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Amerika seht sich zur Wehr Zeppelins Zukunft Der erste Sturm der Begeisterung ist verrauscht. Nach der Freude über den glänzenden Erfolg des Zcppelin- Amerikafluges, hin und zurück, kommt die Zeit zur Be sinnung. Was ist erreicht? Und was bleibt zu tun, damit dieser deutsche Sieg im Zeichen des Weltlnftschiffverkehrs nicht eine Episode bleibt, sondern Früchte für die Zu kunft trägt. Es wäre ja nicht das erstemal, daß eine glänzende deutsche Leistung keine Auswertung sindct. Und wir wünschen nicht, dast es dem Werke des Grafen Zeppelin, das seit seinen Anfängen eine Herzensangelegen heit unseres Bvlkes ist, ähnlich ergehe. Nachdem jetzt aus den Berichten Dr. Eckeners die dramatischen Einzelheiten der Rückfahrt bekannt sind, steht als Fazit dieser Rundfahrt das eine unverrückbar fest: Das Zeppelinluftschiff ist ein absolut sicheres Beförderungsmittel, so seetüchtig wie irgendein Wasserfahrzeug. Gerade die mit Borbmittcln ausgcbesserte Havarie auf der Hinreise und die zweimalige Bezwingung eines wüsten Orkans ans der Heim fahrt, ohne daß >m Gefüge des Luftschiffes das geringste be schädigt wurde, haben den letzten Zweifel in dieser Hinsicht beseitigt. Kein höheres Loblied auf den Zeppclinbau kann «S geben, als das Wort des amerikanischen Marineoffiziers, der sein Leben auf -dem Meere zugebracht hat und während des Kampfes um das Vorwärtskommen im Neusundland- fturm erklärte, daß er „so harte See" noch nicht gesehen habe. Oder de» Ausruf jenes Passagiers, der im Golf von Bis kaya beim Anblick der Schiff«, Ae wie Nußschalen von der aufgewühlten Seo hcrumgeworfen wurden, meinte, er sei doch froh, oben zu sein, denn der Zeppelin halte dem Sturm bester stand. Fachleute, selbst Flieger, die an Bord waren, erklären, nach diesem Erlebnis zu der Einsicht gekommen zu sein, baß das Flugzeug, auch das projektierte Riesenflugzeug, im Verkehr zwischen Europa und Amerika nichts zu suchen habe. Es könne höchstens Erg ä n zungsarbeit für den Luftschiffverkehr leisten. Zweifel bestehen aber nach wie vor auch in diesen Kreisen, ob der Zeitgewinn, der sich im Zeppclinbau durch weitere Erhöhung der Schnellig keit erreichen läßt, so groß sein werde, daß die Benutzung des Luftschiffes auf dieser von Schiffen schnellst be fahrenen Ronte der Welt für die Passagiere lohnend und für das Unternehmen rentabel wird. Auch die Hoffnung, daß sich das Geschäft lediglich auf die Pvstbcsördcrnng basieren läßt, bedürfte erst der Bestätigung durch die Erfahrung. Diese vorläufig noch ungelösten Fragen können aber das Zcppelin- werk nach der glänzenden Probe seiner Leistungsfähigkeit nicht aufhaltcn. Es gibt ja neben der Strecke Europa—Ncu- york noch andere starkbesahrcne Routen, die sich für das Luftschiff nutzbringend erschließen lassen. Zunächst der Ver kehr nach Südamerika, für den schon Projekte vvrlicgcn: dann aber auch der Verkehr nach dem Fernen Osten und im pazifischen Raum, wo Verkehrswege so gut wie gar nicht vor handen und riesige Volksmasscn im wirtschaftlichen Aufstieg begriffen sind. Ucbcrall, wo lange Dampscrrciscn ein kapital kräftiges Publikum zu großer Zeitvergeudung von Wochen und Monaten zwingen, hat der Zeppelin auch mit seinem geringeren Reisekomfort heute schon Konkurrcnzmöglichkeiten und Zukunstsaussichtcn. Damit ist für das Zeppcllnwerk und auch für das deutsche Volk daö Gebot der Stunde ausgesprochen Erst dann wird die schöne Tat des „Graf Zeppelin" ihre Vollendung finden, wenn unser Volk den tieferen Sinn er faßt: daß es nicht um eine Sensation geht, sondern um eine nationale Frage von höchster Bedeutung. Wenn jetzt nicht der deutsche Vorsprung gesichert nnd die Entwicklung mit starken Stößen weitcrgctriebcn wird, dann besteht die Gefahr, daß das Ausland mit seinen größeren Kapital kräften in die Bresche springt und in der Ausbeutung des neuen wirtschaftlichen MachisakiorS die Früchte cinhcimst, zu denen