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Weißerih-Zeitung Verantwortlicher Ncdacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Jnserütc werden mit 8 Pf. für die Zeile berechnet ch u. in allen Ex peditionen an genommen. Erscheint Dienstag« und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstal ten. Preis pro Quart lONgr Ein unterhaltend es Wochenblatt für den Bürger und Landmann Das Cre-Ltnehmen bei den Pro- fessiorristen. DaSLprüchwort unsrer Vorfahren: „Daö Hand werk hat einen golbnen Boden," verliert in unsrer fabrikreichen Zeit, welche einen großen Theil des Hand werks verdrängt, immer mehr seine Bedeutung. Viele Handwerke-werben in nicht zu ferner Zukunft durch die Maschinen immer mehr beschränkt werden. Für- Tausende von Handwerksleuten ist dieser Proceß der Veränderung äußerst empfindlich; denn er raubt vielen Händen Erwerb und zwingt einen großen Theil der Professionisten, in Fabriken zu ar beiten, und so finken die sonst freien Meister zu ab hängigen Fabrikarbeitern herab. Selbst in den ein zelnen Fächern des Handwerks überwiegt das große Capital so, daß der ärmere Meister die Concurrenz mit seinem reichen Collegcn, der die Rohprodukte auf der Messe in Masse einkaufen kann, nicht mehr zu be stehen vermag; so sind z. B. in großen Sräbten viele Schneidermeister gezwungen, Gesellenarbeit bei solchen Meistern zu verrichten, welche bei bedeutender Capi- talanlage ihr Fach ins Große treiben. Wie viele Ar beit wird den Schneidermeistern durch die Marktver käufe der Berliner Schwindler entzogen, welche ver sichern, 50 Procent billiger als Andere die Kleidungs stücke verkaufen zu können. So empfindlich aber der Umstand, daß unsre Handwerke von den Fabriken immer mehr erobert wer den, für die Betreffenden sein mag, — für die Ge sellschaft ist dieser Fortschritt unleugbar ein Ge, winn, denn es werden dadurch eine Menge Bedürf nisse und Genüße deS Lebens wohlfeiler, große Clas« sen der Gesellschaft, welche die bisherigen hohen Preise »icht zu erschwingen vermochten, können nun durch deren Billigkeit dieselben verbrauchen und sich wohler befinden. Niemand wird z. B. um der Abschreiber willen, welche durch die Druckerpresse zu Grunde ge richtet worden sind, die Erfindung der Buchdrucker kunst bedauern. Bei allem Lamento läßt sich auch der gewaltige Schritt der Zeit nicht aufhalten. Die Fuhrleute, welche durch die Locomotive ihren Erwerb vernichtet sehen, können nirgends ihren gewaltigen Schritt aufhalten; die Staaten geben Prämien für Flachsspinnerei, welche die Handspinnerei überflüssig macht; der Schlosser kauft theilweise selbst die Schlös ser, der Buchbinder gepreßte Einbände und Briefta schen, die Putzmacherin fertige Hutfayons, und dabei wird eö die Fabrikation nicht bewenden lassen. Können und wollen wir aber dem Fortschritte kei nen Zügel anlegen, so können wir uns doch nicht verber gen, daß der Handwerksmann in unfern Tagen mit ten im Kampfe gegen die andringende Uebermacht der Concurrenz unverdienterweise unter einem Nebel leidet, welches ihm die Sitte unsrer Zeit auferlegt, wir mei nen das lange Creditgeben. Wo fleißige und geschickte Handwerker unterge hen, da ist oft bas übermäßig lange Borgen, die äußerst säumige Zahlung der Kunden, schuld daran. Der arme Professionist ist am allerwenigsten in der Lage, mit seinem sehr geringen Capitale dem Mannemit großem Capitale zu leihen. Der Professionist bedarf, wenn er mit den Seinigen be stehen und den Gesellen lohnen soll, durchaus pünkt- sicher Zahlung. Das sollte sich Jeder sagen, der Ar beit von einem Handwerker bezieht. Und doch muthel man das Borgen Niemandem so sehr zu, als dem armen Professionisten. Da ist der Banquier, in dessen Kassen Tausende liegen, dem der Schneider unaufgefordert niemals die Rechnung senden darf; und auf der andern Seite der HanbwerkSmann, welcher sein ArbeitSmaterial auf Crekit theuer kaufen muß, während er eS gegen Baar billig haben könnte, der fortwährend seine Gesellen, die Miethe, die Steuern, die Nahrungsmittel und viel leicht Schulgeld für Kinder auf Tag und Stunde pünktlich bezahlen muß, der für seine Kunden das ganze Jahr hindurch Auslagen machen soll und nie mals weiß, wann es den Kunden gefällig sein wird, die Rechnung zu fordern oder die empfangene Rechnung zu bezahlen. Wenn man die Einzelheit der Fälle, die Menge der Verlegenheiten aufzählen, die Qual der Sorge, die Verzweiflung beschreiben könnte, man würde sich überzeugen, daß die Unsitte, bei Professionisten Kredit zu nehmen, eben so lieblos als unwirthschaftlich ist. Die ganze creditnehmende Kundschaft des Hand werkers theilt sich, genau betrachtet, in 2 Claffen, in e.ne solche, welche ihn ans Bequemlichkeit auf Zah lung warten läßt, und in eine solche, welche die Ab sicht hat, gar nicht zu bezahlen. Es sollte die Sitte eingeführt werben, den Hand werker Zug um Zug so prompt wie den Wirth zu bezahlen; dann würbe der Professionist in der Nicht bezahlung einer abgelieferten Waare zunächst nur die gewünschte Aussicht erblicken, daß die Empfänger in laufender Rechnung mehr bestellen werden. Hört das Publikum auf, aus Bequemlichkeit Credil vom Handwerker zu nehmen, so wird dem Hand werker schon erheblich geholfen. Diese Hilfe, welche jeder Billigdenkende den Pro fessionisten wünschen muß, würde nicht unbelohnt blei ben. wie sich schon daraus ermessen läßt, daß der Handwerker mit baarem Gelbe die Rohmateriale, welche