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Aellesle Zeitung -es Bezirks Verantwortlicher Redakteur: Felix Dehne. — Druck und Verlag: Earl Iehne in Dlvvol-iswal-e. Sonnadend 3. Mülz L^s23 Dieses Blatt enlhSU die amtlichen Bekanntmachungen -er Amtshauptmannschafl» -es Amtsgerichts «n- -es Sta-trats zu Dippot-iswat-e i! WecheritzZeilung Tageszeitung un- Anzeiger für Dippol-iswal-e, Schmieöeberg N.U. Anzeigenpreis: Die 42 Millimeter breit« Petlt- zeile 150 ^außerhalb der Amtshaupkmann- schast 200 M., im amtlichen Teile (nur von Behörden) Zeile 300 M. — Eingesandt und Reklamen Zeile 375 M. r Bezugspreis: Monat März 3100 M. ohne Zu- ! tragen. Einzelne Nummer 140 M., Sonntags r 100 M. — Fernsprecher: Amt Dippoldiswalde : Nr. 3. -- Gemelndeverbands-Girokonto Nr. 3. r Postscheckkonto Dresden 12 548. Oertliches und SSchflscheS Dippoldiswalde. Bei der hiesigen Sparkasse erfolgten im Monat Februar d. I. 5 495 556 M. 88 Pf. Einzahlungen, dagegen wurden 1027 300 M. 99 Pf. Rückzahlungen geleistet. — Ludwig van Beeihoven (geb. 1770 in Bonn, gest. 1827 in Wien), dem größten Tondramaliker, widmete Professor Pellegrini seinen 3. Vortragsabend und stellte sich dabei die Aufgabe, seine Zuhörerschaft, die auf 120 Personen angewachsen ist, üher die Zeit und die Kunst Beethovens zu informieren. Eine entbehrungsreiche Jugend, die harte, ja ost grausame Behandlung durch seinen dem Trünke ergebenen Bater, später die finanzielle Ausnützung durch keine Brüder und seine Neffen, dazu seine zunehmende Schwer hörigkeit, die zuletzt in völlige Taubheit ausartete, gaben Beethoven einen verstockten, verschlossenen, mißtrauischen, für andere schwer zugänglichen Charakter, doch zeigten Briefe, die zur Borlesung kamen, auch von wahrer Herzensgüte und feinem Humor. Zn seiner Weltabgekehrlheit lebte er nur für seine Kunst. Das Schaffen dieses Tonmeisters teilte der Vortragende in 3 Epochen ein: Die erste lehnte sich unmittelbar an NGzart und Haydn an, dessen Unterricht er genoß, der aber für ihn wenig fruchtbar war, da der Schüler weiter strebte, als ihn der Lehrer zu fördern ver mochte. Zn dieser Zeit schuf er u. a. das gern gespielte Septett. Die zweite Epoche füllte die Zeit von 1803—1816 aus. Als be geisterter Republikaner widmete er eine Sinfonie dem Konsul Napoleon Bonaparte, in dem er die Verkörperung der republika nischen StaatSform. zu erkennen glaubte. Als aber nm Tage vor Uebersendung des Lonwerkes Napoleon sich zum Kaiser erhob, .erriß Beehoven wütend das Titelblatt und gab die Komposition päter als Sinfonia eroika heraus. Zn der Schicksalssinfonie wmmt seine düstere Seelenstimmung zum beredten Ausdruck und eine Pastoralsinfonie ist voll feiner Naturschilderungen. Zn diese Epoche fällt auch die Vollendung seiner einzigen Oper Fidelio, die Kreuzersonate sdeni Geiger Kreuzer gewidmet) und die Mond scheinsonate (einer Angebelen geweiht). Die dritte Epoche umsaßt die Zeit von 1816 bis zu seinem Tode, deren Schaffen sich ein klein wenig unter dem der Glanzperiode bewegt, und in der sich Beethoven in seinen Kompositionen mehr als Philosoph betätigt. Doch zeugen die 9. Sinfonie, Missa solcmnis und viele Sonaten, Lieder u. a. immer noch von hervorragender, ungeheugter Schaffenskraft. Am liebsten ging Beethoven ins Freie hei einem heraufziehenden Gewitter, das ihm die Motive zu seinen stürmi schen, erhabenen Werken verlieh, und als ob die Natur dem scheidenden Meister der Töne eine letzte Ehrung antun wolle, ent lud sich am 26. März 1827 ein furchtbares Gewitter, während die Seele dieses gewaltigen Musikheroen sich aus der irdischen Hülle entwand und zu den himmlischen Harmonien emporschmebte. Bei seinem Begräbnis waren über 20 000 Personen zugegen (anders wie bei Mozart) und Grillparzer hielt eine ergreifende Trauerrede. Als Beispiel