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Zweites Blatt. WMMKWdmff TharM Uchen, Menlchn md dir Umgegenden. ImlsölsU für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.55 Pf' Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. No. 11». Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Sonnabend, den 18. September 1897. Kaiser Wilhelm in Ungarn. Wiederholt schon hat Kaiser Wilhelm II. seit seinem Regierungsantritte auf ungarischen Boden geweilt, jedoch hierbei noch niemals die Landeshauptstadt Pest betreteu. Die Ungarn haben letzteren Umstand immer gewißermaßm als eine Zurücksetzung empfunden, zumal ja Wilhelm II. bei seinen häufigen Besuchen in Cisleithamen selten nur vsZ"umt hat, Wien mit zu berühren. Der gegenwärtige deutschen Herrschers im Magyarenlande mit einem zweitägigen Verweilen des hohen Herrn m Pest enden, und begreiflicher Weise Zum 14. Sonntage nach Trinitatis. Luk. 14, 15: Selig ist, der das Brot isset im Reich Gottes. , Christus saß eines Tages inmitten einer vornehmen Gesellschaft zu Tische. Der Ton in dieser Gesellschaft war wenig nach dem Sinne des HErrn, und Er nahm keinen Anstand, erst den Gästen und daun auch dem Wirthe den Herzenszustand, den ihr Gebühren verneth, gründlich klar zu machen. Den meisten wird dabei unbe haglich zu Muthe geworden sein: Die Stumm der Wahr heit hören die Leute nicht gern. Nur einem aus der Tischgesellschaft ging die ernste Mahnung Jesu uahe. Er gehörte zu den Sehnsüchtigen, die es auch unter den Vor nehmen allezeit giebt, deren Herz mehr verlangt als Tafel- frenden und ästthetische Genüsse. Darum sprach er zu Jesu: selig ist, der das Brot isset im Reiche Gottes! Frei lich, daß dieser Jesus, der da vor ihm saß, der König des Reiches sei, nach dem er sich sehnte, scheint ihm noch nicht bewußt gewesen zu sein. Da ihm aber der HErr das schöne Gleichniß vom Abendmahl erzählte, also auf seinen Ausruf freundlich einging, so dürfen wir hoffen, daß der Mann schließlich ^esum im Glauben ergriffen und Frieden für seiue Seele gesunden hat. Unter den 3000 am Pfingst morgen wird auch er wohl anzutreffen gewesen sein. Ich wünschte sehr, daß alle Sehnsüchtigen, denen wir im Leben begegnen — es sind viele — schon so weit wären, wie dieser Pharisäer Ich wünschte, sie hätten sämmtlich scholl die Erkenntlich, die er hatte: in Gottes Reich das Brot zu, eßen Burger des Himmelreichs zu sein, daS muß eine selige Sache sein und großen Frieden geben. Denn damit fit etwas anzufangen, weuns auch noch lange kein Christenthum ist. Solchem Menschenkinde kann ich doch sagen: Höre, lieber Freund, du solltest es einmal mit diesem Jesus von Nazareth versuchen! Nimm dir ein wenig Zeit und prüfe ganz unbefangen, was dieser Nazarener gesagt hat, wie Er Seine Worte durch Seiue Thaten gerechtfertigt, wie Er das Leid des Lebens ge tragen, wie Er gestorben ist. Manches zwar wird dich befremden, manches wirst du nicht glauben wollen, aber lies getrost weiter! Schreite von den Evangelien zu Paulus fort und laß Johannes und Jakobus nicht bei seite. Lies aufrichtig; sträube dich nicht, wenn das Wort des Neuen Testaments dir in die Seele und durch's Herz dringt. Das übrige wird Gott der HErr an dir thun, nnd ich freue mich schon auf den Tag, an dem du fröhlich stngen wirst: „Ich habe nun den Grund gc- lU'EN, der meinen Anker ewig hält!" Denn Gottes wunderbare Lebenskraft in fick selber. Ist in deinem Herzensacker, in dem es Wurzel schlagen kann, so keimt und sproßt und blüht A/wVor, und mußte es Steine sprengen. Gottes Sache ist S daun, dem Pflänzchen Regen und Sonnenschein zu weiterer Entwickelung zu geben, und das besorgt Er getreulich. lieber einer Ktrchenthür im alten Städtchen Hoorn in Nordholland steht die Inschrift: Hic msta äoloris., hier hat der Schmerz ein Ende. Im Hause Gottes, wo Kottes Wort erklingt, in diesem Worte Gottes selber wird aller Schmerz gestillt, alles Sehnen befriedigt. Wollt ihr nicht die Probe machen, ihr Sehnsüchtigen? Gemeinde Wilsdruff' Auch über der Thür deines erhabenen nenen