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«chatte«. erv-d und Ein unterhaltendes Matt für den Mrger und Landmann, Amtsblatt für die königl. Amtshauptmannschast Dresden, Neustadt für die Ortschaften des königl.Gerichtsamts Dresden, sowie für die königl. Forstrentämter bezieh«,durch ^1?^' Dresden, Tharandt und Moritzburg. — Erscheint jeden Dienstag «nd Freitag früh. Inseratenpreis: Für die einspaltige geile 15 Ps., «tter „V»gesa»dt" SV Ps. _ — , Verantwortlicher Redakteur und Verleger Aerr«««« Mütter in Dre-d«. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Es kann uns nicht Wunder nehmen, daß man im Auslande seit dem deutsch-französischen Kriege bei allen politischen Verwickelungen zunächst sein Augenmerk auf das deutsche Reich richtet und aus dessen Haltung den Gang der Ereignisse zu folgern sich gewöhnt hat. Um so auffälliger» erscheint die Ruhe, rnit welcher Deutschland dem Orientkriege' zuschaut. Indessen in eben dieser scheinbaren Unthätigkeit liegt' die Stärke der deutschen Nation, die keineswegs, wie vielfach geglaubt wird, interesselos dem Kampfe gegenübersteht und nur deshalb sich nicht gemüßigt sieht, ein ernstes Wort den Streitenden zuzurufen. Nicht ohne uns werden die Würfel über Konstantinopel oder die Hegemonie auf der Balkanhalb- mses geworfen werden. Diese Ueberzeugung durchdringt nicht nur die politischen Kreise, sie erfüllt, wenn auch noch dunkel und un bewußt, die Seele des gesammten deutschen Volks. Weder die Schmeicheleien, noch die Warnungen der fremden Nationen, welche erregte Zuschauer des ausgebrochenen Kampfes sind, haben uns aus der den germanischen Völkern fast durchweg eigenen betrachtenden Ruhe gebracht, und mit dieser Gelassenheit be trachten wir vorläufig auch noch die sich in Frankreich im Augenblicke vollziehende Umgestaltung der Regierung. Man wird zwar nicht verfehlen, die alle Welt überraschenden Ereignisse als für das deutsche Reich besonders gefahrdrohend zu bezeichnen und die schon vorher bewirkten Verstärkungen der Garnisonen in den Reichslanden damit in Verbindung bringen; eine ruhige Betrachtung der Lage muß aber schließlich, ungeachtet der von der „Prov.-Korresp." durchscheinen lassenden Befürchtung, uns die Ueberzeugung aufdrängen, daß man in Frankreich die letzten furchtbaren Niederlagen noch nicht vergessen hat und nicht ge willt ist, sich von den klerikalen Heißspornen für die Unab hängigkeit des Papstes in einen neuen Krieg verwickeln zu lassen. W Die wirthschaftliche Lage des deutschen Reichs bildet noch immer den Gegenstand weitläufiger Erwägungen. Auch in der „Prov. Korresp." finden wir einen dasselbe Thema behandelnden Artikel. Ueberraschen muß es aber, wenn wir hören, daß die in Aussicht gestellten „praktischen Umgestaltungen" nur das be grenzte Gebiet des Lehrlingswesens, der Frauen- und Kinder arbeit betreffen sollen; denn aus der Verbesserung dieser aller dings nicht unwichtigen Faktoren des industriellen Lebens einen Umschwung des gesammten wirthschaftlichen Lebens folgern zu wollen, heißt die Sache denn doch von einem gar zu sanguinischen Standpunkte aus.betrachten. Im Reichskanzleramte wurde kurz vor dem Psingstfeste eine; Konferenz beendet, welche zur Feststellung eines Regle ments behufs Prüfung der Thierärzte unter gleichen Normen in ganz Deutschland berufen worden war. Den Vorsitz führte Nrmumdvrrtßigster Jahrgang ll, Guartal. der vortragende Rath im Reichskanzleramt, Geh. Regierungs- Rath Starke. In ähnlicher Weise wird in nächster Zeit auch eine Revision der Vorschriften für Prüfung der Aerzte vorge nommen und ein einheitliches Verfahren für das Reich festge stellt werden. Die neue deutsche Gerichtsverfassung, wie sie im vorigen Jahre mit dem Reichstage vereinbart wurde, soll nach dem Ein führungsgesetze im ganzen Umfange des Reichs an einem durch kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths fest zusetzenden Tage, spätestens am 1. Oktober 1879 in Kraft treten. Nach derselben wird die ordentliche Gerichtsbarkeit zu nächst durch Amtsgerichte und Landgerichte, ferner durch Ober- Landesgericht- und endlich durch die Reichsgerichte auSgeübt. Die Ausführung der künftigen Gerichtsbehörden innerhalb dieses Rah mens und auf den im ReickSgefetze festgestellten Grundlagm fällt der Landes-Gesetzgebung und der Landes-Justizverwaltung in den einzelnen Staaten zu. Mit der Entscheidung über die lokale Vertheilung der Gerichtsbehörden über die Sitze der Ober- Landesgerichte und namentlich der Landgerichte hängen nicht nur andere sehr wichtige Fragen zusammen, sondern es ist auch um deswillen wünschenswerth, in dieser Beziehung möglichst bald zu einem Abschlusse zu gelangen, weil der weit verbreiteten Unruhe in allen beiheiligten Kreisen möglichst bald ein Ziel gesetzt werden muß. Der am 1. Nov. v. I. zu Rukualofa auf Longatabu zwischen dem deutschen Reiche und Tonga abgeschlossene Freundschaftsvertrag ist nach erfolgter Zustimmung des Bundes- raths und Genehmigung des Reichstags am 9. d. M durch den Kaiser ratificirt worden. Da derselbe mit dem Tage seiner Unterzeichnung in Kraft getreten war, jedoch mit dem Vor behalt, seine Geltung wieder zu verlieren, wenn die Ratifikation auf deutscher Seite binnen Jahresfrist nicht erfolgen sollte, so ist dieser Vorbehalt durch die rechtzeitige Ratifikation nun mehr erledigt und der Vertrag, für das deutsche Reich und seine Angehörigen vom 1. November 1876 ab rechtsverbindlich. Die Verhandlungen wegen - des deutsch-österreichischen Handelsvertrags sind sistirt. Es scheint fick also doch zu be stätigen, daß für den Augenblick wenig Ausficht vorhanden ist, eine Verständigung zwischen den beiden Reichen in der nächsten Zeit herbeizuführen. Schon bei der ersten Zusammenkunft der beiderseitigen Kommissare wurde deutscherseits erklär^, im Fall Oesterreich-Ungarn an der bezeichneten Absicht sesshafte, sei man entschfossn, einen eigentlichen Zollvertrag überhaupt nicht mehr abzuschließen. Da nun die österreichischen Komm'ssare nicht in der Lage waren, eine Aenderung der Absichten ihrer Re gierung in Aussicht zu stellen, so blieb nichts übrig, als die Berathungen bis auf Weiteres zu sistiren. Die deutsche Regierung wird vorläufig, dem Vernehmen nach, die Verhand lungen eine Zeit lang im Korrespondenzwege fortsetzen ; allein