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Wilsdruffer Tageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Wilsdruff- Dresden Sonnabend, den 18 Mai 192S Postscheck: Dresden 2640 Nr. 114 — 88. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt« Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, "schein! an allen Werktagen nachmittag- 5 Uhr. Bezng-prri,: Bei Abholung in " » > » L'?*' Ausgabestellen 2 AM. <m Monat, bei Anstellung durch di« Boten 2,Zu AM., bei Poftbestellung lb«psg.AiUPost°nstait?n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend PostbotenÄun,e»ÄÜ^ tr-ge-undtS-schas,-stellen — u 2-2 nehmen zu jeder Zeit B-. stelluvgen entgegen. Im Fall, höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Stücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs« Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. 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Das „liebliche" Fest nennt es Goethe im „Reineke Fuchs", als sich um König Robel die Kleinen und Großen des Tierreiches sammeln zur Feier des Pfingsten. Ein Sommer-, ein Sonnenfest, ein Fest besonders engen Verbundenseins mit der Natur — doch darüber hin aus auch ein Fest tiefer geistiger Bedeutung. Das Christentum feiert den Tag der „Ausgießung des HeiligenGeistes" in seiner wundervoll symbolischen Bedeutung. In seinem Flekfen: „Komm, heil'ger Geist . . wie es in dem jahrhundertealten Kirchenlied heißt. Denn ein unheiliger Geist ist hereingebrochen über unser Volk, über die Welt in ihrem Verhältnis zu unserm Volk. Im besetzten Gebiet, dort, wo die Mosel sich in die Arme des Vaters Rhein stürzt, ist ein ragendes Denkmal errichtet. Und an dem Sockel dieses Denkmals steht der einfache, mahnende Vers: „Nimmer wird das Reich zerstöret, Wenn ihr einig seid und treu!" An dieses gerade in der Gegenwart soll zu Pfingsten er innert werden, weil der Geist, jener heilige Geist der Einigkeit und Treue, vom deutschen Volke gewichen zu sein scheint, überall der unheilige Geist gegenseitigen partei politischen Zerfleischens und die Untreue waltet. Erst ein paar Wochen ist's her, da knallten wieder einmal die Schüsse, raste eine hohe Welle gegenseitigen Hasses über Deutschland hinweg; und jetzt wieder kam es zü wüsten Radauszenen dortz wo die Souveränität eben dieses Volkes sich verkörpert. Immer wieder zertritt dieser Sumpfe, bösartige Ungeist viel zuviel von dem, was sich schüchtern unter der Äusgießnng eines heiligen Geistes, des sich gegenseitig Verstehen - wollens, hervorwagt. <Mmer war der Deutsche des Deutschen ärgster Feind, ist's noch heute, und nicht unbefriedigt sehen die andern dort draußen rings um uns zu, wie in Deutschland dieser un heilige Geist überall schaltet und waltet. Wirklich aber noch überall? Gerade die Gegen wart, da man in Paris dem deutschen Geist, dem deutschen Willen zur Wiedererringung seiner früheren Daseins- gestaltung, Unerhörtes zumutet, läßt doch das leise Wehen eines „heiligeren" Geistes hier und da verspüren Läßt doch die Hoffnung allmählich stärker werden, daß die Deutschen vielleicht doch dereinst nicht mehr zueinander in unverständlichen Parteiworten sprechen werden, daß doch einmal ein wirkliches Pfingsten mit seinem neuen Geist der Einigkeit und Treue unserem Volke empor dämmert. Vom Geist der „Union saoroo", der „heiligen Einigkeit" war im Weltkrieg die Schar unserer Gegner erfüllt und davon verspüren wir noch jetzt in Paris für uns unheilige Folgeerscheinungen in Fülle. Zum schwersten Schaden für uns. Und immer noch haben wir allzuwenig daraus gelernt. Vor mehr als 800 Jahren feierte Kaiser