dann auch zu Versailles mit 695 von 392 abgegebenen Stimmen im ersten Wahlgang gewählt. Aus den Sozialisten Delory entfielen 69 Stimmen, die übrigen zersplitterten sich. Wie der energische und vor keinem Wechsel der Ge sinnung zurückschreckende Millerand — er hat sich von der äußersten sozialistischen Linken bis zum nationalistischen Ultxa-Jmperiaiismus entwickelt — seine neue Würde tragen wird, ist vorläufig auch den Näherstehenden noch ein Rätsel. Es gibt genug wirkliche Republikaner in Frankreich, die ihm eine Wiederholung des 18. Brumaire zutrauen, des Tages, an dem der erste Bonaparte das Direktorium stürzte und sich zum ersten Konsul, zum unbeschränkten Gewalthaber machte. Alexandre Millerand ist 1859 geboren, wurde Rechts anwalt, war sozialistischer Abgeordneter, 1899 zum erstenmal Minister, 1911 Kriegsminister, 1914 abermals und nach dem Rücktritt Clemenceaus Ministerpräsident und Minister des Äußeren, der entschlossenste Vertreter kapitalistischer Aus nutzung des Krieges. Den gleichen Weg gedenkt er als Präsident zu verfolgen, dafür spricht der Wortlaut seiner Antrittsrede: .Das siegreiche Frankreich mutz seine Ruinen wieder auf bauen, seine Wunden verbinden, und um dies zu erreichen, mutz es die vollständige Durchführung aller auf der Grundlage des VersaillerFriedensvertrags ihm gegen über eingegangenen Verpflichtungen erlangen. Eine neue Parole ist ins Leben gerufen worden, die französische Demo kratie muß im Einvernehmen mit ihren Alliierten über den Fortbestand und ihre weitere Entwicklung wachen. Der Präsident der Republik hat die besondere Ausgabe, unter Mitwirkung der Minister und der Präsidenten der Kammer die Fortsetzung einer Außenpolitik zu sichern, Lie unseres Sieges und unserer Toten würdig ist." Gsneral Le Rond kommt zurück. Neue Anweisungen. Nach von mehreren Seiten kommenden Nachrichten soll General Le Rond oon Paris nach Oberschlesien zurück- kehren, da der Botschafterrat keinen Anlaß zu seiner Ent fernung gefunden habe. Trotzdem werden für die «ächste Zeit größere Ver änderungen in der Verwaltung des oberschlesischen Ab stimmungsgebietes erwartet. General Le Nond wird mit neuen Instruktionen nach Oberschlesien zurückkkhrcn. Außer dem wird das euglische Verlangen nach der paritätischen Austeilung der Truppen berücksichtigt werden. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass in einige» leitenden Stelle» der Interalliierte» Kommission ein Personenwechsel rin- trcteu wird. Die neuen Instruktionen der Botschafterkonferenz dürsten sich vornehmlich mit der Ziviloerwaltnng beschäftigen und auf eine unbedingte Parteilosigkeit Hinweisen. Auch von deutscher Seite wird von einem Nachlassen der Spannung berichtet. Tatsache sei, datz das Verbrechertum und das Bandenunwesen zurzeit noch einen Umfang hat, der weit über das normale Matz hinausgeht, aber es sei falsch, diese Nachwehen der politischen Unruhen heute noch als solche zu bewerten. Die politische Beruhigung des Landes gehe weiter. Der ländliche Grundbesitz der Provinz ist rnfolae Les ungenügenden Grenzschutzes und der polnischen Hetz- agitation immer noch von verwilderten polnischen Banden überschwemmt; deren Absichten gehen aber nicht auf politische Ziele, sondern im wesentlichen auf Raub und Einbruch. Bluttat eines Franzosen in Oppeln. Der Arbeiter Franzek wurde von einem französischen Soldaten auf der Rosenberger Straße erschossen. Franzek war auf dem Wege nach seiner Wohnung und benutzte einen weniger betretenen Weg. In der Dunkelheit stieß er mit französischen Soldaten zusammen. Es kam zu einem Wort wechsel, wobei ein französischer Soldat den Revolver zog und Franzek erschoß. Gegen die Gewerkschaftsführer, die aN der Einberufung der Protestversammlungen gegen