Gotteshauses, das morgen die Weihe erhalten soll, steht es geschrieben, wenn auch nicht mit sichtbaren Lettern, auch in ihm kannst du es fortan erfahren: meta äoloris. ist die Genugthuung in der öffentlichen Meinung Ungarns darüber, daß Kaiser Wilhelm nnn zum ersten Male in den Mauern Pests erscheint, keine geringe. Jene spiegelte sich bereits in den überaus warmen und herzlichen Be- grüßungsartikeln wieder, welche die Budapester Blätter ohne Unterschied der politischen Parteistellung dem deut schen Kaiser zn seiner Ankunft in Totis anläßlich der dortigen großen Manöver widmeten, sicherlich wird indeß die stolze Freude der magyarischen Nation über die be vorstehende Anwesenheit des erlauchten Gastes in ihrer Landeshauptstadt ihren Gipfelpunkt bei dem feierlichen Einzuge desselben in Pest erreichen. Großartige Vorbe reitungen sind daselbst zu einem außergewöhnlich glänzen den und festlichen Empfange des Kaisers Wilhelm ge troffen, und ganz im Verhältniß zu diesem äußerlichen Prunk wird zweifellos die Begrüßung des kaiserlichen Gastes seitens der Pester Bevölkerung stehen; nach allen Stnmnungsberichten aus der Metropole Ungarns zu ur- therlen, dürfte Wilhelm II. dort die denkbar begeistertste Aufnahme finden. Gewiß spielt in die weittragende Befriedigung, welche, man kann wohl sagen, alle Kreise des ungarischen Volkes über die jüngste Anwesenheit des deutschen Herrschers in ihrem Lande und namentlich über seinen erstmaligen Be such in Pest empfinden, ein gut Stück von der dem magyarischen Nationalcharakter eigenen Eitelkeit und Selbstgefälligkeit hinein. Aber schließlich tritt doch dieses Gefühl gegenüber anderen, edleren Empfindungen zurück. Die Ungarn fühlen sich von dem impulsiven und ritter lichen Wesen, der kraftvollen Persönlichkeit Wilhelm II. lebhaft angezogen, während sie in ihm außerdem den mächtigen Freund und Verbündeten Kaiser Franz Josefs, das eigentliche Haupt des Dreibundes und den Schirmer des europäischen Friedens begrüßen. Dazu treten dann allerdings noch andere Erwägungen für die Ungarn. L-ie fühlen fich durch die Eutwickeluug der politischen und nationalen Verhältnisse in der cisleithanischen ReiäMalfte, wo die slavischen Aspiratienen auf Kosten des Deutsch- thuMs immer unverhüllter in die ^Erscheinung treten, be unruhigt müssen sie doch auch m ihrem eigenen ^ande stark mit dem wachsenden Selbstbewustseiu der Kroaten, Slovaken usw. rechnen. Das Magyarenthum kann aber gegen die drohende slavische Ueberfluthung der habsburgi schen Doppelmonarchie aus eigener Kraft keinen wirksamen Damm bilden, sondern nur mit der kräftigen Unterstützung des deutschen Reiches und des gesammten Germanenthums, welche Ueberzeugung hauptsächlich es auch ist, die Ungarn zu seiner steten Betonung nnd Pflege der Dreibundsbe- zieyungen bestimmt. Von Kaiser Wilhelm, als dem Schirmherrn des deutschen Reiches, erwarten die Magyaren eine energische Zurückweisung der sie ebenfalls, wie das Deutschthum in Oesterreich, bedrohenden Bestrebungen des österreichischen Slaventhums, und darum begrüßen sie jetzt auch den erlauchten Herrscher mit solcher Genugthuung auf ungarischem Boden. Indessen dürften die Magyaren fich täuschen wenn sie wirklich glauben sollten, Kaiser Wilhelm werde sich bei seinem jetzigen Aufenthalte in ihrem Reiche zu irgend einer öffentlichen Aeußeruug gegen die slavenfreundliche Politik des Ministeriums Badeni bestimmen lasset Er hat es bisher stets streng vermieden, sich über die zu nehmende slavische Gefahr in Oesterreich-Ungarn öffentlich zu äußern er wird dies gewiß auch jetzt nicht thun, schon m Hinblick auf seine enge persönliche" Freundschaft mit Kaffer «franz ^osef. Wohl aber steht zu erwarten, daß er gelegentlich semes Besuches in Pest von Neuem der unentwegten Fortdauer des Dreibundes gedenken wird, und vermuthlich wird es Wilhelm II. hierbei nicht an anerkennenden Worten für die fortgesetzt sich kundgebende entschieden dreibundsfreundliche Haltung der Ungarn fehlen lasten. Es geht denn auch bestimmt die Rede von