Friedrich Barbarossa im goldenen Mainz ein Pfingstfest, das die „Hohe Zeit" mittelalterlicher Macht und Weltbedeutung des deutschen Polkes gewesen ist. Sie sank dahin, immer wieder schlugen die Wellen verschuldeten oder unverschul deten Unheils über Deutschland zusammen. Und doch hat sich, wenn auch erst nach Jahrzehnten und unter un säglichen Opfern, unser Volk emporarbeitcu können zur Freiheit —, aber nur dann, wenn es vom Geist des Frei-sein-wollens erfaßt wurde. Wenn es er kannte, daß der Ungeist des Parteihasses verjagt werden mußte durch das Flammenschwert des wahrhaft heiligen Geistes, einer alles überwältigenden Volksgemeinschaft. Aber nicht in dumpfem Sehnen, in tatenlosem Aus harren darf das deutsche Volk einem neuen Pfingsten ent gegensetzen. Nur dem Tätigen, der die Arme wacker regt, naht von oben her der Pfingstgeist, senkt er sich brausend herab vom Himmel einer lichteren, lieblicheren deutschen Zukunft. Blamagen. Märchen aus Tausendundeiner Nacht. — Hilferdings Reichsanleihe. — Preußens Klagelied. Es klingt wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht und ist doch nüchternste Berliner Wirklichkeit: Der hochwohllöbliche Magistrat der deutschenRei chs- yaüptstadt will einem seiner berühmten Mitbürger zum 50. Geburtstag eine Ehrung und eine Aufmerksamkeit erweisen, indem er ihm in der näheren Umgebung von Potsdam ein Gartengrundstück mit Sommerhäuschen zur Verfügung stellt, das große Werk will aber trotz drei maligem Anlauf wieder und wieder nicht gelingen. Bis schließlich der also Gefeierte bittet, von weiter«» Be mühungen Abstand nehmen zu wollen, er werde sich schon lieber aus eigenen Mitteln einen Erholungsaufenthalt in U „ ^?ung von Groß-Berlin verschaffen. Es ist, wie Mew^'K ^greifen läßt, eine Menge guter und auch m soaen^e über dieses blamable Mißgeschick der Herren gerissen m^en Roten Haus in der Berliner Konigstraße die Berline^"' "bcr die Sache har unzweifelhaft, über Seite. Mnb^^bthäuser hinaus, auch ihre sehr ernste einfache und nicht fragen: Wenn schon eine so "n Grunde dock einzig und allem von den MlaudW der WM bei Men Schwieriger Rückflug des Luftschiffs. Die Folgen des Motordefektes. Wenn Lorbeeren des Ruhmes je unter Schweiß und unsäglichen Mühen errungen worden sind, so bei den Luftschiffbauten und Luftschiffahrten, die mit dem Namen des Grafen Zeppelin verknüpft sind. Von den Widerständen an, die der alte Graf am Bodensee zu über winden hatte, von der Katastrophe bei Echterdingen, den zahlreichen technischen, finanziellen und politischen Schwierigkeiten, die sich seinem Nachfolger im Werk ent gegentürmten, bis zu der Havarie auf der ersten Amerikasahrt und jetzt zu dem Maschinendefekt, der Dr. Eckener zwang, auf seinem zweiten Ozeanflug umzu kehren. Leicht wird ihm dieser Entschluß nicht gefallen sein. Aber in dem Widerstreit zwischen Prestige und Verantwortlich keitsgefühl siegte, wie nicht anders zu erwarten war, das letztere, und nachdem Dr. Eckener seinen Passagieren mitgeteilt hatte, daß er die Verantwortung für eine Ozeanüberguerung, die er bis her freudig getragen hatte, nach Eintritt des technischen Defektes nicht mehr übernehmen könnte, wendete er sein stolzes Schiff und steuerte es dem Heimathafen zu. Übermut wäre es gewesen, die Fahri fortzusetzen, M u t war es, daß er die Kraft zu dem Entschluß fand, den Pflicht und Verantwortung dringend machten. Mag jetzt vielleicht auch hämische Kritik unverantwortlicher Stimmen einsetzen, es kann nur eine richtige Meinung und eine Stimme der gerechten Beurteilung geben und die lautet: Die Technik mag in dem einen Fall