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MdmfferTageblatt Rr 35 — 89. Jahrgsug Dienstag, de« 11 Februar 1930 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshanptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 2VRpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs. Pfennig, die 3 gespaltene Reklamczeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 2V Rerchspsennige. Bor geschriebene Erscheiuungs- — , - tage und Platzvorschristen .Verden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berechtigt. A^ annabmebisvorm.lvUhr. — — - - Für die Richtigkeit der durch FernrufübernritteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattansprnch erlischt, wenn derBetrag durcb Klage eingezogen werden muß oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. 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Der Vorhang hebt sich und das Spiel beginnt: die Vertreter des deutschen Volkes sind nun beisammen, um am letzten Akt der Verhandlungen über den Young-Plan entscheidend mitzuwirken und über alles, was sonst noch mit diesem „Neuen Plan' zu sammenhängt. Fast auf den Tag genau ist's ein Jahr her, seit in Paris zum erstenmal der Vorhang sich hob, der erste Akt dieses Spiels begann, das dann im Haag und ans ein paar Nebenbühnen seine Fortsetzungen fand. Von überreichlich starker Kritik ist der Verlauf dieses Spleis begleitet worden und bisweilen steigerte sich diese Kritik noch zu sehr heftigem Protest. In Deutschland wenigstens, denn das Ausland war im allgemeinen mit dem Geschehen auf der Bühne und ihren Schauspielern recht zufrieden. Geschickte Lenker regelten Beifalls- und Miyfallensäußerunqen, — aber die deutschen Akteure wurden ost, allzuoft „an die Wand gespielt'. Es hat ja keinen Zweck mehr, mit nachhinkender Kritik einzelne Schwachen, Mißgriffe, Kunstfehler der deutschen Dele gation in Paris und dann später bei den Haager Kon ferenzen und sonstigen Verhandlungen noch einmal an klagend oder entschuldigend, verstehend oder mißbilligend zu streifen, — ändern läßt sich dadurch an der jetzt vor dem Reichstag stehenden Tatsächlichkeit ebensowenig wie die Wünsche erfüllbar waren, die von den deutschen Dele gationen in diese Liquidierung des Weltkrieges' hinein »litgebracht wurden. Immer stand für sie drohend im Hintergrund die Beibehaltung des Dawes-Plans, türm ten sich außerdem Wirtschaftskrise und deutsche Finanznot zu immer dunkleren Wolken auf Und schon stcbt anck Zwischen den deutschen Parteien, die grundsätz lich fü"^ des Young-Plans sind, n e u e Z w i e - tracht auf. Wie mau es schon mehrfach beschlossen hat, soll der Reichstag bzw. die Rcgierungskoalition es auch durchführen: Young-Plan und Steuererhöhung, besser gesagt: Ordnung derMeichsfinanzen sollen zu- sammcugckoppelt, gemeinsam erledigt werden. Darauf dringt besonders die Zcntrumspartei, die cs schmerzlich empfindet, daß die Saarfrage immer noch nicht „liquidiert' ist, und die auch schwere Bedenken gegen manche Vereinbarungen im deutsch-polnischen Abkommen hat. Nun ist aber namentlich von der Sozialdemokratie schärfste Kritik gegen die Pläne Dr. Moldenhauers geübt worden darüber, wie die Neuordnung der Neichsfinanzcn erfolgen soll, und noch längst ist also ein rasches Fort schreiten in der von dem Reichsfinanzminister gewünsch ten Richtung, ja nicht einmal ein Beschreiten dieses Weges möglich gemacht. Mit steigender Dringlichkeit macht das Zentrum jedoch seine Forderung auf gleichzeitige und gemeinsame Regelung dieser innerlich natürlich auch zu sammengehörigen Fragen geltend; der Einwand, daß die Neuregelung der Finanzen zuviel Zeit erfordere und damit die internationale Ratifizierung des Young-Plans, die Rheinlandränmung usw. verzögere, treffe — nach An sicht des Zentrums — bei einigermaßen gutem Willen nicht zu. Die sich der Ratifizierung des Young-Plans im Reichstag entgegenstellende Opposition wird es natürlich als ihre Pflicht ansehen, beim letzten Akt des Spieles energisch mitzuwirken und die eben angedeuteten Diffe renzen auszunutzen. Die Gegenspieler werden ja größtes Gewicht darauf legen, das Spieltempo nicht schnell werden zu lassen, und können sich dabei auf die unzweideutig ge äußerte Ansicht mehrerer Regierungsparteien berufen, daß Grund zu einer solchen Überstürzung nicht vorliege, viel mehr Zeit genug auch für die finanzielle Neuregelung im Reiche da sei. So wird das Spiel auf der Reichstags bühne — und hinter den Kulissen — weniger ein rasches Tempo als recht stürmische und laute Formen annehmen. Das Zentrum hat schon mehrfach Vorstöße nach der Rich tung hin gemacht, die Koalitionsparteien zu einem gemein samen Vorgehen in all den außen- und innenpolitischen Fragen, die jetzt zur Entscheidung stehen, zu veranlassen: auch das Verhalten des bayerischen Ministerpräsidenten im Neichsrat sollte dementsprechend wirken. Und so wird als eigentliche „Kulissenarbeit" Wohl erst eine Klärung dieser reichlich komplizierten parteipolitisch-parlamentari schen Lage vor sich gehen müssen. Das wird — Zeit kosten. Gerade vor elf Jahren ist ja auch die erste Volks vertretung der neuen Deutschen Republik zusammengekom men und oft genug ist sie und fast jede ihrer Nachfolge rinnen vor schwerste Entscheidungen gestellt worden. Versailles und Londoner Ultimatum, Entscheidung über Oberschlesien und über den Ruhrkampf, dann wieder das Londoner Abkommen mit dem Dawes-Plan. — und nun nahen wieder solche Tage und Stunden, in denen die Vertreter des deutschen Volkes die ganze Wucht der aus ihre Schultern gelegten Verantwortung fühlen werden. Anschlag aus Wands SlaaMtesten. Zwischenfall beim Besuch Strandmanns in Warschau. Als der estnische Staatspräsident Straudmann zur Feier - «in ^h«mg des Ehrcndoktorhutcs an ihn in die Universität fuhr, versuchte ein 42jähriger Mann namens auf das Trittbrett des Autos zu springen. Er e'" Attentat verüben, rutschte jedoch aus, siel und wurde sofort von der Polizei ergriffen .gclnch handelt es sich um einen Geisteskranken. Jie WW des HüM Werker Uoung-Plan im Reichstag. Begründung durch Dr. Curtius. Allem Anschein nach treten mit der diesmaligen Wie dereröffnung des Reichstages die Abgeordneten an eine der schwersten Aufgaben heran, die auf innenpolitischem Gebiete seit der Beendigung des Krieges entstanden sind. Die Abgeordneten sollen entscheiden, ob der Young- oder der „Neue Plan", wie er sich nach Abschluß der zweiten Haager Konferenz gestaltete, von der deutschen Bolksver tretung im ganzen angenommen wird und durch ent sprechende verbindliche Vorschriften Gesetzwirkung erhält Sämtliche Reichstagsfraktionen hielten Montag in Berlin bereits Besprechungen als Vorbereitung für die Dienstag cröffnung der Debatte über die Young-Gesetze ab. Aller Voraussicht nach wird Neichsaußcnminister Dr. Curtius alsbald nach Sitzungseröffnung die Begründung der von der Regierung vorgelcgten Entwürfe übernehmen. Die Tagesordnung des Reichstages für Dienstag umfaßt die Gesetzentwürfe über die Haager Konferenz in Verbindung mit der ersten Beratung des Gesetzentwurfs über das deutsch-amerikanische Schuldenabkommen. In natürlichem Zusammenhang damit stehen die großen finanzpolitisch enFragen, über welche die Frak tionen ebenfalls Montag berieten. Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauer beabsichtigt in den nächsten Tagen die Verhandlungen mit den Sachreferenten der Regierungs parteien über den Haushalt und die Finanzfragen fort zusetzen, um gemäß dem Wunsch des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei eine Klärung bis zur dritten Be ratung der Young-Gesetze zu erreichen. Wann diese statt- findct, ist noch nicht abzuseben denn die Reden nnd Gegen reden im Reichstag werden sicher längere Zeit in Anspruch nehmen. Oie schwierigen Liquidationsabkommen. Nimmt man auch in unterrichteten Kreisen au, daß an einer Mehrheit im Reichstag für die Young-Gesetze nicht zu zweifeln ist, so besteht diese einwandfreie über zeugrmg in bezug auf die verschiedenen LiquidaLions abkommen nicht, besonders nicht mit Hinsicht aus daS Abkommen mit Polen. Andererseits wird darauf hingewiesen, eine Geneh migung der Young-Gesetze ohne die gleiche für sämtliche mit ihnen verbundenen Liquidationsvereinbarungen könne die Ratifikation der Haager Abmachungen namentlich in Frankreich in Frage stellen. In Paris hatte der deutsche Botschafter von Hoesch am Sonntag eine Unterredung mit dem von London zurückgekehrten Ministerpräsidenten Tardieu, bei der über die Haager Ergebnisse nnd du- Erwartungen in Deutschland und Frankreich gesvro^ worden sein soll. Oie Ostpolitik. Zum Polenabkommeu veröffentlicht die in Karlsruhe er scheinende Badische Presse einen Berliner Brief, der ihr der Angabe nach von einer Seite zuging, die sich mit der Frage ein gehend beschäftigt hat. Der Artikel wirft die Frage auf: Was wäre passiert, wenn Deutschland das Liquidationsabkommen nicht abgeschlossen hätte? Die Antwort lautet: Sicher wäre dann mit folgendem zu rechnen: Polen hätte den Young-Plan nicht akzeptiert, Polen hätte den letzten Nest des deutschen Großgrundbesitzes liquidiert. Ferner hätte damit gerechnet werden müssen, daß Polen das Wiederkaufsrecht rücksichtslos gegen die 12 000 Besitzer von deutschen Nentengütern an- aewcndet hätte Der Artikel fährt dann fort, man sei über zeugt daß cs besser sei. durch vertragsmäßige Bindung Polen das Handwerk zu erschweren, statt aus zweifelhaften Rechts- positiöncn sitzcnzuAeibcn Es wird unterstrichen, daß aus den Erklärungen der maßgebendsten Staatsmänner hcrvorgehe, daß ein Kurswechsel in unserer Ostpolitik weder im Vertrag liege noch an den maßgebenden Stellen beabsichtigt sei. * Das Zentrum bleibi standhaft. E r st K a s s e n s a n i e r u n g — d a n n Y o u n g - P l a n. Die Neichstagsfraktion des Zentrums hat sich in ihrer Montagssitzung in der Hauptsache mit dem Young-Plan und dem Vorgehen der Fraktion beschäftigt. Dabei hat sie einstimmig das Vorgehen des Vorstandes ge billigt, der, wie erinnerlich, in der Besprechung der Parteiführer darauf gedrungen hat, daß noch vor der dritten Lesung des Young-Plans eine gesetzlich g e - sicherte Sanierung der Rrichskasse zustande- kommt. Im Auftrage der Fraktion sind die Kabinetts- mitglicder des Zentrums, von Gu^rard, Dr. Itegerwald und Wirth, sofort beim Reichskanzler vorstellig geworden, um die Auffassung ihrer Fraktion erneut in ganzer Tra g- weite zur Sprache zu bringen. Der Reichskanzler gab in der Sitzung der sozialdemokratischen Fraktion Mit teilung von dem Schritt der Zentrnmsminister. Wertere Ergebmffe der Araktioirsberaiungen. über das Ergebnis der übrigen Fraktionssitznngen wird weiter bekannt, daß die D em ö k r a te n den Young- Gesetzen und auch den Liquidationsabkommen zustimmen werden. Die Stellung der Fraktion zum Young-Plan wird im Reichstag an erster Stelle Abgeordneter Dr. Dernburg vertreten. In der Sitzung der v o l k s p a r t e i l i ch e n Reichs- tagssraktion würde unter anderem erörtert, welche außen politischen Wirkungen eine Verzögerung des Abschlusses des Liquidationsabkommens mit Polen haben könnte. An der Aussprache hierüber beteiligte sich auch Neichs- außenminister Dr. Curtius. Die Genehmigung der Young- Gesetze durch die Deutsche Polkspartei dürfte festlichen. Snowden für Abrüstung. Rüstungen rufen Kriege hervor. Mit