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chönbuM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und aldenburger Anzeiger. Der Bbonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Tolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. ^211. Dienstag, den 9. September 1894. "Waldenburg, 8. September 1884. In Sachen der Dampfersuboention hat die Kieler Handelskammer eine bemerkenswerthe Kundgebung veröffentlicht, in welcher sich genannte Kammer voll ständig zu Gunsten einer Dampfersubvention aus spricht. Diese Kundgebung kommt den deutsch-frei- stnnigen Gegnern der überseeischen Regierungspolitik begreiflicherweise höchst ungelegen und es fehlt nicht an Versuchen, ihre Bedeutung herabzusetzen. Man bediente sich dazu namentlich des Mittels, die Un befangenheit einzelner Mitglieder in der Kammer als zweifelhaft hinzustellen. Doch dürfte man damit umsoweniger Erfolg haben, als die Eingabe an den Reichskanzler von der Kammer einstimmig beschlossen worden ist. Außerdem läßt es die Eingabe, welche nunmehr im Wortlaut vorliegt, nicht an einer ein gehenden sachlichen Begründung ihres Standpunktes fehlen, welche durchweg die gründlichste Sachkennt- niß beweist und nicht so leicht mit einigen allge meinen krittelnden Bemerkungen abzuthun ist. „Norddeutschland", heißt es darin, „war in seinen Ausfuhrbeziehungen nach China, Australien u. s. w. seit jeher wesentlich auf englische Schiffsgelegenheit angewiesen. Ganz naturgemäß konnte dabei eine gewisse Abhängigkeit der deutschen Industrie von England gar nicht ausbleiben. Das Ausland be stimmte einseitig die Frachtraten; die fremde Ver schiffung bewirkte aus naheliegenden Gründen den Durchgang der Waare durch die Hand fremder Commissionäre, Spediteure und Agenten sowohl am Abgangs- wie am Bestimmungsplatze. Hiermit hängt, viel näher, wie der erste Anschein ergeben mag, die Thatsache zusammen, daß deutsche Producte guter Qualität im Auslande unter fremder Marke ver kauft worden sind. Deutschland wird unseres Er achtens es niemals vermögen, diesem Unwesen ganz ein Ende zu machen, so lange die englische Vermittelung in so weitem Unfange eine nothwen dige Voraussetzung für die Zuführung der deutschen Producte auf den auswärtigen Markt bleibt." Ferner wird ausgesührt, daß der indirecte Ver sand der Waaren auch eine der Ursachen sein dürfte, aus dem sich vornehmlich aus Ostasien und Australien kommende Klagen über die unpünktliche Lieferung und mangelhafte Packung der deutschen Waaren herleiten. Die bestebenden deutschen Dampferlinien, welche einzelne der ins Auge gefaßten Plätze bereits anlaufen, seien nicht ausreichend, wo es sich um schnelle, an bestimmte Termine gebundene Lieferungen handle, und gerade dies sei ein Punkt, der im commerziellen Leben mehr und mehr an Bedeutung gewinne. Bezüglich der concurrirenden Rhederei-Jnterefsen führt die Handelskammer aus: „Die neuen Post dampferlinien werden einen speziellen Theil des Verkehrs an sich ziehen, wesentlich einen solchen, der heute vorwiegend den in regelmäßiger Fahrt befind lichen (d. h. den fremden) Postschiffen, nicht aber den gewöhnlichen (deutschen) Frachtdampfern zufällt. Eben deshalb glauben wir nicht, daß ein ungünstiger Einfluß aus die bestehenden deutschen Linien in dem von gewisser Seile befürchteten Maße sich geltend machen wird. Es mag ja sein, daß zunächst und vorübergehend ein Bruchtheil des Trafiks derselben auf die neue Linie übergeht, dafür aber steht ein Ersatz in anderer Richtung sicher zu erwarten. Ist der Verkehr mit dem Osten, sowie mit Australien doch einer unendlichen Ausdehnung fähig! Hier (in Australien Neuseeland, us.w.) nimmt Productionund Consumtion mit jedemJahrezu, dort (in China,Japan, Korea u. s. w. öffnen sich immer mehr die Thore, um dem europäischen Markte Zutritt zu gewähren. Wenn gleich sich noch einzelnen Gegenden hin der deutsche Absatz im Laufe des letzten Dezenniums verzehnfacht haben mag, so ist das doch immer nur ein Anfang ; — ein Anfang, der, unter Zuhilfenahme aller Kräfte ! ausgebaut und erweitert werden muß. Die neuen Postdampfer werden hierbei den bestehenden Linien ganz gewiß nicht das Terrain abgraben, eine er drückende Concurrenz bereiten, vielmehr ihnen eine kräftige Stütze bieten. Man wird sich gegenseitig ergänzen, sehr zum Vorlheile Beider." Nachdem auch das Interesse des Schiffsbaues, der Marine und des Postverkehrs an der Herstellung subven- tionirter Dampferlinien zwischen Deutschland und Ostasien bez. Australien beleuchtet worden, betont die Eingabe zum Schluffe die zu erwartende günstige Rückwirkung auf die colonialpolitischen Bestrebungen Deutschlands. Die Kammer bittet den Reichskanzler, „in den Bestrebungen für das Zustandekommen der Dampfersubventionsvorlage nicht zu erlahmen." Der „Export", das Organ des Centralvereins für Handelsgeographie, bemerkt zu dieser Kundgebung der Kieler Handelskammer: „Niemand wird der gedachten Kammer die Berechtigung für Abgabe ihres Volums, welches sich im Uebrigen gewiß voll ständig durch eine eingehende sachliche Begründung rechlfertigt, absprechen. Abgesehen von der commer ziellen Bedeutung der Stadt Kiel selbst erwähnt man, daß der Vorsitzende der Kammer der größte Rheder in der Provinz Schleswig-Holstein und einer der größten deutschen Schiffseigenthümer überhaupt ist; außerdem sei bemerkt, daß neben ihm noch zwei an dere Rheder und mehrere Kaufleute und Fabrikanten in der Kammer sitzen, welche ein directes Geschäft nach überseeischen Plätzen betreiben — also dürfte es gewiß nicht an der Fähigkeit zur Beurtheilung aller hier berührten jFragen fehlen. Hier spricht jedenfalls nicht die Theorie, sondern die lautere Praxis und wer die Ausführungen der Kieler Kam mer anfechten will, hat die Pflicht, die dargestellten praktischen Verhältnisse wieder aus dem Leben zu widerlegen." "Waldenburg, 8. September 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat nach der Rückkehr von Pots dam nach Berlin seine Spazierfahrten durch die Residenz in gewohntem Umfange wieder ausgenom men. Am Sonnabend conferirte der Kaiser längere Zeit mit dem Minister von Puttkamer. Was die Manöoerreisen am Rhein anbetrifft, so will die „Rhein. Wests. Ztg." erfahren haben, daß der Kaiser auf keinen Fall zu den Manövern des 7. Corps gegen das 8. am 15., 16. und 17. d. M. persönlich erscheinen werde, da er sich etwas ange griffen fühle. Zu den Paraden der beiden Armee corps werde er dagegen erscheinen. Der deutsche Kronprinz ist Sonntag Abend 8 Uhr von Berlin nach Bayern abgereist, um dort in den nächsten 8 Tagen Truppenbesichligungen ab zuhalten. Nach Beendigung dieser Besichtigungen begiebt sich der Kronprinz sofort zu den großen Herbstmanövern an den Rhein, wohin auch Prinz Wilhelm von Preußen Ende dieser Woche abreist. Fürst Bismarck wird, so meldet die „Nordd. Allg. Ztg.", Mitte dieses Monats nach Berlin zu rückkehren, um die Vorbereitungen behufs Einbe rufung des preußischen Staatsralhs zu treffen und demnächst bei dem Kronprinzen die erforderlichen Vorträge zu hallen. Um diese Zeit weilt aber der Kronprinz am Rhein! Dasselbe Blatt bestätigt auch, daß der Kaiser am Sedantage dem Reichs kanzler den Orden xour le mörits mit Eichenlaub verliehen hat. Die