deutsches Genie und deutsche Tatkraft die Saat ge legt haben. Dabei wäre es uns ein geringer Trost, daß in den Anstrengungen, die England und Amerika bereits unter nehme». die Zeppelinidec nachgcahmt und zum Teil sogar Frie-richshafencr Material verwendet wird. Darum beißt es jetzt: Anfgepaßt und alle Kräfte angcspanntl Der „Gras Zeppelin", sein Führer und seine Besatzung haben das ihre getan: das weitere ist. wie eine ameri kanische Zeitung sehr richtig sagte, Anfgaln: der Bankiers und des Publikums. Deö deutschen Publikums und der deutschen Gcldlcutc, wie mir besser übersetzen möchten: denn wir wünschen auch nicht, daß daö Zcppelinwcrk fremdem Geld nnd fremdem Einslnß verfällt. Die finanzielle Siche rung und der Ausbau dieser Errungenschaft ist eine Ehren pflicht, der sich Deutschland nicht entziehen darf, wen» cs auch »och so schwerfälit. Das amerikanische FinaiizierungS- projekt ist vorläufig ergebnislos geblieben. Dr. Eckener hat zwar den Jubel der Amerikaner als Volk in reichem Maße empfangen, weniger aber die erhoffte Dollar-Unterstützung. Die vorsichtigen Geschäftsleute dort drüben wollen offenbar «och etwas abwartc». Auch das spanische Projekt scheint nach Dr. Eckeners Erklärungen ans Geldmangel ins Stocken ge raten zu sein. So bleibt, wie schon so oft, nur der Verlaß lfffsks? rtsikue» dilut scheu Kräfte: denn zum Warten Segen die alliierten Ncuyork, 3. Nov. Die Hcarstprcssc beginnt heute in riesiger Ausmachung mit der Veröffentlichung von Propa- gandaartikeln gegen die Verquickung der Reparationen mit den interalliierten Schulden. Amerika habe sich geweigert, den Versailler Vertrag zu unterzeichnen und dafür mit Deutschland einen eigenen Frieden geschlossen. Es habe so dann dazu beigetragen, Deutschland die nötigen finanziellen Mittel znm Wiederaufbau zu geben, obgleich ihm das nicht immer leicht gefallen sei. Seitens der Alliierten werde nun der Versuch gemacht, Amerika als Unterdrücker Deutschlands hinzustcllcn, indem man ihm zum Vorwurf mache, daß es Widerstand gegen die Herabsetzung der deutschen Jahrcszahliingen leiste. Alles sei für eine große Schau be reit gemacht, in der Onkel Sam als Schurke dargestcllt werden soll. Die Schau trage den offiziellen Namen „Kon ferenz internativnalcr Finanzsachverständiger zur Revision der Total- und Jahrcssummc deutscher Reparationen". Die Alliierten würden während der Besprechung erklären, daß sie von Deutschland nur vier Milliarden Dollar der alliierten Schulden zuzüglich der Summen der in Frankreich und Bel- gien angerichieien Kriegsschäden einzufordern gedächten. Sie seien ferner bereft, ihre Forderungen gegenüber Deutschland Im Verhältnis zur Herabsetzung der alliierten Schulden an Amerika eiuzuschränken. Deutschlands Gefühle sollten sich also gegen Amerika richten oder, anders gesagt. Frankreich und England beabsichtigten eine große Geste gegenüber Deutschland auf Kosten der amerikanischen Steuerzahler. Außerdem solle bas Geld, daö die Alliierten Amerika schulden, durch den Verkauf deutsrl>cr Eisenbahnbondö auf den ameri kanischen Märkten aufgebracht werden. Amerika solle also letzten Endes für Deutschlands Kriegslasten aufkommen nnd dafür deutsche Sisenbahnbonbs in Empfang nehmen. Deutsch lands Gefühle aber würden sich dann nicht mehr gegen die Alliierten, sondern gegen Amerika richten, solange die Zinsen für die Eisenbahnbondö zu zahlen seien. Die amerikanische Regierung habe erklärt, daß zwischen dem KriegStribnt, der Deutschland durch die blutdürstigen Sieger auferlegt worden sei, und den interalliierten Ehren schulden an Amerika keine Verbindung bestehen könne. Die amerikanische Regierung solle allerschärsstens scststellcn. daß sic nichts mit den amerikanischen Sachverständigen zu tun habe, die die alliierte Einladung annähmcn und drüben daran tcilnähmcn, Onkel Sam als Narren hinzustcllcn. Pariser Ausflüchte Paris, 3. Nov. Die Aufmerksamkeit der französischen po litischen Kreise