Beelhooenscher Tonkunst spielte Pellegrini unter Heisigs Klavierbegleitung die Violin-Romanze in G-Dur, dann beide auf dem Klavier ein Menuett aus der Zugendzeit, sowie die Ouvertüre Egmont, und Fräulein Germar—Schmiedeberg gab den ersten Satz der Pathetik zum Besten. Nächsten Mittwoch Vortrag über nationale Tonmeister. — Donnerstag abend stürzte von der das Grundstück der Gärtnerei Philipp umfriedenden Mauer an der Schloßmauer ein größerer Teil zusammen. Personen sind dabei nicht zu Schaden gekommen. — Helft der Nuhrbevölkerung! Die Nachrichtenstelle der Staatskanzlei bittet um Abdruck folgenden Aufrufs für das Deutsche Volksopfer": Die Ziele der französischen Politik sind durch die Tat der Ruhrbesetzuna und durch zahlreiche Aeuherungen maßgebender ausländischer Politiker der Welt bekannt geworden. Frankreich erstrebt zunächst die politische Beherrschung des Ruhr gebiets, will das Selbständigkeitsgesühl seiner Bewohner zer brechen und durch ängstliche, sklavische Willigkeit ersehen, um so dann die Schätze seines Bodens und seiner Arbeit unter den« Zwang einer militärischen Gewaltherrschaft für seine Zwecke aus beuten zu können. Dadurch will es zugleich der Volkswirtschaft des übrigen Deutschlands weitere Kräfte entziehen, die Not und die allgemeine Unzufriedenheit bei uns im Znnern steigern, einzelne Teile unseres Volkes gegeneinander ausspielen und so den poli tischen Zerfall Deutschlands herbeiführen. Das letzte französische Ziel ist die gesicherte militärisch-politische Beherrschung des größten Teiles von Europa Und die wirtschaftliche Ausbeutung all der- senigen deutschen und außerdeutschen Länder, die auf die Erzeug nisse des Ruhrgebiekes angewiesen sind. Die Leiden der Bevölke rung der besetzten Gebiete namentlich an der Ruhr sind aus den täglichen Pressemeldungen allen Kreisen der Bevölkerung bekannt geworden. Es gilt, ihre Kraft zur Behauptung ihrer inneren Frei heit und äußeren Selbstbestimmung gegenüber den schwer lastenden Druckmitteln der Franzosen auch von hier aus zu stärken. Der Reichspräsident hat deshalb mit den Länderregierungen den Auf ruf für das .Deutsche Volksopfer' erlaßen. Auch an die Ve- vötkerung Sachsens, die bisher große Summen ausgebracht hat, richtet sich dieser Ruf. Zmmer erneute Opferspenden nehmen die zahlreichen öffentlichen Sammelstellen (z. B. bei der Sächsischen Staatsbank) gern entgegen. SeiferSdorf. Die Firma Ernst König, Sägewerk Seifersdorf, läßt jetzt auf ihrem Grundstück auf eigene Regte einen Erweite rungs-Neubau ausführen, der für die Kisten- und Stuhlfabrikation bestimmt ist. Das Gebäude war bereits Im Bau der Außen mauern fertig und war man dabei, den Dachstuhl aufzusetzen. Am Donnerstag vormittag gegen '(210 Uhr stürzte aus bisher noch nicht völlig geklärter Ursache der Nordgiebel zusammen. Hierbei wurden zwei Maurer mit In die Tiefe gerissen. Hilfe war rasch zur Stelle. Der eine der Maurer, aus Seifersdorf gebürtig, hat eine Beckenquetschung und Kopfverletzungen erlitten. Er konnte In seine Wohnung gebracht werden. Wesentlich schwerere Ver letzungen trug der andere Maurer davon. Er erlitt einen mehr fachen Bruch des rechten Unterarmes und Rippenbrüche, die mög licherweise die Lunge verletzt haben. Er wurde mit dem Auto der Firma König dem Karolahaus in Dresden zugeführt. Die Sani- tätskolonne Dippoldiswalde war alarmiert worden. Noch vor ihrem Abrücken wurde ihre Hilse aber abgelehnt. Während das Skeinmaterial dicht an dem Fuße der Mauer liegt, sind die Bretter deS Gerüstes meist in die Weißeritz gestürmt. Der Schaden ist unter den heutigen Verhältnissen recht beträchtlich. Die Ursache I des Einsturzes festzustellen, wird erst nach Beseitigung der Trümmer I möglich sein. Ob das kürzliche Hochwasser der Weißeritz Schuld i trägt, das den Bau unterspült