versagt haben, aber der Geist, in dem das Werk geschaffen wurde» ist unversehrt geblieben: die energische Tatkraft, die alles hintan setzt, wenn es gilt, die Pflicht der über nommenen Ausgabe zu erfüllen! Nachdem das Luftschiff an der Pforte des Atlantischen Ozeans vor Gibraltar kehrtgemacht hatte, schlug es wieder nördlichen Kurs ein und flog an der spanischen Ostküste entlang bis zur Rhonemündung. Dann ging es das Rhonetal aufwärts. Widrige Winde erschwerten das Fortkommen und verlangsamten die Fahrt. Dazu kam, daß als Antriebskraft nur noch drei Motoren zur Verfügung standen, von denen zeitweise einer auch noch ausgesetzt zu haben scheint. Aber die Stimmung an Bord scheint trotz einer gewissen verständlichen Enttäuschung nach wie vor gut gewesen zu sein, weil alle das Vorgehen Dr. Eckeners billigten und die Gewißheit hatten, daß der Schaden an sich nur eine Geschwindrgkertsver- minderung, aber keine Gefährdung der Sicherheit bedeutete. * Zwischenlandung des „Graf Zeppelin"? Nach französischen Meldungen aus Lyon hat „Graf Zeppelin" beim französischen Luftfahrtministerium die Genehmigung zu einer Landung auf französi- schemBoden nachgcsucht, die ihm auch nach Rückfrage beim Kriegsmimsterium sofort erteilt worden ist. ^Sämt ¬ liche Behörden in der Umgebung von Lyon und Valence sind angewiesen worden, dem Luftschiff jede Hilfe bei einer Landung zuteil werden zu lassen. Nach einer weiteren französischen Meldung soll das Luftschiff von seiner nörd lichen Richtung nach Osten abgetrieben worden sein, und zwar, wie cs den Anschein habe, weil die Motoren nicht arbeiten und das Schiff infolgedessen nicht Kurs halten könne. * Dr. Eckeners Rotruf. Frankreichs Hilfsbereitschaft. Wie Havas aus Lyon berichtet, hat Dr. Eckener um 15 Uhr 18 Minuten unweit von Valence eine an einem Sandsack befestigte Botschaft in deutscher Sprache abgeworfen, die lautet: Wollen Sie bitte durch die Garnison von Valence die Stelle mir angeben, die am besten für eine Landung des Zeppelinluftschiffes geeignet ist. Dr. Eckener. — Das Luftschiff befand sich, als es diese Botschaft abwarf, in 400 Meter Höhe und hatte gegen starken Nordwind anzukämpfen. Infolge dessen wurde es in Richtung aus Saillans ab getrieben. Die Nadiostation von Valence bemüht sich bisher vergeblich, ihre Apparate aus die Wellenlänge der Funkeinrichtung des Luftschiffes einzustellen. Der Präfekt des Departements Drome hat auf die Nachricht hin, daß der „Graf Zeppelin" abgetrieben wird, Anweisung gegeben, in dem ganzen ihm unterstellten Verwaltungsgebiet die Starkstromleitungen abzustellen. Um 17.30 Uhr veröffentlicht das französische Lustfahrt ministerium folgende Nachricht: Um 17.15 Uhr befindet sich das Luftschiff „Graf Zeppelin" im Tale des Flusses DrSme und bewegt sich nach Osten. Es befindet sich zur zeit in einer geschützten Zone unweit von Saillans. Die Geschwindigkeit des Luftschiffs scheint 30 Kilometer zu be tragen. Havas berichtet aus Valence, daß das Luft schiff, nachdem esversucht hatte, bei Portes-les-Valence zu landen, in südöstlicher Richtung auf Sail lans abgetrieben wurde. Das Ministerium für Luftschiffahrt meldet, daß alles versucht werde, was menschenmöglich sei, um dem Zeppe lin Hilfe zu leisten. Man habe sich mit sämtlichen Prä fekten und sämtlichen amtlichen Stellen in Verbindung gesetzt und die Anweisung gegeben, wenn möglich, Hilfe zu bringe« und eine Landung des Luftschiffes zu ermöglichen. So seien sämtliche Luftschifferab- tcilungen der Garnison von Lyon bereits alarmiert und technisches Personal für die Landung zur Verfügung ge stellt worden. * Die