konzentriert sich im Augenblick auf die Pariser Besuche Parker Gilberts und des italienischen Finanzsach verständigen P i r e l l i, der nach seinen Londoner Unterhal tungen mit Churchill am Freitagabend eine Unterredung mit Parker Gilbert hatte, und am Sonnabend von Poincarö emp fangen wird. Nach dem „Petit Parisien" soll es nicht richtig sein, daß sich Parker Gilbert zu einer zweiten Reise nach Paris ent schlossen habe, nachdem der Bericht des deutschen Botschafters über seinen Pariser Schritt in Berlin eingctrosscn sei, und weil daraus ersichtlich gewesen sei, daß Paris dagegen sei, daß unabhängige Sachverständige in die Kommission entsandt wurden, während aus den Depeschen der übrigen deutschen diplomatischen Vertretungen hervorgegangen sei, daß sich die übrigen Ententemächte den deutschen Vorschlägen anschlössc». Das Blatt meint, cs liege offenbar ein Manöver vor, um Frankreich in Gegensatz zu seinen Alliierten zu bringen. Die Rückkehr Parker Gilberts nach Paris sei bereits vor 14 Tagen vor seiner Abreise aus Paris nach Brüssel und Berlin beschlossen worden. Damals seien bereits Verabredungen mit Pariser Persönlichkeiten getroffen worden. Die Reise stellte auf keinen Fall die Folge des Pariser Schrittes des Herrn von Hocsch dar. „Petit Journal" bestätigt diese Auffassung und schreibt, daß cs durchaus den Anschein habe, daß Parker Gilbert PoincarS bereits am Mittwoch, vor dessen Unterhaltung mit dem beut ist jetzt am wenigsten Zeit. Wie aber steht es mit den Mög lichkeiten? Woher können die Millionen kommen, die zum notwendigen Hallcnbau und zum Bau doppelt so großer und starker Luftschiffe wie der „Graf Zeppelin" gebraucht werden? Den Weg der Volksspendc möchte die Werft selbst nicht mehr bcschrciten, weil sie der Ansicht ist, daß eine sicherere und a»s- gicbigcre Fundierung auf geschäftlicher Grundlage notwendig ist. Sic will nicht mehr betteln gehen, sondern glaubt, nach der vollbrachten Leistung Anspruch auf eine großzügige Rege lung der Finanzfrage z» haben. Sie liat ja jetzt auch etwas zu biete». Den» wer heute Geld für neue Bauten zur Ver- sügnng stellt, der braucht nicht mehr das Gefühl zu haben, sich an einem Experiment zu beteiligen, sondern an einem Unternehme», das begründete Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg hat, wen» natürlich auch vorerst eine größere Zn- ichnßperiode zu überwinde» sein wird. Dabei liegt der Ge- dankc an die großen Sch i sfahsfsges»llschasten Re»an>tionslntr1sm scheu Botschafter, gesprochen habe, woraus hervorgehe, daß Parker Gilbert nicht nach Paris gerufen worden sei, um irgendwelche zwischen dem französischen Ministerpräsidenten nnd dem deutschen Botschafter entstandenen Schwierigkeiten zu beseitigen. Zur Frage der Unabhängigkeit der Sach verständigen bemerkt das Journal, es handele sich um die Unabhängigkeit des Komitees und nicht um die seiner Mit glieder. Jedermann wisse, daß selbst die freiesten Fachleute die Organe ihrer Regierung sein würden. Es handele sich darum, zu wisse», ob die Fachleute das Pro blem endgültig lösen oder ob sic einfach eine Arbeit machen würden, die die Regierungen schnell in den Papierkvrb werfen würden. Der Beginn der ganzen Arbeit sei die Festsetzung der deutschen Schuld. Diese könne nicht von noch so qualifi zierten Fachleuten geregelt, sondern müsse durch die Re- gicrnngcn icstgestellt werden. Der „Mniin" beschäftigt sich erneut mit der Frage der „Unabhängigkeit" der Sachverständigen nnd vertritt die Auf fassung, daß alles von dem Sinn des Wortes „unab hängig" abhängc. Wenn die deutsche Negierung unter unabhängigen Persönlichkeiten Personen verstehe, die ihre Richtlinien von der Regierung cntgcgenzunehmcn hätten und die ihre Arbeiten abschließcn könnten, ohne sic ihren Negierungen zur Bestätigung vorgelegt zu haben, so würde dies nicht nur aus die Zurückweisung Frankreichs, sondern auch wahrscheinlich ans die anderer Länder stoßen. Das Blatt ibt