hat, ob die Verwendung von Bruch- I steinmauerwerk den Einsturz begünstigt hat, ob, wie manche be- j haupien, bei Frost gemauert worden Ist, um die Arbeiter nicht ! erwerbslos werden zu lassen, alles das sind Fragen und Be- i Hauptungen, die der Aufklärung noch bedürfen und die vorläufig nur als Gerüchte anzusehen sind. Am Nachmittag waren Baurat Choulant als Vertreter des Brandversicherungsamtes, Amtsge richtsrat Dr. Arnold als Vertreter der Staatsanwaltschaft und Assessor Dr. Weber vom Versicherungsamt der Amtshauptmann schaft an der Unfallstelle. — Die nach dem Bahnhof führende Licht leitung war durch den Einsturz zerrissen worden, sie konnte rasch wieder repariert werden. Dresden, 1. März. Landtag. In dec heutigen 21. Sitzung wurden zunächst mehrere Titel des Nachkragsetats debakkelos ge nehmigt. Ein kommunistischer Antrag, wacher verlangt, das Ge setz über die Entschädigung von VezIrksmMlieüern usw. dahin ab- zuändcrn, daß denselben in Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Ehrenrechte außer den Tagegeldern den im Ecwerbsprozeß stehen de» Mitgliedern der Lohnausfall bewilligt wird, ging nach längerer j Aussprache an den Rechtsausschuß. Der kommunistische Antrag auf Ankauf der Pillingschen Heilanstalt in Aue durch den Staat ging schließlich an den Haushaltausschuß A. Schließlich fand noch eine längere Aussprache über eine sozialdemokratische Anfrage betr. Maßnahmen zur Behebung des Notstandes der öffentlichen Verkehrsinstitute statt. Minister Felllsch erklärte, auf dem Ge- ! biete der Kohlensteuer und des Frachkenwesens müßten vom f Reiche unbedingt Zugeständnisse gemacht werden, wenn nicht die j wichtigsten VeckehrSinstituke zum Erliegen kommen sollten. — Nächste Sitzung Dienstag den 6. März vormittags 11 llhr. Für Freitag den 9. März ist die Mahl des Ministerpräsidenten in Aussicht genommen. — In Dresden starb der frühere Direktor der Dresdner Han delsschule Hofrat Paul Rachel im 73. Lebensjahre. Der Ver storbene hat einen guten Namen als Historiker. — Das Wohnungsamt der Stadt Dresden hat mit Genehmi gung des Ministeriums des Innern (Landeswohnungsamt) und Zustimmung des Reichsarbeitsministers bestimmt, daß ihm bzw. den Wohlfahrkspolizei-Inspektionen alle Inserate, in denen Woh nungen zum Bezug oder Tausch angeboken werden, vor deren Ver öffentlichung in Dresdner Zeitungen und Zeitschriften in doppelter Ausfertigung zur Genehmigung vorzulegen sind, und diese Zei tungen und Zeitschriften Inserate solcher Art nur dann aufnehmen dürfen, wenn sie amtlich abgestempelt sowie mit Registriernummer versehen sind. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis 100 000 M. oder mit Haft bestraft. — Die Kreishauptmannschaft Dresden hat auf die Beschwerde der Mielervertreter und anderer Organisationen gegen die außer ordentlich hohe Mietzinszahlung vom 1. März entschieden, daß die Bekanntmachung des Dresdner Rates für gültig erklärt wird. — In einem Dresdner Röntgeninstitut ist ein Einbruch verübt worden, wobei die Täter allein durch Zertrümmern der wertvollen Röntgenröhren einen Sachschaden von über 2 Millionen Mark anrichketen. Anscheinend hatten sie es auf das in den Röhren befindliche Platin abgesehen, erbeuteten aber nur Wolframdrähte. Als Täter wurden ein Handlungsgehilfe und ein 25jührlger Land wirtssohn ermittelt und auf Grund eines Funkspruches in Leipzig sestgenommen. Sie hatten die Tat mit Hilfe einer in dem Institut angeskellt gewesenen Assistentin, mit der sie ein Verhältnis ange- knüpfk hatten und die unter dem Einflüsse der Hypnose gestanden haben will, verübt. — Die Beteiligung der Industrie an der Leipziger Frühjahrs messe ist dieses Mal noch stärker als zur letzten Messe. Die Zahl der Aussteller hat bereits 13 000 weit überschritten. Pirna. Bei einem im benachbarten Heidenau