Bezugnahme auf die zurzeit in London tagende Seeabrüstungskonferenz hielt Schatzkanzler Snowden eine Rundfunkansprache, die in den Vereinigten Staaten und Kanada verbreitet wurde. Er sagte darin u. m: Die Flottenabrüstung geht bisher befriedigend von- statten und ihre Beschlüsse werden, wie ich glaube, den Nationen auf dem Weg zur allgemeinen Abrüstung vor wärtshelfen. Jede große Macht, mit Ausnahme Deutsch lands, das unter Zwang abgerüstet hat, gibt heute viel mehr für Rüstungen aus als vor dem großen Kriege. Die Nationen der Welt wenden jährlich 4,50 Milliarden Dollar für Rüstungen auf, wovon 60 Prozent auf die europäischen Länder, 20 Prozent auf die Vereinigten Staaten und 20 Prozent auf die übrige Welt entfallen. Der törichte Lehr satz, daß Vorbereitung die beste Politik sei, um Kriege zu vermeiden, hat sich als vollkommen falsch erwiesen. Rüstungen rufen Kriege hervor und erwecken bei inter nationalen Meinungsverschiedenheiten stets den Wunsch, auf sie zurückzugreifen, um die eigenen Forderungen durchzusetzen. In Wirklichkeit aber bringt ein Krieg nie mals eine Lösung und gibt nicht einmal den Siegern das Gefühl der Sicherheit. * Vie Seesbriifiung Zuversichtliche Auffassung Macdonalds Im Englischen Unterhaus erklärte Ministerpräsident M a c d o n a l d, die Seeabrüstungskonferenz habe auf der ganzen Linie Fortschritte gemacht, und man sei einem Ab kommen über die Methode der Rüstungsbeschränkungen, die seit Jahren die Fortschritte der vorbereitenden Äb- rüstungskommission hemmten, näher gekommen. Mac donald fügte hinzu, die Frage des Gleichgewichts der Scc- kräftc sei mit Aufrichtigkeit erörtert worden. Aussifch-ösuische Spannung Nachklänge zum Tscherwonzenfälschcrprozeß. Die russische Presse gefällt sich fast durchgängig in starken Angriffen gegen Deutschland wegen des freisprechenden Urteils im kürzlich abgeschlossenen T s ch e r w o n z e n s ä l s ch e r p r o z e ß. Das Urteil, sagen die russischen Zeitungen, stelle eine offene Herausforde rung der Sowjetunion dar. Das Berliner Gericht habe sich in vollem Umfange den von der Verteidigung dec Fälscher ausgestellten Grundsatz zu eigen gemacht, jeder Angriff auf die Sowjetunion entspreche den politischen Interessen Deutschlands, jedes nachgewiesens offenkundige Verbrechen höre ans, ein Verbrechen zn sein, wenn cs sick> gegen die Sowjetrepublik richte. Das Berliner Gericht habe den vollen Beweis geliefert, daß Deutschland im Lager der Feinde Sowjetrnßlands stehe. Wie könnten die verantwortlichen Leiter der Deutschen Republik etwa glau den, es werde ohne Einfluß auf die politischen und wirt schaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und oer Sowjetunion bleiben, wenn sie des Glaubens wären, aus deutschem Boden sei gegenüber Sowjetrußland alles er lanbt? Der Vertrag von N a p a k lo lege selbstverständlich nicht nur der Sowjetunion, sondern auch Deutschland klace Verpflichtungen auf. Durch Taten und nicht durch Worte müßten die Führer der deutschen Politik beweisen, daß sic der gleichen Auffassung seien. Von deutscher Seite wird in halboffizieller Form darauf hiugewiesen, daß die deutsche Öffentlichkeit nach jeder Richtung hin die politischen Bestrebungen der Angeklagten verurteilt, die gegen den Be stand der befreundeten Sowjetmacht gerichtet waren. An dererseits sollten die Moskauer Organe doch auch Vcr ständnis dafür haben, daß die deutsche Rechtsprechung keine K l a s s e n g e r i ch t s b a r k e i t ist und daß sie sici durch keinerlei politische Gesichtspunkte beeinflussen lassen darf. Wie das ganze Gerichtsverfahren selbst, so habe sich auch das Urteil des Berliner Gerichts vollkommen im Rahmen der deutschen Rechtsprechung gehalten, deren Ob jektivität nach keiner Richtung hin anzuzweifeln sei.