sodann dem Wunsche Ausdruck, daß die Sachverständigen lmerikas. wenn cs zur Teilnahme an den kommenden Arbeiten bewogen werden könne, nicht einfache der Regierung untergeordnete Persönlichkeiten seien, sondern im Gegenteil unabhängige und solch« in gehobener Stellung. Der „Excelsior" hält cs aber für paradox, daß Deutschland als Bittender Frankreich sein Schiedsgericht anserlege, dessen Urteil in der Mehrzahl durch ausländische Sachverständige formuliert würde und ohne dafür vernünftige Gegenleistungen anzubieten. Vor irgendwelchen Verhand lungen müsse Frankreich von der deutschen Regierung ver langen, daß die angcstrebte Regelung der französischen Regie rung nicht nur seine Schuldenzahlung an Amerika und Eng land gestatte, sondern ihr auch noch einen Ueberschuß für die Verminderung der inneren Schuld lasse. Deutschland im Hintertreffen Berlin, 3. Nov. Die „D. A. Ztg." gibt einen Londoner Bericht wieder, in dem cs n. a. heißt, das diplomatische Vor spiel der Reparationsbesprechiingc» ist so mysteriös gewor den, daß daS Fehlen einer einheitlichen verantwortlichen deut schen Stelle ohne Ucbcrtrcibung nur noch als katastro phal bezeichnet werden kann. Die Vorbelastung, mit der eine wie anch immer geartete deutsche Delegation in die sachliche« Besprechungen cintrctcn wird, hat bereits einen solchen Um fang angenommen, daß von einer freien Verhandlungstätig- kcit kaum noch gesprochen werden kann. Es hat keinen Zweck, sich zu verheimlichen, daß die von der Gegenseite geführten Vorverhandlungen in höchstem Grade sachlicher und nicht etwa formeller Natur waren. Es steht jetzt auch fest, daß die von Parker Gilbert geführten Verhandlungen auch sachlicher Natur gewesen sind. Es wird also der Versuch gemacht, in weitestem Um fange das Vcrhandlungscrgebnis vorwegzunehmcn, während in Berliner Schreibtischen wohlentworsene Ncparationspläne schlummern. Was diese Pläne etiva noch für Aussichten haben sollen, nach dem daS Vorfeld inzwischen nach allen Seiten abgegrast mor den ist, darüber braucht man sich keine Illusionen zu inackien. Es ist höchst auffallend, daß ans den bekannten Pariser Quellen n o ch » i ch t ö ü b c r die der Reparativ ns- k o m m i s s i o n z n g c d a ch t c Rolle dnrchgc sickert ist. Nachdem die deutsche Regierung hier ein grundsätzliches Zu geständnis gemacht hat, wird die Gegenseite nun wahrscheinlich bereit sein, den Widerstand gegen die von Deutschland ge forderte Unabhängigkeit der Mitglieder fallen zu lasten oder doch wenigstens hierüber mit sich handeln zn lasten. Damit wäre dann die berühmte „Formel" gefunden nnd nach Genfer Muster allcs in bester Ordnung. Weiter besteht Grund zu der Befürchtung, daß man sich in Berlin über eine Reihe wich tiger Punkte mindestens sehr unklare Vorstellungen macht. Zn diesen Punkten gehört bei ehrlicher Anerkennung aller Loyalität die internationale Position Parker Gilberts, die von London aus wesentlich anders auüsicht als von Berlin. nahe, deren Interessen ja zunächst durch die Möglichkeit einer Lusischiffkonkurrenz in naher Zukunft berührt werden. Klug« Geschäftspolitik müßte es ihnen geraten erscheinen lassen, den drohenden Wettbewerb von vornherein in eine Zn- sammciiarbeit zu verwandeln, die natürlich nur in einer finanziellen Beteiligung an den unrentablen Anfängen be stehen kann. Das starke Interesse, das die Hapag an der Zeppclinsahrt gezeigt hat, scheint darauf hinzudcutc», daß in ihrer Leitung solche Gedanken schon erwogen werden. Aber anch der Norddeutsche Lloyd, der die deutsche Fliigzengübergiicriing unterstützt hatte, wird jetzt zu der Ein sicht gekommen sein, daß die Zukunft des Luftverkehrs auf langen Strecken dem Zeppelin gehört, und bei der bekannt wcitschaiiendcn Politik, die in Bremen herrscht, wird mau anch dort die richtige» Folgerungen zu ziehen wissen. Natllr» lich wäre cs auch im Interesse der Allgemeinheit wünschens wert, daß die notwendigen Zuschüsse iy dss KstsHfsMe