Hilfsmaßnahmen. Funkspruch des französische« LuftsahrtministerimnS an Dr. Eckener. Das Luftfahrtministerium teilt mit, daß es um 17.50 Uhr Dr. Eckener durch Funkspruch die Landung des „Graf Zeppelin" in einer der beiden französischen Luft schiffbasen Orly oder Cuers-Pierrefeu je nach Wahl freigestellt hat. Der „Gras Zeppelin" hat bis jetzt noch keine Antwort aeacben. Das MiniMrinm hat jedoch Organen der städtischen Verwaltung zu regelnde An gelegenheit sich zu einem schier unlösbaren Problem ver wickelt, bis schließlich das unschuldige Opfer dieser ge häuften Ungeschicklichkeiten die Geduld verliert und der Magistrat mit seinem Oberbürgermeister an der Spitze zum Gespött aller Stammtische der Reichshaupistadt geworden ist — was muß sich erst au Unzulänglichkeiten aller Art hinter den Kulissen abspielen, wenn wirklich schwierige Geschäfte, Geschäfte, bei denen auch noch andere als . magistratsobrigkeitliche Faktoren vorbereitend und ent scheidend mitzuwirken haben, ins reine zu bringen sind? Kurz und gut. das Vertrauen in die Vortrefflichkeft des städtischen Regiments, das wir in Berlin an der Arbeit sehen, hat mit dem kläglichen Verlauf des Geburts tagsgeschenks für Professor Einstein einen heftigen Stoß erlitten. Ein bekanntes Scherzwort sagt, nichts sei so einfach, daß es nicht auch kompliziert gemacht werden könne. Der Berliner Magistrat hat einen ganz über raschenden Beweis für die Richtigkeit dieser These erbracht. Aber ist es nicht überhaupt wunderbar, wie leicht zu- werlen die schwersten — und wie schwer demgegenüber oft tue leichtesten Aufgaben gelingen wollen? Da ist, um ein Beispiel aus neuester Zeit zu erwähnen, soeben die R e i ch s a n l e l h e des F i n a n z m i n i st e r s Dr. spielend, wenn auch allerdings mit M-mger Mehrheit, unter Dach «nd Fach gebracht worden. Die Mehrheit des Reichstages ist seinen Plänen, wenn auch sichtlich schweren Herzens, mit bemerkenswerter Schnelligkeit gefolgt. Zu gleicher Zeit aber mußte der preußische Fmanzminister im Landtag ein Klagelied dar über ansnmmen, wie ungeheuer langsam heutzutage gesetz geberische Probleme, die eigentlich im Handumdrehen gelöst werden könnten, von der Stelle rücken. Schon lange ist es weiten Kreisen der Bevölkerung ein regelrechtes Ärgernis, wie großzügig, um nicht zu sagen verschwende risch, die Frage der M i n i st e r p e n s i o n e n bei uns in Deurschland neuerdings behandelt wird. Und nun hören wir, daß Preußen bereits seit vier Jahren mit den ent sprechenden Instanzen des Reiches über eine zeitgemäße, will sagen über eine unseren knappen Finanzen mehr an gepaßte Regelung dieser Nuhestandsgelder verhandelt, daß ihm diese unbedingt notwendige Sparsamkeitswirtschaft auch wiederholt zugesagt worden, daß aber trotzdem bis jetzt alles beim alten geblieben ist. Man darf natürlich auf keiner Seite schlechten Willen in dieser Frage annehmen, so viel naheliegende Interessen auch mit ihr verknüpft sein mögen; aber dem schlichten Menschenverstand wird es, wenn überhaupt, so bestimmt nur sehr schwer begreiflich zu machen sein, daß es nicht möglich sein soll, ein so einfaches Sparsamkeitsproblem binnen fünf Bierminuten sozusagen in Ordnung zu bringen. Woran liegt es also, daß trotzdem von solchen Dingen bei uns immer nur geredet und geredet wird und daß doch in Wirklichkeit keine zuständige Hand sich rühren zu wollen scheint, um gegebene Versprechungen endlich einzulösen? Sieht und begreift man nicht an den Spitzen unseres Staates, daß hier mehr aus dem Spiele steht als ein paar tausend Mark plus oder minus iu der Etats- Wirtschaft? Dr. Sy