Toasten, welche bei der Anwesenheit des deutschen Kaisers in der Ofener Hofburg am nächsten Montag gesprochen werden und die eine bedeutsame Ergänzung der Homburger Trink- sprüche bilden sollen. Es würde sich demnach der jetzige Besuch Kaiser Wilhelms auf ungarischer Erde zu einer erneuten markanten Bekundung der mitteleuropäischen Friedensallianz gestalten, das Ereigniß wird daher gewiß bei allen Friedensfreunden Europas sein lautes Echo finden. Schatten der Vergangenheit. Roman von E. Heinrichs. (Nachdruck verboten ) (Uebersetzungsrecht Vorbehalten.) Erstes Kapitel. Der Schnellzug vom Süden war auf dem Hauptbahnhof in Hamburg angekommen, der Abend schon vorgerückt. Die Reisenden beeilten sich daS Innere der Stadt zu erreichen, um unter Dach und Fach zu kommen. Ein junger Mann, der kaum das achtzehnte Lebensjahr überschritten haben mochte, drängte sich mit ganz besonders auffälliger Hast durch die dahin fluchende Menge dem Ausgange zu. ES war eine schlanke aristokratische Gestalt mit einem Ge sicht, in dem sich schwärmerische Weichheit mit trotziger Ent schlossenheit paarte. Die tiefliegenden stahlgrauen Augen bargen in diesem Augenblick Unruhe und Angst und rücksichtslos stieß er einige Herren bei Seite, welche ihm den Ausgang versperrten. „Knverschämier Bursche!- klang es hinter ihm her. Ek wandte sich unwillkürlich mit zorniger Geberde um, eilte aber mit einem unterdrückten Seufzer auf eine Droschke zu, in die er ohne Weiteres hineinsprang. „Hier!" rief er dem verblüfften Kutscher kurz und befehlend iu, ihm ein Goldstück hinreichend. „So rasch als möglich nach dem Hafen?" „Landungsbrücke — St. Pauli, Herr?- fragte der Drosch kenkutscher, respektvoll an den Hut greifend. „Liegen dort Fahrzeuge, um mich nach einem Schiffe zu befördern?" „Gewiß, Herr, die schwere Menge. — Will der Herr noch mit'n Dampfer weg?" „Nein mit dem Segelschiff „Friesland", Kapitän de Boer. - Sw wissen wohl nicht, ob es noch im Hafen liegt?- „Sieh, auf m „Friesland- ist mein Bruder Steuermann,' schmunzelte der Kutscher, „das Schiff liegt schon draußen, segelt heut' Nacht um drei weg." isb danke Ihnen, mein Freund! Nun rasch vorwärts !" Der junge Mann sank wie von einer quälenden Angst befreit, auf den Sitz zurück und im nächsten Augenblick rollte der Wagen davon, von vielen Passagieren, die kein Fuhrwerk mehr hatten bekommen können, mit neidischen Blicken verfolgt. Als die Landungsbrücke erreicht war, fragte der junge Fremde den Kutscher, ob er sich hier wohl irgend einen Matrosen anzug kaufen könne? „Na, Herr, soviel Sie wollen, aber weiter hin an die Vorsetzen, so heißt es da nämlich: Jan, kumm gau mol her!" Der Jollenführer, den der Droschkenkutscher angerufen, kam rasch heran. „Süh, Du bist dor, Hein, „na will de Herr nog en Woaterparthie moaken?- „Jo, de Herr mut nog Herröwer na de „Friesland', gaa mol erst gua mit maa Brennicke, de Herr will sik en Matrosen- Antogg koopen. Aavers gau, Minsch, spoot Di, et is en feine, noble Herr!" Jan nickte, der Kutscher nahm höflich den Hut ab, um sich dem Fremden zu empfehlen und sagte, daß der Jollenführer ihn sicher nach dem „Friesland" hinausrudern werde. Und dann bestieg er seelenvergnügt den Bock, um dem heimischen Stall- zuzulenken, weil ein solcher Passagier zu den Selten heiten des täglichen Lebens gehörte. Schon nach kaum einer Viertelstunde schwamm die Jolle mit dem jungen Fremden, der jetzt mit einer feinen Matrasen- Jacke und einem WachStuchhut bekleidet war, aus dem Hafen hinaus. Er bewunderte den Führer, der ebenfalls ein Goldstück erhalten hatte, wie gewandt derselbe in dem bereits stark däm mernden Sommer-Abend sich zwischen den Schiffen, die im Hafen ankerten, hindurchzuschlängeln verstand und mit welcher ruhigen Sicherheit er die Ruder führte. „Dort liegt der „Friesland"!" sagte er, als sie den Hafen hinter sich hatten. „Es war höchste Zeit für Sie, Herr, um drei lichtet er schon Anker!' Er legte sich nach wenigen Minuten neben die Hübsch- Brigg, deren Umrisse sich scharf aus der Dunkelheit abhoben