wohnhaften Schlosser, der seine Beschäftigung im Sachsenwerk in Nieder sedlitz hat und der bei einem Einbruchsdiebstahl in ein Lebens mittelgeschäft in Dresden-Kleinzschachwitz mit noch zwei anderen Komplizen sestgenommen wurde, fand man erst dieser Tage wieder bei der Durchsuchung der Wohnung ein großes, zusammenge stohlenes Warenlager, das einen Zeitwert von mehr als 1 Mill. Mark repräsentierte. Königstein. In der vergangenen Woche ist am Aufstieg nach dem Lilienstein ein Teil des eisernen Geländers herauSgewuchtek und fortgeschleppt worden. Von den Dieben fehlt jede Spur. Hainichen. Ein elfjähriger Knabe stahl hier aus der Wohnung eines Arbeiters 70 000 M. bares Geld. Dafür kaufte er für sich und seine Kameraden Schokolade, Bonbons, Sprotten und der gleichen und verpraßte aus diese Weise in 2 Tagen nicht weniger als 40 000 M. Den Rest deS gestohlenen Geldes hatte er in einer Mauerlücke versteckt; es konnte dem Bestohlenen wieder zugestellt werden. Die Tatsache wirft ein sehr treffendes Bild auf die Ver lotterung und Entartung unsrer Jugend. Chemnitz. Der Preis für eine Fahrt auf der Straßenbahn wird vom 4. März an mit und ohne Umsteigeberechtigung auf 300 M. erhöht. Seifhennersdorf. Eine Razzia wurde in einem hiesigen Kaffee hause von der sächsischen Landespolizei auf landfremde Elemente unternommen. Viele von ihnen, insbesondere Jugendliche und Arbeitslose, konnten einen Grenzüberkrittsausweis nicht aufweisen und wurden festgenommen. Einem großen Teile der Burschen soll eS gelungen sein, zu entkommen. Die Mädchen wurden zurück behalten und, sofern sie die vorgeschriebene Strafe von 50 000 M. nicht erlegen konnten, dem Amtsgericht zu Großschönau zugeführt. Jenseits der Grenze hat das Vorgehen, das man bisher noch nir gends geübt hatte, große Beunruhigung hervorgerusen. ! OelSnih i. V. In höchst leichtfertiger Weise hat ein 30 Jahre alter Kraftwagenführer, der angetrunken in einem Kaffeehause einkehrte, einen dort anwesenden Gast schwer beschädigt. Mit einem geladenen Revolver hantierend durchschoß der junge Mann die Querwand eines Tisches; die Kugel drang dem mit am Tische sitzenden Herrn in das Knie und muhte auf operativem Wege ent fernt werden. Herrnhut. Vollständig erschöpft wurde hier ein junger Kutscher aufgefunden. Er war, wie sich herausstellte, von seinem Dienst herrn wegen Verfehlungen derartig mißhandelt worden, daß er f auf dem Wege zum Arzt zusammengebrochen ist. Der Mann ! wurde ins Krankenhaus gebracht.. ! poincares GsWuch. ! Die französische Oiegierung hat ein Geldbuch ver- ! öffentlich!, worin außer dem deutschen Moratoriumsversuch ! die Londoner und Pariser Konferenzen behandelt werben, s Was Po in rare über die deutsche Note und ihre Beur- f ieilung durch die verschiedenen Alliierten zum besten gibt, ist ! langst bekannt geworden, so daß dieser Leit des offiziellen i Schriftstücks nur Wert als authentische Bestätigung der in der ! Presse umlaufenden Darstellungen besitzt. Bemerkenswerter - sind die sich daran schließenden Kommentare und Ausein andersetzungen und die dokumentarisch belegten Absichten Poincares. Da erklärt der Temps, das Leiborgan des französischen Premierministers, das Kabinett Cuno habe Anfang Ja guar noch keinen regelrechten Plan über die Losung der Re- oarationsfrage besessen, und daraus sei zu folgern, daß der Staatssekretär Bergmann den Alliierten habe einfache : mündliche Mitteilungen machen wollen, während dasselbe , Blatt wissen muß, daß die deutschen Botschafter in Paris, London, Nom, Brüssel ani 31. Dezember 1922 angewiesen - wurden, den entsprechenden Regierungen mitzuteilen, die s Reichsregierung habe im engsten Einvernehmen mit den maß gebenden Vertretern des deutschen Wirtschaftslebens die in f Deutschland vorhandenen Möglichkeiten für eine endgültige f