die Verletzung der ober- schlestschen Neutralität am 17. August teilgenommen haben, schwebt beim Interalliierten Sondergericht ein Verfahren. Der Rücktritt des Fürsten Hatzfeld. Es kann nun als sicher gelten, datz der gemeldete Rück tritt des Fürsten Hatzfeld, des deutschen Kommissars für Oberschlesien, Tatsache werden wird. Von den genannten Nachfolgern, Graf Praschina, Prinz Ratibor und Dr. von Kleefeld, genießt letzterer als hervorragender Kenner der oberschlestschen Verhältnisse, besonders der wirtschaftlichen, weiteres Vertrauen in Len maßgebenden obecfchlesischen Kressen. WelL-Kohtsnnsi. Unter dem Druck oon Versailles und Sva. Der deutsche Reichstagsabgeordnete und Bergarbeiter führer Hue aus Essen sprach in Zürich auf Einladung der deutschen Handelskammer über die Versorgung der Welt mit Kohle. Er sprach die Hoffnung aus, daß der englische Bergarbeiter streik nicht zum Ausbruch komme, da sonst England in den nächsten Wochen für die Weltkohlen- vecsorgung ausscheidet, für die außer ihm nur noch Deutsch land in Frage kommt. Denn die übrigens ganz geringen amerika nischen Lieferungen seien nur infolge der gegenwärtigen anormalen Lage möglich, und es sei beabsichtigt, sie im Winter einzustellen. Der Redner wies dann darauf hin, Laß England 84 °/o, Deutschland bisher aber nur 57 °/o seines Friedensverbrauches an Kohlen decken konnte und außerdem noch das Abkommen von Spa ausführen müsse. Deutschland ist nicht mehr Herr seiner Kohle. Gegenwärtig arbeiteten von 470 000 Arbeitern 128 000 Arbeiter im Ruhrgebiet für die Entente, der täglich 77 Etsen-- bahnzüge zu 70 Waggons Kohlen zugeführt werden. Der französische Kohlenoerbrauch sei nach den Angaben des französischen Arbeitsministers gegenwärtig mit 90 °/° des Friedensbedarfs gedeckt, also bedeutend höher als der Eng lands. Frankreich haust große Kohienvorräte an. Der Redner appellierte an die volkswirtschaftliche Einsicht Frank reichs und hofft, daß diese die Bergarbeiter nicht zur Ver zweiflung treiben werde. In Oberschlesien sei durch die Wirren die Kohlenförderung zurückgegangen, wodurch be sonders Italien leidet, dem oberschlesische Kohle zugewiesen sei. Gelinge es nicht, eine rasche Klärung der oderschlesischen Frage heibeizuführen und die Arbeiterschaft zu beruhigen, so werde die Kohlenkrise verschärft werden und Europa eznem furcht baren Winter entgegengehen. Unter dem Druck von Versailles und Spa kann der deutsche Bergarbeiter unmög lich arbeiten. Es müsse Gewißheit dafür geschaffen werden, datz nichts Meuschenunmögliches oon den de> m Arbeitern verlangt wird. Dann werden sie es an ihrer Bereitwillig keit nicht fehlen lassen. Die Krise könne nur durch Ent gegenkommen der Entente behoben werden. Durch die Kohlenkrise wird auch die Versorgung der neutralen Staaten, besonders die der Schweiz, betroffen. Hue vertritt schließlich den Standpunkt, datz der Abbau der Preise bei den Kohlen beginnen müsse. — Hochschule für Politik. Eröffnung der Vorlesungen Ende Oktober. Die Vorarbeiten für die Deutsche Hochschule für Politik find jetzt so weit gefördert, daß die Vorlesungen in Herlin Ende Oktober beginnen können. Die Aufgabe der Hochschule für Politik soll sein, ein wichtiges Werkzeug für den geistigen Wiederaufbau Deutschlands zu werden und durch Lehre, Forschung und Arbeitsgemeinschaft der Verbreitung von staatsbürgerlicher Bildung und der Vertiefung des politischen Urteils zu dienen. Diese Aufgabe vereinigt hervorragende akademische Lehrer, frühere und aktive Staatsmänner, Führer des Wirtschaftslebens sowie der Parteien zu einer Arbeitsgemeinschaft, für die der Leitsatz von Friedrich List gilt: ,Jm Hintergrund all meiner Pläne liegt Deutschland." Im Verzeichnis der Dozenten und des Verwaltungs-