Veröffentlichung des bezüglichen kaiserlichen Handschreiben's werde in den nächsten Tagen erfolgen. Staatssekretär v. Bötticher ist aus Varzin wieder in Berlin eingetroffen. Die Publication des Ter mins der Reichslagswahlen kann also nun tag täglich erfolgen. Von den einzelnen Bundesstaats regierungen sind an ihre Behörden bereits die er forderlichen Erlasse gerichtet worden. Von Seiten der Socialdemokraten ist nun in einem Berliner Arbeilerblatt, dem „Volksblatt", auch eine Art Programm veröffentlicht worden. In wesentlichen Punkten, wie z. B. in Steuerfragen rc., stimmt dieses Programm mit dem der Freisinnigen überein, während wieder in anderen Fragen, wie Altersversorgung und Jnvaliditätsansprüche, sich eine Auffassung zeigt, die mit jener der Mittelparteien Harmonik!. Bemerkenswerth an dem Programm ist die Feindschaft gegen die Freisinnigen, die vom ersten bis zum letzten Satze trotz mancher gemein samen Ansichten deutlich erkennbar ist. Ferner ist die Thatsache, daß die Arbeiter den Versorgungs plänen der Regierung nicht mehr ablehnend gegen überstehen, ein Zeichen dafür, daß sich die frühere radikale Auffassung der socialistischen Lehre nicht mehr so sehr geltend macht, sodaß auch Socialdemokraten nun von dem Bestehen des Staates, nicht aber nur vom Umsturz desselben Hilfe erwarten. Das „Volks blatt" ist zwar nicht das offizielle Organ der ganzen Partei, aber es vertritt doch einen großen Theil derselben, und der Umschwung, der sich in Folge der Bismarckschen Socialreform in der Denkungs- weise der Berliner Socialdemokratie vollzogen hat, wird wohl nicht bloß bei den Berliner Socialdemo kraten allein stattgefunden haben. Nachdem in der vorigen Woche erst die Nachricht gekommen war, vr. Nachtigal habe den Ort Little Popo an der Dahomeyküste in Westafrika unter deutschen Schutz gestellt, ist angeblich in London jetzt Mittheilung eingetrossen, das deutsche Kanonen boot „Wolf" habe „die Südwestküste Afrika's zwischen dem 18. und 26 Breitengrade (nördlich von Angra Pequenya) mit Ausnahme der (englischen) Walfischbai annectirt." Die Bestätigung bleibt ab zuwarten. Bekanntlich wird dies ganze Gebiet auch von den Briten beansprucht. Aus dem Kamerun- Gebiet wird noch folgendes Neue gemeldet: Mr. Hewitt, der britische Cousul an der Westküste Afrikas, hat eine Unterredung mit dem Reichscommissar Or. Nachtigal gehabt. Als vr. Nachtigal von Kamerun Besitz ergriff, erklärte er, daß der englische Gerichts hof in dem Orte abgeschaffl werden müsse. Consul Hewitt hob hervor, daß der Gerichtshof von der britischen Regierung gegründet worden und stets gute Dienste leistete. Schließlich wurde die Ver einbarung getroffen, daß der Gerichtshof bis zur Rückäußerung von Berlin und London weiter bestehen soll. Dem Auswärtigen Amt in London soll von den Briten im Kamerun-Gebiet ein Protest gegen die deutsche Annecsion übermittelt werden, worin es heißt, daß der Fluß Kamerun stets unter britischer Controle gewesen und daß die meisten Einwohner gegen die deutsche Occupation sind." Helfen wird der Protest wohl nichts mehr. Herr Lüderitz in Bremen hat übrigens ebenfalls die Nachricht erhal ten, daß das Gebiet nördlich von Angra Pequenya unter deutschen Schutz gestellt ist. Wie eine Majestät läßt Herr Eugen Richter seine Reiseroute (er macht bekanntlich in Wahlgeschäften) in seinem Blatte verkündigen. Sein Moniteur ver meldet: „Eugen Richter verläßt Sonnabend, den 6. September früh 7 Uhr 26 Minuten Berlin und trifft über Stendal und Hannover um 2 Uhr 16 Minuten in Herford und um 3 Uhr 13 Minuten in Lage ein. Vortrag in Lage (Fürstenlhum Lippe)