Lösung der Reparationsfrage. geprüft und danach einen Plan > ausgearbeitet, zu dessen Durchführung die Unterstützung der s deutschen Wirtschaft, namentlich der Banlwelt und Industrie, ! gesichert sei. Zum Ueberfluß führt der Temps im Gelbbuch ! diese Erklärung selber an. Sie ist jedoch noch aus einem an- deren Grunde wichtig: Poincare hat nämlich, laut Gelbbuch, behauptet, die deutschen Industriellen (Stinnes, Peter Klöck ner, Silverberg) hätten persönlich wiederholt Schritte bei ihm : unternommen, buchstäblich hinter dem Rücken der Ver- . kündeten Frankreichs, als die Verhandlungen in London be- ceits begonnen hatten, um mit ihm über die Kohlenfrage, die Ausführung der Versailler Wirtschaftsbestimmungen und ein Wirtschaftsabkommen, dem umfassende politische Abmachungen ! folgen würden, zu sprechen. Da PoincarL die deutsche An- ! Weisung an die Botschafter vom 31. Dezember 1922 kennt, ist , seine Erklärung eine infame Verdächtigung, ' weniger für die deutsche, über die Sachlage unterrichtete Re gierung als für die öffentliche Meinung in allen Ländern be» < stimmt, eine Denunziation, die um so schlimmer ist, als die deutsche Negierung sich ja gerade auf die Unterstützung der Industrie bezogen hat. Die Lüge hatte diesmal ungewöhnlich kurze Beine und zeigt, wie wenig es Poincarä darauf an gekommen ist, Verhandlungen mit Deutschland zu führen. Das Hütte seine Aktion gegen das Ruhrgebiet gestört, die durch aas Gelbbuch gerechtfertigt erscheinen soll. Auch wollte er mit seiner Denunziation wieder einmal das Mißtrauen der deut schen Arbeiter gegen die Industrie wachrufen und einen Keil zwischen Arbeit und Kapital hineintreiben. Diesem Mißerfolg schließt sich ein anderer an: Poincare hat seine Absichten auf das Ruhrgebiet stets geleugnet und später, als die Besetzung dennoch stattfand, sie mit Erlangung wirtschaftlicher Vorteile zu rechtfertigen gesucht. Die Vorteile sind ausgeblieben und haben sich in ihr Gegenteil verkehrt. Statt Reparationszahlungen zu erhalten, mußte sich Frank reich dazu verstehen, Kredite von 116 Millionen Frank für militärische Zwecke nachzusuchen, und ist gezwungen, seinen Kohlenbedarf aus englischen Gruben zu decken. Dadurch ist in En g l a n d die Frage lebendig geworden, was Poincare mit der nutzlosen Besetzung des Ruhrgebiet» bezweckt. Das Unterhausmitglied Simon hat auf die Er klärung Poincares zurückgegriffen, wonach Frankreich an der Besetzung festhalten werde, bis die deutsche Schuld beglichen sei, und wollte wissen, ob die britische Regierung unterrichtet jei über das von Frankreich durch die Fortsetzung der Rtchr- aktion verfolgte Ziel. Bonar Law konnte sich bloß auf seine frühere Erklärung beziehen, wonach England keine Sicherheit über das Ziel Frankreichs erhalten habe. Da Bonar Law eingestehen mußte, daß die von Frankreich verlangte Summe unmöglich gezahlt werden könne, liegt darin da» weitere Eingeständnis, daß Frankreich die dauernde Besetzung des Ruhrgebiets ins Auge gefaßt habe. Damit ist Klarheit geschaffen. Annexion des linken Rheinufer« und des Ruhrgebiets ist nach Ansicht des englischen Kabinetts in Sicht, seine Politik Uber den Haufen geworfen und zur Ohnmacht verurteilt, und von diesem Schlage werden alle Mächte getroffen, die in Wort und Schrift nachdrücklich und wiederholt gegen die französischen Raubpläne protestiert haben. Bis die Annexion formell ausgesprochen ist oder wenigstens unzweideutige Gestalt angenommen hat, haben dis vor den Kopf gestoßenen Kabinette Zeit zu überlegen, was st, gegen die Schädigung ihrer Interessen unternehmen können« Ein neuer Schritt -er Jietchsregierung. Wte verlautet, hat die Reichsregierung sämtliche au dem Nuhretnfall nicht beteiligte» fremden Regierungen erneul.aus de« E,«ft der Lage aufmerksam gemacht, die durch die immer brutaler